| Titel: | Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. | 
| Autor: | M. Richter | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 87 | 
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                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der
                           								Gegenwart.
                        Von Ingenieur M. Richter,
                           								Bingen.
                        (Fortsetzung von S. 72 d. Bd.)
                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
                        
                     
                        
                           Ein zweites Muster der im vorstehenden beschriebenen Bauart ist:
                           3. Die Schnellzaglokomotive der Ungarischen Staatsbahn;
                              									gebaut 1891 bis 1895 in grosser Zahl in den Bahnwerkstätten
                              										Budapest, zu den Normalien der Bahn gehörend, ist sie in
                              									Leistungsfähigkeit und Abmessungen der vorigen fast gleich, nur in der Bauart
                              									verschieden (Fig. 66).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 87
                              Fig. 66. Ungarische Staatsbahn.
                              
                           Sie ist bestimmt, auf wagerechter Strecke einen Zug von 360 t h. T. mit 70 und einen
                              
                              									solchen von 160 t h. T. mit 90 km/Std. zu befördern, wozu in beiden Fällen eine
                              									Leistung von etwa 700 PS gehört; die Fähigkeiten des Kessels, bis 1060 PS gehend,
                              									sind daher nur sehr massig ausgenutzt. Dabei ist aber zu bedenken, dass die
                              									verfügbare Leistung von 1060 PS für Steinkohlenfeuerung gerechnet ist, während diese
                              									Lokomotive schlechte Braunkohle verfeuern soll. Dem um 50 v. H. geringern Heizwert
                              									derselben entspricht dann auch eine um 30 v. H. geringere Leistung, welche immer
                              									noch so hoch ist, dass sie bei gleichem Brennstoffe von einer einfachen
                              									Zwillingslokomotive nicht erzielt werden könnte. Die spezifische Leistung von 5,3
                              										PS/qm ist
                              									daher in diesem Falle sogar gut zu nennen; ohne Anwendung einer grossen Rostfläche,
                              									teils zur Schwächung des Luftzuges, teils zur Vergrösserung des möglichen
                              									Brennstoffverbrauches in der Zeiteinheit, wäre nicht einmal diese Zahl zu erwarten
                              									gewesen. Setzt man nämlich gleiche Umstände voraus, so verhalten sich jedenfalls die
                              									möglichen Leistungen einerseits wie die Heizwerte der Kohlen, andererseits wie die
                              
                              									Rostflächen; da die Heizflächen der vorigen und dieser Lokomotive gleich sind, so
                              									kann daher gesetzt werden:
                           
                              \frac{N_1}{N_2}=\frac{\frakfamily{w}_1}{\frakfamily{w}_2}\,\cdot\,\frac{R_1}{R_2},
                              
                           
                              
                                 oder für
                                 w1 =
                                 4000
                                 Cal./kg
                                 (Braunkohlen)
                                 
                              
                                 
                                 w2 =
                                 7500
                                 „
                                 (Steinkohlen)
                                 
                              
                                 
                                 R1 =
                                 3
                                 qm
                                 (ungar. St.-B.)
                                 
                              
                                 
                                 R2 =
                                 2,6
                                   „
                                 (russ. St.-B.)
                                 
                              
                                 
                                 N2 =
                                 1060
                                 PS
                                     „        „
                                 
                              
                           wird N_1=\frac{4000}{7500}\,\cdot\,\frac{3}{2,6}\,\cdot\,1060=660\mbox{ PS}.
                           Da aber tatsächlich etwa 700 PS zu leisten sind, so ist entweder die Lokomotive
                              									vorzüglicher, oder die Kohle besser als hier angenommen.
                           Besonderheiten sind: Die Zylinderanordnung ist dieumgekehrte von der vorigen;
                              									der Hochdruckzylinder liegt nämlich hinten, der Niederdruckzylinder vorn, die
                              									gemeinsame Achse wagerecht, was bei den äusseren Rahmen möglich war. Nach veraltetem
                              									süddeutsch-österreichischen Muster liegt alles aussen: Zylinder, Rahmen, Federn,
                              									Steuerung, Schieber, was wohl für die Zugänglichkeit bei Reparaturen gut, sonst aber
                              									zu verwerfen ist. Bei einem Zylinderraumverhältnis von 2,35 ist infolge der
                              									kongruenten Füllungen ebenfalls noch keine günstige Dampfausnützung zu
                              									erreichen.
                           Die, wie erwähnt, für Braunkohlenfeuerung eingerichtete Feuerbüchse ist niedrig, sehr
                              									lang, und der schräge Rost liegt noch über der hinteren Triebachse. Die Rauchkammer
                              									hängt weit über das Drehgestell vor, ist vor dem Kamin ziemlich verlängert und trägt
                              									ein langes, weites, zylindrisches Kamin, welches sich unten erweitert, so dass die
                              									Bedingungen des sanften Luftzuges alle vorhanden sind, und von dem früher üblichen
                              									Funkenfangaufsatz auf dem Kamin sogar abgesehen werden konnte. Dem zehnjährigen
                              									Bestehen der Bauart zufolge liegt der Kessel noch ziemlich tief. –
                           Was die Ruhe des Ganges bei der Tandem-Bauart im
                              									allgemeinen betrifft, so ist die letztere vom theoretischen Standpunkte immerhin in
                              									einer Hinsicht besser dran als die Vauclainsche. Mit
                              									derselben hat sie gemeinsam die Anbringung der hin- und hergehenden Massen auf einem
                              									einzigen Kreuzkopf, was zur Vermeidung des Schlingerns angemessen hohen Ausgleich
                              									durch drehendes Gegengewicht erfordert und entsprechend hohe Schwankungen des
                              									Raddruckes hervorbringt; jedoch unterscheidet sie sich von derselben dadurch, dass
                              									die Kolben hintereinander auf einer Stange sitzen und in dieser nur Zug und Druck
                              									erzeugen, so dass besondere Beanspruchungen bezw. Verstärkungen ausgeschlossen sind.
                              									Die Tandem-Bauart nimmt daher zwischen Zwillings- und Vauclainscher Bauart in bezug auf Massenausgleich gerade die Mitte ein.
                              									Für Schnellbetrieb sollte sie also nicht mehr angewendet werden, da es sich darum
                              									handelt, die Zwillingsmaschine nicht nur in ökonomischer (Verbundsystem), sondern
                              									auch dynamischer (Massenausgleich) Beziehung zu verbessern, aber nicht sie zu
                              									verschlechtern. Dem kann entgegengehalten werden, dass es für Russland wenigstens
                              									auf Schnellfahren überhaupt nicht ankommt, sondern auf Sparsamkeit und leichte
                              									Reparaturfähigkeit, und dass. in Ungarn, welches nebenbei gesagt, trotz seiner
                              									grossen Tiefebene im Schnellfahren ebenfalls gar nichts leistet, die Tandem-Bauart
                              									bereits wieder ausgelebt hat.
                           Endlich ist noch dazu zu bemerken, dass die russische Bauart das Aeusserste zeigt,
                              									was das System Tandem an Ausbildung zulässt, und dass
                              									sich damit bedeutend leichter das Schnellfahren riskieren liesse als mit der
                              									ungarischen. Die letztere zeigt äussere Rahmen, durch welche die Zylinder weit
                              									auseinander geschoben und die Schlingermomente, ohnehin schon gross genug, noch
                              									verstärkt werden; der Radstand ist ferner verhältnismässig kurz, so dass die
                              									widerstehenden Querkräfte des Geleises keine gehörig langen Hebelarme haben, und die
                              									schweren Niederdruckzylinder hängen endlich frei über; alles zusammen muss zu dem
                              									Urteil führen, dass sich eine solche Anordnung wohl für Güterzug-, aber nicht im
                              									geringsten für Schnellzuglokomotiven eignet.
                           
                           Grundsätzlich richtig sind nur die beiden Systeme: de
                                 										Glehn und Webb – v. Borries.
                           Betrachtet man diese beiden Systeme in der Reihenfolge ihrer Entstehung, so ist das
                              									auch zur grössern Verbreitung gelangte System de Glehn
                              									vorauszunehmen. Dasselbe kennzeichnet sich durch natürlichen Massenausgleich mittels
                              									gegenläufiger Kolben, welche an zwei verschiedenen, aber unter sich gekuppelten
                              									Achsen angreifen. Diese Art des Antriebs ist rein geschichtlich begründet und hat
                              									keineswegs irgendwelche theoretischen oder konstruktiven Vorteile vor dem System Webb – v. Borries, wo alle vier Kolben auf dieselbe
                              									Achse wirken. Im Gegenteil, die ganze Anordnung des Triebwerks, Rahmens und der
                              									Steuerung ist verwickelter und der Ausgleich der Massen und Kräfte durchaus nicht
                              									einheitlich.
                           Es ist sonderbar, dass der Ausgangspunkt der beiden Systeme, welche die grösste Rolle
                              									im Schnellbetrieb spielen und noch spielen werden, die Webbsche Bauart war; an sich nicht weiter brauchbar, und auf das Gebiet
                              									der engl. Nordwestbahn beschränkt, gelangte dieselbe durch eine kleine Aenderung in
                              									ihrer neuen kontinentalen Form zur heutigen Bedeutung.
                           Ausgehend vom altern System Webb mit zwei freien
                              									Triebachsen, deren hintere von den zwei aussen liegenden H. D. Z., und deren vordere
                              									von dem inneren N. D. Z. angetrieben wurde (Kl. IIb), während die Rauchkammer von
                              									einer Laufachse getragen war, Entstehungsjahr 1882, schuf die elsässische
                              									Maschinenbaugesellschaft Grafenstaden–Mülhausen–Belfort im Jahre 1886 eine in der
                              									Achsanordnung gleiche Schnellzuglokomotive für die französische Nordbahn. Die
                              									Triebachsen waren ebenfalls nicht gekuppelt; jedoch wurde die vordere von zwei
                              									inneren H. D. Z. (unter der Rauchkammer untergebracht), die hintere von zwei
                              									äusseren N. D. Z. angetrieben; die Schieberkästen der letztern lagen wie bei den Webbschen Maschinen, unter denselben. Diese Maschine
                              									zeigte sich auf der Pariser Ausstellung 1889. Im Jahre 1891 wurde dann die erste 2/4 gek.
                              									Vierzylinder-Verbundmaschine vom gleichen Werk an die Nordbahn geliefert, wobei die
                              									vordere Laufachse der vorigen durch ein Drehgestell ersetzt, die beiden Achsen
                              									gekuppelt, und die Zylinderpaare miteinander vertauscht, also die H. D. Z. nach
                              									aussen, die N. D. Z. nach innen gelegt waren. Nun begann die Reihe der grossen
                              									Leistungen, welche dieser Verbundbauart zu allgemeiner Anerkennung verhalfen und ihr
                              									einen solchen Namen machten, dass nach kurzer Zeit sämtliche französischen
                              									Hauptbahnen zu ihr übergingen; die Abmessungen wurden immer mehr verstärkt und so
                              									entstand die heutige französische Schnellzuglokomotive, welche
                              									Geschwindigkeitsrekorde für die ganze Erde geschaffen hat und, obwohl nur
                              									vierachsig, Leistungen bis 1200 PS dauernd entwickelt. Im französischen
                           
                              
                                 
                                 West
                                 Staat
                                 Nord
                                 P. L. M.
                                 P. O.
                                 Süd
                                 Ost
                                 
                              
                                 Zylinderdurchm. \frac{d_1}{d_2}
                                 mm
                                 340/530
                                 340/530
                                 340/530
                                 340/540
                                 340/550
                                 340/550
                                 340/550
                                 
                              
                                 Kolbenhub s
                                 „
                                 640
                                 640
                                 640
                                 620
                                 640
                                 640
                                 640
                                 
                              
                                 Triebraddurchm. D
                                 „
                                 2010
                                 2130
                                 2130
                                 2000
                                 2090
                                 2130
                                 2070
                                 
                              
                                 Kesseldruck p
                                 at
                                 14
                                 15
                                 15
                                 15
                                 15
                                 15
                                 15(16)
                                 
                              
                                 Heizfläche H
                                 qm
                                 133,7
                                 157,5
                                 173,0
                                 189,5
                                 175,6
                                 173,3
                                 184,7
                                 
                              
                                 Rostfläche R
                                 „
                                 2,4
                                 2,05
                                 2,3
                                 2,48
                                 2,46
                                 2,49
                                 2,52
                                 
                              
                                 Dienstgewicht Q
                                 t
                                 43,5
                                 50,0
                                 52,4
                                 55,5
                                 55,0
                                 56,6
                                 59,2
                                 
                              
                                 Adhäsionsgewicht Qa
                                 „
                                 31,0
                                 32,1
                                 32,4
                                 33,5
                                 33,5
                                 34,0
                                 33,8
                                 
                              
                           Fahrplan wird etwa in 30 Fällen die durchschnittliche
                              									Geschwindigkeit von 90 km/Sd. überschritten, und darunter sind mehrere über
                              									100 km/St. Auf
                              
                              									derPariser Weltausstellung 1900 waren allein von 2/4 gek. Lokomotiven 6 Stück des Systems
                              										de Glehn ausgestellt, von den ⅖ und ⅗
                              									abgesehen.
                           Von den französischen modernen Mustern dieser Art sind
                              									hier die Hauptabmessungen des Vergleichs wegen in vorstehender Tabelle
                              									zusammengestellt.
                           Die Tabelle zeigt, dass die Unterschiede nicht gross sind; ebensowenig ist in der
                              									äussern Form Abwechslung vorhanden. Es laufen jetzt etwa 260 Stück im ganzen, welche
                              									folgende Punkte gemeinsam haben:
                           Sämtliche Kessel haben 94 bis 133 Serve-Rohre, wodurch eine bedeutende Vermehrung der
                              									Heizfläche bei gleichzeitiger Gewichtsverminderung erzielt wird. Obwohl von ersterer
                              									nur 75 v. H. als wirksam angenommen werden sollen, ist die letztere doch derartig,
                              									dass das Verhältnis \frac{H}{Q} (qm/t) sehr zu Ungunsten der deutschen Lokomotiven
                              									ausfällt, wobei noch zu bedenken ist, dass für das angezogene Beispiel No. 1 die
                              									Hälfte der Zylinder nebst Triebwerken deutscherseits fehlt; nämlich:
                           
                              
                                 Bauart
                                 Bahn
                                 HeizflächeH
                                    											(qm)
                                 Dienst-gewichtQ
                                    											(t)
                                 \frac{H}{Q}qm/t
                                 
                              
                                 2/4 Heissdampf
                                 Preuss. St. B.
                                 105 + 30
                                 55
                                 2,46
                                 
                              
                                 2/4 4 Zyl.-Ver-    bund
                                 „
                                 119
                                 51
                                 2,34
                                 
                              
                                 „
                                 Paris-Lyon-Mittelmeer
                                 190 . 0,75
                                 56
                                 2,56
                                 
                              
                           Die französische Bauart muss daher vorteilhafter erscheinen, um so mehr, als sie
                              									imstande war, „Rekorde“ zu schaffen und die Fahrpläne endgültig zu
                              									beeinflussen, während in Deutschland, von dem Verhältnis \frac{H}{Q} einmal
                              									abgesehen, von der Existenz auch der besten und grössten Lokomotiven im Fahrplan
                              									ebensowenig eine Spur zu bemerken ist, als in Oesterreich; dafür liefert die
                              									badische Staatsbahn das beste Beispiel.
                           Hinsichtlich der Maschine ist zu bemerken, dass stets die H. D. Z. aussen, die N. D.
                              									Z. innen liegen. Ausgleich der hin- und hergehenden Massen durch Gegengewicht ist
                              									meist vernachlässigt. Häufig sind die Kurbeln nicht um 180, sondern um Winkel von
                              									162° versetzt, was das Anfahren erleichtert. In betreff der Steuerungen, Umsteuerung
                              									und Anfahrvorrichtungen im allgemeinen sei auf den Anfang des Kapitels verwiesen.
                              									Die elsässische Maschinenbau-Gesellschaft Grafenstaden erlässt in bezug auf die
                              									zusammengehörigen Füllungsgrade zur Erleichterung der Bedienung die Vorschrift, dass
                              									beim Schnellfahren die Füllung des N. D. Z. immer um 20 v. H. grösser als die des H.
                              									D. Z. und überhaupt nie kleiner als 45 v. H. sein soll; dadurch ist wenigstens das
                              									Ausprobieren für die Mannschaft erspart. –
                           4. Die Schnellzuglokomotive der französischen Südbahn
                              									ist im Jahre 1896 bei Schneider, Creusôt, entstanden
                              									und in verschiedenen Serien mit wachsender Verstärkung gebaut worden. Im Jahre 1900
                              									war eine Maschine der vorletzten Serie in Paris ausgestellt. Die letzten 10 Stück
                              									von der stärksten Sorte stammen aus Belfort vom Jahre 1900; diese sind in der
                              									Tabelle enthalten und durch Skizze und Bild wiedergegeben (Fig. 67a, b).
                           Einzelheiten: Feuerbüchse mit Tenbrink-Sieder als
                              									Feuerbrücke; langer Rost, über die Hinterachse hinausgehend, ziemlich geneigt, im
                              									vorderen Teil mit Klapprost; Kessel teleskopisch, weitester Schuss an der
                              									Rauchkammer; letztere 2 m lang, weit vor das Kamin hinausragend, 111 Serve-Rohre.
                              									Drehgestell mit Aussenrahmen, Federn sämtlich unabhängig, daher Stützung in 8
                              									Punkten.
                           
                           Die Kurbeln einer Seite sind um 162°, die beiden Seiten um 90° versetzt. Die
                              									Umsteuerung kann für beide Maschinen gleichzeitig oder getrennt nach Belieben
                              									erfolgen, so dass alle möglichen Füllungsverhältnisse vorkommen. Die
                              									Anfahrvorrichtung ist der „servo-moteur“, ein durch Dampf bewegter
                              									Wechselschieber. Sicherheitsventil am Verbinder auf 6 Atm.
                           Wengerbremse bei den früheren, Westinghouse- bei den zehn letzten Maschinen, auf jede Triebachse
                              									einseitig, und auf die vordere und hintere Tenderachse zweiseitig wirkend.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 89
                              Fig. 67a.Französische Südbahn.
                              
                           Diese leistungsfähigen und hoch eleganten Lokomotiven sind dazu bestimmt, auf den
                              									Linien Bordeaux–Cette und Bordeaux–Irun Züge von 175 t h. T. mit 100 und von 300 t
                              									h. T. mit 80 km/Std. auf Steigungen bis zu 1 : 200 zu befördern, wozu bis zu 1200 PS
                              									erforderlich sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 89
                              Fig. 67b.Französische Südbahn.
                              
                           Ferner kommen im Betriebe folgende Leistungen vor:
                           200 t mit 110, 250 t mit 100, 350 t mit 90 km/Std. auf günstigen Strecken, sämtlich Nutzlasten
                              									hinter dem Tender.
                           Aus den Probefahrten ist mitzuteilen, dass am 27. April 1897 die Strecke
                              									Bordeaux–Morcenx, 109 km, mit einem Zug von 145 t h. T. mit 100 t km/Std. und mit
                              									einem Zug von 300 t h. T. mit 85 km/Std. trotz der endlosen Steigungen von 1: 200
                              									befahren wurde, während man abwärts Geschwindigkeiten von 124 bezw. 110 km/Std.
                              									einhielt.
                           Ferner werden im Eilgüterzugsdienst mit einem Zuge von 600 t h. T. 40 km/Std. aufwärts
                              									und 64 km/Std.
                              									abwärts auf 1 : 167 gefahren, wozu im ersten Falle trotz der geringen Tourenzahl
                              									etwa 1000 PS erforderlich waren.
                           Maschine No. 1760 wurde eine Zeit lang im Jahre 1897 auf der französischen Ostbahn
                              									Versuchen zum Vergleich mit der Flaman-Lokomotive (2/4 gek.
                              									Zwillingsmaschine mit Doppelkessel) unterworfen und blieb dabei in jeder Beziehung
                              									Siegerin. Nachdem sie hierauf in Brüssel 1897 ausgestellt worden war, machte sie
                              									einenMonat lang Probefahrten auf der belgischen Staatsbahn zwischen
                              									Schaerbeck–Ostende und Schaerbeck–Ans, wo ein Dynamometerwagen zugezogen war. Dabei
                              									wurde ein Zug von 220 t h. T. von Schaerbeck nach Ans, 93 km in 56 Minuten
                              									befördert, was noch nie vorher einer Lokomotive gelungen war; es entspricht dies
                              									einem Durchschnitt von 99,7 km/Std. und einer wahrscheinlichen Leistung von gegen
                              									1200 PS durchschnittlich.
                           Aus dem Fahrplan ist endlich zu berichten, dass diese Lokomotiven mit dem Süd-Express
                              									von etwa 160 t Gewicht die Strecke Dax–Bordeaux, 148 km, in 1 Std. 35 Min. abwärts,
                              									bezw. 1 Std. 37 Min. aufwärts, d.h. mit 93,5 bezw. 91,5 km/Std. – und die Strecke Dax–Bayonne, 50
                              									km, in 30 Min abwärts bezw. 33 Min. aufwärts, d.h. mit 100 bezw. 91 km/Std.
                              									durchschnittlich zurücklegen.
                           Diese Zahlen reden eine deutliche Sprache!
                           5. Die Schnellzuglokomotive der
                                 										Paris-Lyon-Mittelmeerbahn, erbaut in Batignolles 1900, ist die neueste Form
                              									der im Jahre 1892 auf dieser Bahn eingeführten de
                                 									Glehnschen Bauart, welche nun im ganzen in 201 Stück daselbst vertreten ist und
                              									in drei verschiedenen Serien sich zu dieser in Paris 1900 ausgestellten Form
                              									entwickelt hat. Das Aeussere unterscheidet sich in mehrfacher Beziehung von den
                              									anderen Lokomotiven dieser Art in Frankreich (Fig.
                                 										68).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 89
                              Fig. 68. Paris-Lyon-Mittelmeer-Bahn.
                              
                           Zunächst fällt die sehr weit getriebene Ausbildung der Luftschneideflächen auf;
                              									sämtliche Vorderflächen sind mit abgeschrägten Blechwänden verkleidet, nicht nur
                              									Rauchkammer und Führerstand, sondern auch Kamin, Dom usw. mit sämtlichem Zubehör;
                              									von dieser strengen Durchführung ist jedenfalls eine fühlbare Verminderung des
                              									Luftwiderstandes zu erwarten. Die erwähnte Bahn ist hierin nicht nur am weitesten
                              									gegangen, sondern sie war auch die erste überhaupt, welche Luftschneideflächen
                              									anwendete und zwar bei der Serie 1894, den Vorläufern der hier zu besprechenden. In
                              									Frankreich wurden diese Maschinen „locomotives à bec“ (Schnabel-Lokomotiven)
                              
                              									getauft.
                           Ausserdem war die P.-L.-M.-Bahn die erste, welche das heutige de Glehnsche Verbundsystem anwendete, und zwar seit 1889, in welchem Jahre
                              									sie bereits solche Maschinen auf der Pariser Weltausstellung vorführte. Die
                              									Anordnung ist im allgemeinen dieselbe, wie bei den übrigen Lokomotiven dieser Art;
                              									H. D. Z. aussen, N.-D.-Z. innen, Kurbelwinkel 180°. Zum Anfahren dient der
                              										„Servo-moteur“, von Pressluft betrieben. Die H. D. Z. haben Heusinger-, die N. D. Z. Gooch-Steuerung, sämtliche Zylinder haben Trick-Schieber ohne innere
                              									Deckung. Die Umsteuerung erfolgt in der Weise (an Stelle der früheren
                              									Dampfsteuerung), dass die Steuerschraube der H.-D.-Z. einen Schlitten auslöst,
                              									welcher in den beiden Endstellungen durch Federn festgehalten wird und die Steuerzugstangen der
                              									N. D. Z. führt; während daher für die H. D. Z. ganz beliebige Füllung gegeben werden
                              									kann, ist die Füllung der grossen Zylinder für beide Fahrtrichtungen konstant, und
                              									zwar 63 v. H.
                           Die Feuerbüchse, über der Hinterachse beginnend, hat bei gehöriger Länge und Tiefe
                              									einen stark geneigten Rost, mit kippbarem Schlackenrost an der Rohrwandseite. Die
                              									gemauerte Feuerbrücke reicht, dem Rost parallel gehend, bis in die Mitte der
                              									Feuerbüchse; über dem Feuerloch befindet sich ausserdem ein Blechschirm, welcher die
                              									Heizgase mit verteilen hilft; in diese kann durch einen Gitterschieber in der Tür
                              									Luft geschickt werden. Der Regulator hat äussere Zugstange.
                           Das sehr weite, zylindrische, zur Dämpfung des Feuers mit drehbarem Deckel versehene
                              									Kamin enthält einen sonderbaren konzentrischen Kern, welcher, in der Mitte
                              									aufgetrieben, sich nach oben langsam, nach unten rasch verjüngt und im Blasrohr
                              									sitzt. Dieser Hohlkörper aus Blech verteilt den auspuffenden Dampfstrahl ringförmig
                              									im Schornstein, wobei noch das Blasrohr selbst verstellbar ist
                              									(„Froschmaul“):
                           Das Drehgestell erhält Führung und Druck durch einen grossen mittleren Kugelzapfen,
                              									dessen Matrize auf einer grossen dachförmigen Platte mit wagerechten, der
                              									Längsrichtung der Lokomotive nach liegendem Giebel sitzt, so dass die Pfanne bei
                              									einer Seitenverschiebung (beiderseits 15 mm) aufsteigt; durch den Druck dieser
                              									Keilflächen, infolge der Hebung des Vorderteiles der Lokomotive, wird die
                              									Rückstellung bewirkt.
                           Durch die Einführung dieser grossen Lokomotiven ist es gelungen, die Strecke
                              									Paris-Marseille, 863 km, in 11 Std. 29 Min., d.h. mit einer Reisegeschwindigkeit von
                              									75,2 km/Std.
                              									zurückzulegen, wobei die Teilstrecken Valence–Avignon, 124 km, Dijon–Laroche, 160
                              									km, und Lyon–Valence, 106 km, mit bezw. 85,5, 85,3 und 82,6 km/Std.
                              									durchschnittlich befahren werden, um von den Geschwindigkeiten unter 80 km/Std. nicht zu
                              									reden.
                           Aehnliches kann von den gleichartigen oder ähnlichen Lokomotiven der übrigen
                              
                              									französischen Bahnen berichtet werden. So z.B. legt die Maschine der Nordbahn mit
                              
                              									Zügen von 160 t h. T. die Strecke Paris–Amiens, 131 km, fahrplanmässig in 1 Std. 25
                              									Min. zurück, d.h. mit 92,5 km/Std., und bei Verspätungen in 1 Std. 20 Min., d.h.
                              									mit 98,5 km/Std.
                           Die Maschine der Ostbahn ist für die Strecke Paris-
                              									Belfort, welche dauernde Steigungen bis zu 1 : 167 aufweist, bestimmt und hat Züge
                              									von 250 t h. T. mit 90 bis 100 km/Std. zu befördern. Die dazu erforderliche Leistung
                              									ist viel geringer als die der Südbahnlokomotive und übersteigt selten 900 PS, so
                              									dass die grosse Heizfläche von 208 qm (einschliesslich aller Rohrrippen) nur schwach
                              									beansprucht ist, nämlich mit
                           
                              
                              \frac{900}{0,75\,\cdot\,208}=5,8^{\mbox{ PS}}/_{\mbox{qm}},
                              
                           was für eine Vierzylinder-Verbundlokomotive für Schnellzüge
                              									sehr gering ist. Trotzdem ist der Kohlenverbrauch auf 1,35, der Wasserverbrauch auf
                              									10,3 kg/PSi
                              									gestiegen; auch keine guten Werte im Vergleich zu den deutschen Lokomotiven.
                           Die besonderen Unterschiede dieser Lokomotive, von der jetzt 32 Stück laufen,
                              									gegenüber den bisher besprochenen dieser Art sind:
                           Alle vier Zylinder sind stark geneigt; die schädlichen Räume sind auf 18 v. H. im H.
                              									D. Z. und 12 v. H. im N. D. Z. gebracht, um die Kompression zu verringern. Der
                              									Kurbelwinkel ist 162°. Die Steuerungen sind voneinander unabhängig und zwar beide
                              									Male Heusinger. Zum Anfahren dient eine Art von
                              									Wechselventil, durch welches beliebig Frischdampf in die Niederdruckzylinder
                              									geleitet werden kann.
                           Der Kessel hat eine Belpairesche Feuerbüchse, welche für
                              									die Verfeuerung von flüssigem Teer eingerichtet ist und deshalb beiderseits vom
                              									Feuerloch einen Injektor für den Teer enthält. Es ist dies jedoch nicht zum Ersatz,
                              									sondern nur zur Verstärkung der Kohlenfeuerung im Gebrauchsfalle vorgesehen,
                              									besonders für das Befahren von Steigungen. Der Teerbehälter befindet sich im Tender
                              									und eine Dampfschlange sorgt für die richtige Verflüssigung seines Inhaltes; jeder
                              									der beiden mit Kesseldampf betriebenen Zerstäuber kann 100 kg Teer in der Stunde
                              									einwerfen, so dass im Notfall bis zu 80 kg/qm stündlich auf der Rostfläche verbrannt werden
                              									können.
                           Der Kessel, welcher 2,58 m über S. O. liegt, enthält 140 Serve-Rohre und ist für 16
                              									Atm. bestimmt, obwohl die zu beiden Seiten des Domes liegenden Sicherheitsventile
                              									schon bei 15 Atm. abblasen.
                           Die Probefahrten im Jahre 1900 haben zu sehr wenig befriedigenden Ergebnissen
                              									geführt. Auf der Strecke Paris-Chaumont wurde die mittlere Geschwindigkeit von
                              									aufwärts 78, abwärts 83 km/St. erzielt mit einem Zug von 278 bezw. 286 t hinter
                              									dem Tender. Die Kesselleistung betrug nur 806 bezw. 664 PS, also etwa ⅔ von der zu
                              									erwartenden; vorübergehend war sie 1030 PS; die Formel gibt aber (im Durchschnitt),
                              									wenn
                           n=5310\,\frac{97}{2070}=248 ist
                           
                              N=0,1\,\left(7,5-\frac{248}{100}\right)\,\sqrt{248}\,\cdot\,0,75\,\cdot\,208=1230\mbox{ PS},
                              
                           was für kurze Zeit auf etwa 1,4 . 1230 = 1720 sich hätte
                              									treiben lassen sollen, wenn die Ergebnisse mit der preussischen Lokomotive von v. Borries übertragen werden könnten.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)