| Titel: | Reformgedanken für eine rationelle Bauart im Schiffsmaschinenbau auf Grund der Fortschritte im Bau ortsfester Dampfkesselanlagen. | 
| Autor: | Fr. Freytag | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 98 | 
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                        Reformgedanken für eine rationelle Bauart im
                           								Schiffsmaschinenbau auf Grund der Fortschritte im Bau ortsfester
                           								Dampfkesselanlagen.
                        Von Prof. Fr. Freytag,
                           								Chemnitz.
                        (Schluss von S. 83 d. Bd.)
                        Reformgedanken für eine rationelle Bauart im Schiffsmaschinenbau
                           								usw.
                        
                     
                        
                           Zuweilen ist es notwendig, die Maschine, insbesondere die inneren Steuerorgane
                              									derselben, aus irgend welchen Gründen nachsehen und etwaige schadhafte Teile
                              									derselben, innerhalb kürzester Frist, ersetzen zu können. Auch in bezug hierauf
                              									steht der Schieber mit seinem grossen Gewichte dem leichten, handlichen Ventil
                              									wesentlich nach. Es fällt dem Maschinisten nicht schwer, sich vom Zustande der
                              									Steuerventile seiner Dampfmaschine zu überzeugen, wohingegen beim Schieber
                              									umständliche Massnahmen – Hilfsmannschaften, Hebemaschinen u. dergl. – häufig
                              									erforderlich sind. Es erscheint daher begreiflich, dass ein Nachsehen bei
                              									Schiebermaschinen weniger oft stattfindet, ja dass sogar oft so lange damit gewartet
                              									wird, bis es zu spät ist.
                           Freilich darf es bei der grossen Mannigfaltigkeit von Ventilsteuerungen nicht Wunder
                              									nehmen, wenn auch diese infolge der Verschiedenheit ihrer Durchbildung in
                              									verschieden hellem Lichte erstrahlen. Dies gilt nicht allein von der inneren
                              									Steuerung, sondern viel mehr noch von den äusseren Steuerungsmechanismen.
                           Das Ventil als solches kann grundsätzlich als Tellerventil, Glockenventil oder
                              									Rohrventil angewandt werden. Nichtsdestoweniger hat heute das Rohrventil infolge
                              									seiner Vorzüge hinsichtlich der Dampfleitung und der Entlastungsmöglichkeit, sowie
                              									auch seines geringen Gewichtes wegen, die beiden anderen Ventilformen fast
                              									vollständig verdrängt.
                           Die verschiedene Verteilung und Anordnung der Steuerventile am Zylinder besitzen
                              									gleichfalls eine einschneidende Bedeutung, nicht nur für das Aussehen, sondern auch
                              									für die Güte der Maschine, zumal durch sie die Grösse des schädlichen Raumes bezw.
                              									der schädlichen Flächen wesentlich bedingt ist.
                           Vor allem hat jedoch der Dampfmaschinenkonstrukteur ein Hauptaugenmerk auf die äussere Steuerung gerichtet, mit deren Hilfe er teils
                              									eine gute Dampfverteilung, d. i. ein dem wirtschaftlichen Arbeiten der Maschine
                              									entsprechendes rechtzeitiges Oeffnen und Schliessen der Steuerorgane, teils eine
                              									rationelle Veränderung der Füllung innerhalb möglichst weiter Grenzen mit einfachen
                              									Mitteln, d.h. eine weitgehende Regulierfähigkeit der Maschine bei hoher
                              									Betriebssicherheit, langer Lebensdauer und geringem Rückdrucke auf den Regler zu
                              									erreichen sucht.
                           In erster Linie sieht er sich da vor die Wahl zwischen auslösender und zwangläufiger Steuerung
                              									gestellt.
                           Jene, welche als sinngemässe Ausbildung des Corlissmechanismus entstanden ist,
                              									überlässt das Ventil nacherfolgter Ausklinkung einem freifallenden Schluss,
                              									wodurch hauptsächlich eine rasche Schlussbewegung zur Erzielung scharf ausgeprägter
                              									Diagramme herbeigeführt wird. Da jedoch mit wachsender Beschleunigung die
                              									Aufsetzgeschwindigkeit unerwünscht hoch ansteigen würde, wodurch geräuschvolle und
                              									das Material gefährdende Stösse und Schläge beim Auftreffen des Ventils auf seine
                              									Sitzfläche hervorgerufen werden, ist noch ein dieselbe verzögerndes Mittel
                              									einzuschalten, als welches Luft- oder Flüssigkeitspuffer gebräuchlich geworden
                              									sind.
                           Werden solche Puffer nicht angewendet, so ist der Bereich der Abschnappsteuerung nur
                              									auf die niedrigen Tourenzahlen beschränkt, während die Puffer bei etwas höheren
                              									Tourenzahlen unerlässlich werden. Allein es bergen diese Puffer auch mancherlei
                              									Nachteile und Unzuträglichkeiten in sich.
                           So müssten z.B. bei den Luftpuffern jeweils bei einer Füllungsänderung die
                              									Drosselquerschnitte zugleich geändert werden können, damit beständig gleiche
                              									Aufsetzgeschwindigkeiten bestehen bleiben. Weil jedoch diese Förderung bis jetzt
                              									praktisch nicht erfüllt werden konnte, so musste man sich entweder auf geringere
                              									Schlussgeschwindigkeiten beschränken, oder bei grösseren Füllungen ein unter
                              									heftigeren Schlägen erfolgendes Aufsetzen des Ventiles in Kauf nehmen.
                           Um diesen Uebelständen aus dem Wege zu gehen, hat man Flüssigkeitspuffer konstruiert, deren Drosselquerschnitte behufs Erzielung
                              									ständig gleicher Aufsetzgeschwindigkeiten mit der Füllungsänderung nicht besonders
                              									geregelt werden müssen. Soll ein derartiger Puffer seine Aufgabe dauernd richtig
                              									erfüllen, so darf seine Flüssigkeit, insbesondere bei höherer Tourenzahl, nicht
                              									schäumen, noch auch im Ruhezustande oder bei Erwärmung sich verdicken und zähflüssig
                              									werden, abgesehen davon, dass Verunreinigungen, welche die Durchflussquerschnitte
                              									unerwünscht verengen könnten, vermieden werden müssen.
                           Neben diesen Dingen, welche die Grenze der erreichbaren Tourenzahlen verhältnismässig
                              
                              									weit herabziehen, stellen die Schneiden des Abschnappmechanismus ein weiteres
                              									Hindernis gegen die Verwendung dieser Art von Steuerungen bei höheren Tourenzahlen
                              									dar.
                           Man hat daher vielfach die Steuerung mit freifallender Schlussbewegung des Ventiles
                              									verlassen und ist zu der stets zwangläufigen Ventilbewegung bezw. Ventilsteuerung
                              									übergegangen.
                           Hinsichtlich der Dampf- und Erhebungsdiagramme steht die zwangläufige Ventilsteuerung
                              									im allgemeinen in der Mitte zwischen der Schiebersteuerung und der auslösenden Ventilsteuerung,
                              									weil die Eröffnung und der Schluss des Ventiles gegenüber jener rascher erfolgen,
                              									während gegenüber dieser der zwangläufige Schluss weniger rasch vor sich geht.
                           Je nachdem wir es nun mit einer kettenschlüssigen oder
                              										kraftschlüssigen Steuerung zu tun haben, erfolgen
                              									sowohl Oeffnungs- als auch Schlussbewegung des Ventiles durch ständig aktive
                              									Tätigkeit des Steuermechanismus oder es erfolgt der Schluss des feder- oder
                              									gewichtbelasteten Ventiles nur unter passiver Tätigkeit desselben.
                           In beiden Fällen steht jedoch dem Uebergange zu höheren Umlaufzahlen ein im Wesen der
                              									Steuerung liegender Hinderungsgrund nicht entgegen.
                           Dies geschieht um so weniger, je einfacher die Steuerung gestaltet ist, also
                              									insbesondere dann, wenn sie möglichst wenig Hebel und Gelenke besitzt.
                           Mit diesem Bestreben nach grösstmöglichster Einfachheit erreicht man aber nicht
                              									allein, ohne Nachteile hinsichtlich eines ruhigen Maschinenganges, höhere
                              									Tourenzahlen, sondern auch eine gesteigerte Betriebssicherheit und Lebensdauer
                              									infolge der verminderten Teile und nicht zuletzt aus demselben Grunde die denkbar
                              									beste Präzision der Dampfverteilung, weil eben die vielen Fehlerglieder in Wegfall
                              									kommen.
                           Mit Rücksicht darauf, dass oft – wenn auch unerwünscht – Wasseransammlungen in den
                              									Zylindern auftreten, die schädliche Schläge mit sich bringen können, muss der
                              									kraftschlüssigen zwangläufigen Ventilsteuerung gegenüber der kettenschlüssigen
                              									insofern ein Vorzug zuerkannt werden, als die Einlassventile jener Steuerung eine
                              									Art Sicherheitsventilwirkung besitzen, indem das Ventil sich öffnen muss, wenn der Druck des eingeschlossenen Wassers die
                              									Federbelastung überwiegt.
                           Andererseits wird das Steuerorgan bei kettenschlüssiger Bewegung vollkommen
                              									zwangläufig geführt; dagegen ist es für die gute Wirksamkeit der kraftschlüssigen
                              									Steuerung eine unerlässliche Bedingung, dass der zur Verfügung stehende Federdruck
                              									nicht allein zur Erzeugung einer die entgegenwirkenden Massenbeschleunigungsdrücke
                              
                              									überwindenden Kraft, sondern auch zur Ueberwindung der Reibungswiderstände und des
                              									infolge nicht vollständiger Entlastung verbleibenden gegenteiligen Dampfdruckes
                              									ausreicht.
                           Weil nun die Massenbeschleunigungsdrücke von dem Bewegungsgesetze der Steuerung
                              									abhängig und daher durch dieselbe bestimmt sind, weil ferner die Grösse des etwaigen
                              									Dampfüberdruckes ebenfalls aus der Ventilkonstruktion hervorgeht, können diese
                              									beiden Grössen als festgelegt betrachtet werden, während den Reibungswiderständen
                              									eine besondere Beachtung zugewandt werden muss.
                           Dies gilt namentlich von der Spindelführung, welche daher wechselnden
                              									Reibungseinflüssen möglichst zu entziehen ist. Dies wird indess überall da nicht
                              									erreicht, wo das Dichthalten der Spindel durch ein Anpressen von Packungsmaterial,
                              									also mit Packungsstopfbüchsen erfolgt, deren Reibung von Bedienung und Wartung
                              									wesentlich abhängt, daher auch nie genau gleich ist und nie genau kontrolliert
                              									werden kann.
                           Es verdienen daher jene Ventilspindelführungen den Vorzug, welche eine Stopfbüchse
                              									vermeiden und die Dichtung unter Zuhilfenahme irgend eines anderen physikalischen
                              									Prinzipes erreichen, z.B. mit Drosselquerschnitten, Labyrinthräumen u. dergl.
                              									mehr.
                           Zusammenfassend geht aus den angestellten Betrachtungen hervor, dass eine kraftschlüssige zwangläufige Ventilsteuerung einfacher
                              									Konstruktion mit ihrer Sicherheitsventilwirkung bei
                              									Anwendung stopfbüchsenloserSpindelabdichtung den modernen Bestrebungen im Dampfmaschinenbau am meisten Genüge leisten dürfte.
                           Nach diesem Ergebnis drängt sich uns die Frage auf, inwieweit der Dampfmaschinenbau
                              									sowohl auf dem Gebiete der ortsfesten, wie der beweglichen Maschinen der wissenschaftlichen Erkenntnis
                              									in seinen Ausführungen Folge geleistet hat.
                           Lenken wir unsere Blicke auf die beiden Gebiete der Landdampfmaschinen und Schiffsmaschinen, so
                              									ist anzuerkennen, dass diese Forderungen bei den ersteren in höherem Masse als wie
                              									bei den letzteren verwirklicht worden sind. Man möchte sich sogar versucht fühlen,
                              									zu behaupten, dass im Schiffsmaschinenbau hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen ein
                              									kaum verständlicher Stillstand wahrzunehmen sei. Ein Vergleich der beiden Gebiete
                              									bewahrheitet daher begreiflicherweise das zutreffende Wort „Stillstand ist
                                 										Rückgang“, was auch an Hand eines Beispieles näher dargetan werden kann.
                           So hatte Verfasser in einem Aufsatze „Steuerungen an Dampfmaschinen mit
                                 										Ventilsteuerung, Bauart Lentz“, in der Z. d. V.
                              									d. Ing. 1902, S. 1924 u. ff. eine auf der Düsseldorfer Ausstellung vertretene
                              									Verbunddampfmaschine stehender Anordnung beschrieben, die den entwickelten
                              									Grundsätzen in hohem Grade gerecht geworden ist. Diese Maschine – sie ist inzwischen
                              									von der Firma Siemens & Halske für ihr Berliner
                              									Werk angekauft worden – hatte durch die Gediegenheit und Einfachheit der
                              									Konstruktion und durch ihre Betriebssicherheit die Aufmerksamkeit der
                              									Ausstellungsbesucher in hohen Masse erregt – umsomehr, als sie trotz der für
                              									Ventilsteuerungen ungewöhnlich hohen Umlaufzahl von 200 in der Minute vollständig
                              									ruhig und geräuschlos arbeitete. Dazu kommt, dass, wie in dem erwähnten Aufsatze
                              									eingehend dargelegt ist, der Kraftbedarf der Steuerung ein verhältnismässig
                              									unbedeutender ist, dass ferner die dort gezeigten Ventilerhebungskurven in Bezug auf
                              									Eröffnungs- und Schlussbewegung und hinsichtlich der Beschleunigungsverhältnisse
                              									allen Anforderungen entsprechen, sowie dass die mit dem äusserst empfindlichen
                              									Beharrungsachsenregler durch Exzenterverstellung erreichten Veränderungen in der
                              									Dampf Verteilung hervorragend günstig bleiben.
                           Es war daher nicht zu verwundern, dass bei Versuchen, die Verfasser an einer analogen
                              									Dreizylindermaschine des Beleuchtungs- und Wasserwerkes in Bochum von 839 PSi
                              									anstellte, mit 11,75 Atm. Einströmungsspannung (Ueberdruck) und 210,6°C.
                              									Dampftemperatur (also ∾ 24 ° C Ueberhitzungstemperatur) sich ein Dampfverbrauch von
                              									nur 4,18 kg für 1 PSi/Std. herausstellte.
                           Demgegenüber ist auf die Dampfmaschinen eines unserer modernsten Schnelldampfer zu
                              									verweisen, der mit seiner Grösse durch seinen Schnelligkeitsrekord dem deutschen
                              									Schiffbau Ehre eintrug. Nichtsdestoweniger besitzt z.B. der Mitteldruckzylinder
                              									dieser Maschine, wie schon Eingangs erwähnt, zwei getrennte Kolbenschieber, während
                              									an den beiden Niederdruckzylindern Flachschieber angeordnet sind.
                           Wie ein Blick auf die Zeichnungen dieser Maschine erkennen lässt, muss der
                              									Kraftbedarf der zugehörigen Steuerung eine beträchtliche Höhe annehmen und damit den
                              									mechanischen Wirkungsgrad herabdrücken. Andererseits lässt sich die Umsteuerung bei
                              									Anwendung der schweren Schieber als Steuerungsorgane und gar in Verbindung mit der
                              									kraftheischenden Kulisse und den vielen komplizierten Hebeln und Gelenken nur
                              									schwierig bewerkstelligen, so dass die direkte Betätigung mittels Handrad oder
                              									Handhebel durch den Maschinisten vollständig ausgeschlossen ist und zur Verwendung
                              									von Hilfsmaschinen gegriffen werden musste.
                           Vergleicht man nun die typische Form des Schiffsmaschine in ihrem ganzen Aufbau mit
                              									einer stehenden ortsfesten Dampfmaschine, so findet man nichtsdestoweniger in den Grundzügen
                              									eine derartige Aehnlichkeit, dass man sich des Gedankens nicht erwehren kann, warum
                              									denn bei den Schiffsmaschinen nicht auch schon längst an die Einführung der
                              									Ventilsteuerungen gedacht worden ist, umsomehr, als der Reversierbarkeit einer
                              									Ventilsteuerung doch gar nichts im Wege steht! Diese Aufgabe erscheint um so
                              									aussichtsvoller, als der Kulissenmechanismus durch ein
                                 										einziges umsteuerbares Exzenter von einfacher Konstruktion und kleinen
                              									Abmessungen sich ersetzen liesse.
                           Da in technischen Dingen aber Zahlen am lautesten sprechen, möge eine vergleichende
                              									Brennstoffkostenberechnung für zwei gleichzeitig arbeitende Schiffsmaschinen von je
                              									5000 PS angestellt werden, die in dem einen Falle als Schiebermaschinen, im anderen
                              									als Ventilmaschinen der vorgenannten. Art gedacht sind.
                           Für die Schiebermaschinen beziehen wir uns auf eine Angabe neuester Zeit (Z. d. V. d.
                              									Ing. 1903, S. 917), wonach das russische Schul- und Transportschiff
                              										„Okean“Siehe D. p. J. 1903,
                                    												318, 735., welches von den Howaldtwerken in Kiel gebaut wurde, bei 21 Atm.
                              									Kesselspannung einen Kohlenverbrauch von 0,756 kg für 1 PSi/Std. benötigte, was bei 7,5-facher
                              									Verdampfung 5,67 kg gesättigten Dampf ausmacht.
                           Dem steht das vorerwähnte Beispiel der Bochumer Maschine mit einem Verbrauch von 4,18
                              									kg massig überhitztem Dampf gegenüber, den wir für die grössere Leistungseinheit von
                              									5000 PSe mit 3,9 kg für 1 PSi/Std. wohl kaum zu günstig eingeschätzt haben.
                           Diese beiden Verbrauchsziffern unterscheiden sich jedoch in der Dampfspannung und
                              									ferner dadurch, dass der Dampf der Bochumer Maschine massig überhitzt war.
                           Da aber die Betriebsspannung, über welche in der genannten Veröffentlichung der
                              									Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingenieure keinerlei nähere Angaben gemacht sind,
                              									üblicher Weise kaum über 15 bis 16 Atm. hinausgeht, muss zwischen Kessel und
                              									Maschine eine Drosselung des Dampfes von 21 Atm. auf die Betriebsspannung
                              									stattfinden. Entsprechend dem Temperaturunterschiede dieser beiden
                              									Sättigungstemperaturen findet daher, wie allgemein bekannt, auch hier eine
                              									Dampfüberhitzung statt, so dass ebenfalls, wie bei der Bochumer Maschine, eine
                              									massige Dampfüberhitzung in Frage kommt.
                           Es ist ferner eine bekannte Tatsache, dass der mechanische Wirkungsgrad der
                              									Schiebermaschine wesentlich ungünstiger ist, als bei Ventilmaschinen, welcher daher
                              									mit 80 v. H. bezw. 90 v. H. in Ansatz gebracht werden dürfte.
                           
                              
                                 
                                 Schieber-Maschinen
                                 Ventil-maschinen
                                 
                              
                                 Effektive Leistung (2 . 5000 PSe)
                                 PSe
                                   10000
                                   10000
                                 
                              
                                 Wirkungsgrad
                                 
                                      0,80
                                      0,90
                                 
                              
                                 Indizierte Leistung
                                 PSe
                                   12500
                                   11111
                                 
                              
                                 Dampfverbrauch für 1 PSi/Std.
                                 kg
                                      5,67
                                      3,90
                                 
                              
                                 Mittlere jährliche Betriebsdauer      (200 . 24
                                    											Std.)
                                 Std.
                                     4800
                                     4800
                                 
                              
                                 Jährlicher Dampfverbrauch
                                 t
                                 340200
                                 208990
                                 
                              
                                 Verdampfungsziffer
                                 
                                        7,5
                                        7,5
                                 
                              
                                 Jährlicher Kohlenverbrauch
                                 t
                                   45360
                                    27730
                                 
                              
                                 Jährliche Kohlenersparnis
                                 t
                                 –
                                    17630
                                 
                              
                                 Jährliche Kohlenersparnis in Pro-      zenten
                                 
                                 –
                                 39 v. H.
                                 
                              
                                 Jährliche Ersparnis an Brenn-      stoff (1 t = 10
                                    											M.)
                                 M.
                                 –
                                 176300
                                 
                              
                           Unter Zugrundelegung dieser Zahlen, welche bei der Verschiedenheit der angewandten
                              									Betriebsspannungen von15–16 Atm. (Okean) bezw. 11,15 Atm. (Bochum) keineswegs
                              									im Sinne der Reformgedanken als Schönfärberei erscheinen, gestaltet sich eine
                              									Vergleichsrechnung wie vorstehende Tabelle zeigt.
                           Neben den angedeuteten Reformgedanken technischer Art gehen also die wirtschaftlichen
                              									Erwägungen Hand in Hand,
                           Indem wir unter sonst gleichbleibenden Verhältnissen 39 v. H. Kohlen zu ersparen
                              									vermögen, sind wir in die Lage versetzt, mit dem gleichen Inhalte der Kohlenbunker
                              									eine um 39 v. H. grössere Fahrt zurückzulegen, oder schiffstechnisch ausgedrückt,
                              									den Aktionsradius um 39 v. H. d. i. mehr als ⅓ zu
                              									vergrössern.
                           Welche Rolle dieser Vorteil im Falle eines Krieges für die Marine zu spielen
                              									vermöchte, bedarf kaum eines besonderen Hinweises. Es erscheint daher der deutsche
                              									Schiffsmaschinenbau, wenn er eine führende Stelle behaupten will, mit zwingender
                              									Notwendigkeit vor die Entscheidungsfrage gedrängt, ob er durch Anwendung einer
                              									geeigneten Ventilumsteuerung den Eingangs erwähnten Vorteilen, insbesondere der
                              									Einführung des überhitzten Dampfes den Fortschritt ermöglichen will oder nicht.
                           Die Ersparnisziffern fordern geradezu ungestüm zu ausgedehnten Versuchen nicht nur
                              									beim Bau neuer Schiffe, sondern auch zum Umbau älterer Schiffsmaschinen auf sonst
                              									noch tauglichen Schiffskörpern heraus.
                           Beträgt doch allein die jährliche Kohlenersparnis bei einer Leistung der Maschine von
                              									nur 10000 PS etwa 176300 M., ungeachtet der verschiedenen Nebenkosten, die noch zu
                              									ersparen sind, Die Umbaukosten von Schiebermaschinen in solche mit Ventilsteuerung,
                              									bei dem ja das Maschinenbett mit den Ständern, der Kurbelwelle und dem
                              									Maschinentriebwerk unverändert belassen werden könnte, während nur die Zylinder mit
                              									dem Steuerungsmechanismus ausgewechselt würden, wären daher in verschwindend kurzer
                              									Zeit amortisiert.
                           Die in der vorstehenden Berechnung angenommene jährliche Betriebsdauer von 200 Tagen
                              									trifft auch für die den Verkehr zwischen Hamburg und New-York versehenden
                              									Ozeandampfer zu, welche etwa die Hälfte des Jahres unterwegs sind, weshalb das
                              									gebrachte Beispiel ohne weiteres auch auf einen solchen Dampfer angewendet werden
                              									kann, vorausgesetzt, dass derselbe nur mit einer Leistung von 10000 PS betrieben
                              									würde. Um andernfalls die bezüglichen Ziffern feststellen zu können, würde nur nötig
                              									sein, die gefundenen Werte mit dem Verhältnis der Leistungen zu multiplizieren. Die
                              									jährlichen Ersparnisse an Kohlen betrugen im gegebenen Falle 176300 M. Diese ersparten Kohlen entsprechen einem Gewicht von
                              									17630000 kg (1 t = 10 M.), und da in einen Raum von 1 cbm Inhalt etwa 870 kg Kohlen
                              									Platz finden, so würden zur Unterbringung der ersparten Kohlen insgesamt
                           
                              \frac{17630000}{870}=20350\mbox{ cbm}
                              
                           erforderlich sein.
                           Nun wird von den Dampfergesellschaften für 1 cbm Fracht durchschnittlich 3 Mk.
                              									vereinnahmt, so dass durch die Ausnutzung der infolge des Minderverbrauches an
                              									Brennmaterial frei werdenden Bunkerräume für eine Leistung
                                 										von 10000 PS noch 20350 . 3 = 61050 Mk., insgesamt somit 176300 + 61050 =
                              									237350 Mk., d.h. etwa ¼ Millionen Mark gewonnen
                              									werden.
                           Es kommt hinzu, dass bei den niedrigen Dampfverbrauchsziffern der Ventilmaschinen
                              									gegenüber den Schiebermaschinen die Kessel nicht so stark beansprucht zu werden
                              									brauchen, bezw. hat man bei gleicher Beanspruchung derselben eine Reserve an
                              									Kesseln, zur Verfügung, oder aber es kann die Kesselanlage verkleinert und der dadurch gewonnene
                              									Raum durch Aufnahme von Ladung weiter ausgenutzt werden.
                           Die Ersparnisse können auch dadurch zum Ausdruck kommen, dass die Fahrt bei gleichem
                              									Wege und gleichem Kohlenverbrauche nunmehr in kürzerer Zeit zurückgelegt werden kann
                              									als vordem.
                           Schliesslich werden die Verluste an Kohlentrümmern geringer, die Bedienungsmannschaft
                              									ist entlastet bezw. kann sie reduziert werden, der Oelverbrauch wird geringer u.
                              									dgl.
                           Summiert man alle diese direkten und indirekten Ersparnisse, welche die Verwendung
                              									der Ventilsteuerung anstelle der Schiebersteuerung an ein und derselben Maschine mit
                              									sich bringt, so ergibt sich, dass die zum Umbau vorhandener
                              									Schieber-Schiffsmaschinen nötigen Kosten, die durch Auswechslung der Zylinder und
                              									der Steuerung gegen komplete, mit Lentz-Steuerung
                              									versehene Zylinder entstehen, sich in kürzester Zeit durch den Betrieb allein
                              									hereinbringen lassen, ausserdem aber den dauernden
                              									Vorteil der Betriebsverbilligung gewähren.
                           Es kann deshalb nicht genügend betont werden, dass der Umbau von
                              									Schieber-Schiffsmaschinen, die einen grossen Kohlenverbrauch aufweisen, in
                              									Ventilmaschinen von hervorragender Bedeutung insbesondere in wirtschaftlicher
                              									Beziehung ist.
                           Mit den dargelegten Gesichtspunkten für eine rationelle Reform im Schiffsmaschinenbau
                              									steht in vollem Einklang eine bedeutsame Stelle aus Prof. Brauers
                              									„Betrachtungen über die Maschinen und den Maschinenbau“ (Zeitschr. d. Ver.
                              									deutsch. Ing. 1900, Heft 4). „Mit zunehmender Einsicht in den Haushalt der
                                 										Maschine hat sich auch der Wettkampf um den Preis des höchsten Wirkungsgrades,
                                 										der grössten Leistungsfähigkeit verschärft, und viele Maschinen fallen diesem
                                 										Kampfe zum Opfer, lange bevor sie das nach ihrer Organisation mögliche
                                 										Lebensalter erreicht haben. Mit unbarmherziger Notwendigkeit kürzen auftauchende
                                 										Verbesserungen die Lebenstage der älteren Maschinen: Das Bessere, der Feind des
                                 										Guten, trägt den Sieg davon.“