| Titel: | Die Auswertung der Brennstoffe als Energieträger. | 
| Autor: | Hans A. Martens | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 109 | 
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                        Die Auswertung der Brennstoffe als
                           								Energieträger.
                        Die Auswertung der Brennstoffe als Energieträger.
                        
                     
                        
                           Einem von Professor C. Linde in der 44. Hauptversammlung
                              									des Vereins Deutscher Ingenieure zu
                                 										München gehaltenen Vortrage „Die Auswertung
                                 										der Brennstoffe als Energieträger“ entnehmen wir die folgenden
                              									Mitteilungen.
                           In einheitlicher Zusammenfassung werden die Bedingungen besprochen, von denen die
                              									Energieumwandlung nach Menge und Intensität für das Sondergebiet der
                              									Wärmekraftmaschinen abhängig ist, woraus dann als Schlussergebnis der heutige Stand
                              									der Frage, ob die Dampfmaschine vor der Verbrennungsmaschine den Vorrang behalten
                              									wird, abgeleitet wird.
                           Ohne auf die rein konstruktive und betriebstechnische Seite einzugehen, wird nur die
                              									Umsetzung der im Brennstoff schlummernden Wärmemengen in mechanische Arbeit durch
                              									den Arbeitsvorgang in den verschiedenen Maschinen auf der Grundlage der beiden
                              									Hauptsätze der Wärmemechanik eingehend gewürdigt. Nach dem Gesetz von der Gleichheit
                              									zwischen Wärme und Arbeit ist die Summe aus dem Aequivalent der geleisteten Arbeit
                              									und der von der Maschine wieder abgegebenen Wärme gleich der zugeführten Wärme. Nach
                              									dem zweiten Hauptgesetz der Wärmemechanik stehen die Wärmemengen der zugeführten und
                              									abgeleiteten Wärme im Verhältnis zu den Temperaturen, bei denen die Zu- und
                              									Ableitung geschieht, woraus die bekannte Hauptregel folgt: Zuführung der Wärme bei
                              									möglichst hohen, Ableitung bei möglichst tiefen Wärmegraden. Zwei Faktoren bestimmen
                              									also die Menge erzielbarer mechanischer Arbeit: Die zur Verfügung stehende
                              									Wärmemenge einerseits und die Wärmeintensität andererseits.
                           Die Arbeitsvorgänge in den wichtigeren Wärmekraftmaschinen werden nunmehr an Hand
                              									zeichnerischer Darstellung, des Wärmediagramms, besprochen.
                           Aus der allgemeinen Wärmeschaulinie folgt, dass 40 v. H. der zugeführten Wärme bei
                              									verlustlosem Arbeitsvorgang verloren gehen, während 60 v. H. für die Umwandlung in
                              									Arbeit verbleiben. Führte man nur gerade die zur vollkommenen Verbrennung notwendige
                              									Luftmenge zu, so liesse sich sogar 72 v. H. der Wärme in Arbeit umsetzen.
                           Dieser ideale Zustand wird aber bei der Dampfmaschine bei weitem nicht erreicht. Beim
                              									Uebertragen der Heizgase auf den Kessel gehen etwa 25 v. H. Wärme verloren. Von
                              									grösserer Bedeutung ist der Verlust an Temperaturgefälle, da die abgegebene Wärme
                              									der Heizgase in der Wärme der Dampftemperatur im Kessel zum Vorschein kommt. Es
                              									ergibt sich, dass nur noch ein Drittel jener auf den Kesselinhalt übertragenen
                              									Verbrennungswärme, die nach dem ersten Verlust noch 75 v. H. der gesamten
                              									verfügbaren Wärme beträgt, durch den Temperaturfall von 1500° der Heizgase bis auf
                              									450° Dampftemperatur, entsprechend dem Dampfdruck von 10 Atm. für die Umwandlung in
                              									Arbeit, also nur noch 25 v. H. übrig bleiben.
                           Die weiteren Verluste treten, abgesehen von Leitungsverlusten, in der Dampfmaschine
                              									selbst in dreierlei Form auf:
                           1. Die Wärme fällt auf die jeweilige Speisewassertemperatur herunter.
                           2. Während des Dampfeintrittes in die Zylinder tritt durch Niederschlag an den
                              									Zylinderwandungen Wärmeverlust ein.
                           3. Der empfindlichste Verlust tritt aber durch zu frühen Eintritt der Expansion auf,
                              									so dass die Temperatur nur allmählich auf jene abfällt, welche der
                              									Kondensatorspannung entspricht. Dieser Verlust steigert sich noch bei
                              									Auspuffmaschinen, da hier die Endtemperatur wesentlich höher als die der umgebenden
                              									Luft liegt.
                           Diese drei Verlustquellen haben die 25 v. H. verfügbare Wärme so weit erniedrigt,
                              									dass nur noch bei Sattdampf 13,8 v. H. der Verbrennungswärme als Nennleistung in den
                              									Zylindern übrig bleiben.
                           Gegen diese Verluste hat sich die Dampftechnik nicht ohne Erfolg gewendet, um
                              									sie zu vermindern. Der erste Verlust wird wohl kaum je infolge der zu niedrigen
                              									Speisewasserwärmegrade zu beseitigen sein. Der zweite hat sich durch
                              									Dampfüberhitzung bekämpfen lassen, so dass durch Erhöhung des örtlichen
                              									Temperaturgefälles die Ausnutzung nach Gesetz II eine bessere wird und eine
                              									Gesamterhöhung des in Arbeit verwendeten Wärmebetrages um ein Fünfter bewirkt wird,
                              									so dass 16,6 v. H. der Verbrennungswärme als Nennleistung verbleibt.
                           Die Nutzleistung ergibt bei Sattdampf 12,45 v. H., bei Heissdampf 14,9 v. H. der
                              									Verbrennungswärme. Die Bekämpfung des dritten und einflussreichsten Verlustes hat zu
                              									den Dampfturbinen und Abwärmekraftmaschinen geführt. Er tritt bedeutend auf, wo
                              									keine Kondensation möglich ist, wie bei der Lokomotive, wofür das Diagramm einer
                              									Heissdampflokomotive nach Garbes Bauart ein Beispiel
                              									ist, die nur 8,84 v. H. der Verbrennungswärme als Nennleistung ergeben hat. Eine
                              									Abwärmekraftmaschine nach Josses Bauart, bei welcher
                              									der in drei Zylindern wirksame Dampf noch auf eine flüchtigere Flüssigkeit,
                              									Schwefelsäure, übertragen wird und in einem vierten Zylinder mittelbar Arbeit
                              									leistet, hat 17,14 v. H. Nennleistung oder 15,56 v. H. Nutzleistung ergeben.
                           In neuerer Zeit haben die Dampfturbinen die Theoretiker viel beschäftigt. Während
                              									nach Versuchen von Professor Schroeter eine mit
                              									Sattdampf betriebene Turbine den absoluten wirtschaftlichen Nutzeffekt von 13,22
                              									zeigte, erfuhr er durch Anwendung der Dampfüberhitzung eine Steigerung bis auf
                              									15,45. An einem Vergleich der Wärmediagramme wird bewiesen, dass die
                              									Kolbendampfmaschine den oberen Teil des Temperaturgebietes besser ausnützt, während
                              									in der Turbine der untere Teil wirtschaftlicher verarbeitet wird, so dass diese
                              									Erscheinung auf eine Vereinigung beider Maschinen hindeutet; Versuche haben eine
                              									Erhöhung des Wirkungsgrades unzweifelhaft bestätigt. Eine noch grössere Steigerung
                              									liesse sich erreichen, wenn man den Arbeitsvorgang nach oben hin gegen die
                              									Verbrennungstemperatur weiter erstrecken würde, was praktisch durch den Betrieb mit
                              									höheren Dampfspannungen oder nach Vorgang der Abwärmekraftmaschinen durch
                              									Vorschalten einer „Hochwärmekraftmaschine“ zu lösen wäre, in der weniger
                              									flüchtige Stoffe als Wasser, etwa Oel oder Anilin arbeiten würden. Bisher sind
                              									derartige Versuche nirgends eingeleitet worden, was seinen Grund in dem Emporblühen
                              									der Verbrennungsmaschine hat, die heute schon die Brennstoffe bis zur doppelten
                              									Höhe, als die Dampfmaschine es vermag, auswertet und deren Vervollkommnung noch
                              									nicht abgeschlossen zu sein scheint.
                           Die Verbrennungsmaschine ist erst mit Erzeugung eines billigen Kraftgases aus den
                              									verschiedensten bituminösen Brennstoffen in den Grossbetrieb eingeführt worden. Der
                              									Aufschwung der Grossgasmaschinen rührt aber erst von jener Zeit her, da man die in
                              									den Hochofen-Gichtgasen enthaltene Energie unmittelbar zur Arbeitsleistung in den
                              									Gasmotoren verwerten lernte.
                           Das Uebergewicht der Verbrennungsmotoren über die Dampfmaschinen liegt in folgendem
                              									begründet. Der grosse Fehler der Dampfmaschinen besteht darin, dass die hohe
                              									Temperatur der Verbrennungsgase ohne Arbeitsleistung auf die im Dampfkessel
                              									herrschende Dampftemperatur fallen muss, so dass nur ein geringer Teil des noch
                              									verbleibenden Temperaturgefälles ausnutzbar bleibt. Wenn aber der
                              									Verbrennungsvorgang mit dem Arbeitsvorgang so unmittelbar verbunden wird, dass in
                              									den letzteren die hohen Verbrennungstemperaturen eingeführt werden, so ist darin die
                              									Ueberlegenheit der Verbrennungsmaschinen naturgesetzlich gegeben. Ein glückliches
                              
                              									Prinzip im Bau der Verbrennungsmaschinen unterstützt jene Forderung, es ist die
                              									Kompression vor der Verbrennung. Neben der infolge Druckerhöhung ermöglichten
                              									Verkleinerung der Zylinderabmessungen wird die Arbeitsumformung in höhere Temperaturen
                              									hinaufgerückt, was ein fast unbegrenztes Mittel zur Vervollkommnung des
                              									Arbeitsvorganges vorstellt, die durch zwei Umstände begrenzt erscheint: 1. die
                              									Festigkeit der Baustoffe, 2. die Dissoziation von Kohlensäure und Wasser bei hohen
                              									Temperaturen. Dadurch ist den Theoretikern eine wichtige Aufgabe zugewiesen: die
                              									Feststellung der Abhängigkeit der spezifischen Wärme und der Dissoziation von
                              									Temperatur und Druck. Von ihrer Lösung hängt die weitere Klärung der Vorgänge im
                              									Arbeitszylinder und die daraus entspringende Vervollkommnung der Arbeitsvorgänge
                              									selbst ab.
                           Bei den Verbrennungsmaschinen bestehen im wesentlichen zwei Verlustquellen: Durch das
                              									zur Schonung des Arbeitszylinders notwendige Kühlwasser wird ein Teil der
                              									Verbrennungswärme aufgenommen und mit den Abgasen eine beträchtliche Wärmemenge
                              									ausgestossen. Die Verluste betragen etwa je ein Drittel, so dass etwa 33,1 v. H. der
                              									Verbrennungswärme als Nennleistung, bezw. 29,4 v. H. als Nutzleistung
                              									verbleiben.
                           Es ist Diesels Verdienst, den Gedanken hoher Kompression
                              									und dadurch bedingter hoher Anfangstemperaturen mutig verteidigt und in seinen
                              									Motoren für flüssige Brennstoffe in die Tat umgesetzt zu haben. Im Dieselmotor werden nahezu 42 v. H. der in den flüssigen
                              									Brennstoffen verfügbaren Wärme in Arbeit umgewandelt, was einen wirtschaftlichen
                              									Wirkungsgrad von 32,1 v. H. ergibt und bisher die Grenze heutiger
                              									Brennstoffauswertung für die Umformung in mechanische Arbeit darstellt.
                           Aehnliche Erfolge sind mit Spiritusmotoren errungen worden, denen auch die
                              									besprochenen zwei Verlustquellen anhangen.
                           Nach Versuchen an Sauggasmotoren sind 34 v. H. der Verbrennungswärme in Nennleistung
                              									bezw. 31 v. H. in Nutzarbeit umgewandelt worden.
                           Auch bei Gichtgasmotoren sind 34 v. H. als Nennleistung gewonnen worden, die wegen
                              									des geringen mechanischen Wirkungsgrades allerdings nur 24,6 v. H. als Nutzleistung
                              									entsprechen.
                           Wenn schon vor vierzig Jahren die Gewinnung von 1/10 der Verbrennungswärme als mechanische
                              									Arbeit noch nicht erreicht wurde, so hat heute die Dampfmaschine etwa ⅙, die
                              									Verbrennungsmaschine etwa ⅓ ausgewertet. Könnte nun aus diesem Ergebnis der Sieg der
                              
                              									letzteren über die erstere abgeleitet werden, so treten doch viele Bedingungen
                              									hinzu, die ihn bisher nicht als erstritten kennzeichnen, namentlich dort, wo es sich
                              
                              									um gleichzeitige Mitgewinnung anderer Energieformen wie Wärme und Licht handelt.
                              									Auch hierfür spielen die beiden grossen, Wärmemenge und Temperatur, eine grosse
                              									Rolle. Viele Industrien – Bierbrauereien, Zucker- und Papierfabriken u.a. – brauchen
                              									sehr erhebliche Mengen an Wärme neben der mechanischen Arbeit. Es bedarf zunächst
                              									keiner Frage, dass hier die Dampfmaschine am Platze ist, da die Abdampfwärme stets
                              									den Vorrang vor den gasförmigen Wärmeträgern behalten wird.
                           Der Schluss des Vortrages beschäftigt sich mit der zentralisierten
                              									Brennstoffauswertung, wie sie in den Gasanstalten für Beleuchtung und in
                              									Einschränkung für Wärme- und Arbeitsabgabe in elektrischen Licht- und Kraftzentralen
                              									stattfindet.
                           Es wird die Aufgabe der beteiligten Ingenieurwelt sein, die Zentralisation der
                              									Brennstoffauswertung für die grösseren Städte durchzuführen, wobei der Wirkungsgrad
                              									der Verteilung von Wärme, Kraft und Licht ein möglichst hoher sein muss, um sie
                              									lebensfähig zu erhalten. Kraft und Licht werden in elektrischer Form mit
                              									verhältnismässig gutem Wirkungsgrad auf weite Entfernungen fortgeleitet, nicht so
                              									die Wärme, bei der durch Leitung und Strahlung nicht unbeträchtliche Verluste
                              									entstehen. Von diesem Standpunkt erscheint die Auswertung durch elektrische
                              									Zentralen nur für Kraft und Licht wirtschaftlich. Als die allgemeine Lösung der
                              									zentralisierten Brennstoffauswertung muss jedoch die in Gasanstalten bezeichnet
                              									werden, da das fortgeleitete Gas in gleicher Weise die wirtschaftliche Gewinnung von
                              									Wärme, Licht und Kraft gestattet; Bedingung hierfür ist, dass der Heizwert des
                              									erzeugten Gases nicht hinter dem des Brennstoffes zurückbleibt, aus dem es möglichst
                              									billig gewonnen wird. Das ist bisher nicht der Fall, so dass die Aufgabe der
                              									Gasfachmänner in der Erfüllung jener Forderungen besteht.
                           Kommt nur die Wärmelieferung in Betracht, so ist eine Verdrängung der Einzelanlagen
                              									praktisch nicht denkbar, da die zu starken Schwankungen des Wärmebedarfes in den
                              									einzelnen Jahreszeiten den Betrieb der Zentrale sehr unwirtschaftlich gestalten
                              									würden. Für die Beleuchtungstechnik stellt das Auerlicht unzweifelhaft die höhere
                              									Auswertung der Brennstoffe als sie das elektrische Licht erreicht, dar. Bezüglich
                              									der Fortleitung des Gases werden Hochdruckgasleitungen angestrebt, denen sich
                              									Niederdruck-Verteilungsleitungen anschliessen.
                           Als erstrebenswertes Ziel vollkommenster Brennstoffauswertung für den mannigfaltigen
                              									Bedarf grösserer Städte an Wärme, Licht und Kraft ist anzusehen:
                           Die Brennstoffe werden von den Gruben den Zentralen in geschlossenen Sonderzügen
                              									zugeführt und dort möglichst vollkommen vergast. Der gasförmige Energieträger kommt
                              									nun entweder unmittelbar für die Wärmeabgabe, Beleuchtung und Arbeitsleistung zur
                              									Verwendung, oder wird mittelbar in Verbrennungsmaschinen, die zum Antrieb
                              									elektrischer Maschinen dienen, in elektrische Energie für Kraft- und Lichtbedarf
                              									umgesetzt.
                           Es kann kaum zurzeit übersehen werden, welchen Umschwung die Verwirklichung des
                              									Zukunftsplanes von Professor C. Linde in vielen Zweigen
                              									der Industrie und im bürgerlichen Leben hervorrufen würde.
                           
                              Hans A.
                                    											Martens.