| Titel: | Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. | 
| Autor: | M. Richter | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 119 | 
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                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der
                           								Gegenwart.
                        Von Ingenieur M. Richter,
                           								Bingen.
                        (Fortsetzung von S. 106 d. Bd.)
                        Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
                        
                     
                        
                           3. Die ¾ gekuppelte Lokomotive.
                           Der Uebergang der Schnellzuglokomotive mit freier Triebachse in die zweifach
                              									gekuppelte wurde seinerzeit erörtert. Aehnliche Beobachtungen lassen sich nun wieder
                              									anstellen, wo die Zahl der gekuppelten Achsen von zweiauf drei wächst. Soll bei
                              									der gleichen Kesselleistung, also auch gleichem, auf im ganzen vier Achsen liegenden
                              									Dienstgewicht eine wesentlich höhere Zugkraft entwickelt werden, so müssen an Stelle
                              									der bisherigen vier nun sechs Angriffspunkte vorhanden sein, um die nötige Reibung zu
                              
                              									schaffen. Sollen durchschnittlich auch wirklich höhere
                              									Zugkräfte abgegeben werden, so muss der vergrösserten Adhäsion eine
                              										„stärkere“ Maschine entsprechen, und zur Vermeidung grosser,
                              									unwirtschaftlicher Füllungsgrade ist daher entweder ein grösserer Durchmesser der
                              									Dampfzylinder, oder ein längerer Kolbenhub oder endlich ein geringerer
                              									Triebraddurchmesser nötig, wie dies aus der Zugkraftformel Z=\alpha\,\frac{d^2\,p_i\,s}{D} erhellt.
                           Bei gleicher Leistung, bezw. gleicher Grösse der Heizfläche, wird dann der grossen
                              									Zugkraft eine geringere Geschwindigkeit zugehören; falls diese jedoch infolge des
                              									geringeren Raddurchmessers kein Sinken der Umdrehungszahl der Triebräder hervorruft,
                              									bleibt auch die Tätigkeit des Blasrohrs dieselbe, und die berechnete Leistung wird
                              									dauernd erhalten werden können. Es kommt also ganz auf das Verhältnis des
                              									Raddurchmessers der dreifach gekuppelten Lokomotive zu demjenigen der zweifach
                              									gekuppelten an, ob die erstere bei derselben Stärke ebenso brauchbar ist im
                              									Schnellbetrieb wie die letztere, d.h. ob die Umdrehungszahl ihrer Triebräder bei
                              									dieser Leistung grösser oder kleiner ist als die „kritische“ Zahl, bei der
                              									die Leistungskurve (Fig. 63 S. 55)wieder zu fallen
                              									beginnt. Ist sie grösser, so gehört die Lokomotive im allgemeinen nicht in den
                              									Schnellbetrieb, dessen untere Grenze vorläufig mit 60 km/Std., also sehr niedrig, gegriffen sei,
                              									um sich nicht zu sehr von der Gegenwart entfernen zu müssen. Wird dagegen die
                              									kritische Umdrehungszahl nicht überschritten, so ist die Kupplung einer dritten
                              									Achse ohne Einfluss auf die zu verlangende Gesamtleistung, soweit man nicht die
                              									geringfügige Verkleinerung des maschinellen Wirkungsgrades in Anschlag bringt.
                           Was diesen Wirkungsgrad betrifft, so ist allerdings die blosse Vermehrung der
                              									Reibungsflächen nicht der wichtigste Einfluss, sondern stärker wirkt die
                              									Vergrösserung der Drücke, besonders nach ungleichmässiger Abnützung der miteinander
                              									starr verbundenen Teile; einerseits werden dadurch Klemmungen im Triebwerk,
                              									teilweises Schleifen der Räder auf den Schienen und ähnliche, Arbeitsverluste
                              									bedingende Störungen dieser Art, andererseits stärkere Abnützung, Zerrüttung des
                              									Rahmens und der Triebwerksteile, kurz Anlässe zu Reparaturen hervorgerufen,
                              									abgesehen davon, dass die Triebachse an sich mit ihren Kuppelstangen ein im
                              									Vergleich zur Laufachse teurer Konstruktionsteil ist. Aus diesen Gründen hat man
                              									sich auf vielen Bahnen bis in die neuste Zeit gegen die Einführung der dreifach
                              									gekuppelten Lokomotive in den Schnell- und Personenzugdienst gesträubt und diesen
                              									Dienst, wenn irgendwie angängig, von der zweifach gekuppelten, wenn nötig, mit
                              									Vorspann, verrichten lassen; so z.B. in Preussen, wo auch im Gebirgs- und Hügelland
                              									die Personenzüge im allgemeinen noch jetzt nur von 2/4 gek. Lokomotiven mit niederen
                              									Triebrädern geführt werden.
                           Erst die fortwährende Vergrösserung der Zuglasten bei gleichzeitiger Beibehaltung der
                              									bisherigen Fahrgeschwindigkeiten, ja sogar Erhöhung der letztern, hat auch hier
                              									Wandlung herbeigeführt; gegen das in allen andern Ländern übliche Verfahren konnte
                              									man sich nicht dauernd verschliessen, umsomehr als die Nachteile des Vorspanns (wozu
                              									unter anderm die doppelte Mannschaft gehört) diejenigen der dritten Kuppelachse weit
                              									überwiegen; ausserdem befindet sich die Lokomotive mit drei Triebachsen in einem
                              									entschiedenen Vorteil, welcher übrigens allen mehrfach gekuppelten Maschinen
                              									gemeinsam ist und mit der Zahl der Kuppelachsen wächst:
                           Je mehr Achsen miteinander gekuppelt werden, um so steifer, ungeschmeidiger wird
                              									freilich das ganze System, um so leichter werden die oben erwähnten Klemmungen
                              									eintreten, welche von schlechtem Zusammenarbeiten derKupplungsteile herrühren
                              									und deren Gefahr naturgemäss mit der Umdrehungszahl in der Zeiteinheit wachsen muss.
                              									Aber anders verhält es sich mit der Beanspruchung des Oberbaues durch die
                              									Massenwirkungen im Triebwerk. Da die hin- und hergehenden Massen von der Zahl der
                              									gekuppelten Achsen nicht abhängen, sondern für Maschinen von den gleichen
                              									Abmessungen der Zylinder stets nahezu gleich schwer sind, so erfordert ihr Ausgleich
                              									(gegen Zucken und Schlingern) auch gleich schwere Gegengewichte. Bei Lokomotiven mit
                              									freier Triebachse muss nun der Ausgleich auf dieser einen Achse erfolgen, während
                              									bei gekuppelten Lokomotiven die Masse des Gegengewichtes auf sämtliche Kuppelachsen
                              									verteilt wird; die freie senkrechte Komponente der Fliehkraft dieser Gewichte,
                              									welche den Raddruck vermehrt oder vermindert, je nach dem Sinn der Bewegung,
                              									verteilt sich daher ebenfalls auf mehr als eine Achse; folglich wird die
                              									abwechselnde Be- und Entlastung eines Rades um so
                              									kleiner sein, der ruhende Raddruck also um so weniger schwanken, je mehr
                              									Kuppelachsen vorhanden sind. Dies ist besonders für Deutschland eine theoretische
                              									Ueberlegenheit der mehrfach gekuppelten Lokomotive über die ungekuppelte, und im
                              									Gegensatz zu der früheren Verordnung, wonach die Umdrehungszahl in der Minute mit
                              									grösserer Zahl der Kuppelachsen sinkt (T. V. 108), steht die neue Fassung, wonach
                              									für ¼ und 2/4,
                              									sowie ⅖ und ⅗, endlich für 2/4, ¾, ⅘ gek. Maschinen bei im übrigen gleicher
                              									Bauart (betr. Lage der Zylinder und der Feuerbüchse) auch dieselben
                              									Umdrehungszahlen, nämlich 360, bezw. 320, bezw. 260 in der Minute, zulässig
                              									sind.
                           Da ferner die Vorschrift sagt, dass die Fliehkraft an jedem Rad höchstens 15 v. H.
                              									des Raddruckes erreichen darf, so ist dadurch zahlenmässig dieser Vorteil der
                              									mehrfachen Kupplung nachzuweisen, durch welchen der besprochene Nachteil der
                              									grösseren Starrheit gerade aufgehoben wird. Wäre diese Starrheit nebst ihren Folgen
                              									nicht vorhanden, so wäre die Kupplung einer dritten, ja vierten Achse sogar ein
                              									Hilfsmittel zur gefahrloseren Erzielung höherer Tourenzahlen, da infolge der
                              									Verteilung der Fliehkräfte auf mehrere Räder erst bei viel höheren Umdrehungszahlen
                              									die zulässigen Schwankungen von 15 v. H. des Raddruckes eintreten würden; ferner ein
                              
                              									Mittel zur Erzielung höherer Anfahrzugkräfte, bezw. zur Vermeidung des Schleuderns.
                              									Der grössere feste Radstand, zwar ein Uebelstand beim Durchfahren von Kurven und
                              									weiterer Anlass zu grösserer Abnutzung der gekuppelten Teile, wäre andererseits
                              									wieder eine Sicherung der Führung im Geleis infolge der grösseren
                              										„Stützlänge“ in wagerechter Ebene.
                           Wie noch in vielen anderen Gebieten des Lokomotivbaues, so sieht man auch hier einer
                              									Reihe von Nachteilen eine ebenso grosse Anzahl von Vorteilen gegenüber stehen.
                              									Während früher die ersteren in die Wagschale fielen, haben heute, wo tiefere
                              									Kenntnisse in Mechanik in Beantwortung solcher Fragen mithelfen, die Vorteile
                              									überwogen und diejenigen Gegner, welche noch nicht aus eigenem Trieb sich bekehren
                              									lassen, müssen in ihren Ansichten der Not gehorchen. So ist die ¾ gek. Lokomotive
                              									zur Anerkennung gelangt und bereits auch wieder stellenweise durch die mit genau
                              									denselben Vorteilen, aber geringeren Nachteilen ausgestattete ⅗ gek. Lokomotive
                              									verdrängt worden, (was jedoch mit der grundsätzlichen Frage nach der Zahl der
                              									Kuppelachsen nichts zu tun hat.)
                           Die zur Verlängerung des Gesamtradstandes, sowie Tragung der toten Last erforderliche
                              									Laufachse kann sowohl am Vorder- als am Hinterende der Maschine angebracht werden,
                              									Diese beiden Anordnungen können sehr einfach aus schon bekannten Bauarten abgeleitet
                              									werden, aber nur kausal, nicht historisch. (Fig. 72a
                              									und 72b.)
                           
                           Die im ersten Abschnitt der 2/4 gek. Lokomotive besprochene Anordnung mit vorderer
                              									und hinterer Laufachse (also nicht mit vorderem Drehgestell) erhält hinter der
                              									Feuerbüchse eine Kuppelachse; alles übrige bleibt gleich. So entsteht Bauart Fig. 72a welche in Amerika als „Mogul“-Type
                              									bekannt ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 121
                              Fig. 72a.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 121
                              Fig. 72b.
                              
                           Erhält statt dessen die gewöhnliche 3/3 gek. Lokomotive mit überhängenden Zylindern und
                              									ebensolcher Feuerbüchse zum Zweck der Aufnahme eines schweren Kessels und eines
                              									grossen Rostes eine hintere Laufachse, so entsteht Bauart Fig. 72b, eine nur vereinzelte Erscheinung, welche bei alten, umgebauten
                              									Maschinen der Paris–Lyon–Mittelmeerbahn, sowie den neuen, von der Hannoverschen Maschinenbau A. G. vormals G. Egestorff
                              									für Portugal gelieferten Güterzuglokomotiven zu sehen ist.
                           Für das Schnellfahren kann nur die Bauart Fig. 72a in
                              									Betracht kommen, wo die Zylinder gestützt sind, die Führung von einer Achse mit
                              									kleinen Rädern (gegen das Entgleisen bezw. Aufsteigen des Spurkranzes auf die
                              									Schienen) besorgt wird und diese führende Achse kurvenbeweglich einstellbar ist.
                              									Diese Gründe haben auch von vornherein die Bauart ins Leben gerufen; im Jahre 1861
                              									bereits bauten die Baldwin Locomotive Works eine solche
                              									Güterzuglokomotive namens „Mogul“ für die Louisville–Nashville Bahn, deren
                              									Vorzüge bald Anerkennung fanden, so dass in ganz Nordamerika die Mogul-Bauart zur
                              									Anwendung gelangte. Als im Jahre 1865 die Schweizer Zentralbahn (D. p. J. 1900 315, S. 378) für den Bergdienst Basel-Olten eine
                              									Mogul-Tenderlokomotive einführte, bürgerte sich die neue Bauart auch in der Schweiz
                              									ein und ist dort für alle Zugsgattungen bis auf die heutige Zeit in Verwendung. In
                              									den Jahren 1890 bis 1900 folgten auch Preussen, Bayern, Oesterreich usw., und bei
                              									der allgemeinen Verwendbarkeit und mit Rücksicht auf die neuesten Erscheinungen muss
                              									daher auch hier die Mogul-Bauart berücksichtigt werden.
                           Hinsichtlich der Bauart des Vordergestells, in Amerika „Ponytruck“ genannt,
                              									sind zwei grundsätzlich verschiedene Anordnungen zu trennen, gerade wie dies auch
                              									bei der zweifach gekuppelten Lokomotive mit vorderer Laufachse nötig war.
                           Zur ersten Art gehören die selbständig einstellbaren Laufachsen, System Bissel mit Deichsel, deren Drehzapfen hinter den
                              									Zylindern zwischen den Hauptrahmen liegt (Amerika, Schweiz) und System Adams-Webb mit radial gekrümmten Achsbüchsen (Preussen,
                              									Belgien, Oesterreich). Beide zeichnen sich durch die unsichere Einstellung aus,
                              									indem die Lage der Achse durch zufällige Schwankungen des Lokomotivkörpers
                              									beeinflusst wird, und so auch in gerader Strecke sich Schlingern einstellt, welches
                              									nur bei genügend grossem, festem Radstand schwach ausfällt.
                           Zur zweiten Art gehört das einem richtigen zweiachsigen Drehgestell vergleichbare
                              									System Krauss-Helmholtz; wie bereits besprochen, eine
                              									zwangläufige Deichsel zwischen Laufachse und vorderer Triebachse, durch welche diese
                              									beiden den entgegengesetzten Ausschlag zu machen gezwungen werden, sich also beide
                              
                              									an der Führung beteiligen müssen. Für hohe Geschwindigkeiten verdient daher das Krausssche Gestell unter gleichenübrigen Umständen
                              									weitaus den Vorzug. (Preussen, Bayern.)
                           Im einzelnen ist zu besprechen
                           1) Die Schnellzugeslokomotive der Chicago–Burlington & Quincy Bahn, gebaut 1899 von Baldwin, Philadelphia, ist wohl als einziges Muster aus
                              									der Neuzeit für ausschliesslich Schnellzugsdienst aufzutreiben. (Fig. 73.)
                           Die Bauart ist normal; „extended wagontop“
                              									(Belpaire–Player) Kessel mit sehr langer Feuerbüchse
                              									über den Rahmen; Führerstand seitlich vom Kessel; viele kurze Heizrohre, welche
                              									jedenfalls (auf Kosten des Kohlenverbrauchs allerdings) eine sehr kräftige
                              									Verdampfung ergeben und dadurch der Lokomotive den Renndienst schon erleichtern
                              									können. Höhenlage des Kessels massig. Mittlere Treibachse ohne Spurkränze.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 121
                              Fig. 73. Chicago-Burlington & Quincy.
                              
                           Zwillingsmaschine mit Kolbenschiebern, Kühlwasserleitung zu sämtlichen Achsbüchsen
                              									und zu den Treibkurbelzapfen. Niederschlagung des Abdampfes der Westinghouse-Luftpumpe im Tenderkasten.
                           Diese Wasservorwärmung ist sehr empfehlenswert und einfach, da sonst der Abdampf der
                              									Luftpumpe je nach Spiel der Pumpe, 5 bis 18 l in der Minute, völlig verloren zu
                              									gehen pflegt; die dadurch zu machende Ersparnis an Brennstoff ist überschläglich
                              									folgendermassen zu berechnen:
                           In Cal./kg sei λ1 die Gesamtwärme bei der Speisewassertemperatur 0°,
                              									was als Durchschnitt für die jetzt übliche Art, den Abdampf entweichen zu lassen,
                              									gelten soll, ferner λ2
                              									= λ1
                              									– 100 die Gesamtwärme bei der Speisewassertemperatur
                              									100°, was als äusserst möglicher Fall bei Vorwärmung zu gelten hat, so ist das
                              									Verhältnis zwischen beiden
                           
                              \frac{\lambda_2}{\lambda_1}=\frac{\lambda_1-100}{\lambda_1}=1-\frac{100}{\lambda_1},
                              
                           somit die Ersparnis \frac{100}{\lambda_1}.
                           Da nun im Mittel λ1 =
                              									670 Cal /kg ist,
                              									so wird die Ersparnis \frac{100}{670}=15 v. H. für 100° Vorwärmung, d.h. für je 20°
                              
                              									Vorwärmung spart man 3 v. H. Brennstoff. Der äusserst mögliche Fall von 100° würde
                              									somit etwa dem Gewinn des Verbundsystems gegenüber dem Zwillingssystem gleichkommen.
                              									Würde wirklich der ganze Inhalt des Tenders auf diese Art vorgewärmt werden, so
                              									würde bald freilich der Injektor versagen; jedoch tritt dieser Fall nicht
                              
                              									ein, und wenn auch, so gäbe es noch andere Hilfsmittel zur Kesselspeisung. –
                           Der Tender fasst auf vier Achsen 19 cbm Wasser und 12 t Kohlen. Gebaut sind 15 Stück
                              									dieser Gattung. Von den Leistungen ist nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 122
                              Fig. 74. New York, Ontario & Western.
                              
                           2) Die Personenzuglokomotive der New York, Ontario and
                                 										Western Bahn, (Fig. 74) gebaut 1901 von Cooke, Paterson, besitzt, wie auf dieser Bahn üblich,
                              									die Woottensche Feuerbüchse, und zeichnet sich durch
                              									ihre grossen Abmessungen aus. Die geringere Grösse der Triebräder, sowie der groösse
                              									Kolbenhub (712 mm) lassen darauf schliessen, dass der Dienst der Maschine gemischt
                              									ist, und in der Beförderung schwerer Züge mit nicht sehr hohen Geschwindigkeiten
                              									besteht; immerhin werden bei 1755 mm Raddurchmesser noch 90 bis 100 km/Std.
                              									eingehalten werden.
                           Ausser der Woottenschen Feuerbüchse ist noch
                              									bemerkenswert der mittlere, dritte Rahmen, in Amerika sonst nicht angewendet. Die
                              									Maschine hat Zwillingswirkung; die Schieber sind gewöhnliche, nach Richardson entlastete Flachschieber; die Schieberstange
                              									besitzt wieder kein Gelenk.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 122
                              Fig. 75. Belgische Staatsbahn.
                              
                           3) Die Schnellzuglokomotive der Belgischen Staatsbahn,
                              									gebaut 1897 von Cockerill, Seraing (Fig. 75), ist die jetzige Form einer bereits im Jahre
                              									1889 entstandenen Gattung, welche viele Einzelheiten mit der in Fig. 42, 1902, 317, 650 dargestellten und dort beschriebenen 2/4 gek.
                              									Lokomotive gemeinsam hat; diese Eigentümlichkeiten rühren von Belpaire her und sind nicht verändert worden; es sind
                              									nur die Abmessungen vergrössert, die Formen verbessert und ähnliche unwesentliche
                              									Aenderungen getroffen worden; so ist das Kamin von quadratischem Querschnitt durch
                              									ein konisches ersetzt und anderes mehr.
                           Trotz der hohen Lage des Kessels musste die Feuerbüchse nach amerikanischem Muster
                              									gestaltet werden, um sich über den Triebrädern unterbringen zu lassen; zur Feuerung
                              									von Kohlengrus und anderen minderwertigem Brennstoff eingerichtet, also mit sehr
                              									grossem Rost, konnte der hintere, höchste Teil breit sein, während mit Rücksicht auf
                              									die mittlere Triebachse der vordere Teil eingeschnürt und mit sehr schief rückwärts
                              
                              									liegendem Stiefelknechtblech als Verbrennungskammer eingerichtet wurde.
                           Die Rahmen (gepresst) liegen aussen, die Zylinder (Zwilling) innen, und die dritte
                              									Achse wird angetrieben,so dass die Zylinder sehr weit zurückliegen; dieselben
                              									sind natürlich stark geneigt, um über die zweite Achse (vordere Kuppelachse)
                              									wegzukommen, über die Laufachse mit Webbschen
                              									Achsbüchsen hängt die grosse Rauchkammer, deren Kamin eine Windkappe trägt, weit
                              									über. Die Federn der ersten und zweiten, sowie der dritten und vierten Achse sind
                              									durch Längshebel (auf Schneiden gestützt) unter sich verbunden, so dass die
                              									Lokomotive auf vier Punkten ruht.
                           Der Tender ist dreiachsig. Die Bremse ist die Westinghousesche Schnellbremse mit Doppelpumpe.
                           Von dieser sonderbaren Maschine, deren höchste Geschwindigkeit auf nur 75 km/Std.
                              									festgesetzt ist, sind sehr viele Stück gebaut worden. Sie versehen, in Jemelle
                              									stationiert, ausschliesslich den Dienst der gebirgigen Strecke Brüssel–Arien, d.h.
                              									den schwierigen belgisch-luxemburgischen Schnellzugverkehr über die Ardennen. Die
                              									schnellste Fahrt ist, sowohl hin als zurück:
                           Luxemburg-Brüssel 226,4 km in 4 Std. 7 Min., also Reisegeschwindigkeit 54,8 km/Std.
                              									Eingeschlossen sind 5 Aufenthalte mit zusammen 9 Min. Verlust. Auf dieser Strecke
                              									selbst ist wieder die beste Zwischenfahrt: Namur-Brüssel 55,3 km in 50 Min., 66,5
                              										km/Std. In der
                              									Schweiz sind die Ansprüche an die Fahrgeschwindigkeit, ebenso wie auf dem belgischen
                              									und auf dem württembergischen Hügelland, keine hohen. Erst in der neuesten Zeit,
                              									nach der Einverleibung der Privatbahnen in den Bund, ist man bestrebt, wesentlich
                              									stärkere Lokomotiven einzuführen und damit auch die Geschwindigkeiten zu erhöhen.
                              									Die „Mogul“-Bauart war vorher Alleinherrscher, und bei ihrer allgemeinen
                              									Verwendbarkeit für alle Zugsgattungen liess sich auf die Dauer von ihr keine, einer
                              									wirklichen Schnellzuglokomotive allein zukommende Leistung im Schnellfahren
                              									erwarten, und so beginnt der Begriff „Schnellzuglokomotive“ in der Schweiz
                              									bereits bei 70 km/Std.; solange aber die Mogul-Bauart ausschliesslich die Schnellzüge
                              									führte, brachte es kein schweizerischer Schnellzug auf eine grössere
                              									durchschnittliche Geschwindigkeit als etwa 58 km/Std. zwischen zwei Haltepunkten; auch
                              									nicht auf den günstigsten Strecken; das Langsamfahren durch sämtliche Stationen
                              									lässt auch beim besten Rennen keinen guten Durchschnitt erzielen. Von diesen
                              									Gesichtspunkten aus sind auch die Leistungen der folgenden beiden Maschinen zu
                              									beurteilen:
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)