| Titel: | Neuere Dampflokomotiven. | 
| Autor: | M. Buhle | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 123 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        Neuere Dampflokomotiven.
                        Von M. Buhle, Professor in
                           									Dresden.
                        Neuere Dampflokomotiven.
                        
                     
                        
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 123
                              Fig. 1. Entwurf einer Dampfschellbahn-Lokomotive von Mehlis.
                              
                           Wenn einerseits im Eisenbahnwesen gegenwärtig ein Streben nach erhöhter Geschwindigkeit überall zutage tritt, so ist
                              									andererseits festzustellen, dass auch Lokomotiven gebaut werden, welche imstande
                              									sind, immer schwerere Züge zu befördern.
                           Nachdem die elektrischen Schnellfahrten auf der
                              									Militärbahn zwischen Marienfelde und Zossen zu einem bestimmten Abschluss gelangt
                              									sind, werden ähnliche Versuche mit Dampflokomotiven auf
                              									derselben Strecke sowie auf andern Strecken vorgenommen werden. Besonders gespannt
                              									darf man sein auf die Ergebnisse der zur Erreichung praktisch unmittelbar
                              									verwendbarer Geschwindigkeiten von etwa 130 km/Std. bei Henschel u.
                                 										Sohn, Kassel, konstruierten Schnellbahn – Lokomotive, welche nach etlichen
                              									Probefahrten zwischen Marburg und Kassel zur Ausstellung nach St. Louis geschickt werden soll.Wir hoffen, demnächst über die Ergebnisse der
                                    											elektrischen Schnelifahrten sowie über die Versuchsfahrten mit den Henschel- Dampflokomotiven eingehend berichten
                                    											zu können. Hingewiesen sei an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang
                                    											darauf, dass neuerdings Anregungen zur Nutzbarmachung von Dampfturbinen als Antriebmaschinen für
                                    											Lokomotiven gegeben sind. Glasers Annalen 1904,
                                    											I, S. 37). Die Maschine besitzt je ein vorderes und ein hinteres
                              									Drehgestell und zwei Treibachsen, 260 qm Heizfläche und etwa 4 qm Rostfläche. Sie
                              									entspricht nahezu genau den Bedingungen, welche im Jahre 1902 dem
                              									Schnellbahn-Preisausschreiben des Vereins deutscher MaschineningenieureGlasers Annalen
                                    											für Gewerbe und Bauwesen. 1902, I. Seite 85. zugrunde gelegt
                              									waren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 123
                              Fig. 2. Rückansicht.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 123
                              Fig. 3. Vorderansicht.
                              
                           Es war in erster Linie verlangt „der vollständige Entwurf einer Dampflokomotive,
                                 										welche befähigt ist, auf gerader, wagerechter Bahn einen Zug im Gewicht von etwa
                                 										180 t (ohne Lokomotive) mit einer Geschwindigkeit von 120 km/Std. auf
                                 										die Dauer von 3 Stunden ohne Aufenthalt zu befördern. Die Wasseraufnahme kann im
                                 										Fahren in Abständen von etwa 120 km stattfinden. Die zulässige
                                 										Höchstgeschwindigkeit des Zuges soll 150 km/Std. betragen.“ – Die
                              									Heissdampf-Lokomotive eines der seinerzeit preisgekrönten Entwürfe von
                              									Regierungsbaumeister a. D. H. Mehlis zeigen in den
                              									äusseren Ansichten die Fig. 1 bis 3Vergl. Glasers Annalen 1903, I, S. 50 u. f. und S. 95,
                                    											bezw. Tafel III, sowie die im Verlage von Georg
                                       												Siemens, Berlin W. erschienene, von der Technischen Hochschule zu
                                    											Karlsruhe zur Erlangung der Würde eines Dr.-Ingenieurs genehmigte
                                    											Dissertation von Heinr. Mehlis:
                                    											Dampfschnellbahnzug für 120 km mittlere stündliche Geschwindigkeit (150 km/Std.
                                    											maximal).. Sie veranschaulichen eine 2/6-gekuppelte Tendermaschine mit vorderem
                              									und hinterem Drehgestell. Eine Tenderlokomotive ist von dem Verfasser gewählt worden, weil die
                              									Tender nach seiner Meinung in der üblichen Konstruktion, selbst bei 20 cbm
                              									Wasserinhalt, einen zu geringen Achsstand haben, als dass von ihnen bei
                              									Geschwindigkeiten von 120–150 km/Std. ein ruhiger Gang zu erwarten wäre. Auch haben
                              									die Achsen dieser Tender nach Verbrauch der Vorräte nicht mehr die genügende
                              									Belastung. Der Radstand der Lokomotive (Fig. 1) ist
                              									12,4 m, so dass sie auf den auf preussischen Bahnen gebräuchlichen Drehscheiben von
                              									16 m Länge gedreht werden kann. Diese Drehung muss nach jeder Fahrt vorgenommen
                              									werden, weil der Führer des Fahrzeuges zum besseren Uebersehen der Strecke seinen
                              									Stand vor dem Kessel hat. Die Kesselachse ist (nach
                              									amerikanischem Vorbild) 2550 mm über Schienenoberkante gelegt. Die Lokomotive hat 4
                              									Zylinder mit 4 Kurbeln, welche auf die vordere feste Achse arbeiten und mit Schlickscher Massenausgleichung versehen sind. Das
                              									Leergewicht der Lokomotive beträgt etwa 58 t, wohingegen das Dienstgewicht auf etwa
                              									76 t zu schätzen ist.Das Gewicht dieser
                                    												Tenderlokomotive ist kleiner als die den
                                    											übrigen Entwürfen zu Grunde gelegten Gewichte, und es ist fraglich, ob im
                                    											praktischen Betriebe trotz der angenommenen Zuschärfung usw. die gestellten
                                    											hohen Anforderungen alle in vollem Masse erfüllt werden; allein der Entwurf
                                    											ist aus vielen Gründen so bemerkenswert, dass eine Wiedergabe desselben –
                                    											namentlich mit Rücksicht auf Fussnote 1)
                                    												– für den Leserkreis von D. p. J. erwünscht
                                    											zu sein scheint. Von der 146 qm betragenden wasserberührten
                              									Heizfläche sind rund 126 auf die Zugförderung und 20 qm für das von einer 15
                              									pferdigen Laval-Dampfturbine erzeugbare elektrische
                              									Licht, Antrieb der Ventilatoren, Bremsung, Heizung usw. zu rechnen; ausserdem sind
                              									34 qm Ueberhitzer-Heizfläche
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 124
                              Fig. 4. 5/7
                                 										gek. Güterzug-Lokomotive der Baldwin-Werke in Philadelphia.
                              
                           Die Lokomotive ist mit einer Ramsbottomschen
                              									Wasserschöpfvorrichtung (Fig. 3) versehen, mit
                              									welcher während der Fahrt Wasser aus einen zwischen den Schienen angebrachten Rinne
                              									geschöpft und in zwei zusammen 8,75 cbm fassende Wasserbehälter gefördert werden
                              									kann, welche rings um den vorderen Führerstand sowie hinten um den Heizerraum
                              									angeordnet sind. Selbstverständlich sind die Wasserbehälter auf den Stationen auch
                              									durch gewöhnliche Wasserkrane zu füllen.
                           Als Feuerungsmaterial ist Teer angenommen; davon sind 3,3 t nebst einem kleinen
                              									Kohlenvorrat von 0,55 t in Kästen über dem hinteren Drehgestell untergebracht. Die
                              									Rostfläche ist auf 2,35 qm bemessen.
                           Der Führerstand befindet sich über den Zylindern, d.h. – wie bereits erwähnt – vorn
                              
                              									an der Maschine, vor dem Schornstein. Dorthin werden sämtliche der Bedienung des
                              									Führers obliegenden Teile (Regelung der Dampfzuströmung, Umsteuerungsvorrichtung,
                              									Bremseinrichtung, Dampfpfeife usw.) hingeleitet, so dass das dort sich ergebende
                              									Bild dem Führerstande bei elektrischen Lokomotiven in gewisser Beziehung ähnelt.
                           Der Durchmesser der mit Blech verkleideten Treib- und Kuppelräder beträgt 2130 mm,
                              									wohingegen die mit Pockholz ausgeschlagenen 8 Laufräder der Drehgestelle 1000 mm
                              									Durchmesser besitzen. Als Bremsvorrichtung ist die gewöhnliche Schnellbremse von Westinghouse angenommen, welche beiderseitig auf
                              									sämtliche Räder der Lokomotive wirkt.
                           Zur Verminderung des Luftwiderstandes bei schneller Fahrt ist die ganze Lokomotive
                              									mit einer vorn zugeschärften Umhüllung versehen, welche weit herabreicht.
                           Wenn diese Maschine oder die bei Henschel gebaute
                              									Schnellbahn-Dampflokomotive als Vertreterin der einen gegenwärtig ganz besonders in
                              										Deutschland gepflegten Richtung dienen kann, so
                              									möge die in Fig. 4 dargestellte 5/7-gekuppelte
                              									Güterzugmaschine sowie die von der Baltimore und
                                 
                                 										Ohio-Eisenbahn-Gesellschaft für die Weltausstellung in St. Louis bestellte Tandem-Verbund-Lokomotive als typisch für die vornehmlich in Amerika geförderte Bauart schwerer Dampflokomotiven genannt sein.
                           Diese RiesenmaschineGlasers Annalen 1903, II, S. 227.
                              									hat 6 Treib- bezw. Kuppelachsen mit Rädern von 1,4 m Durchmesser. Die vorderen 3
                              									Treibachsen werden durch die Hochdruckzylinder (508 mm Durchmesser), die hinteren
                              									durch die Niederdruckzylinder (1067 mm Durchmesser) getrieben. Die Röhrenheizfläche
                              									beträgt 384 qm, während die direkte Heizfläche in der Feuerbuchse zu 17,65 qm
                              									angegeben wird, so dass sich insgesamt für die Heizfläche rund 400 qm ergeben. Der
                              									Betriebsdampfdruck beträgt 17 Atm.
                           Die Lokomotive soll rund 130 t wiegen; ihr Gewicht wird sich aber mit voller
                              									Ausrüstung des Tenders, welcher im wesentlichen aus rund 26 t Wasser und 12 t Kohlen
                              									besteht, auf rund 188 t belaufen. Dazu sei bemerkt, dass die schwerste, von Schneider & Co., Le Creusot, gebaute 2/7-gek.
                              									Eilzug-Lokomotive auf der Pariser Weltausstellung einschliesslich Tender 80,6 + 38,0
                              									(13 t Wasser + 7 t Kohle) = 118,6 t wog.
                           Aehnlich sind die Verhältnisse der in Fig. 4
                              									abgebildeter normalspurigen Tandem – Verbund – Güterzuglokomotive, welche die Baldwin-Lokomotivwerke in PhiladelphiaDiese Werke sind bekanntlich die
                                    											leistungsfähigsten ihrer Art auf der Welt. Im Jahre 1903 ist die
                                    											Jahresproduktion auf die bisher unerreichte Höhe von nahezu 2000 Lokomotiven
                                    											gestiegen. als erste von 70 derartigen Maschinen für die
                              									Atchison-Topeka und Santa Fe-Eisenbahngesellschaft in Nordamerika gebaut haben. Die
                              									Zylinder haben bei 483 mm und 813 mm Durchmesser einen Hub von 813 mm erhalten. Der
                              									Kesseldurchmesser beträgt 2,0 m, die Kesselblechstärken sind zu ⅞'' (22,2 mm) und
                              										15/16'' (23,8
                              									mm) gewählt, der Betriebsdruck ist rund zu 16,5 Atm. angenommen. Die
                              									Feuerbuchs-Heizfläche (19,5 qm), vermehrt um die Röhrenheizfläche (426 qm) [391
                              									Heizrohre von 57 mm Dmr.] ergibt als Gesamtheizfläche rund 445 qm, während die
                              									Rostfläche 5,43 qm beträgt.
                           Die Treibräder besitzen einen Durchmesser von 1348 mm. Die Lokomotive wiegt allein
                              									rund 130 t; davon entfallen etwa 106 t auf die Treibachsen, 10,6 t auf die vordere
                              									und 13,4 t auf die hintere Laufachse. Die Maschine soll eine Zugkraft von 26500 kg
                              									entwickeln können. Das Gewicht des 32 t Wasser aufnehmenden Tenders ist 70 t, so
                              									dass Maschine und Tender zusammen rund 200 t wiegen.
                           Die Gesamtlänge von Lokomotive und Tender misst 20,116 m, wovon nahezu 11 m auf die
                              									Maschine entfallen.