| Titel: | Die Berechnung der Lasthaken und die sich daraus ergebenden Hakenformen bester Materialausnutzung. | 
| Autor: | G. Griffel | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 178 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Die Berechnung der Lasthaken und die sich daraus
                           								ergebenden Hakenformen bester Materialausnutzung.
                        Von Dipl.-Ing. G. Griffel.
                        (Schluss von S. 166 d. Bd.)
                        Die Berechnung der Lasthaken und die sich daraus ergebenden
                           								Hakenformen bester Materialausnutzung.
                        
                     
                        
                           Es wäre jetzt noch festzustellen, welcher der beiden vorerwähnten Rechnungsgänge
                              									mehr Gewähr für Richtigkeit bietet, oder ob derjenige, welcher den Haken wie einen
                              									geraden Stab behandelt, oder derjenige, welcher die Grashofsche Formel zugrunde legt. Zu dem Zweck ist hier einiges aus der
                              									Festigkeitslehre kurz zu erwähnen.
                           Die Festigkeitslehre pflegt für die rechnerische Behandlung aller auf Biegung und Zug
                              									beanspruchten Körper zwei grundlegende Annahmen zu machen. Die eine ist das Hookesche Gesetz, welches besagt, dass zwischen der
                              									Dehnung einer Faser und deren Spannung Proportionalität besteht. Dieses Gesetz
                              									trifft zwar nicht für alle Stoffe zu, für diejenigen Materialien aber, die für die
                              									Hakenkonstruktion in Frage kommen – Schmiedeeisen und Stahl – ist es auch durch
                              									neuere Versuche aufs beste bestätigt worden. Seine Gültigkeit beschränkt sich
                              									allerdings auf Spannungen unterhalb der Proportionalitätsgrenze; da aber im
                              									praktischen Gebrauch stets nur Spannungen erheblich unterhalb dieser Grenze
                              									zugelassen werden, geht man bei Aufstellung von Formeln zur Hakenberechnung in
                              									seiner Anwendung jedenfalls richtig.
                           Die zweite Annahme welche zuerst von Bernouilli
                              									aufgestellt ist, besagt, dass zwei benachbarte ursprünglich ebene Querschnitte eines
                              									Stabes auch bei der Beanspruchung eben bleiben. Obgleich diese Annahme bei der
                              
                              									Hakenberechnung theoretisch nicht ganz einwandsfrei ist, halte ich ihre Anwendung
                              									doch so lange für berechtigt, als nicht ein besserer Ersatz dafür geboten wird, oder
                              									gezeigt wird, dass ihre Anwendung praktisch unzulässig ist.
                           Unter Zugrundelegung beider Annahmen gelangt man für den geraden Stab zu der
                              									Beziehung:
                           
                              \sigma=\frac{M_b\,\eta}{J}+\frac{Q}{f}
                              
                           während man für den gekrümmten Stab auf die Grashofsche
                              									Formel kommt:
                           
                              \eta=\frac{Q}{f}+\frac{M_b}{f\,\cdot\,r}+\frac{M_b}{\kappa\,f\,\cdot\,r}\,\cdot\,\frac{\eta}{r+\eta}
                              
                                 
                                 Die Vorzeichenregel für Mb und η siehe
                                    											Seite 132.
                                 
                              
                           Zeichnet man nach Fig. 25 die zu den einzelnen
                              									Schichten gehörigen Spannungen als Ordinaten auf, so ergibt sich für den ersten Fall
                              									eine Gerade, für den zweiten Fall eine Hyperbel. Mit diesem Ergebnis stehtdie
                              									Annahme, dass der gekrümmte Stab sich so verhält wie ein gerader in entschiedenem
                              
                              									Widerspruch; will man sie trotzdem aufrecht erhalten, so muss unbedingt die Bernouillische Annahme für den gekrümmten Stab fallen.
                              									Diese Ansicht wird gegenwärtig von Prof. Föppl in
                              									seinen „Vorlesungen über techn. Mechanik“ 2. Aufl. 1900 Bd, III Seite 214 u.
                              									f. vertreten; er empfiehlt demgemäss zur Hakenberechnung den zuerst ausgeführten
                              									Rechnungsgang. Die gegenteilige Ansicht, dass die Grashofsche Formel als Grundlage zu wählen ist, wird unter anderen
                              									besonders von v. Bach vertreten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 177
                              Fig. 25.
                              
                           Als praktisch richtig muss diejenige Ansicht anerkannt werden, welche mit den
                              									Versuchsergebnissen am besten übereinstimmt.
                           Es liegen m. W. folgende Veröffentlichungen über diesbezügliche Versuche vor:
                           A: Versuche an gusseisernen Probekörpern.
                           a. Versuche von Bach, veröffentlicht
                              									in „Elastizität und Festigkeit“. 4. Aufl. Seite 510 u. f.
                           Bach hat mit gekrümmten stabförmigen Körpern aus
                              									Gusseisen Versuche angestellt und dabei ermittelt, dass die den Bruch herbeiführende
                              									Last (Q), welche berechnet wurde auf Grund der Annahme,
                              									der gekrümmte Stab verhalte sich so wie ein gerader, dem Versuch gegenüber im Mittel
                              									um 33 v. H. zu gross ausfällt, während die Grashofsche
                              									Formel sie im Mittel um 19 v. H. zu klein ergibt. Die bei der Berechnung eingeführte
                              									Bruchfestigkeit des Materials σz ergab ein am geraden Stab desselben Materials
                              									angestellter Biegungsversuch.
                           b) Versuche von Föppl, veröffentlicht
                              									in den „Mitteilungen aus dem mechan. techn. Laboratorium der k. techn.
                                 										Hochschule“ in München. Heft 26. 1898.
                           Föppl hat die vorstehenden Bachschen Versuche ganz in derselben Weise wiederholt und gelangt dabei zu
                              									dem Ergebnis, dass die den Bruch herbeiführende Last (Q) sich nach der ersten Rechnungsart um 42 v. H. zu gross nach der Grashofschen Formel um 2 v. H. zu gross ergibt.
                           Aus diesen Versuchen folgern Bach und Föppl in Uebereinstimmung, dass für die Berechnung
                              									gekrümmter gusseiserner Stäbe die Grashofsche Formel
                              									anzuwenden ist.
                           B: Versuche an Haken.
                           a) Versuche von Bagge, veröffentlicht
                              									in der „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“. 1885. Seite 11 u.
                              									f.
                           Bagge hat Haken von verschiedener Grösse, deren
                              									Abmessungen so nach der ersten Methode bestimmt waren, dass die Zugbeanspruchung
                              									gleich der Druckbeanspruchung sein sollte, Zerreissproben unterworfen. Dabei hat
                              									sich ergeben, dass bei sämtlichen Haken auf der Zugseite zuerst der Hammerschlag
                              									absprang und sich kleine Längsrisse zeigten, und bei weiterer Steigerung der
                              									Belastung auch der Bruch eintrat, während sich auf der Druckseite noch nichts
                              									zeigte.
                           Darauf wurde ein Haken, welcher nach der Grashofschen
                              									Formel so bemessen war, dass Zug- und Druckbeanspruchung einander gleich waren, der
                              									Zerreissprobe unterworfen und hier trat – wie Bagge
                              									schreibt – „der Bruch auf Druck- und Zugseite zugleich ein.“
                           Dieses Ergebnis spricht entschieden mehr für die Anwendung der Grashofschen Formel zur Hakenberechnung.
                           b) Versuche von Föppl, veröffentlicht
                              									in den „Mitteilungen aus dem mechan. techn. Laboratorium der k. techn.
                                 										Hochschule“ in München. Heft 26. 1898Eine
                                    											Besprechung dieser Versuche von A. Bantlin
                                    											findet sich in der „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“.
                                    											1899. Seite 261. Gegenrede und Erwiderung dazu finden sich auf Seite 403 und
                                    											404 daselbst.
                           Föppl hat mit einer Reihe Zughaken von
                              									Eisenbahnwagen-Kupplungen Versuche angestellt und dabei ermittelt, dass die
                              									Belastung (Q) der Haken beim Bruch oder unmittelbar
                              									davor in Wirklichkeit grösser war wie eine Berechnung nach der einfachen Formel:
                           
                              \overline{\eta_z}=\frac{M_h\,\cdot\,e_2}{J}+\frac{Q}{f}
                              
                           erwarten liess, und daraus zieht Föppl den Schluss, dass
                              									diese einfache Formel schon vollständig ausreichende Sicherheit gewährt.
                           Durch diese Versuche ist aber nur für den Fall der
                              									Bruchbelastung die Unzulässigkeit der Grashofschen
                              									Formel bewiesen; dafür hat sie aber niemals Anspruch auf Richtigkeit erhoben, denn
                              									sie hat das Hookesche Gesetz zur Voraussetzung und
                              									dieses gilt nur für Beanspruchungen bis zur Proportionalitätsgrenze.
                           Die in Fig. 26 eingezeichnete Kurve stellt die
                              									Spannungen in den Schichten eines auf Biegung beanspruchten geraden schmiedeeisernen
                              									Stabes kurz vor dem Bruch darDie Kurve ist
                                    											konstruiert unter Zugrundelegung eines in Bach:
                                    											„Elastizität und Festigkeit“ 4 Aufl. 1902 Seite 44 gegebenen
                                    											Spannungsdiagramms.; in den Formeln zur Berechnung – die für
                              									Spannungen unterhalb der Proportionalitätsgrenze aufgestellt sind wird die punktiert
                              									eingezeichnete Gerade angenommen. Man sieht, dass in Wirklichkeit jede Schicht
                              									zwischen der äussersten und der spannungslosen viel stärker zur Uebertragung des
                              									Biegungsmomentes beiträgt wie die Rechnung voraussetzt, woraus ohneweiteres
                              									folgt, dass das Biegungsmoment, welches erforderlich ist, um den Bruch
                              									herbeizuführen, grösser ist wie es die Rechnung ergibt. Wie gross dieser Unterschied
                              									zwischen Rechnung und Wirklichkeit für den in Fig.
                                 										26 angenommenen Fall eines Stabes von rechteckigem Querschnitt wird, lässt
                              									sich leicht feststellen. Es gilt allgemein:
                           
                              M_b=2\,_0\int\^{\eta\,\mbox{max}}\,b\,p\,\cdot\,d\,\eta\,\cdot\,\eta=2\,b\,_0\int\^{\eta\,\mbox{max}}\,p\,\cdot\,d\,\eta\,\cdot\,\eta
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 178
                              Fig. 26.
                              
                           Darin ist jedes Element p d η . η
                              									zu vergleichen dem statischen Moment eines Flächenstreifens von der Höhe p und der Breite d η
                              									bezogen auf die neutrale Achse OO. Das Integral
                              									entspricht also dem statischen Moment der ganzen Fläche (F), bezogen auf die neutrale Achse. Bezeichnet man – wie in Fig. 26 – mit dem Index r die sich nach der Rechnung ergebenden Grössen, mit dem Index w die in Wirklichkeit auftretenden Grössen, so ergibt
                              									sich die Beziehung:
                           
                              \frac{M_{br}}{M_{bw}}=\frac{2b\,_0\int\^{\eta\,\mbox{max}}\,p\,r\,d\,\eta\,\cdot\,\eta}{2b\,_0\int\^{\eta\,\mbox{max}}\,p_w\,d\,\eta\,\cdot\,\eta}=\frac{F_r\,\cdot\,\eta_{or}}{F_w\,\cdot\,\eta_{ow}}
                              
                           worin η0 den Schwerpunktsabstand der Flächen F von
                              									der neutralen Achse bedeutet. Setzt man nun – wie in Fig.
                                 										26 angedeutet ist – die grösste (Rand-)Spannung = 1 und ebenso den Abstand
                              									der äussersten Schicht von der neutralen ηmax = 1 so wird:
                           F_r=\frac{1}{2} und \eta_{or}=\frac{2}{3}
                           Fw und ηow wurden durch Wiegen der aus Zeichenpapier
                              									ausgeschnittenen Fläche Fw und Auswägen derselben auf einer Spitze
                              									ermittelt zu: Fw =
                              									0,866 und ηow = 0,542
                              									damit wird:
                           
                           
                              
                              \frac{M_{br}}{M_{bw}}=\frac{\frac{1}{2}\,\cdot\,\frac{2}{3}}{0,866\,\cdot\,0,542}=\frac{1}{1,41}
                              
                           Das in Wirklichkeit den Bruch herbeiführende Biegungsmoment ist also hier um 41 v. H.
                              									grösser wie das berechnete.
                           Ganz entsprechendes gilt nun auch für gekrümmte Stäbe. Man wird mit einiger
                              									Annäherung annehmen dürfen, dass auch bei einem Haken die wirklich zum Bruch
                              									führende Last (Q) um 41 v. H. grösser sein muss wie die
                              									– nach einem für Spannungen unterhalb der Proportionalitätsgrenze richtigen
                              									Rechnungsverfahren – berechnete.Hier macht
                                    											sich tatsächlich die Ungültigkeit des Hookeschen Gesetzes oberhalb der Proportionalitätsgrenze wegen der
                                    											Abrundung des Querschnittes noch stärker bemerkbar wie beim rechteckigen
                                    											Stab. Nach Versuchen von Bach verhält sich bei
                                    											Gusseisen der Biegungs-Bruchwiderstand eines Stabes von rechteckigem
                                    											Querschnitt zu dem eines Stabes von kreisförmigem Querschnitt von gleichem
                                    											Widerstandsmoment wie 1,7 : 2,05. Danach möchte ich schätzungsweise
                                    											annehmen, dass die zum Bruch führende Last im vorliegenden Falle um 50 v. H.
                                    											grösser wird wie die berechnete.
                           Nach den Föpplschen Versuchsergebnissen ist nun im
                              									Mittel die den Bruch herbeiführende Last (Q) nur um 23
                              									v. H. grösser wie die nach der Formel:
                           
                              \sigma_z=\frac{M_b\,\cdot\,e_2}{J}+\frac{Q}{f}
                              
                           berechnete, woraus ich schliesse, dass diese Formel für
                              									Beanspruchungen unterhalb der Proportionalitätsgrenze zu kleine Werte ergibt. In dem
                              									verbleibenden Unterschiede von 18 v. H. oder wenn man untenstehende Anm. 36
                              									berücksichtigt um 27 v. H. erblicke ich den Einfluss der Krümmung, der bei einem
                              									Eisenbahn-Zughaken geringer ist wie bei einem normalen Kranhaken, denn die
                              									Eisenbahnhaken sind in ihrer Oeffnung, dort wo die grösste Beanspruchung auftritt,
                              									auf eine Länge von 24 mm nicht gekrümmt sondern gerade.
                           Meines Erachtens dienen die Föpplschen Versuche
                              									gleichfalls zur Bestätigung der Grashofschen
                              									Formel.
                           All diese Ergebnisse sprechen so sehr zu gunsten dieser Formel, dass man sie für
                              									genügend erwiesen betrachten darf, ihr jedenfalls aber den Vorzug vor der einfachen
                              									– den Haken wie einen geraden Stab behandelnden – Formel einräumen muss.