| Titel: | Die Vauclusischen Quellen und die Wasserversorgung der Städte. | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 235 | 
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                        Die Vauclusischen Quellen und die
                           								Wasserversorgung der Städte.
                        (Fortsetzung von S. 196 d. Bd.)
                        Die Vauclusischen Quellen und die Wasserversorgung der
                           								Städte.
                        
                     
                        
                           
                              
                              5. Die Typhusepidemien in Paderborn.
                              
                           Die Stadt Paderborn bezieht ihr Trinkwasser aus den mit grosser Mächtigkeit im Innern
                              									der Stadt austretenden Paderquellen, denen die Stadt auch ihren Namen verdankt.
                           Seit altersher wurden diese Quellen sehr geschätzt und bildeten den Stolz der
                              									Bevölkerung, bis in der Neuzeit durch die Wasserleitung und in deren Gefolge durch
                              									die Typhusepidemie der wahre Charakter dieser Quellen entlarvt wurde und dieselben
                              									sich auch als nichts anderes als die gefährlichen „vauclusischen Quellen“
                              									erwiesen.
                           Die Stadt Paderborn hat sich, ähnlich wie Soest um die Quellen seines grossen
                              									Teiches, um und über die Quellen der grossen Pader angebaut. Die niederen Teile der
                              
                              									Stadt lagern auf dem Diluvium, die hohen Stadtteile, von den Paderquellen nach Süden
                              									zu, auf dem Plänerkalk.
                           Der Ober- und Unterturon, welcher den Pläner zusammensetzt, ist stark in horizontaler
                              									und vertikaler Richtung zerklüftet, er nimmt das Regenwasser auf und führt es sofort
                              									in grössere Tiefen.
                           Aehnlich wie die Kreide des Pariser Beckens verschlingt auch die Kreide des
                              									westfälischen Beckens die an sie hinantretenden Wasserläufe. Von dem Hilssandstein
                              									(Neocän) und Gault, der hier die grössten Höhen darstellt, kommen eine Anzahl Bäche
                              									herunter. Wie sie in das Gebiet des Turons, des Kalksteinmergels eingetreten sind,
                              									so werden sieimmer weniger; entweder verschwindet das Wasser in unzählige feine
                              									Spalten oder es stürzt in grössere Spalten und Trichter, Schwaiglöcher genannt. Zu
                              									trockener Zeit sind diese Bäche schon nach kurzem Laufe vollständig trocken, zur
                              									feuchten Jahreszeit erreichen sie den Almfluss, dessen Bett in dem Tone der jüngeren
                              									Kreide, des Diluviums und Alluviums eingeschnitten ist.Es ist im allgemeinen genau dieselbe
                                    											geologische Formation, wie wir dieselbe auch später in dem
                                    											böhmisch-mährischen Kreidegebiete sehen werden und die bei der geplanten
                                    											Brünner Wasserleitung, von Brüsau aus, für Brunn verhängnisvoll werden
                                    											müsste.
                           Paderborn hatte im Laufe der letzten Jahre vier Typhusepidemien gehabt, die erste im
                              									Jahre 1885, als die Zentralwasserversorgung noch nicht bestand. Diese erste
                              									Typhusepidemie erstreckte sich aber nicht auf die ganze Stadt, sondern blieb auf die
                              									auf undurchlässigem Ton stehende Unterstadt beschränkt, trat nicht explosionsartig
                              									auf, sondern gruppierte sich um gewisse Zentren.
                           Es ist nämlich das charakterische der Typhusepidemien, welche durch Wasserleitungen
                              									hervorgerufen werden, dass dieselben immer gleichzeitig in verschiedenen Teilen der
                              									Stadt und fast ausnahmslos nur in solchen Häusern auftreten, welche an die
                              									Wasserleitung angeschlossen sind.
                           Im Jahre 1893, nach der Einführung der neuen Wasserleitung, erkrankten plötzlich im
                              									September und Oktober 126 Personen. Die Krankheit war gleichmässig auf die ganze Stadt
                              									verbreitet, fast sämtliche infizierten Häuser waren an die Wasserleitung
                              									angeschlossen und die Aerzte und Verwaltungsbehörden haben damals schon die Epidemie
                              
                              									als eine ausgesprochene Wasserepidemie angesehen.
                           Seitdem wurden von der Ortsbehörde regelmässige Untersuchungen der Quellen angeordnet
                              									und ein im Orte wohnender Chemiker mit denselben betraut. Als jedoch diese
                              									Untersuchungen ein ungünstiges Resultat ergaben, wurde ein auswärtiger Fachmann zu
                              									der Untersuchung herangezogen, dessen Resultate günstige waren; trotzdem brach im
                              									Jahre 1898 eine schwere Typhusepidemie aus.
                           Beide Herren hatten recht mit ihren Befunden, aber während der eine das Wasser zur
                              									Zeit nach grösseren Niederschlägen untersuchte, tat das der andere zur Zeit der
                              									Dürre, wo die grössten Verunreinigungen bereits verschwunden waren.
                           In dem Charakter dieser bösen, vauclusischen Quellen ist es nämlich gelegen, dass
                              									dieselben selbst anerkannte Autoritäten täuschen können und zu einer Zeit, nach
                              									längerer Trockenperiode, völlig unschädlich sind, nach grösseren Niederschlägen aber
                              									höchst gefährlich werden können.
                           Wie wir aus der Einleitung über die Natur dieser Quellen gesehen haben, passieren
                              									dieselben im Innern des Kalkgebirges ausgedehnte natürliche Filter, welche in
                              									normalen Zeiten ziemlich gut funktionieren, aber bei jeder Ueberlastung infolge
                              									grösserer Wasserzufuhr oder sonstiger Störung gänzlich unbrauchbar werden.
                           Nach dem vehementen Ausbruch der Typhusepidemie im Jahre 1898 wurden nun wohl
                              									umfassende Untersuchungen über die Natur der früher so heilig gehaltenen Paderborner
                              									Quellen angestellt.
                           Es gelang durch zahlreiche Färbeversuche, nicht nur den Zusammenhang dieser Quellen
                              									nachzuweisen, sondern auch zu beweisen, dass der Boden im weiteren Umkreise der
                              									Stadt, soweit der Plänerkalk reicht, durchlässig ist und alle Oberflächenwässer in
                              									demselben verschwinden und die Paderquellen bilden.
                           Es wurde ferner auch nachgewiesen, dass genau so wie die Epidemie von Paris von Sens
                              									aus viele Kilometer weit infolge primärer Typhusfälle, die sich schon Monate vorher
                              									ereignet hatten, und nach aussergewöhnlichen Niederschlägen nach Paris eingeschleppt
                              									wurde, dies bei Paderborn ebenso zweifellos vom Dorfe Asseln, welches 13–14
                              									Kilometer entfernt ist, geschehen ist.
                           Im Dezember 1897 brach nämlich eine Hausepidemie in Asseln aus, welche sich bis in
                              									das Frühjahr 1898 hinschleppte.
                           Die Entleerungen der Kranken gelangten undesinfiziert auf den Düngerhaufen und die
                              									Bazillen wurden höchstwahrscheinlich durch die abnormen Niederschläge des Monats
                              									August nach Paderborn geleitet. Es ist in zahlreichen Fällen nachgewiesen worden,
                              									dass die Typhusbazillen, wenn sie in der Wärme und auf nahrhaftem Boden sich
                              									befinden, eine monate- ja jahrelange Virulenz besitzen und durch das Wasser selbst
                              									auf sehr weite Entfernung verschleppt, auch diese Virulenz behalten.
                           Auf kalten, nahrungslosen Boden übertragen, sterben dieselben jedoch bald ab und
                              									dringen durch kapillare Hohlräume nicht hindurch. Daher stammt auch die enorme
                              									Gefährlichkeit der vauclusischen Quellen, da dieselben in der Regel eine höhere
                              									Temperatur als das Jahresmittel der Gegend besitzen, unrein sind und nicht kapillare
                              									Hohlräume durchfliessen. Deshalb sind auch die echten Quellen ungefährlich, welche
                              									bei ihrer Reinheit und niederen Temperatur niemals zu Brutstätten und Verbreitern
                              									der Typhusbazillen werden können.
                           Im allgemeinen wird man bei dem Genuss und Gebrauch eines Wassers überall dort
                              									die grösste Vorsicht beobachten müssen, wo dasselbe aus einem Boden stammt, in dem
                              									sich nicht kapillare Hohlräume befinden, da eine Verunreinigung desselben und die
                              									Fortpflanzung der Typhusbazillen möglich ist, wie dies in neuerer Zeit an
                              									verschiedenen Orten nachgewiesen wurde.
                           Es nützen bei solchen Wässern selbst die besten und langwierigsten chemischen und
                              									auch bakteriologischen Untersuchungen gar nichts; wenn die Ansteckungsmöglichkeit
                              									gegeben ist, so dürfen solche Wässer niemals einer Wasserleitung zugrunde gelegt
                              									werden, denn früher oder später kann die Verunreinigung und Ansteckung erfolgen.
                           Ein einziger Typhusfall in der Gegend genügt dann, um eine Epidemie in der Stadt
                              									hervorzurufen, denn die Wasserleitung wird dann direkt zur Typhusleitung.
                           Prof. Dr. A. Gärtner hat in seiner ausgezeichneten
                              									Denkschrift mehrere solcher Fälle angeführt, so z.B.:
                           I. Typhusverbreitung durch Quellen, welche von gedüngten Wiesen und einzeln liegenden
                              									Häusern aus infiziert worden sind, in Stuttgart, Winterthur, Lorient, Gunislatte.
                              									Abertillery, Oberhollawangen, Anxere, Wald.
                           II. Infektion der Quellen von den sie umschliessenden Ortschaften, aus: Bradfort,
                              									Worthing, Fünfkirchen.
                           III. Infektion der Quellen von weit entlegenen Ortschaften, aus: Kranichfeld,
                              									Brüssel, Paris, Paderborn und Soest.
                           IV. Infektion der Quellen durch versunkene Bachwässer: Beverly, Bar-le-Duc, Besonçon,
                              									Lausen.
                           V. Infektion der Quellen durch abgeleitetes Flusswasser: Regensburg, Weimar, Apolda,
                              									Ober- und Niederwillingen usw.
                           Es würde zu weit führen, alle nur aus der neueren Zeit herstammenden Typhusepidemien
                              									aufzuzählen oder gar zu beschreiben, welche durch unmittelbare Uebertragung durch
                              									das Wasser entstanden sind. Ein Gutes haben diese Unglücksfälle doch im Gefolge
                              									gehabt, indem sie alle beteiligten Kreise gebieterisch gezwungen haben, dem Wasser
                              									und vorzüglich den Quellen eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen und vorurteilslos
                              									die Provenienz der Quellen zu untersuchen und den Ursachen der Epidemien
                              									nachzuforschen.
                           Ein hervorragender Forscher auf diesem Gebiete hat einst den Auspruch getan, dass
                              									Epidemien, welcher Art immer, bei dem heutigen Stande der Wissenschaft bereits
                              									unmöglich sind, und wo dieselben noch vorkommen sollten, dies nur ein arges
                              									Versäumnis der berufenen Kreise und Personen bedeutet.
                           Möge dieses mahnende Wort in die weitesten Kreise dringen und überall dort, besonders
                              									wo es sich um die Anlage von Wasserleitungen für grosse Städte handelt, volle
                              									Berücksichtigung finden.Mögen auch überall
                                    											dort, wo die Wasserleitungen auf so unverlässliche Quellen basiert sind, zu
                                    											rechter Zeit die nötigen Vorkehrungen und Abhilfe getroffen
                                    										werden.
                           Die fortschreitende Wissenschaft der Neuzeit hat uns ja diesbezüglich bereits die
                              									meisten Rätsel enthüllt, welche früher unlösbar schienen, und uns auch auf allen
                              									Gebieten überraschende Ergebnisse gebracht.
                           I. Die Geologie, indem sie uns den Aufbau und die Zusammensetzung der Erdkruste näher
                              									kennen lernte.
                           II. Die Bakteriologie, indem sie uns die Kenntnis der kleinsten Lebewesen, der
                              									Bazillen und vorzüglich der pathogenen Keime und deren Verbreitung und
                              									Lebensbedingungen vermittelte.
                           III. Die Hydrologie, indem sie uns in der Neuzeit das Wesen der Oberflächen und
                              									Grundwässer enthüllte und die Herkunft und den Zusammenhang derselben lehrte;
                           
                           das Uebergehen des einen Wassers in das andere zeigte und
                              									uns dadurch ein klares Bild der reinen, noch unverbrauchten Wässer und der bereits
                              									verbrauchten: Der Arterien und der Venen des Erdkörpers lieferte.
                           IV. Die Chemie, indem sie uns die Zusammensetzung der Trinkwässer und deren
                              									schädliche Beimengungen kennen lernte und zugleich geeignete Färbemittel gab, um den
                              									Zusammenhang der Gewässer der Erdkruste nachzuweisen.
                           Hindernd für die Erforschung der Wahrheit waren wohl lange Zeit viele alte Vorurteile
                              									der Wissenschaft. In der Hydrologie besonders die alte Theorie vom Vorhandensein des
                              									Wassers im Innern der Erde und demgemäss Entstehung vieler Quellen, besonders der
                              									Thermen, durch Verdichtung der Wasserdämpfe aus dem Innern der Erde.
                           Noch in neuester Zeit haben selbst namhafte Gelehrte dieser Ansicht Ausdruck
                              										gegeben, und vadose Quellen. heute
                              									dürfte wohl diese Ansicht überwunden sein und die schon von dem berühmten Physiker
                              										Mariotte geäusserte Ansicht, dass alles Wasser der
                              									Erde Meteorwasser ist, allgemeine Geltung besitzen.
                           Viel geschadet haben einer richtigen Erkenntnis über das Wesen der Quellen auch die
                              									Vorurteile der Geologen und besonders die geologische Klassifikation und
                              									Nomenclatur.
                           Da es naturgemäss beim Wasser ist, dass es bei seinem Vorkommen nicht auf die
                              									geologische Schichtung der einzelnen Zeitepochen angewiesen ist, sondern auf den
                              									geotectonischen Aufbau der Erdrinde, so mussten die rein geologischen Urteile
                              									darüber, anstatt fördernd nur verwirrend wirken.
                           Erst als man angefangen hat, dem geotektonischen Aufbau der Erdrinde mehr Beachtung
                              									zu schenken, gewann man eine Klarheit und Sicherheit des Urteils.
                           Dr. Gärtner sagt: „Es sind doch z.B. die geologische
                                 										Bezeichnung der Trias, Jura, Kreide usw., die in dem geologischen Gutachten
                                 										immer vorkommen nichts anderes als historische Begriffe und zwar für
                                 										vorweltliche Faunen und nicht für Gesteinsarten. Benennungen wie Muschelkalk
                                 										usw. bezeichnen also Zeitepochen und werden für die verschiedensten Gesteine
                                 										gebraucht, „Muschelkalk“, also auch für solche, welche kaum mehr eine
                                 										Spur von Kalk enthalten; andererseits gehören, um ein zweites Beispiel
                                 										nachzuweisen, zum „Buntsandstein“ mächtige Lager von Gips und
                                 									Kalk.“
                           Und doch spielt das Vorkommen des Kalkes für das Vorkommen und die Art der Gewässer,
                              									speziell der vauclusischen Quellen die wichtigste Rolle.
                           Die geotektonischen Forschungen haben auch in neuester Zeit für die Wissenschaft
                              									bezüglich der Quellen und des Verlaufes der Wasseradern die grössten Ueberraschungen
                              									gebracht und das Wesen der Quellen enthüllt.
                           So z.B. konnte Kopp (Ueber die hydriologischen
                              									Beziehungen der Donau und Achquellen) durch Einschütten von 210 Ctm Kochsalz
                              									nachweisen, dass die Donauquelle, welche bei Immendingen zu trockener Jahreszeit im
                              									Kalke verschwindet, 11 km südwestlich als Achquelle wieder erscheint.
                           Während die Donau dem schwarzen Meere zuströmt, läuft die Ach in den Bodensee, somit
                              									zum Rhein und zur Nordsee.
                           Ein zweites Beispiel führt Lobberger (Die Quellen in
                              									ihren verschiedenen geologischen Formationen) an: Bei Degenerau tritt erheblich über
                              									den Spiegel der Wutach aus einem Kalkhügel eine Quelle hervor. Die Untersuchung
                              									ergab, dass sie nichts weiter war, als einunterirdischer Wutacharm, welcher in
                              									eine oberhalb gelegene Spalte des Kalkgebirges versunken war.
                           Dr. Gärtner sagt treffend: „Schön sind die Quellen,
                                 										aber trügerisch. Die Bäche und Rinnsale laufen oberirdisch, man kann sehen, ob
                                 										sie verunreinigt werden; bei der Quelle sieht man wohl die Mündung, aber nicht
                                 										ihren Lauf, ob er verunreinigt werden kann, entzieht sich dem Auge.
                           
                              Neben der Art des Gesteins ist vor allen das tributäre Gebiet als solches,
                                 										welches über die Infektionsfähigkeit entscheidet.Wie der Boden, so das
                                       										Wasser.
                              
                           
                              Heben sich hinter der Quelle die dunklen Konturen eines ausgedehnten, von
                                 										Ansiedlungen fast freien Waldgebirges ab, dann kann man leichten Herzens sagen,
                                 										die Quelle ist brauchbar.
                              
                           
                              Tritt jedoch aus der hochgehenden Spalte eines steilen Abhanges im Tal das leicht
                                 										bläuliche Wasser der Kalkquelle hervor, reiht sich auf dem Plateau ein gut
                                 										gedüngter Acker an den anderen, und ragen aus den vereinzelt liegenden
                                 										Baumgruppen die Kirchtürme als Wahrzeichen der Dörfer mit ihren Schmutzstätten
                                 										empor, dann ist es nicht immer leicht, einen Bescheid zu geben.“
                              
                           Frankreich ist das bevorzugte Land der Quellwasserversorgung, da seine weiten Gebiete
                              									der Sedimentärgesteine eine Unzahl zum Teil recht bedeutender Quellen entstehen
                              									lassen.
                           Noch im Jahre 1894 hielt man in Frankreich das Quellwasser für das beste Wasser; eine
                              									zur Begutachtung der Filteranlagen eingesetzte Kommission entschied:
                           „La véritable éparation de l'eau du boisson consiste dans l'approvisionnement en
                                 										eau de source.“ (Die wahre Reinigung des Wassers besteht in der Beschaffung
                              									von Quellwasser.) Das hat sich geändert. Der um die Hygiene in seinem Vaterland so
                              									hoch verdiente Dekan der medizinischen Fakultät von Paris Bronnardel, erklärt: „Wir haben zwei Perioden durchlaufen. Während
                              									der ersten erschienen uns die Wässer der Quellen vorzüglich, während der zweiten
                              									erschienen uns gewisse verdächtig.
                           Wir treten in eine dritte Periode, wo die Beobachtung uns zeigt, dass Verhältnisse
                              									bestehen, welche uns erlauben zu erkennen, dass das, was wir für Quelle hielten,
                              									diesen Namen nicht verdient.
                           
                        
                           
                              6. Der natürliche Kreislauf des Wassers.
                              
                           Nach den Berechnungen von J. Murray sollen auf die etwa
                              									145 Mill. qkm betragende Gesamtoberfläche der Erde jährlich etwa 122500 cbkm Wasser
                              									niedergehen. Von ihnen verdunsten ein Drittel, d. s. 40833 cbkm sofort nach dem
                              									Niederfallen, ein gleiches Drittel dringt in den Boden ein und ein Drittel wird
                              									oberflächlich abgeführt. Ein Teil des in den Boden eingedrungenen Wassers tritt wohl
                              									als Quelle zutage und verstärkt die Oberflächenwasser, der grössere Teil jedoch wird
                              									als Grundwasser zur Ernährung der Vegetation in den niederschlagsarmen Zeiten des
                              									Jahres benützt. Nach Rislers Berechnungen verbrauchen
                              									die gewöhnlichen Gras- und Getreidearten in den Monaten des Wachstums, d. i. April
                              									bis August täglich etwa 2,8 mm Wasser, während durch diese Zeit bei uns
                              									durchschnittlich täglich nur 1,6 mm Niederschläge fallen. Zur Ausgleichung dieses
                              									Unterschiedes muss im Sommer hauptsächlich das Grundwasser herbeigezogen werden,
                              									welches kapillar im Boden aufsteigt und die Pflanzen nährt, so dass in angebauten
                              									Gegenden fast der ganze Reservevorrat der Grundwässer aufgezehrt wird. Nur die
                              									Waldgebiete bilden eine Ausnahme, da ebenfalls nach Rislers Berechnungen der Waldboden nur etwa 0,5–1,0 mm Grundwasser täglich
                              									zu seiner Erhaltung benötigt und überdies im Walde, durch die Moose zurückgehalten,
                              									nur der kleinste Teil des Meteorwassers oberflächlich abfliesst.
                           Von den 40833 cbkm, welche oberflächlich in das Kett der Flüsse gelangen, verdunstet
                              									auch ein grosser Teil im Sommer während des weiteren Laufes der Flüsse oder
                              									versickert im Boden, so dass z.B. die Sommerregen von wenig Einfluss auf die
                              									Vermehrung der Wassermenge der Flüsse bleiben.
                           Es stimmen auch die tatsächlichen Berechnungen mit diesen Annahmen überein.
                           Murray hat für die 33 bedeutendsten Stromläufe der Erde,
                              									deren Niederschlagsgebiet so ziemlich das ganze feste Land umfasst, eine Tabelle
                              									zusammengestellt, und hat die Wassermassen berechnet, welche die Stromläufe dem
                              									Meere zuführen; er hat nur 27,200 cbkm jährlich gefunden, also nur etwas mehr als
                              									ein Fünftel der gesamten Niederschlagsmenge der Erde.
                           Diese 27,200 cbkm sind einer stetigen Hin- und Herwanderung zwischen den Ozeanen und
                              									den Festländern vermittels der Atmosphäre unterworfen, während der grössere Teil des
                              									Wassers nur diese Reise zwischen der Atmosphäre und dem Festlande macht.
                           Da die sämtlichen Wassermengen sich in der Atmosphäre vermischen, so ist anzunehmen,
                              									dass das gesamte Niederschlagswasser in fünf bis zehn Jahren in die Ozeane gelangt
                              									und dort regeneriert wird.
                           Das Wasser verdunstet auf der Erdoberfläche und vorzüglich auf den Meeresflächen und
                              									steigt in die Luft auf. Jedes kleinste Teilchen des Wasserdampfes kommt in innigste
                              
                              									Berührung mit der Luft und deren Ozon, wodurch bereits eine teilweise Regeneration
                              									stattfindet. Es nimmt aber auch alle schädlichen Bestandteile der Luft auf (welche
                              									es zugleich reinigt), Staub und Rauch und alle schädlichen Gasarten. Die Dünste
                              									verdichten sich, bilden Wolken und das Wasser fällt wieder zur Erde nieder. Ein Teil
                              									dringt in den Boden ein, fliesst durch kapillare Hohlräume und dringt in die
                              									obersten Schichten, da die unteren gesättigt sind, in die neutrale Zone der
                              									Erdoberfläche (bis 20 m) ein, hier macht das Wasser eine gründliche Filtration
                              									durch, nimmt Kohlensäure aus der Erde auf und erniedrigt seine Temperatur bis auf
                              									die mittlere Jahrestemperatur der Gegend.
                           Dieses Wasser ist als Trinkwasser nun vorbereitet und zwar gleichgültig ob es als
                              									Grundwasser unterirdisch Weiter fliesst oder als Quelle an die Oberfläche gelangt.
                              									Kein Filter der Welt, weder ein natürliches noch künstliches, ist imstande, diesen
                              									grossartigen Regenerations- und Filterapparat, wie ihn die Natur bietet, zu
                              									ersetzen.
                           Ein Teil des Wassers dringt auch tiefer als in die neutrale Zone der Erdrinde ein und
                              									bildet die sogenannten Thermalwässer. Es ist nachgewiesen, dass die Temperatur des
                              									Wassers, unterhalb dieser Zone von etwa 20 m, alle 30 m um 1° Celsius steigt. Durch
                              									den Druck der Luft, Expansion der Wasserdämpfe usw., gelangen solche Wässer dann an
                              									verschiedenen Stellen an die Oberfläche der Erde, oft mit sehr hohen
                              									Wärmegraden.
                           
                        
                           
                              7. Die Tektonik der Erdrinde.
                              
                           Wie tief die Erdkruste zerklüftet ist, lässt sich nicht berechnen, nach den
                              									Wärmegraden der heissen Quellen, welche selbst kochend heiss an verschiedenen Orten
                              									der Erde zum Vorschein kommen, müssen wir aber annehmen, dass die Wässer in sehr
                              									ansehnliche Tiefen von mindestens 3000 m in die Erde eindringen. Dabei müssen wir
                              									aber noch berücksichtigen, dass in solchen Tiefen noch ganz andere Druckverhältnisse
                              									bestehen, so dass man annehmen kann, dass die Erdrinde Wohl noch in weit grösserer
                              									Tiefe zerklüftet und dieseKlüfte zumeist auch von Wasser und Wasserdampf
                              									erfüllt sind.
                           Ueber den tektonischen Bau der Erdrinde lehrt die Erfahrung, dass die Erdrinde wohl
                              									überall aus zumeist gleichalterigen Schichten, die übereinander lagern,
                              									zusammengesetzt ist.
                           Die Geologie lehrt, dass der innerste Kern der Erdrinde aus sogenannten Urgesteinen
                              									und krystallischen Schiefern besteht, darüber lagert die primäre, dann die sekundäre
                              									und tertiäre Formation.
                           Allein diese Schichtungen sind teils durch die Ausbrüche der Vulkane, teils durch
                              									andere plutonische Kräfte aus dem Erdinnern mannigfaltig durchbrochen, gehoben und
                              									gesenkt.
                           Durch verschiedene Bewegungen der Erdrinde selbst ist dieselbe auch in horizontaler
                              									Richtung im Laufe der Jahrtausende mannigfaltig verschoben, gefaltet und einzelne
                              									Teile derselben verworfen worden, welcher Ursache die meisten und grössten
                              									Gebirgszüge ihr Entstehen und ihre Form verdanken, Teils durch Abkühlung der aus dem
                              									Erdinnern stammenden Gesteine, teils durch Austrocknung der vom Wasser abgesetzten
                              									Gesteinsarten haben dieselben mannigfaltigen Risse und Sprünge erhalten, die oft auf
                              									weite Strecken im Zusammenhange stehen und bis tief in das Innere der Erdrinde
                              									reichen.
                           Nicht unerwähnt können auch die von Daubre als
                              										„Diaklasen“ benannte Phänomene bleiben, welche zumeist in sedimentären
                              									Gesteinen vorkommen.
                           Durch den ungeheuren Druck bei der Verschiebung der Felsmassen, die zuweilen oft
                              									ganze Kontinente betroffen haben, haben sich die Gesteine oft ganzer Gebirgszüge,
                              									z.B. der Plänerkalk in fast regelmässigen Quadern zerspalten und dann auch
                              									verworfen, so dass hierdurch ganze Gebirgszüge nach allen Richtungen durchlöchert
                              									wurden.
                           Das Ganze ist auch durchsetzt von Ablagerungen undurchlässiger Tone und Schiefer, die
                              									oft nur in geringen Abmessungen vorkommen, oft sich aber auch auf weite Strecken
                              									fortsetzen.
                           Endlich sind die Kalkgebirge und andere lösliche Gesteins- und Erdarten oft
                              									ausgelaugt, die Höhlungen zumeist von Wasser erfüllt, oder mit Ton oder Sand
                              									vertragen, so dass man durch den geologischen Befund allein niemals auf das
                              									Vorhandensein von Wasser an einem bestimmten Orte der Erde schliessen kann.
                           Dazu gehören vor allen Dingen genaue, örtliche geotektonische Untersuchungen und
                              									Forschungen, insbesondere eine genaue Beobachtung des Terrains, etwa vorhandener
                              									Steinbrüche, Brunnen usw.; dann Bohrungen und Grabungen bis auf jene Tiefen, aus
                              									denen noch das Hervorholen des Wassers sich als wirtschaftlich erweist.
                           Die Hauptsache wird es sein, auf fliessendes Grundwasser zu stossen, sei es in einem
                              									homogenen Wasserträger, im groben Sande und Gerölle, wo das Wasser, wie Dr. Lueger sich ausdrückt, nur „schleierartig“ sich
                              									vorwärts bewegt, sei es in grösseren Spalten und Klüften, wo es als unterirdische
                              										„Quelle“ talabwärts zieht.
                           Das Kalkgebirge muss man überall vermeiden, da es wegen seiner Trichter und nicht
                              									kapillaren Höhlungen an der Oberfläche, unfiltriertes oder mangelhaft filtriertes
                              									Wasser liefert, das man als Grundlage einer Wasserversorgung für grosse Städte, wo
                              									so viele Menschenleben auf dem Spiele stehen, unbedingt nicht nehmen kann.
                           Mit Rücksicht auf die Wasserversorgung bilden die Kalkgebirge in geotektonischer
                              									Hinsicht nur störende Unterbrechungen der Erdrinde, und gewissermaassen eine
                              									Maskierung und Ueberdeckung derselben, da man die Wässer des Kalkes mit gutem Recht
                              									nur als verdeckte und deshalb doppelt verdächtige Oberflächenwasser ansehen
                              									kann.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)