| Titel: | Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. | 
| Autor: | M. Buhle, W. Pfitzner | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 242 | 
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                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der
                           								Weltausstellung in St. Louis 1904.
                        (Vorbericht.)
                        Von Professor M. Buhle und Dipl.-Ingenieur
                           									W.
                                 										Pfitzner,
                           								Dresden.
                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St.
                           								Louis 1904.
                        
                     
                        
                           Auf S. 4 dieses Bandes war im Anschluss an die Beschreibung der
                              									bemerkenswertesten Neuheit der vierzylindrigen ⅖-gek. Verbund-Schnellzug-Lokomotive,
                              									des Pielock-Ueberhitzers, die von der Hannoverschen Maschinenbau-A.-G. vormals Georg
                                 										Egestorff,
                              									Linden vor Hannover, für die Weltausstellung in St. Louis
                              									1904 gebaute Maschine selbst in Fig. 6
                              									wiedergegeben.
                           Auf S. 123 war ferner in dem Aufsatz „Neuere
                                    											Dampflokomotiven“ bei der Besprechung der Mehlis-Maschine bereits auf die von Henschel und
                                 										Sohn,
                              									Kassel, entworfene und ausgeführte Schnellbahn-Dampflokomotive, welche ebenfalls nach St. Louis geschickt
                              									wird, kurz hingewiesen. Dazu sei hier ergänzend bemerkt, dass die letztgenannte
                              									Firma mit nicht weniger als vier Lokomotiven auf der Weltausstellung erscheinen wird
                              									und zwar mit den beiden grössten bisher in Europa gebauten und mit zwei kleineren
                              									Maschinen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 241
                              Fig. 1. Schnellzug-Gebirgslokomotive von Henschel & Sohn.
                              
                           Die eine in der Uebersichtszeichnung (Fig. 1) hier
                              									wiedergegebene MaschineZeitschrift des
                                    											Vereins deutscher Ingenieure 1904, S. 255. ist eine mit grosser
                              									Zugkraft, Kesselleistung und Kurvenbeweglichkeit begabte vierzylindrige Heissdampf-Verbund-Schnellzug-Tenderlokomotive für
                              									Gebirgsbahnen, welche ein Dienstgewicht von 106,5 t bei 77,5 t Leergewicht besitzt.
                              									Bei der grössten Geschwindigkeit von 90 km/St. soll die Höchstleistung rund 1900 PS
                              									betragen.
                           Die zweite der grösseren Lokomotiven (Fig. 2)Wir hoffen, nachträglich eine ausführliche
                                    											Zeichnung bringen zu können.hat am 4. Februar 1904 die Werke
                              									der Firma Henschel & Sohn, Kassel, verlassen und
                              									ist vorläufig von der Eisenbahn-Direktion Kassel dem Betriebe übergeben worden.
                           Die Lokomotive soll dem Schnellzugsverkehr dienen. Sie ist für eine stündliche
                              									Geschwindigkeit von 130 km entworfen worden und entwickelt bei einer Belastung von
                              									180 t am Zughaken (4–5 vierachsige D-Wagen) etwa 1400 PS. Das Triebwerk besteht aus
                              									drei Zylindern, von denen der mittlere, welcher auf die erste Treibachse wirkt, den
                              									Frischdampf empfängt; die beiden anderen Zylinder liegen aussen am Rahmen und wirken
                              									auf die zweite Triebachse.
                           Ausser diesen beiden miteinander gekuppelten Treibachsen hat die eigentliche
                              									Lokomotive noch vier Laufachsen, von denen je zwei vorn und hinten in Drehgestellen
                              									liegen.
                           Der Tender besitzt ebenfalls zwei zweiachsige Drehgestelle. Sämtliche Achsen der
                              
                              									Lokomotive und des Tenders sind mit Hand- und Luftdruckbremse ausgerüstet, deren
                              									Bremsdruck den gewöhnlichen, bisher üblichen um zwei Atm. übersteigt.
                           Lokomotive und Tender haben einen Gesamtradstand von 20785 mm; die Lokomotive allein
                              									hat eine ganze Radstandlänge von 11485 mm. Die Entfernung vom vorderen Puffer der
                              									Lokomotive bis zum hinteren Puffer des Tenders beträgt 24818 mm. Das äussere Bild
                              									von Lokomotive und Tender ist ein von dem bisher üblichen abweichendes. Sie sind
                              									vollständig mit einer Blechhaut umkleidet, welche vorn keilförmig zugespitzt ist, um
                              									den Luftwiderstand zu verringern. Man hofft, dadurch einen Arbeitsminderverbrauch
                              									von 250 bis 300 PS zu erzielen. Der Führer der Lokomotive hat seine Stellung in
                              									einem am vorderen zugespitzten Ende befindlichen Führerhaus; von dort aus wird auch
                              									die gesamte Steuerung bedient. Ausserdem ist ein Hilfsführer im Führerhause
                              									anwesend, welcher sich mit dem Heizer zeitweise in der Bedienung des Feuers ablöst.
                              									Für Rückwärtsfahrten, welche sich auf Bahnhöfen als notwendig erweisen, bedient der
                              									zweite Führer die Bremse und die am Ende des Tenders befindliche Signalpfeife. Von
                              									dort aus sowohl wie von dem Heizerstande aus ist nach dem Führerstande
                              									Sprachrohrverbindung eingerichtet. Um den Verkehr auf der Lokomotive zu erleichtern,
                              									sind innerhalb der Eisenhaut rechts und links Laufgänge vorhanden. Am hinteren Ende
                              									des Tenders ist die übliche Verbindungsbrücke nach dem Wagenzug geschaffen, so dass
                              									es möglich wird, innerhalb des ganzen Zuges vorn vom Lokomotivführer aus bis zum
                              									Schlusschaffner zur gegenseitigen Verständigung einen Verkehr aufrecht zu
                              									erhalten.
                           Der Feuerungsrost der Lokomotive ist 4,2 qm grossund vermag in der Stunde etwa
                              									1600 kg Kohlen zu verbrennen. Die Heizfläche des Kessels beträgt 257 qm.
                           Der Tender führt 20 cbm Wasser mit sich und kann 7 t Kohlen aufnehmen. Das
                              									Dienstgewicht der Lokomotive beträgt 77 t, das des Tenders 57 t. Die Belastung der
                              									Achsen übersteigt in keinem Falle das durch die Normen zugelassene Gewicht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 242
                              Fig. 2. 2/6-gek. dreizylindrige Dampfschnellbahnlokomotive von Henschel &
                                 										Sohn.
                              
                           Die Lokomotive ist nach Angaben des Herrn Regierungs- und Baurat Wittfeld im Ministerium der öffentlichen Arbeiten in
                              									Berlin von der Firma Henschel & Sohn, Kassel, in
                              									allen Teilen durchkonstruiert und gebaut worden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 242
                              Fig. 3. Schnellbahnwagen „A“ und „S“ der Studiengesellschaft für
                                 										elektrische Schnellbahnen, Berlin.
                              
                           Unter Hinweis auf Fussnote 1) S. 123 dieses Bandes
                              									seien zum Vergleich mit der Schnellbahn-Dampflokomotive in Fig. 3 die Schnellbahnwagen der Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen, G. m. b. H. in Berlin,
                              									wiedergegeben, von denen zum mindesten einer dem Vernehmen nach ebenfalls zur
                              									Weltausstellung geschickt wird. An dieser Stelle sei nur bemerkt, dass der in Fig. 3 rechts befindliche (hintere) Wagen der von Siemens & Halske A.-G., Berlin, ausgerüstete Wagen
                              										„S“, der vordere (linke) Wagen der von der
                              										„Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, Berlin,
                              									ausgestattete Wagen „A“ der Studiengesellschaft
                              									ist. Beide Schnellbahnwagen sind von der Firma van der Zypen
                                 										& Charlier, Deutz, gebaut. Weiteres darüber sei einem späteren Aufsatze
                              									vorbehalten.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)