| Titel: | Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle. | 
| Autor: | Siegm. Edelstein | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 346 | 
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                        Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen
                           								Webstuhle.
                        Von Prof. Siegm. Edelstein.
                        (Fortsetzung von S. 333 d. Bd.)
                        Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle.
                        
                     
                        
                           
                              
                              ε) Spezielle Konstruktionen von Bandbremsen.
                              
                           Eine ganz eigentümliche Variante der einfachen Bandbremse entsteht, wenn man die in
                              									der allgemeinen technischen Praxis unter der Bezeichnung Differentialbremsebekannte Anordnung für die Kettenbaumbremsung
                              									heranzieht.
                           In der Fig. 24 sei eine solche Anordnung in
                              									schematischer Skizze wiedergegeben.
                           
                           Auf der in bekannter Weise aufgesetzten Bremsscheibe S liegt ein Bremsband auf, welches an beiden Enden an den Bremshebel H angelegt sei. Der letztere ist um O drehbar und trägt das verschiebbare Gericht Q. Man erkennt, dass eine Drehung des Hebels im Sinne
                              									des Gewichtszuges eine Anspannung des in der Entfernung l befestigten Bandtrums T1 unter gleichartigem Nachlassen des am Hebelarm λ angelegten Bandtrums T2 hervorruft und es ist sofort
                              									einleuchtend, dass l > λ
                              									ausgeführt sein müsse, wenn die Anspannung des Bandtrums T1 grösser als das Nachlassen von T2 ausfallen soll. Dass
                              									aber dieser letztere Umstand eine naturgemässe Bedingung für die Anwendbarkeit des
                              									Getriebes bildet, erscheint aus dem Grunde natürlich, weil dem Belastungsgewichte
                              										Q die Aufgabe obliegt, durch sein Bestreben Hebel
                              										H nach abwärts zu ziehen und eine resultierende Anspannung des Bremsbandes zu erzielen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 347
                              Fig. 24.
                              
                           Die Kettenabwicklung kann sowohl in der einen wie in der anderen Richtung erfolgen,
                              									und es möge die Grösse der hervorgerufenen Kettenspannung für beide Anordnungen
                              									ermittelt werden. Wären T1 und T2 die
                              									bezüglichen Bandspannungen und K die zunächst ins Auge
                              									gefasste Richtung der Kettenabwicklung, so ist, Wenn mit K auch die Grösse der daselbst auftretenden Kettenspannung bezeichnet
                              									wird
                           
                              K=(T_1-T_2)\,\frac{D}{d}
                              
                           und da hier wieder der Schluss gezogen werden kann, dass eine
                              									Relativbewegung zwischen Bremsband und Bremsscheibe nur dann möglich ist, wenn die
                              									beiden Bandspannungen im Verhältnisse stehen:
                           
                              T_2=\frac{T_1}{e\,f^a}
                              
                           so folgt weiter
                           
                              K=T_1\,\frac{D}{d}\,\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}
                              
                           Die beiden Kräfte T1 und T2 müssen aber auch am Hebel H mit dem Belastungsgewichte Q im
                              									Gleichgewichte stehen, daher
                           
                              \begin{array}{rcl}Q\,L&=&T_1\,L-T_2\,\lambda\\ &=& T_1-l-\frac{T_1}{e\,f^a}\,\lambda\end{array}
                              
                           woraus
                           
                              T_1=Q\,\frac{L}{l-\frac{\lambda}{e\,f^a}}
                              
                           erhalten wird.
                           Führt man diesen Wert in die obige Gleichung ein, so erhält man
                           
                              
                              K=Q\,\frac{D}{d}\,\frac{L}{l-\frac{\lambda}{e\,f^a}}\,\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}
                              
                           und nach Reduktion
                           K=Q\,\frac{D}{d}\,\frac{L}{l}\,\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a-\frac{\lambda}{l}} . . . . 32)
                           Aus der Gleichung ersieht man zunächst, dass die Bremse eine Gewichtsbremse ist, deren auf den Kettenbaumdurchmesser reduzierter
                              									Gewichtszug durch die Grösse
                           
                              Q\,\frac{D}{d}\,\frac{L}{l}
                              
                           gegeben erscheint, der mit dem Koeffizienten
                           
                              \frac{e\,f^a-1}{e\,f^a-\frac{\lambda}{l}}
                              
                           multipliziert werden muss, um die Grösse der Kettenspannung zu
                              									liefern.
                           Wohl erscheint auch hier in diesem Koeffizienten der Wert des Reibungskoeffizienten
                              									als einflussnehmende Grösse, allein man erkennt sofort, dass die als Kennzeichen der
                              									Reibungsbremsen festgestellte Proportionalität zwischen
                              									Reibungskoeffizient und Kettenspannung auch hier nicht besteht. Berücksichtigt man,
                              									dass \frac{\lambda}{l} einen echten Bruch vorstellt, so erkennt man, dass
                           
                              \frac{e\,f^a-1}{e\,f^a-\frac{\lambda}{l}}
                              
                           ebenfalls ein echter Bruch wird, der sich um so mehr der
                              									Einheit nähert, je grösser einerseits efa und andererseits \frac{\lambda}{l} werden.
                           Man kann mit ziemlicher Annäherung diesen Koeffizienten als konstant betrachten, da
                              
                              									die Schwankungen von f, wie sie sich etwa im Betriebe
                              									ergeben, nur geringfügig sind, indem man es hier mit in der Regel geschmierten und
                              									geschützten Flächen zu tun hat; das besagt aber, dass diese Konstruktion in gleicher
                              									Weise wie eine gewöhnliche Bandbremse funktioniert, nur mit dem Unterschiede, dass
                              									die Bremsbeastung um ein geringes besser ausgenützt wird, indem die mit T2 bezeichnete
                              									Gegenspannung hier das Belastungsmoment um den Betrag T2
                              									λ erhöht, während bei der einfachen Bandbremse dieser
                              									Zug T2 von der
                              									Aufhängevorrichtung des Bandes aufgenommen wird.
                           Diese durch die blosse Betrachtung der Zeichnung ohne weiteres erkennbare Wirkung von
                              										T2 bezw. q der einfachen Bandbremse prägt sich
                              									selbstverständlich auch in den erhaltenen Werten für die Kettenspannung aus; der bei
                              									der Gleichung für die Bandbremse auftretende Koeffizient
                           
                              \frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}
                              
                           wandelt sich für die vorliegende Bremse in den grösseren
                              									Wert
                           
                              \frac{e\,f^a-1}{e\,f^a-\frac{\lambda}{l}}
                              
                           um.
                           Eine interessante Beleuchtung erfährt die Wirkungsweise der Bandbremsen, wenn man
                              									die Differenz e\,f^a-\frac{\lambda}{l} näher ins Auge fasst. Versuchte man etwa λ =
                              										lauszuführen, was mit Rücksicht auf die dann
                              									eintretende Umwandlung des Koeffizienten naheliegt, so erhielte man
                           
                              \frac{e\,f^a-1}{e\,f^a-\frac{\lambda}{l}}=1,
                              
                           da Zähler und Nenner gleich werden und es wäre dann
                           
                              K=Q\k,\frac{D}{d}\,\frac{L}{l}
                              
                           d.h. würde man die beiden Hebelarme λ und l gleich gross ausführen, so würde die
                              									Grösse der Kettenspannung ganz gleichartig, wie bei der reinen Gewichtsbremse, dem
                              									auf den Kettenbaumdurchmesser reduzierten Gewichtszuge gleichkommen und die bei den
                              									Bandbremsen im allgemeinen auftretende blosse Annäherung dieses Zustandes wäre hier
                              									vollkommen erreicht. Der Einfluss der Spannung T2 wäre infolge ihres Kraftarmes λ, der dann gerade so gross wäre wie jener l der Spannung T1, eben vollkommen aufgehoben, allein die Bremse
                              									wäre in solcher Gestalt absolut nicht zu verwenden.
                              									Gesetzt den Fall, man würde die Bremse in solcher Art ausführen und zur Erhaltung
                              									der Grösse der genannten Kraftarme den Hebel mit Segmenten versehen, an denen die
                              									Bandenden angelegt wären, so wären nur zwei Fälle denkbar, entweder wird das
                              									Bremsband mit Spannung aufgelegt, so dass den beiden Kräften T1 und T2 noch ein konstanter Mehrbetrag x etwa zufällt, oder das Band wird lose aufgelegt und
                              									nur der Einwirkung von Q überlassen.
                           Im ersteren Falle würde wohl der Bremshebel seine Lage in schwebender Stellung
                              									einnehmen, allein er würde nicht in der Lage sein, in dieser Stellung zu verbleiben,
                              									wenn Kette abgewickelt wird, er würde sofort hochgezogen und die Bremse
                              									betriebsunfähig werden, da ein geringes Hochheben des Gewichtes keine Entspannung
                              									des linken Bandtrums zur Folge hätte, eine Entspannung, die aber bis zu dem Betrage
                              									\frac{T_1}{e\,f^a} platzgreifen muss, wenn die Bremsscheibe unter dem Bande gleiten soll,
                              									ohne es mitzunehmen. Die Bremse wäre wohl dann eine reine Gewichtsbremse, aber eine
                              									solche ohne selbsttätige Neueinstellung. Im letzteren
                              									Falle sinkt, wie sofort ersichtlich, Q, bis es auf eine
                              									Unterlage kommt, ohne imstande zu sein, in das Bremsband Spannung zu bringen, da es
                              									die eine Bandseite nur um soviel anzieht als es die andere
                                 										nachlässt. Da diese beiden Fälle unbrauchbar sind, erscheint sonach die
                              									Beziehung l > λ als Konstruktionsbedingung gerechtfertigt.
                           Betrachten wir die Wirkungsweise der Bremse, wenn die Kette in die Richtung K abgezogen wird. Ist wieder K' die Grösse der Kettenspannung, so ergibt sich analog
                           
                              K'=(T_2-T_1)\,\frac{D}{d}
                              
                           und da wieder
                           
                              T_1=\frac{T_2}{e\,f^a}
                              
                           werden muss, wenn die Bremse betriebsfähig sein soll, d.h.
                              									wenn die Bremsscheibe unter dem belasteten Bande gleiten soll, so wird
                           
                              K'=T_2\,\frac{D}{d}\,\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}
                              
                           Es folgt ferner analog wie früher
                           
                              
                              QL + T
                              2
                              X = T
                              1
                              l
                              
                           woraus
                           
                              Q\,L=\frac{T_2}{e\,f^a}\,l-T_2\,\lambda
                              
                           und
                           
                              T_2=Q\,\frac{L}{\frac{l}{e\,f^a}-\lambda}
                              
                           Dies oben eingesetzt ergibt sich
                           
                              K'=Q\,\frac{D}{d}\,\frac{L\,e\,f^a}{\lambda\,e\,f^a}\,\frac{e\,f^a-1}{e\,f^a}
                              
                           K'=Q\,\frac{D}{d}\,\frac{L}{l}\,\frac{e\,f^a-1}{1-\frac{\lambda}{l}\,e\,f^a} . . . . 33)
                           Auch die Wirkungsweise dieser Anordnung lässt sich aus der für die Kettenspannung
                              									entwickelten Grösse beurteilen. Betrachten wir zu diesem Behufe, den im Nenner
                              									stehenden Ausdruck
                           
                              1-\frac{\lambda}{l}\,e\,f^a
                              
                           Solange
                           λefa < l
                           ist, wird der Wert des Bruches positiv sein, er erreicht die
                              									Grenze Null, wenn
                           
                              \frac{\lambda}{l}\,e\,f^a=1
                              
                           ist. In diesem Falle wird
                           K' = ∞
                           d.h. der Kettenbaum wird unnachgiebig verklemmt werden und die Anordnung daher
                                 										unbrauchbar sein. Daraus folgt die Konstruktionsbedingung
                           λefa < l
                           Der Wert für die Grösse X wird mit Rücksicht auf diese
                              									Bedingung zwischen zwei Grenzen λ1 und λ2 schwanken dürfen, wobei
                           λ1 und \lambda_2=\frac{l}{e\,f^a} ist.
                           Gibt man ihm den Wert λ1, so wird
                           
                              K_1=Q\,\frac{D}{d}\,\frac{L}{l}\,(e\,f^a-1)
                              
                           Die Bremse arbeitet dann ganz in der gleichen Art, wie eine verkehrt angelegte
                              									Seilbremse, was ja auch aus der blossen Betrachtung der Skizze hervorgeht, indem für
                              										λ = 0 das Bandtrum T2 an einen Festpunkt 0 angelegt erscheint
                              									und das andere Ende des Bremsbandes einfach durch Hebelbelastung angespannt wird.
                              									Die Unzweckmässigkeit einer solchen Anordnung ist bereits früher dargelegt worden.
                              									Für
                           
                              \begin{array}{rcl}\lambda& < &\lambda_2\\ & > &0 \end{array}
                              
                           d.h. für einen Mittelwert wird der Bruch
                           
                              \frac{\lambda}{l}\,e\,f^a
                              
                           einen der Einheit sich desto mehr nähernden Wert
                              									repräsentieren, je grösser λ und efa und je
                              									kleiner l werden. Da nun l
                              
                              									aus praktischen Gründen nicht zu gross ausgefürt werden kann, ebensowenig wie λ gar zu klein, und efa einen ziemlich ins Gewicht fallenden
                              										Wert ergibt, so
                              									leuchtet ein, dass \frac{\lambda}{l}\,e\,f^a in der praktischen Ausführung nahe an den Wert 1
                              									heranreichen wird, und in weiterer Folge die Differenz 1-\frac{\lambda}{l}\,e\,f^a einen sehr kleinen
                              									Wert annimmt. Die Grösse der Kettenspannung wird aber in dem Maasse steigen, in
                              									welchem dieser Nenner kleiner wird, bis sie im Grenzfalle theoretisch den Wert ∞
                              									erreicht.
                           Die Folgerung, die man aus dieser Feststellung ziehen kann, liegt auf der Hand, sie
                              									kennzeichnet die Kettenspannung als eine ungemein harte,
                                 										sehr hohe, durch den schwer genau feststellbaren Wert von efa auch
                              									rechnerisch nicht streng zu ermittelnde und an kein beliebig und leicht
                              									einstellbares Maximum gebundene Grösse. Diese Anordnung kann daher für den Webstuhl
                              										nicht in Betracht kommen.
                           Aus dem eben Dargelegten erkennen wir sonach, dass die Einbeziehung dieser
                              									Differentialbremsen keinen besonderen Gewinn für den Webstuhlbau bedeutet, da sie in
                              									ihrer Wirkungsweise den gewöhnlichen Bandbremsen nahezu gleichzustellen sind und die
                              									immerhin grössere Kompliziertheit der Anordnung durch keinen nennenswerten Vorteil
                              									aufgewogen wird. Die ausser- ordentliche Bremskraft, welche ihnen für
                              									Lastenhebemaschinen eine so vorteilhafte Anwendung sichert, kommt bei ihrer
                              									Umformung zum Zwecke der Kettenbaumbremsung gar nicht in Betracht, da speziell jene
                              									Type, in welcher sie als Reibungsbremsen zur Geltung
                              									kämen, derartige Nachteile aufweist, dass sie, wie oben dargelegt, von der Anwendung
                              									ausgeschlossen bleiben muss.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)