| Titel: | Die störenden Bewegungen der Dampflokomotive, | 
| Autor: | Hans A. Martens | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 366 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Die störenden Bewegungen der
                           								Dampflokomotive,
                        Die störenden Bewegungen der Dampflokomotive.
                        
                     
                        
                           Im Anschluss an die in D. p. J. 1903, 318, 641, 657,
                              									673 und 742 erschienene Arbeit von Wolters über „Die
                                 										störenden Bewegungen der Lokomotive unter Berücksichtigung der auftretenden
                                 										Reibungswiderstände“ berichten wir kurz über eine denselben Gegenstand
                              									behandelnde Arbeit von Diepen, die in „Glasers
                                 
                                 										Annalen“, No. 639 vom 1. Februar d. J. abgedruckt ist.
                           Der Verfasser versteht unter „störenden Kräften“ beim Kurbelmechanismus die
                              									bekannten Beschleunigungskräfte, die Kräfte des veränderlichen Antriebsmomentes,
                              									hervorgerufen durch die Veränderlichkeit des Hebelarms der am Kurbelzapfen
                              									angreifendenKraft, bezogen auf den augenblicklichen Drehpunkt, und die
                              									Normalkräfte des Kreuzkopfes.
                           Den Untersuchungen sind Maass- und Gewichtsangaben der 2/4 gekuppelten normalen Schnellzug –
                              									Lokomotive der Preussischen Staatsbahnen (Zwillingsanordnung und Verbundanordnung)
                              									für zahlenmässige Auswertung der abgeleiteten Gleichungen zugrunde gelegt. Es wird
                              									angenommen, dass die umlaufenden Teile des Triebwerks genau ausgeglichen sind und
                              									dass die Kolbenkraft nach Abzug der Beschleunigungskräfte während eines Hubes
                              
                              									konstant sei.
                           Auf den Lokomotivrahmen wird einerseits die auf den Zylinderdeckel wirkende
                              									Dampfkraft und die durch das veränderliche Antriebsmoment hervorgerufene Kraft
                              									übertragen: der Ueberschuss einer dieser beiden Kräfte ist eine Ursache der
                              									störenden Bewegungen, die mathematisch entwickelt wird.
                           Für den Normaldruck des Kreuzkopfes wird ebenfalls die Gleichung aufgestellt.
                           Die in den abgeleiteten Formeln auftretenden Funktionen ± D
                                 										sin α und ± D sin 2 α (D = Kolbenkraft nach
                              									Abzug der Beschleunigungskräfte und α = Winkel zwischen
                              									Kurbel und Wagerechten) werden durch die am Ende eines jeden Kolbenhubes plötzlich
                              									wechselnde Richtung der Dampfkraft unstetig. Da sie aber periodisch sind, so lassen
                              									sie sich in eine Reihe periodischer Funktionen nach dem Fourierschen Theorem zerlegen, so dass die Resultierende aller von den
                              									Reihengliedern angegebenen Kurven sich der von der gegebenen Funktion festgelegten
                              									Kurve beliebig genau anschmiegt. Hiernach werden für die Grösse der störenden
                              									Bewegungen und für die Kreuzkopf-Normaldrücke neue Ausdrücke gewonnen.
                           Es folgt nun die allgemeine Lösung der Bewegungsgleichungen, deren Moment in diesem
                              									Falle sich zusammensetzt aus dem Moment, welches eine von den störenden
                              									Verhältnissen abhängige, periodische Funktion der Zeit ist und aus dem von den
                              									Wirkungen der Lokomotivfedern herrührenden Moment. Als Ergebnis folgt, dass der
                              									Ausschlagwinkel der Drehbewegung der Lokomotive sich zusammensetzt aus einem
                              									konstanten Teil und aus einzelnen Ausschlägen verschiedener Schwingungen. Jede
                              									dieser Schwingungen würde eine unendlich grosse Amplitude auch unendlich grosser
                              									Zeit erhalten können, was jedoch nur von der Reibung der Teile verhindert wird. Nach
                              									dieser allgemeinen Darstellung wendet sich der Verfasser zur Zerlegung der störenden
                              									Bewegungen unter gleichzeitiger zahlenmässiger Auswertung der abgeleiteten
                              									Gleichungen.
                           Bemerkenswert ist die Folgerung der Untersuchung des Zuckens. Der Lokomotivkörper
                              									gerät in eine Schwingungsbewegung, die sich aus mehreren einzelnen zusammensetzt,
                              									deren Perioden verschieden gross sind: Eine Periode stimmt mit einer
                              									Treibradumdrehungsperiode überein, die andere mit einem Drittel derselben, während
                              									eine dritte Hin- und Herschwingung während einer Treibradumdrehung viermal
                              									stattfindet. Diese Nebenschwingungen nehmen nur bei sehr geringer
                              									Fahrgeschwindigkeit grosse Werte an und können bei höheren vernachlässigt werden.
                              									Die ganze Ausschlagsweite des Zuckens ergibt sich bei den genannten Lokomotiven zu
                              
                              									1,35 bezw. 2,36 m/m, wobei angenommen ist, dass die Masse des Tenders mitschwingt.
                           Für das Stampfen der Lokomotive wird eine Gleichung gefunden,welche zu erkennen
                              									gibt, dass diese Bewegung ebenfalls aus einer konstanten und aus periodischen
                              									Schwingungen besteht, deren Resultierende als die wirkliche Bewegung des
                              									Lokomotivkörpers angesehen werden mag. Von diesen Schwingungen ist eine als sehr
                              									gefährlich zu bezeichnen, weil nicht nur ihre Amplitude verhältnismässig gross ist,
                              									sondern auch die in bezug auf diese Schwingung kritische Treibradumdrehungszahl in
                              									sehr vielen Fällen mit derjenigen übereinstimmen kann, welche dem Beharrungszustand
                              									der Lokomotive bei üblichen Fahrgeschwindigkeiten entspricht Nur die Reibung der
                              									Teile verhindert auch in diesem Falle ein Unendlichwerden der Schwingungen bezw. ein
                              									Entgleisen der Maschine. Die andern Schwingungen sind bei grösseren
                              									Geschwindigkeiten bedeutungslos. Unter Vernachlässigung dieser Nebenschwingungen
                              									werden Zahlenwerte für den Ausschlag am Führerstand ermittelt, die 3,4 m/m nicht
                              									überschreiten.
                           Die für das Wanken gefährliche Fahrgeschwindigkeit liegt ebenfalls sehr niedrig, so
                              									dass es für die üblichen Geschwindigkeiten praktisch zu vernachlässigen ist.
                           Auch das Wogen, dessen Periode ein Viertel der Treibradumdrehungsperiode ist, kann
                              									praktisch vernachlässigt werden.
                           Als Schlussergebnis folgt, dass Zucken, Wogen und Wanken als ungefährliche störende
                              
                              									Bewegungen anzusehen sind, dass hingegen das Stampfen bei hoher kritischer
                              									Fahrgeschwindigkeit mit hier gross ausfallenden linearen Ausschlägen recht
                              									gefährlich werden kann wegen der periodischen Entlastung des Drehgestelles und der
                              									Laufräder, d.h. der führenden Achsen. Indessen wirkt mildernd auf alle störenden
                              									Bewegungen die Reibung der Teile, die namentlich bei der Schlingerbewegung eine
                              									grosse Rolle spielt; diese hat der Verfasser nicht untersucht, da er grundsätzlich
                              									von der zahlenmässig schwer festzulegenden Kraft der Reibung absehen wollte.
                           Die Abhandlung zeigt, was andere Arbeiten ebenfalls ergeben haben, dass gefährliche
                              									Bewegungen nur bei massigen Fahrgeschwindigkeiten zu erwarten sein werden, dagegen
                              
                              									bei grossen sehr gering und praktisch gleich Null werden. Der besondere Wert der
                              									Arbeit liegt in der Verfolgung der Kräftewirkungen durch alle Quadranten des
                              									Kurbelwinkels hindurch, wodurch die Unstetigkeit der Kräftefunktionen gebührend
                              									berücksichtigt wurde und zu der Auflösung einiger störender Bewegungen in Haupt- und
                              									Nebenschwingungen führte. Somit ist sie als wertvolle Ergänzung der grundlegenden
                              									Arbeit Redtenbachers im besonderen und als
                              									beachtenswerter Beitrag zur Frage der störenden Bewegungen im allgemeinen zu
                              									betrachten.
                           
                              Hans A.
                                    											Martens.