| Titel: | Die Weltausstellung in St. Louis 1904. | 
| Autor: | Georg v. Hanffstengel | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 402 | 
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                        Die Weltausstellung in St.
                              									Louis 1904.
                        Vorbericht. Von Georg v. Hanffstengel,
                           								New York.
                        Die Weltausstellung in St. Louis 1904.
                        
                     
                        
                           Es ist bekanntlich ungemein schwer, den richtigen Nutzen von einer Ausstellung
                              									zu ziehen. Dazu gehört besondere Veranlagung, vor allem ist rasche und nicht
                              									ermüdende Auffassungsgabe nötig, sowie die Fähigkeit, aus der Masse das Wesentliche
                              									herauszufinden. Am leichtesten erreicht seinen Zweck der eigentliche Fachmann, der
                              									nur studieren will, was in seiner Spezialität Neues geleistet wird. Der jüngere
                              									Techniker hingegen, der noch nicht in ein eng begrenztes Fach hineingeraten ist,
                              									steht leicht vollkommen ratlos da vor der Fülle der Erscheinungen. Er darf sich
                              									nicht zu sehr in Einzelheiten vergraben – sonst bringt er nichts nach Hause als eine
                              
                              									unbestimmte Erinnerung an Springbrunnen und Feuerwerke und vielleicht die nie
                              									verwertbare Skizze einer neuen Fräsmaschine. Er wird sich selbst und der heimischen
                              									Industrie einen bessern dienst erweisen, wenn er sichs in erster Linie angelegen
                              									sein lässt, seinen Gesichtskreis zu erweitern und beim besuch der Ausstellung in St.
                              									Louis einen Begriff zu bekommen von den Grundlagen, auf denen die amerikanischen
                              									Industrie sich aufgebaut hat. Mit anderen Worten, er sollte versuchen, die
                              									natürlichen Bedingungen ihrer eigenartigen Entwicklung kennen zu lernen, die
                              									Umstände zu studieren, die sie fördern und zurückhalten, vor allem aber einen
                              									Einblick zu bekommen in die inneren geistigen Triebhafte, die hier am Werke
                              									sind.
                           Wenn ein Mensch die Ueberlegenheit eines anderen in gewissen Dingen anerkennen muss,
                              									so regt sich in ihm naturgemäss der Wunsch, von diesem zu lernen. Er würde aber
                              									verkehrt daran tun, den andern zu beobachten und seine guten Eigenschaften
                              									nachzuahmen. Dabei kommt nur lächerliches Flickwerk heraus. Er muss vielmehr den
                              									Verkehr des Betreffenden suchen und sich Mühe geben, in seine Anschauungsweise
                              									einzudringen. Dann ergibt sich eine Beeinflussung von selbst. Genau so ist es mit
                              									Völkern. „Das Gute von den Amerikanern annehmen, das Schlechte fortlassen“ –
                              									das ist ein billiger Rat, der denselben Erfolg haben wird, wie etwa der Versuch,
                              									griechischen Baustil in eine moderne Grossstadt zu verpflanzen. Verstehen und aus
                              									dem Verstehen heraus etwas Neues schaffen, das ist der Gedanke, mit dem man an alles
                              									Fremde herantreten muss, und das ist eine Aufgabe, die das deutsche Volk zu seinem
                              
                              									Glücke schon unzählige Male gelöst hat. Die Deutschen haben vor den meisten Völkern
                              									der Erde die Fähigkeit voraus, fremde Einflüsse aufzunehmen und zu etwas Eigenem zu
                              									verarbeiten. Diese so oft gescholtene Eindrucksfähigkeit hat dem deutschen Volk
                              									seine Jugend erhalten. Eine Nation, die nur noch sich selbst kennt, wird alt.
                           Es ist sehr schwer, ein Volk kennen zu lernen, und schiefe Urteile über Amerika,
                              
                              									durch Zufälligkeiten hervorgerufen, sind daher ausserordentlich häufig. Die
                              
                              									folgenden Zeilen sollen den Karakter des amerikanischen Volkes sowie die Zustände,
                              									soweit sie für den Techniker Interesse haben, kurz beleuchten und mögen nützlich
                              									sein, einerseits den Besucher vor vorschnellem Urteil zu behüten, andererseits ihm
                              									eine Anleitung zu eigenem Lernen zu geben, sie sollen dieses aber keineswegs
                              									ersetzen. Es sei ausdrücklich bemerkt, dass, wenn der Kürze wegen von „dem
                                 										Amerikaner“ gesprochen wird, damit nur der typische Amerikaner gemeint ist.
                              									Selbstverständlich aber vereinigt nicht jeder Bewohner dieses von fremden, noch
                              									nicht assimilierten Elementen durchsetzten Landes in sich alle diese typischen
                              									Eigenschaften, und der flüchtige Besucher mag vielleicht finden, dass die
                              									Erfahrungen, die er zufällig macht, keineswegs mit den folgenden Ausführungen
                              									übereinstimmen.
                           Karakteristisch für amerikanische Auffassungsweise ist das Zurücktreten des
                              									Berufslebens. Es gibt zwar eine englische Uebersetzung für das Wort „Beruf“,
                              									dieselbe wird indessen nie angewandt und immer durch „Geschäft“ ersetzt. Der
                              									Amerikaner ordnet sich nicht seiner Tätigkeit unter, indem er sich ihr hingibt und
                              									in ihr seine Lebensaufgabe erblickt, sondern er stellt sich über sie und benutzt sie
                              									nur als Mittel zum Zweck, der fast ausnahmslos im „Geldmachen“ besteht. Es
                              									ist damit nicht gesagt, dass persönliche Neigung keinen Einfluss auf die Wahl der
                              									Tätigkeit hätte, ist es doch natürlich, dass jeder eine Vorliebe für diejenige
                              									Arbeit fasst, mit Hilfe deren er seine Fähigkeiten am nutzbringendsten verwerten
                              									kann. Für ein „Geschäft, in dem kein Geld ist“, wird sich jedoch der junge
                              									Amerikaner schwerlich begeistern, und er wird sich selten bedenken, eine Tätigkeit,
                              									die sich nicht mehr bezahlt, gegen eine andere, von der ersten oft sehr
                              									verschiedene, umzutauschen. Trotz der ungeheuren Ertragsfähigkeit des Landes gibt es
                              									keine eigentlichen produktiven Stände in unserm Sinne, denn Produktion ist in
                              									Amerika nie Selbstzweck, sie ist nur ein Teil eines Geschäftsunternehmens und erhält
                              									darin die ihr gebührende Stellung zugewiesen. Nicht nur bei dem amerikanischen
                              									Volke, sondern bei der angelsächsischen Rasse überhaupt ist die Fähigkeit hoch
                              									entwickelt, das Einzelne als Glied eines Ganzen zu nehmen und ihm unterzuordnen.
                              									Diesem Organisationstalent hat England seine kolonialen Erfolge, haben die
                              									Vereinigten Staaten ihre Existenz und ihre Blüte zu danken.
                           Der Amerikaner ist durch und durch Geschäftsmann mit allen guten und
                              									schlechten Eigenschaften eines solchen. Er weiss seinen Vorteil mit Sicherheit
                              									wahrzunehmen und rücksichtslos durchzusetzen, ist aber entgegenkommend im Verkehr,
                              									erkennt bei seinen Mitmenschen das gleiche egoistische Streben vollkommen an und
                              									erwartet von ihnen nur, dass sie ihn in Verfolgung seiner Ziele nicht zwecklos
                              									hindern. Er weiss mit grossen Zahlen zu rechhnen undhat einen vorurteilslosen,
                              									weiten Blick, dem kleinliche Krittelei fern liegt. Seine Ware bietet er mit sehr
                              									viel Ruhmredigkeit an, hat aber zu viel Ehrgefühl und zu viel Verstand, um sich
                              									einem zurückhaltenden Käufer aufzudrängen. Kenntnisseund Nachdenken sind dem
                              									Amerikaner in allererster Linie Mittel zum Geldverdienen, und er ist daher in der
                              									Regel ziemlich oberflächlich.
                           Durch das amerikanische Volk geht ein Zug zum Grossen, während in dem engen Europa
                              									der Blick naturgemäss schneller seine Grenzen findet. Das zeigt sich in den
                              									verschiedensten Formen. Der Deutsche kann ausserordentlich erregt werden über ein
                              									kleines Unrecht, das ihm geschieht. Der Amerikaner fragt sich zuerst nach der Grösse
                              									des Schadens, und wenn derselbe sich als unbedeutend erweist, so geht er mit einem
                              									Scherz darüber hinweg. Das erleichtert den geschäftlichen Verkehr ganz
                              									ausserordentlich. Handelt es sich um wesentliche Nachteile, so wird er die nötigen
                              									Gegenschritte tun, aber ohne sich zu erregen. Er ist ein Meister sachlicher
                              									Denkweise, die persönliche Auffassung, die der Deutsche allem entgegenbringt, was
                              
                              									ihn berührt, kennt er nicht. In der Technik zeigt sich die Neigung zum Grossen sehr
                              									deutlich, schon in der Ausdrucksweise. Was in Deutschland den Namen „Anlage“
                              									erhält, bezeichnet man hier sehr häufig einfach als „Maschine“. Durchweg wird
                              									mit höheren Einheiten gerechnet.
                           Eine so liebevolle Sorgfalt, wie sie der deutsche Ingenieur seinen Erzeugnissen
                              									widmet, kann dabei nicht bestehen. Der Deutsche möchte am liebsten jede Maschine so
                              									bauen, dass sie unbegrenzte Lebensdauer hat. Der maerikanische Käufer würde dem
                              									nicht viel Verständnis entgegenbringen. Er kauft seine Maschinen so billig wie
                              									möglich, wenn er nur sicher ist, dass sie eine gewisse Anzahl von Jahren ihren
                              									Dienst tun. Denn wie lange er überhaupt Verwendung dafür hat, das ist bei der
                              									schnellen Entwicklung dieses jungen Landes schwer vorauszusehen. Vielleicht ist auch
                              									in einigen Jahren die betreffende Bauart schon überholt. Die grosse Verbreitung von
                              									Holzkonstruktionen in Amerika erklärt sich vor allem hieraus, nicht nur aus dem
                              									relativ geringeren Preise des Holzes. Auf allen Gebieten spielt der Verbrauch eine
                              									ungleich stärkere Rolle als in Europa.
                           Dass die wissenschaftlich berufmässige Auffassung der deutschen Industrie grosse
                              									Vorteile bringt, ist leicht nachzuweisen. Es zeigt sich z.B. beim Bau von
                              									Kraftmaschinen. Den amerikanischen Schulen wird es schwer möglich sein,
                              									wissenschaftlichen Geist zu pflanzen, solange sich nicht die Masse der Gebildeten
                              									anders stellt. Für reine Wissenschaft ohne sichere kommerzielle Vorteile hat ein
                              									junger Mann hier sehr selten Verständnis.
                           Andererseits ist die rein geschäftliche Auffassung für den Fortschritt der Technik in
                              									Amerika ausserordentlich fördernd. In Deutschland wird mancher Fabrikant durch einen
                              									gewissen Stolz daran gehindert, seine Artikel als veraltet anzuerkennen und sich
                              									nach Neuem umzusehen. Wenige Amerikaner werden sich durch solche Pietätsgründe
                              									zurückhalten lassen. Wenn der einzelne schon seinen Beruf, oder, besser gesagt,
                              									seine Beschäftigung in der vorurteilslosesten Weise wechselt, so muss ihm ein
                              									Wechsel in einem beliebigen Handelsartikel noch viel leichter fallen. Gegenstände,
                              									die zum erstenmale auf den Markt kommen, werden trotz des Risikos entschieden
                              
                              									bevorzugt, da Nachahmungen vorhandener Artikel seltengrossen Gewinn
                              									versprechen, und an kleinem Gewinn ist dem Amerikaner nicht gelegen. Dadurch wird es
                              									dem Erfinder leichter, seine neuen Ideen zu verwirklichen. Eine weitere Folge ist,
                              									dass die Konkurrenz nicht so scharf auftritt, wie in Deutschland. Sie mag auch
                              									dadurch eingeschränkt werden, dass es tüchtige Maschineningenieure in unserem Sinne
                              									hier noch wenige gibt und daher alle Konstruktionen einer breiteren
                              									Erfahrungsgrundlage bedürfen, so dass der Vorsprung, den eine Firma gewonnen hat,
                              									nicht leicht eingeholt wird.
                           Eine so weit gehende Spezialisierung, wie man in Deutschland gewöhnlich annimmt,
                              									herrscht übrigens in den amerikanischen Maschinenfabriken, wenigstens in den
                              									grösseren Werken, nicht. Denn diese sind, nachdem ihre ursprünglichen Patente
                              									abgelaufen oder überholt sind, in der Regel gezwungen, ihre Fabrikation zu erweitern
                              									und minder lohnende Gegenstände aufzunehmen, damit die Werkstatt beschäftigt
                              									bleibt.
                           Immerhin bleibt der Unterschied zwischen beiden Ländern beträchtlich. Die Arbeit des
                              									Ingenieurs trennt sich in Amerika viel schärfer von der Fabrikation und wird, weil
                              									sie die Maschinen teuer macht, überhaupt so weit wie möglich beschnitten. In allen
                              									Fällen, die nicht speziellen Entwurf unbedingt verlangen, wird normale Maschinerie
                              									verwandt und vom Ingenieur nur auf den richtigen Platz gesetzt und zum
                              									Zusammenarbeiten gebracht. Die Zeichenarbeit, die sich vielfach, z.B. bei
                              									Eisenkonstruktionen, nicht einschränken lässt, wird dadurch verbilligt, dass man den
                              										„draftsman“„Zeichner“
                                    											ist eine wörtliche, aber nicht sinngemässe Uebersetzung von
                                    												„draftsman“. Unter diesem Namen werden vielmehr alle mit der
                                    											Anfertigung von Zeichnungen beschäftigen Personen, also auch selbständig
                                    											arbeitende Ingenieure sammengefasst. zum maschinenmässigen
                              									Routinearbeiter heranzieht, der in seinem eng begrenzten Felde schnell und
                              									zuverlässig arbeitet. Sonst wird aber an der Herstellung der Zeichnungen nicht
                              									gespart, denn der geschäftsmännische Blick des Amerikaners hat längst erkannt, dass
                              									ein Mehraufwand für korrekte Zeichnungen sich durch schnellere und bessere
                              									Werkstattarbeit reichlich bezahlt macht. Daher wird jede vom draftsman abgelieferte
                              									Zeichnung, ehe sie in die Werkstatt kommt von einem eigens dafür angestellten, gut
                              									bezahlten Mann sorgfältig nachgeprüft.
                           Die Organisation „technischer Geschäfte“Im
                                    											Englischen: „engineering companies“. – dieser Ausdruck
                              									trifft, wenn die Bureaus einbezogen werden sollen, besser zu, als
                              										„Maschinenfabriken“ – ist bei guten Firmen vorzüglich durchdacht und
                              									derjenigen deutscher Werke entschieden überlegen. Das Ganze arbeitet geräuschlos und
                              									sicher wie eine gute Maschine, und jeder einzelne ist über sein Maass von Rechten
                              									und Pflichten vollständig klar. Es wird sorgfältig darauf gesehen, dass Niemandem
                              									mehr Verantwortung aufgelegt wird als er tragen kann, und überhaupt sucht man die
                              									Zahl der verantwortlichen Leute möglichst zu beschränken. Dass damit der Unterbeamte
                              									zum blossen Werkzeug herabsinkt kümmert den Arbeitgeber wenig, und fast ebensowenig
                              									den Mann selbst. Beide haben den Wunsch, mit möglichst wenig Arbeit viel Geld zu
                              									verdienen, und dem ist ein solches System unbedingt günstig. Die Heranbildung
                              									wirklich fähiger, selbständiger Kräfte wird dadurch natürlich nicht gefördert, und
                              									es scheint fast, als ob mit dem Menschenmaterial gewissermaassen Raubbau getrieben
                              									würde, der sich mit der Zeit durch Unfruchtbarkeit rächen muss. In der
                              									Arbeiterschaft, die noch dazu von den Gewerkschaften in höchst unglücklicher Weise
                              									beeinflusse wird, zeigt sich dieser Schaden schon sehr stark. Tüchtige Mechaniker
                              									gibt es nur noch selten.
                           
                           Von diesem gewaltsamen Herunierdrücken des geistigen Niveaus abgesehen, ist die
                              									geschäftliche Tätigkeit für jeden Beteiligten ungleich angenehmer als in
                              									Deutschland. Veranlassung zum Tadel findet sich selten, da Niemand über seine Kräfte
                              									beansprucht wird. Kleine Entgleisungen übersieht der Arbeitgeber gern, wenn der
                              									Angestellte sich im allgemeinen gut bewährt. Ein scharfer Tadel, wie er von
                              									aufgebrachten Vorgesetzen in Deutschland häufig mit mehr oder weniger Recht
                              									gespendet wird, wäre hier schon deshalb nicht am Platze, weil der Angestellte sofort
                              									die Arbeit niederlegen würde. Bei schlechten Leistungen wird der Mann einfach
                              									entlassen. Der ganze Verkehr zwischen Vorgesetzten und Untergebenen spielt sich in
                              									anderen Formen ab. Hochmütiges Wesen auf der einen Seite fällt ganz von selbst fort,
                              									weil die Voraussetzung dazu auf der anderen Seite fehlt.
                           Das Gehalt oder, besser gesagt, der Preis eines Cannes wechselt mit Angebot und
                              									Nachfrage. Während die Arbeiterlöhne durch die Gewerkschaften hoch gehalten werden,
                              									ist das Durchschnittsgehalt eines draftsman im Verhältnis zu den Kosten des
                              									Unterhaltes gleicht geringer als in Deutschland. Dies gilt von dem Mann, der ohne
                              									eigene Verantwortung arbeitet. Verantwortliche Stellungen werden dagegen gut
                              									bezahlt, da zugleich fähige und zuverlässige seltener sind als in Deutschland. Ein
                              									Rechen mit dem Pfennig, wie es bei der Dotierung leitender Stellen in Deutschland
                              									sehr zum Schaden der bebenden Firma noch häufig geschieht, gibt es in Amerika
                              									nicht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 403
                              Fig. 1.
                              Wasser; Festhalle; Restaurant;
                                 										Terrasse; Schöne Künste; Erziehung und Sozialökonomie; Elektrizität und
                                 										Maschinenbau; Maschinenbau; Kesselhaus; Transportwesen; Verschiedene
                                 										Industrieen; Gewerbliche Erzeugnisse; Kunstgewerbe; Bergbau- und Hüttenwesen;
                                 										Bergbauausstellung im Freien; Gartenbau; Landwirtschaft; Forstwesen usw.;
                                 										Einzelstaaten; Deutschland; Jerusalem; Japan; Frankreich; England; Fremde
                                 										Länder; Philippinen; Dienstgebäude; Regierungsgebäude
                              
                           Die Anstellung und Entlassung des Geschäftspersonals ist mit wenig Umständen
                              									verknüpft. Wie der Schlosser ein Werkzeug zur Hand nimmt und es wieder fortlegt,
                              									wenn es nicht geeignet oder wenn die Arbeit fertig ist, genau so wird der
                              									Angestellte vom Arbeitgeber angenommen und fortgeschickt. Zeugnisse werden sehr
                              									selten ausgestellt oder verlangt, sind auch bei der Leichtigkeit, mit der
                              									ungeeignete Kräfte abgestossen werden können, gar nicht nötig. An ihre Stelle treten
                              									eben als viel sicheres Auskunftsmittel die tatsächlichen Leistungen. Dem Deutschen,
                              									der sich seiner Stelle immer wenigstens für sechs Wochen sicher fühlt, mag dieser
                              									Zustand nicht besonders erwünscht erscheinen, er bringt indessen grosse Vorteile mit
                              									sich, u.a. den, dass niemand durch eine einmalige Ungeschicklichkeit sein weiteres
                              									Vorwärtskommen hindert. Der Angestellte steht daher viel freier seinem Vorgesetzten
                              									gegenüber, dessen Wohlwollen ihm nach Aufgabe der Stellung gleichgültig ist. Der
                              									Arbeitgeber hat von der geschilderten Sachlage entschieden Vorteil, da er die
                              									Hilfskräfte besser dem augenblicklichen Bedarf anpassen kann. Der deutsche
                              									Arbeitgeber ist zwar durch das Gesetz davor gesichert, dass ihn seine teilte
                              									plötzlich verlassen, aber ein wirksamer Schutz ergibt sich daraus kaum.
                           Für deutsche Techniker, die gelegentlich der Ausheilung herüberkommen und im Lande
                              									bleiben wollen, sei bemerkt, dass Unkenntnis der englischen Sprache es sehr
                              									schwierig macht, eine Stellung zu finden. Im allgemeinen geniesst der deutsche
                              									Techniker einen gutenRuf, doch sagt man ihm wohl nach, dass er ein unruhiger
                              									Geist ist und sich schwer in die Geschäftsorganisation einfügt.
                           Grosse Schwierigkeiten erwachsen dem Fabrikanten aus den häufigen Streiks der
                              									Werkleute, herbeigeführt durch die labor unions oder Arbeiterfachverbände, deren
                              									Macht in den Vereinigten Staaten enorm ist und rücksichtslos, häufig mit
                              									Despotenlaune, ausgeübt wird. In dem gegenwärtigen unentschiedenen Stadium des
                              									Kampfes zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist es äusserst schwer, über die
                              									Berechtigung der beiderseitigen Ansprüche ein sachliches Urteil zu fällen. Am
                              									hässlichsten fallen zurzeit die von den Arbeitern begangenen Ausschreitungen auf und
                              									sie treiben den unbefangenen Beobachter leicht auf die andere Seite. Die Verbände
                              									suchen die Organisation der Betriebe ganz nach ihren Wünschen zu gestalten und
                              									erlassen Vorschriften betreffs Anstellung der Arbeiter, Bezahlungsweise usw., denen
                              									sich der Arbeitgeber – ohne irgendwelche Widerrede – zu fügen hat, will er einen
                              									sofortigen Streik vermeiden. Die sogenannten Wanderdelegierten, Beamte der Verbände,
                              									welche die Betriebe inspizieren, haben diktatorische Rechte und können den Leuten
                              									ohne Angabe eines Grundes Niederlegung der Arbeit befehlen. Das führt sehr häufig
                              									dazu, dass diese Beamten von Firmen den durch Streikdrohungen Geld erpressen. Es ist
                              									sogar umgekehrt vorgekommen, dass Gesellschaften heimlich Wanderdelegierte besoldet
                              									haben, die Streiks anzukündigen hatten, wenn die Firma mit ihren Lieferungen im
                              									Rückstande war, so dass sie auf Grund der Streikklausel ihrer kontraktlichen Strafe
                              									entging. Es dürfte sehr im Interesse des Landes liegen, dass die Verbände nicht
                              									dauernd die Herrschaft gewinnen. Denn die Leistung des einzelnen wird fraglos
                              									herabgedrückt, wenn nicht die Güte seiner Arbeit, sondern die Machtstellung des
                              									Verbandes für seine Bezahlung maassgebend ist. Dem strebsamen Manne wird es sehr
                              									erschwert, sich durch Fleiss weiterzubringen, man stösst ihn gewaltsam in die Heerde
                              									zurück. Sind doch Despotie und Demokratie die nächsten Verwandten!
                           Alle diese Erscheinungen, verbunden mit der Neigung des Amerikaners, die Dinge gehen
                              									und sich selbst gestalten zu lassen, bilden eine Gefahr für das Land und geben den
                              									alten Völkern, insbesondere den Deutschen mit ihrem hochentwickelten
                              									Verantwortlichkeitsgefühl, einige Aussicht auf Erfolg in dem wirtschaftlichen
                              
                              									Ringen. Die amerikanische Gefahr ist vorläufig noch nicht als brennend anzusehen.
                              
                              									Der Eifer der Deutschen, von den Amerikanern zu lernen, wird sicherlich Früchte
                              									tragen und unsere Industrie vor Ueberrumpelung bewahren.
                           Zum Schluss noch einige Worte über die Ausstellung selbst. Betreffs der Wahl der
                              									Oertlichkeit ist zu sagen, dass St. Louis an sich ein wenig anziehender Platz ist.
                              									Erscheint schon New York dem Europäer ungemütlich und unschön, so wird es darin von
                              									den jüngeren westlichen Städten noch weit übertroffen. Ausserdem ist St. Louis sehr
                              									heiss im Sommer. Für die Stadt selbst ist die Ausstellung von sehr grosser
                              									Bedeutung, sie tut damit gewissermaassen einen Schritt nach dem Osten hin und rückt der alten
                              									Kultur näher.
                           Fig. 1 gibt einen in Umrisslinien gezeichneten
                              									Uebersichtsplan des Ausstellungsgeländes. Es ist sehr anzuerkennen, dass die
                              									Hauptgebäude, die sich um die Festhalle 2 gruppieren,
                              									nahe bei einander und übersichtlich angeordnet sind. Das deutsche Haus 21 hat einen besonders günstigen Platz nahe dem
                              									Mittelpunkt erhalten, getrennt von denen der übrigen fremden Länder. Die
                              									Hauptgebäude weisen meistens eine etwas überladene Säulenarchitektur auf, dagegen
                              									zeigen manche von den kleinerenGebäuden eine einfache, wirkungsvolle
                              									Bauweise.
                           Ob die Ausstellung im Ganzen einen Erfolg darstellen wird, ist noch gar nicht zu
                              									beurteilen. Man ist zurzeit noch ziemlich weit von der Fertigstellung entfernt. Auch
                              									die deutsche Abteilung, die verhältnismässig weit vorgeschritten ist, wird kaum bis
                              									zur Eröffnung am 1. Mai fertig sein. Für die Beteiligung amerikanischer Firmen ist
                              									jedenfalls die augenblickliche industrielle Depression von Vorteil, da sie den
                              									Fabrikanten Zeit giebt, eine Vertretung ihrer Erzeugnisse vorzubereiten.
                           New York, April 1904.