| Titel: | Ueber die Enthärtung des Kesselspeisewassers. | 
| Autor: | Arthur Wiesler | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 410 | 
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                        Ueber die Enthärtung des
                           								Kesselspeisewassers.
                        Von Dr. Arthur Wiesler.
                        Ueber die Enthärtung des Kesselspeisewassers.
                        
                     
                        
                           Für die Zwecke der Enthärtung des Kesselspeisewassers ist es unbedingt
                              									notwendig, die im Wasser gelöst enthaltenen Salze genau zu kennen, bezw. dieselben
                              									auf Grund einer Analyse festzustellen und aus denselben die zur Enthärtung
                              									notwendigen Zusätze zu berechnen. Die einfache Titration mit der Seifenlösung nach
                              										Clark, welche wohl für die tägliche Kontrolle des
                              									Wasserreinigungsverfahrens gute Dienste leistet, genügt nicht, da bei Vorhandensein
                              									einer grossen Menge von kohlensaurer Magnesia im Wasser die Härte stets zu gering
                              									gefunden wurde. Dies bestätigen genaue Versuche von Campbell und Schneider. Es ist mindestens
                              									notwendig, den Gehalt des Rohwassers, an SO3, CaO und MgO im Wasser festzustellen; bei Vorhandensein einer
                              									erheblichen Menge von Chloriden ist auch die Bestimmung des Cl und der Alkalien erforderlich.
                           Ein Wasser, welches zur Kesselspeisung verwendet wurde, enthielt auf Grund
                              									zahlreicher, von mir ausgeführter Analysen im Liter
                           
                              
                                 
                                    SO
                                    3
                                    
                                 0,0209 g
                                 
                                 
                              
                                 
                                    CaO
                                    
                                 0,0916 g
                                 
                                 
                              
                                 
                                    MgO
                                    
                                 0,0179 g,
                                 entsprechend 0,0227 g CaO
                                 
                              
                           Bei der Titration mit Seifenlösung, welche auf eine Baryumchloridlösung (0,523 g
                              									krystallisiertes BaCl2
                              									+ 2 H2O im Liter) gestellt war, zeigte das Wasser neun
                              									deutsche Härtegrade, die Analyse dagegen ergab (0,0916 + 0,0227) =0,1143 g CaO also 11,43 deutsche Härtegrade.
                           Für die Bestimmung der zur Reinigung notwendigen Zusätze auf Grund der oben
                              									angeführten Analyse eignet sich folgende Methode, vorausgesetzt, dass Chloride in
                              									sehr geringer Menge vorhanden sind.
                           Die mit 0,0209 g SO3 verbundene CaO Menge ist 0,0146 g CaOBerechnet
                                    											nach der GleichungO3= SO3
                                          													CaO80 : 56= 0,0209 : xx= 0,0146
                           Daher ist im Wasser enthalten 0,0355 g CaSO4. Die übrige Menge CaO
                              									(0,0916 – 0,0146) = 0,0770 g CaO ist an CO2 gebunden und als
                              									doppelkohlensaurer Kalk CaH2 (CO3)2 im Wasser gelöst enthalten.
                           0,0770 g CaO erfordern zur Bindung 0,121 g CO2berechnet nach der GleichungCaO 2 CO256 : 88 =0,0770 : xx =0,121 daher ist im Wassser 0,1980 g CaH2 (CO3)2 gelöst
                              									enthalten, dasselbe gilt auch von MgO.
                           0,0179 g MgO erfordern zur Bindung 0,0393 g CO2Berechnet nach der GleichungMgO 2 CO2,40 : 88 =0,0179 : xx =0,0393 und bilden damit 0,0573 g doppeltkohlensaure Magnesia MgH2 (CO3)2.
                           Ein Liter des obigen Wassers enthält daher
                           
                              
                                 0,1980 g
                                 
                                    CaH
                                    2
                                    
                                 (CO3)2
                                 
                              
                                 0,0573 g
                                 
                                    MgH
                                    2
                                    
                                 (CO3)2
                                 
                              
                                 0,0355 g
                                 
                                    CaSO
                                    4
                                    
                                 
                                 
                              
                           Zur Ausfällung von 1 g CaH2 (CO3)2 braucht man 0,346 g CaO.
                           Zur Ausfällung von 1 g MgH2 (CO3)2 braucht man 0,767 g CaO.
                           
                           Zur Ausfällung von 1 g CaSO4 braucht man 0,78 g Na2CO3.
                           Die Ausfällung des doppelkohlensauren Kalks erfolgt nach der Gleichung
                           CaH2
                              										(CO3)2 + 2 CaO = 2 CaCO3 + H2O
                           die Ausfällung der doppelkohlensauren Magnesia erfolgt nach
                              									der Reaktionsgleichung
                           MgH2
                              										(CO3)2 + 2 CaO = 2 CaCO3 + MgO + H2O
                           man muss zur Ausfällung der doppelkohlensauren Magnesia 2
                              									Moleküle Kalk in Rechnung ziehen, ein Molekül CaO würde
                              									nicht genügen, da sonst unter dieser Bedingung kohlensaure Magnesia entstehen würde
                              									nach der Reaktionsgleichung
                           MgH2
                              										(CO3)2 + CaO = CaCO3 + MgCO3 + H2O.
                           Da die kohlensaure Magnesia in Wasser, und zwar besonders in kohlensäurereichem
                              									löslich ist, indem ein Liter Wasser in der Kälte 430 mg neutrale kohlensaure
                              									Magnesia auflöst, was etwa 60 deutschen Härtegraden entspricht, so muss man zur
                              									Ausfällung der doppelkohlensauren Magnesia die doppelte Menge Kalk verwenden, um
                              									dieselbe als unlösliches Magnesiahydrat abzuscheiden.
                           Die anderen Kalksalze werden in die entsprechenden Natronsalze umgewandelt nach der
                              									Reaktionsgleichung
                           CaSO4
                              									+ Na2CO3 = CaCO3
                              									+ Na2SO4.
                           Zur Ausfällung von 0,1980 g CaH2 (CO3)2 und 0,0573 g MgH2 = (CO3)2 sind notwendig
                           (0,1980 × 0,346) + (0,0573 × 0,767) = 0,1124 g CaO.
                           Zur Ausfällung von 0,0355 g CaSO4 ist notwendig
                           (0,0355 × 0,78) = 0,02769 g Na2CO3)
                           Zum Enthärten von ein Liter Wasser gebraucht man also
                           0,1124 g CaO und 0,0276 g Na2CO3
                           Da der zur Enthärtung des Rohwassers verwendete Kalk nur 85 v. H. CaO enthielt und die verwendete Soda nur 98 v. H. war,
                              									so gebrauchte man zum Enthärten von 1 Liter Wasser
                           0,1322 g CaO und 0,0282 g Na2CO3,
                           das auf diese Weise gereinigte Wasser hatte 0,8 deutsche
                              									Härtegrade.
                           Enthält ein Wasser grössere Mengen von Chloriden, so sind dieselben bei der
                              									Berechnung der zur Enthärtung notwendigen Zusätze zunächst an die Alkalien zu
                              									binden, und zwar kann die Chlormenge entweder der Alkalimenge äquivalent sein, oder
                              									es ist ein Ueberschuss an Chlor vorhanden, so wird derselbe einer äquivalenten Menge
                              										MgO zugerechnet, fehlt es an Chlor, so ist ein Rest
                              									der Alkalien als an SO3
                              									gebunden anzunehmen. Nach neueren Untersuchungen von OstZeitschr. f. angew.
                                    											Chem. 1902, S. 1202. bildet das Chlor-Magnesium im
                              									Kesselspeisewasser keine Gefahr für den Kessel, wenn der Gehalt des Speisewassers an
                              									Chlor-Magnesium demjenigen an Karbonaten äquivalent ist.
                           Das nach dieser Methode gereinigte Wasser war nahezu vollständig klar, gab mit
                              									oxalsaurem Ammon und Kalkwasser keinen Niederschlag, enthielt also keine
                              									nennenswerten Mengen von Kalk und Soda in Lösung.
                           Bei der täglichen Untersuchung des Wassers, welche eine Kontrolle für die
                              									Durchführung der Enthärtung bildet, wurde ermittelt
                           
                              1. die Härte des Rohwassers
                              2. die Härte des gereinigten Wassers
                              3. die Alkalinität durch Zusatz von 1/10
                                 										n HCl
                              4. das Verhalten gegen Ammoniumoxalat
                              5. das Verhalten gegen Kalkwasser
                              6. die zu reinigende Wassermenge.
                              
                           Die Enthärtung des Kesselspeisewassers durch genaue Dosierung der berechneten
                              									Chemikalien wird beinahe vollständig illusorisch, wenn dieselbe nicht in rationeller
                              									Weise erfolgt. Dazu ist es vor allem notwendig, täglich eine Bestimmung der Härte
                              									des Rohwassers und des gereinigten Wassers mit Seifenlösung vorzunehmen, besonders
                              									bei Grundwässern, deren Gehalt an gelösten Salzen sich stetig ändert, und den
                              									täglichen Wasserverbrauch zu kennen. Denn selbst die richtige Dosierung der
                              									Chemikalien auf Grund einer wiederholten, sorgfältigen Analyse des Rohwassers kann
                              									oft eine ganz fehlerhafte Reinigung des Wassers bewirken, wenn der Zusatz an
                              
                              									Chemikalien nicht genau proportional dem Wasserbrauch erfolgt. Bei den neueren
                              									Wasserreinigungsapparaten erfolgt der Zufluss von Sodalösung und Kalkwasser in das
                              									Rohwasser genau proportional dem Wasserverbrauch; man löst z.B. das für einen Tag
                              									nötige Quantum Soda in dem mit Wasser gefüllten Sodabehälter auf und lässt es durch
                              									ein Schwimmerventil mit regulierbarem Ausflusshahn in immer gleichmässiger Menge so
                              									ausfliessen, dass der Behälter in einem Tage leer läuft. Eine rationelle Reinigung
                              									des Kesselspeisewassers, welche nach dieser Methode vorgenommen wurde, ergab
                              									folgendes Resultat auf Grund einer von mir durch Monate fortgesetzten
                              									Untersuchung.
                           Es wurden täglich enthärtet 200 cbm Wasser, welche zum Speisen der Kessel verwendet
                              									wurden.
                           Das Rohwasser hatte eine Härte von 9 bis 12 deutschen Härtegraden.
                           Das gereinigte Wasser zeigte 0,5 bis 2 deutsche Härtegrade.
                           Es wurden täglich gebraucht zur Reinigung von 200 cbm Wasser
                           27 kg CaO und 6 kg Na2CO3.
                           Die Reinigung des Wassers kostete 1,50 Mark täglich oder 0,75 Pfg. pro cbm
                              									Wasser.
                           Der Kostenaufwand an Chemikalien beträgt also jährlich für die Enthärtung einer so
                              									bedeutenden Wassermenge 540 Mark. Es ist daraus zu ersehen, dass man eine rationelle
                              									Enthärtung des Kesselspeisewassers mit verhältnismässig geringen Kosten an
                              									Chemikalien durchführen kann; für Fabriken, welche weiches Wasser in grosser Menge
                              									benötigen, wie z.B. Papierfabriken, Zuckerfabriken, Bierbrauereien, Färbereien, ist
                              									die möglichst billige Beschaffung eines gründlich enthärteten Wassers von höchster
                              									Bedeutung.