| Titel: | Die Neuanlage des Königlichen Materialprüfungsamtes in Gross-Lichterfelde West. | 
| Autor: | K. Memmler | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 507 | 
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                        Die Neuanlage des Königlichen
                           								Materialprüfungsamtes in Gross-Lichterfelde West.
                        Von K. Memmler, ständiger Mitarbeiter des
                           									Kgl. Materialprüfungsamtes.
                        (Fortsetzung von S. 473 d. Bd.)
                        Die Neuanlage des Königlichen Materialprüfungsamtes in
                           								Gross-Lichterfelde, West.
                        
                     
                        
                           Dem Rahmen unserer Zeitschrift entsprechend können aus der Beschreibung der
                              									Neuanlage nur die allgemein interessierenden Teile der bezüglichen Abschnitte der
                              									Denkschrift wiedergegeben werden. Im besonderen musste Beschränkung beim baulichen
                              									Teil statthaben, der in reicher Ausstattung an wiedergegebenen Lichtbildern und
                              									zahlreichen Figuren, alle Einzelheiten der Bauausführung eingehend behandelt und für
                              									den Sonderfachmann gewiss eine grosse Anzahl beachtenswerter Schilderungen
                              									darbietet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 506
                              Fig. 1. Lageplan des Grundstückes mit den Gebäuden und Strassen.
                              
                           Die neue Anstalt liegt auf dem südlichsten Geländezipfel der Domäne Dahlem, zwischen
                              									der Berlin-Potsdamer Eisenbahn und der Potsdamer Chaussee, etwa fünf Minuten vom
                              									Wannseebahnhof Gross – Lichterfelde, West, entfernt. Das Grundstück hat eine Grösse
                              									von 5 ha 19 a 11 qm; etwa 5900 qm dieser Fläche sind mit Gebäuden bebaut, für
                              									Vergrösserung ist also noch genügend Bodenfläche vorhanden. Die einzelnen Bauten
                              									sind nach Plänen des Geh. Baurats Thür sowie des
                              									Landbauinspektors Guth, welch letzterem auch die
                              									Bauleitung oblag, errichtet. Die Gebäude sind als Backsteinbauten mit durchweg
                              									schlichten Fassaden ausgeführt. In erster Linieist den Anforderungen auf
                              									Zweckmässigkeit, weniger den Rücksichten auf architektonische Schönheiten Rechnung
                              									getragen worden. Fig. 1 zeigt den Lageplan der
                              									Anlage und Fig. 2 die Verteilung der einzelnen
                              									Gebäudeteile auf die verschiedenen Abteilungen. Das Mittelgebäude mit der Hauptfront
                              									nach der Potsdamer Chaussee hat drei Stockwerke und wird in der Mitte durch einen
                              									Aufbau gekrönt, in dem photographisches Atelier und Turmuhr untergebracht sind; die
                              									seitlichen Laboratoriengebäude sind zweigeschossig, während die Versuchshallen,
                              									Werkstatt, Maschinen- und Kesselhaus eingeschossig sind. Sämtliche Baulichkeiten
                              									stehen durch unterirdische Kellerflure mit einander in Verbindung (Fig. 3), eine Anordnung, die ermöglicht, die
                              									zahlreichen Rohrleitungen, Kabel, Drähte usw., mit denen die Betriebsmittel von den
                              									Zentralen zu den Verbrauchsstellen geführt werden, in übersichtlicher und besonders
                              									leicht zugänglicher Weise unterzubringen.
                           Die Gebäude haben mit Ausnahme des Maschinen- und Kesselhauses sämtlich flache,
                              									begehbare Holzzementdächer, die für Versuchszwecke nutzbar zu machen sind; das
                              									Maschinenhaus hat eisernen, das Kesselhaus hölzernen Dachstuhl. Die Fussböden in den
                              									Räumen sind, wo nicht betriebstechnische Gründe im Wege waren, mit braunem Linoleum auf
                              									Zement-Estrich mit Betonunterlage belegt. Daneben finden sich Fliesenbelag
                              									(Maschinenhaus), Eisenklinkerpflaster (Kesselhaus), Terrazzo
                              									(Probenbearbeitungsräume der Abteilung für Baumaterialprüfung) als Fussboden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 507
                              Fig. 2. Vorteilung der Abteilungen auf die verschiedenen Geschosse.
                              A: Hauptgebäude; Ml und Bl:
                                 										Laboratoriengebäude; Mv und Bv: Versuchsstätten; W und C: Werkstattgebäude
                                 										und Maschinenhaus; R und S: Kühlturm und Reinigungbassin; D:
                                 										Akkumulatorengebäude; E: Fallwerkschuppen; K und F: Kesselhaus und
                                 										Feuerlaboratorium; Im Hauptgebäude über abcd im III. Stockwerk: Photographische
                                 										Räume
                              
                           Die Inneneinrichtung der Räume ist durchweg schlicht gehalten. Auch hier ist in
                              									erster Linie Wert auf möglichste Zweckmässigkeit für den Betrieb, insonderheit auf
                              									gute Beleuchtung durch Tageslicht gelegt worden. Die Geschosse sind durch breite
                              									dreiläufige Treppen aus Kunststein mit einander verbunden, zwischen denen sowohl im
                              									Mitteltreppenhaus als auch in den beiden seitlichen Treppenhäusern elektrisch
                              									betriebene Fahrstühle für Last- und Personenbeförderung von Flohr in Berlin mit sog. Druckknopfsteuerung ein gebaut sind.
                           Als Heizung ist für sämtliche Räume Dampfheizung gewählt worden und zwar haben die
                              									eingeschossigen Räume (Versuchshallen, Maschinen- und Werkstatträume)
                              									Hochdruckdampfheizung mit 1,5 atm Dampfspannung, die zwei und mehrgeschossigen Räume
                              									Niederdruckdampfheizungmit 0,2 atm Betriebsspannung. Zur Reserve sind in den
                              									meisten Räumen Gasöfen aufgestellt.
                           Die Direktorenwohnhäuser haben Niederdruckwarmwasserheizung.
                           Der im Kesselhause von 8½ atm auf etwa 5 atm reduzierte Heizdampf wird nach mehreren
                              									Heizzentralen geleitet, die in den einzelnen Gebäudeflügeln im Keller untergebracht
                              									und mit je einem Dampfabsperr-, Reduzier und Sicherheitsventil sowie einem Manometer
                              									ausgerüstet sind. In die Hauptzuleitung vom Kesselhaus ist ein Kugelrückschlagventil
                              									eingebaut. Die Kugel wird im Falle eines Rohrbruches durch starkes Strömen des
                              									Dampfes aus ihrer gewöhnlichen Lage im Zuleitungsstrang heraus gegen die Oeffnung
                              									des Ableitungsstranges gepresst und schliesst so den Dampfzutritt ab.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 507
                              Fig. 3. Kellergeschoss und Röhrenkeller unter der Erde.
                              
                           Das gesamte Niederschlagswasser aus den Heizleitungen wird in Sammelrohren nach einem
                              									grossen Kondenswasserkasten im Maschinenhauskeller geführt. Eine kleine elektrisch
                              									betriebene Kreiselpumpe, zu deren Reserve eine kleine Dampfpumpe aufgestellt ist,
                              									fördert das Kondenswasser nach einem Sammelkasten im Kesselhaus, aus dem die
                              									Speisepumpen das Wasser entnehmen. Der Motor der kleinen Kreiselpumpe wird mittels
                              									Schwimmers und
                              									Kippschalter durch einen selbsttätigen Anlasser in Gang gesetzt oder angehalten,
                              									sobald der Wasserstand im Kondenskasten eine bestimmte Höhe erreicht hat.
                           Die Entlüftung der Räume, auch der Kapellen in den Laboratorien, geschieht durch
                              									eingebaute viereckige Tonrohre mit 17 × 17 cm Querschnitt im Lichten. In den meisten
                              									Räumen sind zudem kleine, elektrisch betriebene Ventilatoren angebracht, deren
                              									Flügel in die viereckigen Tonrohre hineinragen und so umgestellt werden können, dass
                              									die Ventilatoren entweder frische Luft in die Räume hineindrücken oder die
                              									verbrauchte Luft aus ihnen absaugen.
                           Das Wasserleitungswasser von 3,2–3,8 atm Druck wird von der auf der Potsdamer
                              									Chaussee verlegten und vom Steglitzer Wasserturm der Charlottenburger Wasserwerke
                              									gespeisten Hauptleitung in zwei Abzweigungen den im Keller untergebrachten
                              									Hauptmessern zuführt. Hinter jedem Messer zweigen zwei Leitungen ab, eine als
                              									Hydranten- die andere als Betriebswasserleitung, beide als Ringleitungen
                              									ausgebildet. In die Leitungen sind zahlreiche Absperrventile sowie mehrere kleinere
                              									Wassermesser eingebaut, so dass einzelne Betriebsstränge bequem abgestellt werden
                              									können und der Verbrauch an Wasser für bestimmte Betriebsstellen besonders
                              									festgestellt werden kann.
                           Die Gasleitungen sind ebenfalls Ringleitungen, in die an solchen Verbrauchsstellen,
                              									wo gleichbleibender Gasdruck benötigt wird, Gasdruckregler eingebaut sind.
                           Die Entwässerung der Räume und Höfe geschieht in die Lichterfelder
                              									Kanalisationsanlage; die Abwässer aus den Laboratorien gehen über die ausserhalb der
                              									Gebäude an mehreren Stellen angelegten Neutralisiergruben.
                           Zur Beleuchtung der Räume und Höfe dienen elektrische Glühlampen und Bogenlampen. Die
                              									Glühlampen sind zu 15 bis 16 Lampen in gemeinsamen Stromkreis geschaltet. Die
                              									Aussenbogenlampen sind Gleichstrom-Differentialbogenlampen für 12 und 14 Ampère mit
                              									Sparern. In den grösseren Laboratorien und den technischen Bureauräumen sind die
                              									Lampen mit Deckenreflektoren versehen. Der Betriebsspannung von 220 Volt
                              									entsprechend sind gewöhnlich vier Lampen in einen Stromkreis hintereinander
                              									geschaltet. In den mit Laufkränen ausgestatteten drei Versuchshallen sind sog.
                              									Liliputbogenlampen verwendet worden, die bei einer Lichtstärke von 160 Kerzen mit 2
                              									Ampère und 80 Volt Spannung brennen.
                           Die Weitläufigkeit der baulichen Anlagen machte eine möglichst vollkommene
                              									Fernsprecheinrichtung notwendig. Die hierzu erforderlichen Anlagen sind in
                              									modernster Ausführung von der Firma Siemens & Halske geliefert. Die innerhalb der Anstalt verteilten,
                              									als Tisch- oder Wandstation ausgebildeten 80 Sprechstellen sind an einen
                              									Zentralschrank, der im Pförtnerzimmer aufgestellt ist, angeschlossen. Da Anlagen
                              									dieser Art bisher nur in wenigen Ausführungen vorhanden sind, und ihre Einrichtungen
                              									nur wenig bekannt sein dürfte, sei hier auf ihre Anordnung und Betriebsweise etwas
                              									näher eingegangen.
                           In der Zentrale sind aufgestellt: ein sog. Glühlampenschrank für 80 Sprechstellen,
                              									ein kleinerer Glühlampenschrank, durch den 12 dieser Sprechstellen mit dem
                              									Postleitungsnetz in Verbindung gebracht werden können, ferner ein Schrank mit Relais
                              									(für jede Glühlampe der Schränke eines) ein Verteilerschrank und ein Schrank, in dem
                              									die Stromquelle untergebracht ist. Sie besteht für das ganze Netz aus acht kleinen
                              									Elementen, die Strom von 10 oder 6 Volt liefern. Eine zweite gleich grosse Batterie
                              									dient als Reserve. Die Elemente werden durch Strom aus dem Hauptnetz geladen. Auf
                              									einer kleinen Schalttafel sind die zum Laden erforderlichen Glühlampenwiderstände,
                              									sowie Messinstrumente und Einschalter montiert.
                           Im oberen Teile des Glühlampenschrankes ist für jede Sprechstelle eine Oeffnung
                              									(sog. Klinke) mit darüber befindlicher kleiner Glühlampe angebracht, auf der
                              									Oberfläche des vorspringenden Schrankunterteiles sind in der hinteren Reihe acht
                              									Abfragestöpsel, in der vorderen Reihe hingegen acht Verbindungsstöpsel
                              									untergebracht. Vor diesen Stöpseln befinden sich 16 kleine Glühlampen, die sog.
                              									Schlusslampen, für jedes Stöpselpaar zwei Stück. In vorderster Reihe sind acht
                              									Drucktasten vorgesehen. Links neben den Drucktasten liegt eine Anschlussdose, an die
                              									der Hörer des Schrankes anzuhängen ist, während sich rechts eine Ruftaste befindet.
                              									Im Schrankaufsatz ist eine grössere Glühlampe, die Kontrollampe, eingebaut. Die
                              									Betriebsweise ist nun folgende:
                           Wird an einer der Sprechstellen z.B. No. 10 der Hörer abgenommen, so leuchtet im
                              									selben Augenblick am Zentralschrank die Kontrollampe und die kleinere Anruflampe
                              									über Klinke No. 10. Der Telefonbeamte steckt einen der Abfragestöpsel in die Klinke
                              									No. 10 und nimmt den Hörer von der Schrankseite, Er erfährt, dass Sprechstelle 10
                              									mit Sprechstelle 20 verbunden sein will, und steckt daher den mit dem verwendeten
                              									Abfragestöpsel verbundenen Verbindungsstöpsel in die Klinke No. 20. Nach dem Drücken
                              									auf die entsprechende Drucktaste leuchtet die zum Verbindungsstöpsel zugehörige
                              									Schlusslampe auf und erlischt, sobald an Sprechstelle No. 20 der Hörer abgenommen
                              									wird, die beiden Stellen also miteinander sprechen. Werden nach beendigtem Gespräch
                              									an beiden Sprechstellen die Hörer wieder aufgelegt, so leuchten beide Schlusslampen
                              									(die für den verwendeten Abfragestöpsel, sowie die für den zugehörigen
                              									Verbindungsstöpsel) nochmals auf und erlöschen erst, nachdem der Beamte Abfrage- und
                              									Verbindungsstöpsel aus den Klinken herausgezogen hat. In gleicher Weise regelt sich
                              									der Verkehr der Sprechstellen mit dem Postamt, wobei jedoch selbsttätig die
                              									Sprechstellen, sobald sie durch den kleineren Postschrank mit dem öffentlichen Netz
                              									verbunden werden, vom grossen Schrank der Anstalt abgeschaltet werden.
                           Im Pförtnerzimmer ist ferner eine Registrieruhr für die Wächterkontrolle und für
                              									Feuermeldung angebracht. Zur Kontrolle wird durch elektrischen Kontakt ein
                              									ablaufender Papierstreifen sovielmal durchlocht, als der Nummer der an verschiedenen
                              									Stellen auf dem Grundstück verteilten Meldekästchen entspricht, sobald der Wächter
                              									durch Ziehen an einer Zugstange das Triebwerk des Meldekästchens in Gang setzt. Zur
                              									Feuermeldung wird durch Zug an einer zweiten, an jedem Kästchen angebrachten Stange
                              									das Uhrwerk der Registrieruhr angehalten, die Nummer des betreffenden Melders auf
                              									das Papier gedruckt und zugleich werden fünf Feueralarmglocken auf dem Grundstück in
                              									Tätigkeit gesetzt, die erst durch Unterbrechung der Stromzuführung wieder zum
                              									Stillstand gebracht werden können.
                           Auf den Hauptfluren in den grösseren Betriebsräumen und im Turm auf dem Mittelgebäude
                              									sind Uhren angebracht, die von einer im Direktorenzimmer aufgestellten Mutteruhr,
                              									die an Normalzeit der Sternwarte angeschlossen ist, elektrisch reguliert werden.
                           Von allgemeinen Betriebseinrichtungen ist schliesslich noch zu erwähnen, dass alle
                              									Gebäude in ausgedehntem Maasse gegen Blitzschlag durch Ableiteranlagen gesichert
                              									sind, ferner dass zur bequemeren Lastenbeförderung schmalspurige Geleise mit
                              									eingeschalteten Drehscheiben an die Hauptzugänge der Maschinen- und Versuchshallen
                              									sowie das Kesselhaus heran- und teilweise in die Hallen hineingeführt sind.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)