| Titel: | Studien über die Beanspruchung und Formänderung kreisförmiger Platten. | 
| Autor: | Max Ensslin | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 610 | 
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                        Studien über die Beanspruchung und Formänderung
                           								kreisförmiger Platten.
                        Von Dr. ing. Max Ensslin,
                           								Stuttgart.
                        Studien über die Beanspruchung und Formänderung kreisförmiger
                           								Platten.
                        
                     
                        
                           Die Versuche über die Elastizität kreisförmiger Platten, welche in D. p. J.
                              									1903, 318, 705, 721, 785 und 801 beschrieben worden sind,
                              									haben die Theorie dieser Platten in ausreichendem Maasse bestätigt. Diese Arbeit
                              									sollte einen Beitrag zu der Frage liefern, in welchem Grade die Entwicklungen der
                              									allgemeinen Elastizitätstheorie für kreisförmige Platten mit dem Versuch
                              									übereinstimmen. Sonderfälle mit bestimmter Belastung und Unterstützung wurden darin
                              									nur insoweit behandelt, als sie sich zur Beantwortung der gestellten Frage als
                              									brauchbar erwiesen.
                           Die vorliegende Arbeit ist ausschliesslich der Untersuchung von Sonderfällen voller und durchbrochener Kreisscheiben,
                              									die in ganz bestimmter Weise belastet, gestützt und an den Rändern befestigt sind,
                              									gewidmet; solchen steht der ausführende Ingenieur immer gegenüber; für ihn bedeutet
                              									der Sonderfall fast alles, die allgemeine Lösung nur wenig; letztere erhält erst
                              									dann Bedeutung, wenn sie zur Anwendung auf die technisch wichtigen Sonderfälle
                              									gebrauchsfertig ausgestaltet ist. Die Gründe hierfür sind ja bekannt. Der Ingenieur
                              									ist mit Konstruktion, Ausführung und Betrieb vollauf beschäftigt. Zur Ableitung
                              									allgemeiner Lösungen hat er keine Zeit, nicht einmal zur Spezialisierung vorhandener
                              									Lösungen für die Zwecke seiner besonderen Aufgaben. Auch liegen Arbeiten, deren
                              									Durchführung hauptsächlich wissenschaftlicher Art ist, der Ingenieurtätigkeit
                              
                              									ferne.
                           Nun scheint die allgemeine Theorie kreisförmiger Scheiben einerseits sicher genug
                              									begründet und experimentell bestätigt zu sein, andererseits stellt sie über die
                              									technisch wichtigen Aufgaben Aufschlüsse in Aussicht, die dem Ingenieur bei der
                              									Ausführung von Nutzen zu werden vermögen, so dass es sich verlohnen dürfte, dieses
                              									Gebiet dem Ingenieur zugänglich zu machen und das Haupthindernis, das hier im Wege
                              									steht, zu beseitigen: langwierige Vorarbeit. Was sich auf Grund der allgemeinen
                              									Elastizitätstheorie über die Beanspruchung (und Formänderung) kreisförmiger Platten
                              									aussagen lässt, dies dem Ingenieur vorzuführen, zu
                                 										veranschaulichen, war meine Absicht. Ich war bemüht, den Stoff so
                              									darzustellen, dass man sich leicht zurechtfinden kann. Vollständigkeit in der
                              									Behandlung der grundsätzlich wichtigen Einzelfälle wurde angestrebt; die nachher
                              
                              									gegebene Uebersicht über den behandelten Stoff lässt dies erkennen.
                           Die Figuren geben sofort Auskunft über die Art der Belastung, Befestigung und
                              									Unterstützung der Platte. Ich habe es nicht dabei bewenden lassen, die Gleichungen
                              									für die Beanspruchung und Formänderung in den Einzelfällen mit allgemeinen
                              									Zahlsymbolen anzugeben, stets sind Zahlenbeispiele für die Beanspruchung
                              									ausgerechnet und überdies ist die Spannungsverteilung an der
                              									Plattenoberflächebildlich dargestellt worden, so dass rasch eine Anschauung von
                              									dem Anstrengungszustand gewonnen und der Einfluss der Befestigungsweise des
                              									Plattenrandes – freies Aufliegen, vollkommene Einspannung, Uebergang vom einen zum
                              									andern – verfolgt werden kann.
                           Gerade der Zwischenzustand zwischen Freiaufliegen und vollkommener Einspannung des
                              									Plattenrandes kommt häufig vor und es ist zum Teil äusserst schwierig, zum Teil
                              									zurzeit unmöglich, den Zusammenhang zwischen Platte und den sich anschliessenden
                              									Konstruktionsteilen – die Nachgiebigkeit der Verbindung – in mathematische Form zu
                              									fassen. Bei dieser Sachlage ist es von Wert, wenigstens die Grenzfälle zu kennen und
                              									sich dann ein ungefähres Bild von dem Zwischenzustand machen zu können.
                           Die Untersuchung erstreckt sich auf volle und durchbrochene Scheiben, letztere mit zentral
                              									ausgeschnittener Kreisöffnung. Als Belastung ist entweder eine konzentrierte Last,
                              									die auf dem Umfang eines Kreises um die Plattenmitte gleichmässig verteilt ist, oder
                              									eine gleichmässige Oberflächenbelastung (Flüssigkeitspressung, Eigengewicht oder
                              									Massenkräfte senkrecht zur Plattenoberfläche), oder gleichmässig über den
                              									Plattenumfang verteilte Biegungsmomente angenommen. Die Plattendicke ist als gleich
                              									gross vorausgesetzt.
                           In der Literatur findet man wohl in allen Werken über Elastizität die Berechnung der
                              										vollen, gleichmässig belasteten Scheibe mit frei
                              									aufliegendem oder vollkommen eingespanntem Rand angegeben. Auch die volle Scheibe mit einer Einzellast in der Mitte ist in
                              									mehr oder weniger strenger WeiseHierbei ist
                                    											die Belastung zum Teil in einem Punkt konzentriert (Grashof), oder über den Umfang eines kleinen Kreises verteilt
                                    											angenommen (St. Venant). Da ein punktförmiger
                                    											Lastangriff tatsächlich kaum vorkommt, so ist die unter dieser Annahme
                                    											abgeleitete Spannung nur als Näherungswert anzusehen. Weiteres hierüber
                                    											siehe D. p. J. 1903, 318, 787, Anm.
                                    
                                    										13). behandelt. Die zur Berechnung einer durchbrochenen kreisförmigen Platte erforderlichen allgemeinen Gleichungen
                              									teilt St. Venant im Clebsch annoté mit, gibt auch
                              									Anweisung, wie in besonderen Fällen vorzugehen ist. Die Differentialgleichung der
                              									elastischen Mittelfläche hat – nebenbei bemerkt – für die volle und durchbrochene
                              									Platte die gleiche Grundform. Auf technisch interessante Einzelfälle durchbrochener
                              									Platten hat die allgemeine Lösung meines Wissens nur Grashof angewandt, der auf S. 343 seiner Theorie der Elastizität und
                              									Festigkeit die Beanspruchung eines Zylinderdeckels mit Stopfbüchse und einer
                              									gleichmässig belasteten Platte berechnet, deren äusserer und innerer Rand vollkommen
                              									eingespannt ist, wobei der innere überdies als fest verankert angesehen wird.
                           In der vorliegenden Arbeit sind, wie aus der weiter unten stehenden
                              									Inhaltsübersicht hervorgeht, zuerst die einfachsten Fälle der Belastung. Befestigung
                              									und Unterstützung – wie ich glaube – erschöpfend behandelt. Zusammengesetzte
                              									Belastungsfälle können leicht auf diese grundlegenden Einzelfälle zurückgeführt
                              									werden, was am Schluss an einigen der Technik entnommenen Beispielen erläutert
                              									ist.
                           
                              Inhaltsübersicht.
                              
                           
                              A. Konzentrierte Belastung.
                              
                           (Die Belastung ist gleichmässig über den Umfang eines Kreises um
                              									die Plattenmitte verteilt).
                           
                              a) Volle Scheibe:1. am Rande frei aufliegend,2. am Rande eingespannt.
                              b) Gelochte Scheibe:1. am inneren oder äusseren Rand aufliegend, beide
                                       												Ränder frei beweglich,2. am äusseren Rand eingespannt, am inneren
                                       												frei,3. am inneren Rand eingespannt, am äusseren
                                       												frei,4. beide Ränder eingespannt.
                              
                           
                              B. Gleichmässige Oberflächenbelastung.
                              
                           
                              a) Volle Scheibe:1. am Rande frei aufliegend,2. am Rande eingespannt.
                              b) Gelochte Scheibe;I. am äusseren Rand gestützt1. beide Ränder frei beweglich,2. äusserer Rand eingespannt, innerer frei,3. innerer Rand eingespannt, äusserer frei,4. beide Ränder eingespannt.II. am inneren Rand gestützt sonst wie unter
                                             														I.
                              
                           C. Belastung durch biegende Momente,
                                 										die gleichmässig über den inneren oder äusseren Umfang der Scheibe verteilt
                                 										sind.
                           
                              Einfluss überstehenden Materials.
                              
                           
                              D. Technische Beispiele.
                              
                           
                              E. Allgemeine Bemerkungen.
                              
                           Maasseinheiten. Lage des
                                 										Koordinatensystems. Bezeichnungen.
                           Die im Folgenden benützten Einheiten sind: kg und cm.
                           Die Platte ist so in ein rechtwinkliges Koordinatensystem hineingelegt gedacht, dass
                              									die Normale in der Plattenmitte mit der z-Achse, die
                              									Mittelfläche vor der Belastung mit der xy-Ebene
                              									zusammenfällt. Es bedeutet:
                           x den Abstand eines Punktes der Meridianlinie der
                              									deformierten Mittelfläche (Drehfläche) von der Plattenmitte,
                           z die Senkung dieses Punktes unter die xy-Ebene,
                           λ die Entfernung eines beliebigen Plattenpunkts von der
                              									Mittelfläche, + bezw. –, wenn in Richtung der + bezw. – z-Achse gelegen.
                           Da von den Normalen auf der Mittelfläche angenommen wird, dass sie auch nach der
                              									Deformation gerade und senkrecht zur elastischen Mittelfläche bleiben, so ist die
                              									Lage eines Punktes durch x, y, λ ausreichend
                              									bebestimmt.
                           h die als unveränderlich angenommene Plattenstärke,
                           m das Verhältnis Längsdehnung: Querzusammenziehung (m=\frac{10}{3} für Schmiedeisen und Stahl.)
                           
                              
                              Zu den Figuren.
                              
                           Die Figuren für eine und dieselbe Belastungsweise – konzentrierte Last bezw.
                              									gleichmässige Oberflächenbelastung – sind in gleichem
                                 										Maasstab gezeichnet (Spannungsmaasstäbe s. Fig. 1a und 14a), so
                              									dass sie unter sich verglichen werden können. Der Einfluss der verschiedenen
                              									Befestigungsweise ist an einer Platte von Ra = 28 cm äusserem und Ri = 14 cm innerem Halbmesser gezeigt,
                              									welche Abmessungen bei allen Sonderfällen beibehalten sind.
                           Die Differentialgleichung der elastischen Mittelfläche bezw. ihres Meridians lässt
                              									sich mit Hilfe der von Grashof gegebenen Gleichung für
                              									die Schubspannung τy
                              									(in Richtung der z-Achse wirkend und in einer
                              									Zylinderfläche vom Halbmesser x gelegen) in folgender
                              									Form schreiben:
                           S=2\,\pi\,x\,\frac{m^2}{m^2-1}\,\frac{1}{\alpha}\,\frac{h^3}{12}\,\left(\frac{d^3\,z}{dx^3}+\frac{1}{x}\,\frac{d^2\,z}{dx^2}-\frac{1}{x^2}\,\frac{dz}{dx}\right) . . I)
                           Hierin bedeutet S die Schubkraft in einer Schnittfläche,
                              									welche mit einem konzentrischen Zylinder vom Halbmesser x senkrecht durch die Platte geführt ist.
                           Durch Einführung des Sonderwertes von S in den einzelnen
                              									Belastungsfällen erhält man leicht die Differentialgleichung der elastischen
                              									Mittelfläche für die betreffenden Einzelfälle.
                           
                        
                           A. Konzentrierte Belastung
                           (über den Umfang eines Kreises um die Plattenmitte gleichmässig
                              									verteilt).
                           a) Volle Scheibe (Fig. 1).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 610
                              Fig. 1a. Spannungsmaasstab zu den
                                 										Figuren 1 bis 11 und 27.
                              
                           Eine volle Scheibe zerfällt durch den Auflagerkreis und den Belastungskreis in zwei
                              									Zonen: eine äussere Ringzone und eine innere Zone. In der Ringzone ist die
                              									Schubkraft S = P d.h. gleich der konzentrierten
                              
                              									Belastung. Die obenstehende Gleichung I) liefert durch Integration die schon in D.
                              									p. J. 1903, 318, 785 benützten Gleichungen:
                           für die Durchbiegung im Abstand x von der
                              									Plattenmitte:
                           z=\frac{b}{8}\,x^2\,(ln\,x^2-2)+\frac{c_1}{4}\,x^2+\frac{c_2}{2}\,ln\,x^2+c_3 . . . 1)
                           für die Neigung der Meridianlinie gegen die x-Achse im Abstand x
                           \frac{dz}{dx}-\frac{b}{4}\,x\,(ln\,x^2-1)+\frac{c_1}{2}\,x+\frac{c_2}{2} . . . . . . 2)
                           Radialspannung
                           
                              \sigma_x=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\lambda}{\alpha}\,\left[\frac{b}{4}\,\left(ln\,x^2+\frac{m-1}{m+1}\right)+\frac{c_1}{2}-\frac{m-1}{m+1}\,\frac{c_2}{x^2}\right]
                              
                           Ringspannung:
                           \sigma_y=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\lambda}{\alpha}\,\left[\frac{b}{4}\,\left(ln\,x^2-\frac{m-1}{m+1}\right)+\frac{c_1}{2}+\frac{m-1}{m+1}\,\frac{c_2}{x^2}\right] . 3)
                           Hierin bedeuten:
                           c1,
                              										c2, c3
                              									Integrationskonstante,
                           
                           
                              
                              b=6\,\frac{m^2-1}{\pi\,m^2}\,\frac{P}{h^3}\,\alpha
                              
                           In der inneren Zone zwischen x = 0 und x = Ri ist die
                              									Schubkraft gleich Null; die Meridianlinie der elastischen Mittelfläche hat im
                              									Scheitel, d.h. in der Plattenmitte (x = 0) eine zur x-Achse parallele Tangente, so dass daselbst
                              									\frac{dz}{dx}=0. Damit liefert Gleichung I) die schon in D. p. J. 1903, 318, 785, benützten Gleichungen:
                           z=\frac{x^2-{R_i}^2}{2}\,c_4 . . . 4)
                           \frac{dz}{dx}=c_4\,\cdot\,x . . . 5)
                           \sigma_x=\sigma_y=-\frac{m}{m-1}\,\frac{\lambda}{\alpha}\,c_4 . . . 6)
                           1. Voile Scheibe am äusseren Umfang x =
                                 										Ra frei aufliegend (Fig. 1).
                           Wie in D. p. J. 1903, 318, 786, ausführlich hergeleitet
                              									ist, erhält man im vorliegenden Fall:
                           c_1=-\frac{b}{2}\,\left[\frac{m-1}{m+1}\,\frac{{R_a}^2-{R_i}^2}{{R_a}^2}+ln\,{R_n}^2\right] . . . 7)
                           c_2=+\frac{b}{4}\,{R_i}^2 . . . 8)
                           c_4=-\frac{b}{4}\,\left[\frac{m-1}{m+1}\,\frac{{R_a}^2-{R_i}^2}{{R_a}^2}+ln\,\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}\right] . . . 9)
                           Biegungspfeil in der Plattenmitte:
                           z'=\frac{3}{4}\,\frac{m^2-1}{\pi\,m^2}\,\frac{P\,{R_a}^2}{h^3}\,\alpha\,\left[\frac{3\,m+1}{m+1}\,\left(1-\frac{{R_i}^2}{{R_i}^2}\right)-\frac{{R_i}^2}{{R_a}^2}\,ln\,\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}\right] . . . 10)
                           Beispiel 1: Ra = 28 cm;
                              										Ri = 1,5 cm;
                              									\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}=\frac{784}{2,25}=348,4; ln Ra2 =
                              									6,657; ln Ri2 = 0,811; ln\,\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}=5,846; m=\frac{10}{3}. Nach Gleichung
                              									7) bis 9) erhält man c_1=-\frac{b}{2}\,\cdot\,7,202; c_2=-\frac{b}{4}\,\cdot\,2,25; c_4=-\frac{b}{4}\,\cdot\,6,391 und nach Gleichung 6):
                           Spannung an der Ober- und Unterfläche der inneren Zone:
                           
                              \sigma_x=\sigma_y=\pm\,\frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}\,6,391
                              
                           Radialspannung in der Ringzone:
                           
                              \sigma_x=\,mp\,\frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}\,\left[ln\,x^2+0,538-7,202-0,538\,\frac{2,25}{x^2}\right]
                              
                           Ringspannung in der Ringzone:
                           
                              \sigma_y=\,mp\,\frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}\,\left[ln\,x^2+0,538-7,202+0,538\,\frac{2,25}{x^2}\right]
                              
                           Hieraus ergibt sich folgende Spannungsverteilung: Abstand von der Mitte:
                           
                              
                                 x =
                                 0
                                 bis 1,5
                                 7
                                 14
                                 21
                                 28 cm
                                 
                              
                                 σx =
                                 
                                 –6,4
                                 –2,8
                                 –1,38
                                 –0,58
                                 0
                                 
                              
                                 σs =
                                 
                                 –6,4
                                 –3,8
                                 –2,35
                                 –1,67
                                 –1,08
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                    											mal \mp\,\frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}
                                    										
                                 
                              
                           Die Spannungsverteilung ist in Fig. 2 durch die stark
                              									ausgezogenen Kurven bildlich dargestellt. Die grössteSpannung tritt in der
                              									mittleren Zone auf, innerhalb deren Radial- und Ringspannungen einander gleich sind
                              									und konstanten Wert haben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 611
                              Fig. 2. Volle Scheibe mit konzentrierter Last, frei aufliegend in 2 π
                                 										Ra.
                              
                           Im Nachfolgenden soll ein Bild davon gegeben werden. wie sich die Spannungsverteilung
                              									ändert, wenn der Durchmesser 2 Ri des Belastungskreises grösser gemacht wird.
                           Beispiel 2: Ra = 28; Ri = 14;
                           \frac{{R_i}^2}{{R_a}^2}=\frac{196}{784}=\frac{1}{3,96}; 1-\frac{{R_i}^2}{{R_a}^2}=0,748ln Ra2 = 6,657; ln Ri2 = 5,282;
                              									ln\,\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}=1,375; nach Gleichung 7) bis 9): c_1=-\frac{b}{2}\,7,065; c_2=\frac{b}{4}\,196; c_4=-\frac{b}{4}\,1,776.
                           Nach Gleichung 3): Abstand von der Mitte:
                           
                              
                                 x = 0
                                 bis 14
                                 21
                                   28 cm
                                 
                              
                                 σx =
                                 1,776
                                 0,688
                                   0   mal ± \frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}
                                 
                              
                                 σy =
                                 1,776
                                 1,283
                                 0,803 „             „
                                 
                              
                           Die Spannungsverteilung ist in Fig. 1, und in Fig. 2 durch die strichpunktierten Linien bildlich
                              									dargestellt.
                           Beispiels: Ra =
                              									28; Ri = 21;
                              									\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}=\frac{784}{441}=1,78; 1-\frac{{R_i}^2}{{R_a}^2}=0,439: ln Ri2 = 6,657; ln Ri2 = 6,082: ln\,\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}=0,575; nach Gleichung 7) bis 9): c_1=-\frac{b}{2}\,\cdot\,6,893;
                              									c_2=\frac{b}{4}\,\cdot\,441; c_4=-\frac{b}{4}\,0,812. Spannungsverteilung nach Gleichung 3):
                           
                              
                                 x =
                                 0 bis 21
                                     28 cm
                                 
                              
                                 σx =
                                 0,812
                                      0 mal ± \frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}
                                 
                              
                                 σy =
                                 0,812
                                 0,472  „            „
                                 
                              
                           Die Spannungsverteilung ist in den schwach ausgezogenen Linienzügen, Fig. 2, abgebildet.
                           Der Vergleich der drei Linienzüge in Fig. 2 zeigt,
                              									wie rasch die grösste in der Platte auftretende Spannung abnimmt, wenn der
                              									Belastungskreis, über dessen Umfang P gleichmässig
                              									verteilt ist, vergrössert wird. Gleichzeitig sieht man, dass die Spannungsverteilung
                              									um so gleichmässiger wird, je grösser der Belastungskreis im Verhältnis zum
                              									Auflagerkreis ist.
                           
                           2) Volle Scheibe am äusseren Umfang x= Ra eingespannt. (Fig. 3).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 612
                              Fig. 3.
                              
                           Die im vorigen Fall giltigen Grenzbedingungen bleiben dieselben, nur ist jetzt nicht
                              									mehr die Radialspannung σx = 0 in x = Ra, vielmehr besitzt jetzt die
                              									Meridianlinie der Mittelfläche am äusseren Umfang eine zur xy-Ebene parallele Tangente, es ist also in Gleichung 2): \frac{dz}{dx}=0 für
                              										x = Ra. Damit
                              									erhält man aus Gleichung 1) bis 6):
                           c_1=-\frac{b}{2}\,\left[ln\,{R_a}^2-\frac{{R_a}^2-{R_i}^2}{{R_a}^2}\right] . . . . . 11)
                           c_2=+\frac{b}{4}\,{R_i}^2 . . . . . 12)
                           c_4=-\frac{b}{4}\,\left[ln\,\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}\,\frac{{R_a}^2-{R_i}^2}{{R_a}^2}\right] . . . . . 13)
                           Biegungspfeil in der Plattenmitte:
                           z'=\frac{3}{4}\,\frac{m^2-1}{\pi\,m^2}\,\frac{P\,{R_a}^2}{h^3}\,\alpha\,\left[\left(1-\frac{{R_i}^2}{{R_a}^2}\right)-\frac{{R_i}^2}{{R_a}^2}\,ln\,\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}\right]. 14)
                           Beispiel: Ra = 28 cm;
                              										Ri = 1,5;
                              									1-\frac{{R_i}^2}{{R_a}^2}=1-\frac{2,25}{784}=1-\frac{1}{348,4}=1; ln Ra2 = 6,657; ln Ri = 9,811; ln\,\frac{{R_a}^2}{{R_i}^2}=5,846. Nach Gleichung 11) bis 13)
                              									wird: c_1=-\frac{b}{2}\,5,667; 
                              c_2=+\frac{b}{4}\,\cdot\,2,25; c_4=-\frac{b}{4}\,4,846; nach Gleichung 6) und 3) wird:
                           Spannung an der Ober- und Unterfläche der inneren
                              									Zone:
                           
                              \sigma_x=\sigma_y=\pm\,\frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}\,4,846
                              
                           Radialspannung in der Ringzone:
                           
                              \sigma_x=\mp\,\frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}\,\left[ln\,x^2+0,538-5,657-0,538\,\frac{2,25}{x^2}\right]
                              
                           Ringspannung in der Ringzone:
                           
                              \sigma_y=\mp\,\frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}\,\left[ln\,x^2-0,538-5,657+0,538\,\frac{2,25}{x^2}\right]
                              
                           Hieraus berechnet sich folgende Spannungsverteilung: Abstand von der Mitte:
                           
                              
                                 x =
                                 0 bis 1,5
                                 7
                                 14
                                 21
                                 28 cm
                                 
                              
                                 σx =
                                 + 4,847
                                 + 1,257
                                 – 0,157
                                 – 0,959
                                 – 1,540
                                 
                              
                                 σy =
                                 + 4,847
                                 + 2,283
                                 + 0,907
                                 + 0,110
                                 – 0,464
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                    \mbox{mal}\,\pm\,\frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,\cdot\,m}\,\frac{P}{h^2}
                                    
                                 
                              
                           Die Spannungsverteilung ist durch, die Linien b in Fig. 4 veranschaulicht. Die grösste Spannung tritt in
                              									der mittleren Zone auf; Radial- und Ringspannungen sind daselbst gleich gross und
                              									konstant.
                           Zum Vergleich zwischen der Spannungsverteilung bei vollkommener Einspannung mit
                              									derjenigen bei Freiaufliegen ist in den Linienzügen a
                              
                              									Fig. 4 noch die Spannungs-Verteilung bei
                              									Freiaufliegen dargestellt. Wie man sieht, wird durch den Uebergang vom Zustand des
                              									Freiaufliegens in denjenigen der vollkommenen Einspannung die grösste Spannung in
                              									der Plattenmitte vermindert; der Linienzug b erscheint
                              									gegen den Linienzug a parallel verschoben. Leicht kann
                              									man sich nun auch das Spannungsbild vorstellen, wenn der Plattenrand weder
                              									vollkommen eingespannt ist noch ganz frei aufliegt, sondern sich in einem
                              									Zwischenzustand befindet. Die Linie, welche den Spannungszustand darstellt, verläuft
                              									dann äquidistant zu einer der Kurven a oder b, und zwar näher bei a
                              									oder b, je nachdem die Platte mehr als frei aufliegend
                              									oder als vollkommen eingespannt anzusehen ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 612
                              Fig. 4. Volle Scheibe (Ra = 28, Ri 1,5) mit konzentrierter Last.
                              a) am Umfang- frei aufliegend; b) „
                                 										„ eingespannt.
                              
                           Man erinnert sich an dieser Stelle, dass die Verhältnisse bei einem geraden auf
                              									Biegung beanspruchten Stab genau ebenso liegen, wenn er symmetrisch durch zwei
                              									Einzelkräfte belastet ist und an beiden Enden frei aufliegt oder vollkommen
                              									eingespannt ist, oder sich in einem Zwischenzustand befindet. Eine ausführliche
                              									Beschreibung hiervon findet man, wenigstens für den Fall gleichmässiger Belastung,
                              									in C. Bach, Elastizität und Festigkeit IV. Auflage,
                              									Seite 465.
                           Beispiel: Ra = 28, Ri = 14. Nach Gleichung
                              									11) bis 13) ist: c_1=-\frac{b}{2}\,5,909; c_2=+\frac{b}{4}\,\cdot\,196 und c_4=-\frac{b}{4}\,\cdot\,0,627, womit Gleichung 3)
                              									liefert:
                           
                              
                                 x =
                                 0 bis 14
                                 21
                                     28 cm von der Mitte
                                 
                              
                                 σx =
                                 + 0,627
                                 – 0,472
                                 – 1,151 mal ± \frac{3}{4}\,\frac{m+1}{\pi\,m}\,\frac{P}{h^2}
                                 
                              
                                 σy =
                                 + 0,627
                                 + 0,126
                                 – 0,345   „            „
                                 
                              
                           Die Spannungsverteilung ist in Fig. 3 abgebildet. Die
                              									grösste Spannung – eine Radialspannung – tritt am äusseren Umfang auf.
                           Ueber den Ort der grössten Beanspruchung und dessen Abhängigkeit von dem Verhältnis
                              									der Durchmesser des Belastungs- und Auflagerkreises ist zufolge Fig. 3 und 4
                              									folgendes zu bemerken:
                           Bei verhältnismässig grossem Belastungskreis findet die grösste Beanspruchung am
                              									äusseren Umfang der Scheibe durch Radialspannungen statt. Dies gilt, solange Ra : Ri < 3,13; wird
                              									dagegen Ra > 3,13 Ri,
                              									so ist die grösste Spannung in der mittleren Zone zu suchen, in der die Radial- und
                              
                              									Ringspannungen gleich gross sind.
                           Bei einer vollkommen eingespannten Platte mit konzentrierter Belastung nach Fig. 3 ist hiernach die Lage der am meisten
                              									beanspruchten Stelle, nicht nur die Grösse der Spannung, von dem Verhältnis Ra : Ri des Auflager- und
                              									Belastungskreises abhängig.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)