| Titel: | Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. | 
| Autor: | M. Buhle, W. Pfitzner | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 657 | 
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                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der
                           								Weltausstellung in St. Louis 1904.
                        Von Professor M. Buhle und Dipl.-Ingenieur
                           									W.
                                 										Pfitzner,
                           								Dresden.
                        (Fortsetzung von S. 242 d. Bd.)
                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St.
                           								Louis 1904.
                        
                     
                        
                           Die von der Hannoverschen Maschinenbau-A.-G. vormals
                                 										Georg Egestorff, Linden vor Hannover, in St.
                                 										Louis ausgestellte Lokomotive (Fig. 4–9) ist eine Schnellzug-Verbund-Lokomotive mit vier
                              									Zylindern und fünf Achsen, von denen zwei gekuppelt und die vorderen beiden zu einem
                              									Drehgestell verbunden sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 657
                              Fig. 4. Vierzylindrige ⅖-gek. Schnellzug-Verbund-Lokomotive der Hannoverschen
                                 										Maschinenbau-A.-G. vorm. Egestorff.
                              
                           Die Hauptabmessungen sind folgende:
                           
                              
                                 Zylinder-Durchmesser
                                 360/560
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                       600
                                 „
                                 
                              
                                 Treibachsdurchmesser
                                     1980
                                 „
                                 
                              
                                 Laufachsdurchmesser
                                     1000
                                 „
                                 
                              
                                 Radstand der Kuppelachsen
                                     2100
                                 „
                                 
                              
                                 Radstand des Drehgestells
                                     2000
                                 „
                                 
                              
                                 Gesamt-Radstand
                                     9000
                                 „
                                 
                              
                                 Dampfdruck
                                         14
                                 Atm
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                             2,7
                                 qm
                                 
                              
                                 Heizfläche in der Feuerkiste
                                             10,03
                                 „
                                 
                              
                                 Heizfläche in den Rohren
                                           139,57
                                 „
                                 
                              
                                 Heizfläche im Ueberhitzer
                                             28,08
                                 „
                                 
                              
                                 Gesamtheizfläche, wasserberührt
                                           178,40
                                 „
                                 
                              
                                 Anzahl der Rohre (Eisen)
                                       241
                                 St.
                                 
                              
                                 Durchmesser der Rohre
                                    45/50
                                 mm
                                 
                              
                                 Länge zwischen den Rohrwänden
                                     4450
                                 „
                                 
                              
                                 Leergewicht
                                   54200
                                 kg
                                 
                              
                                 Betriebsgewicht
                                   60200
                                 „
                                 
                              
                                 Adhäsionsgewicht
                                   30400
                                 „
                                 
                              
                                 Wasserinhalt des Tenders
                                        19
                                 cbm
                                 
                              
                                 Kohlenraum des Tenders
                                         6
                                 t
                                 
                              
                                 Leergewicht des Tenders
                                   18980
                                 kg
                                 
                              
                                 Dienstgewicht des Tenders
                                   43980
                                 „
                                 
                              
                           Der Lokomotivkessel hat 241 Heizrohre von 45/50 mm Durchmesser und ist mit einem
                              									Ueberhitzer, System Pielock, von 28,75 qm Heizfläche
                              									ausgerüstet, welcher den Dampf auf etwa 300° C überhitzt. Dieser Ueberhitzer war
                              									bereits in D. p. J. 1904, 319, S. 1 u. f., ausführlich
                              									beschrieben.
                           Von den vier Zylindern der Lokomotive sind zwei Hoch- und zwei Niederdruckzylinder.
                              									Die Hochdruckzylinder liegen innerhalb des Rahmens, die Niederdruckzylinder
                              									ausserhalb desselben, und zwar bildet je ein Hoch- und Niederdruckzylinder mit den
                              									zugehörigen Schieberkasten ein Gusstück. Beide Gusstücke ruhen sattelförmig auf dem
                              									Rahmen, welcher deshalb vorn als Barrenrahmen ausgeführt ist. In der Mittelachse der
                              									Lokomotive sind beide Gusstücke verbunden. Die Hochdruckzylinder haben
                              									Kolbenschieber mit einer Einströmung, die Niederdruckzylinder entlastete
                              									Flachschieber.
                           Alle vier Pleuelstangen greifen an einer Triebachse an, und zwar so, dass auf jeder
                              									Seite der Lokomotive die Kurbeln des Hochdruckzylinders um 180° gegen die des
                              									Niederdruckzylinders versetzt sind, während die Kurbeln der beiden Hochdruck- und
                              									der beiden Niederdruckzylinder um 90° gegeneinander versetzt sind. Es wird hierdurch
                              									ein vollkommener Ausgleich der hin- und hergehenden Triebwerksmassen erreicht,
                              									sodass sich die Lokomotive auch bei den grössten Geschwindigkeiten (bei den
                              									Probefahrten
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 658
                              Vierzylindrige ⅖-gek. Schnellzug-Verbund-Lokomotive der Hannoverschen
                                 										Maschinenbau-A.G. vorm. Egestorff.
                              
                           
                           wurden Geschwindigkeiten von 122 bis 127 km/St.
                              										gefahrenD. p. J. S. 483 d.
                                    											Bd. durch einen äusserst ruhigen Gang auszeichnet, wozu auch noch
                              									die hintere Laufachse wesentlich beiträgt.
                           Die Steuerung ist eine Heusinger-Kulissensteuerung,
                              									Patent von Borries, bei der jedes Schieberpaar einer
                              									Maschinenseite durch einen Steuerapparat gesteuert wird. Die Bedienung und
                              									Uebersichtlichkeit der ganzen Steuerung wird dadurch wesentlich vereinfacht
                              									gegenüber anderen Steuerungen für vier Zylinder. Durch diese Steuerung lassen sich
                              									verschiedene Füllungen und Füllungsverhältnisse der Hoch- und Niederdruckzylinder
                              									für Vorwärts- und Rückwärtsgang erreichen. Bei der ausgestellten Lokomotive sind die Füllungsverhältnisse so gewählt, dass
                              									einer Füllung des Hochdruckzylinders von 40 v. H. eine solche des
                              									Niederdruckzylinders von 60 v. H. entspricht.
                           Die Lokomotive ist mit Westinghouse-Bremse ausgerüstet,
                              									deren Anordnung die gewöhnliche ist. Die Luftpumpe befindet sich an der linken Seite
                              									des Kessels und wird mit Heissdampf betrieben.
                           Als Sandstreuer ist der Brüggemannsche
                              									Pressluftsandstreuer gewählt.
                           Die Schieber- und Zylinderschmierung besorgt eine Oelpumpe, System Friedmann, mit acht Schmierstellen. Für die beiden
                              									Hochdruckkolbenschieber sind je zwei Schmierstellen, für die Hochdruckzylinder und
                              									für die Niederdruckflachschieber ist je eine Schmierstelle vorgesehen. Der Antrieb
                              									der Oelpumpe erfolgt von der Schieberstange aus. In jede Oelleitung ist ein
                              									Rückschlagventil eingeschaltet, welches Leersaugen der Oelleitung bei Leerfahrt der
                              									Lokomotive verhindert.
                           Vor dem Transport nach St. Louis hat die Lokomotive unmittelbar nach der
                              									Fertigstellung auf Strecken der Königl. Eisenbahndirektion Hannover eine Woche lang
                              									regelmässigen Personen- und Schnellzugsdienst geleistet.
                           Einen D-Zug von 40 Achsen, entsprechend einem Zuggewicht von 300 t, befördert die
                              
                              									Lokomotive auf gerader Strecke mit einer dauernden Geschwindigkeit von 100 km/St. und auf
                              									einer Steigung von 1 : 200 mit einer Geschwindigkeit von 85 km/St.
                           Das Anfahren erfolgt in jeder Stellung ohne irgendwelche Schwierigkeiten vermöge
                              									einer Anfahrvorrichtung, welche den Niederdruckzylindern Frischdampf unmittelbar aus
                              									dem Regulatorkopf zuführt.
                           Bis jetzt haben die Preussischen Staatsbahnen 29 Lokomotiven dieser Bauart im
                              									Betriebe bezw. im Bau; 19 wurden Anfang dieses Jahres in Bestellung gegeben.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 659
                              Fig. 7.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 659
                              Fig. 8.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 659
                              Fig. 9.
                              
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)