| Titel: | Die Automobiltechnik im Jahre 1904. | 
| Autor: | W. Pfitzner | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 788 | 
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                        Die Automobiltechnik im Jahre 1904.
                        Von Dipl.-Ing. W. Pfitzner, Assistent an der
                           									K. Technischen Hochschule,
                              								Dresden.
                        (Fortsetzung von S. 772 d. Bd.)
                        Die Automobiltechnik im Jahre 1904.
                        
                     
                        
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 788
                              Fig. 31. Luftgekühlter Motor von 24 PS von Franklin.
                              
                           Schon bei Dreizylindermotoren, die aus konstruktiven Gründen jedoch selten ausgeführt
                              									werden, lässt sich mit um 120° versetzten Kurbeln und rotierenden Gegengewichten ein
                              									durchaus befriedigender Ausgleich schaffen. Noch besser gestaltet sich der
                              									Vierzylindermotor, mit um 180° versetzten Kurbeln in symmetrischer Ausführung, bei
                              									dem der Massenausgleich von selbst hervorragend gut ist. Alle grösseren Motoren von
                              									etwa 16 PS an sind heute deshalb vierzylindrig. Vereinzelt kommen auch schon
                              									Sechszylindermaschinen auf, die ja inbezug auf Massenwirkungen vollständig
                              									ausgeglichen sind; nicht mit Unrecht, schon von 30 PS an werden diese Motoren
                              									leichter und auch billiger als Vierzylinder.
                           Die mit der Zylindervermehrung schrittweise erfolgende Verbesserung des
                              									Gleichförmigkeitsgrades ist namentlich für das Anfahren und den Leerlauf sehr
                              									angenehm, obgleich man einen der ortsfesten Maschine ebenbürtigen Gleichgang kaum
                              									nötig hat. Während der Fahrt übernimmt die gesamte Masse des Fahrzeuges die Rolle
                              									eines Schwungrades, es genügt in den meisten Fällen, wenn das Schwungrad dem Motor
                              									bei normaler Tourenzahl einen rechnerischen Gleichförmigkeitsgrad von 1/15 verleiht. Bei
                              									Einzylindermotoren ist das ein üblicher Wert. Für sehr langsamen Leerlauf macht sich
                              									dann allerdings schon das ungleiche Drehmoment unangenehm bemerkbar, der Wagen fängt
                              									an zu wanken, die Maschinen bleiben bei nur geringen Unregelmässigkeiten in der
                              									Vergasung usw. stehen. Schon bei Dreizylindern ist der Verlauf der Tangentialkräfte
                              									indess so gleichmässig, dass es möglich ist, mit einem kleinen Schwungrade bis auf 2
                              									bis 300 Umdrehungen herunter zu gehen. Bei Vierzylindermaschinen sind im
                              									Tangentialdruckdiagramm noch Flächen unter der Nullinie vorhanden, bei
                              									Sechszylindern und mehr verläuft die Resultierende stets oberhalb der Nullinie. Die
                              
                              									Schwungräder könnten demnach immer kleiner werden, doch verlangt die Unterbringung
                              									der Reibungskupplung stets einen Durchmesser von wenigstens 400 mm.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 789
                              Fig. 32. Luftgekühlter Motor von Enarc.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 789
                              Fig. 33. Motorzylinder mit angesetzten Kühlrohren von Regas.
                              
                           Die Regulierung der Motoren erfolgt jetzt allgemein durch Aenderung der
                              									Zylinderfüllung mit Hilfe einer einfachen Drosselklappe oder eines Drosselschiebers,
                              									nicht mehr mit Aussetzen der Zündung. Die Regulierorgane stehen unter dem
                              									gleichzeitigen Einfluss eines Regulators, dem mehr und mehr nur die Rolle eines
                              									Schutzmittels gegen allzuhohe Tourenzahlen zukommt, und einer Regulierung von Hand,
                              									deren Hebel sich in bequemer Lage meist oben auf dem Steuerrad befindet und mit der
                              									ausschliesslich die Geschwindigkeit des Fahrzeuges in der Ebene reguliert sowie die
                              									immer sehr empfindliche Feineinstellung für langsamen Leerlauf bewirkt wird. Diese
                              									Regulierungsmethode genügt allen Anforderungen, Schwierigkeiten bereiten hierbei
                              									zurzeit nur noch die Vergaser, die für die verschiedenen Tourenzahlen und
                              									Belastungen ein stets gleichbleibendes Gemisch liefern sollen. Einzelheiten hierüber
                              									später bei der Besprechung der Hilfsapparate.
                           Die Zündung erfolgt jetzt durchweg elektrisch. Glührohr sowie eine in Paris 1902
                              									gezeigte chemische, die sog. katalytische Zündung sind
                              									vollständig verschwunden. Die elektrischen Methoden sind zu hoher Vollendung
                              									ausgebildet, es bestehen nebeneinander die Kerzenzündungmit hochgespanntem
                              									Strom, Akkumulatorenbatterie oder kleiner Dynamomaschine und die
                              										Abreiss-Magnetzündung,s. D. p. J. 1903,
                                    												318, S. 633. ohne dass eine die
                              									andere verdrängen könnte. Es scheint, dass die Vereinigung beider Arten zu
                              									brauchbaren Resultaten führen wird, auf verschiedenem Wege sucht man die
                              									Unabhängigkeit der Magnetzündung von einer fremden Stromquelle mit der Einfachheit
                              									und leichten Regulierbarkeit der Hochspannungszündung zu verschmelzen. Nur bei der
                              									Abreiss-Magnetzündung verzichtet man mitunter im Interesse der Einfachheit auf die
                              									Verstellbarkeit. Einzelne Neuerungen von Apparaten und Methoden folgen bei den
                              									Hilfsapparaten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 789
                              Fig. 34. Motorschmierung von de Dion & Bouten.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 789
                              Fig. 35. Kurbelzapfenschmierung von Renault.
                              
                           Die Kühlung aller grösseren Motoren erfolgt mit Wasser, nur in Amerika glaubt man
                              									noch auch bei sehr grossen Maschinen mit Luftkühlung auskommen zu können. So zeigen
                              										Fig. 31 bis 33
                              									einige Beispiele amerikanischer Modelle, Fig. 31
                              									einen Vierzylinder mit Blechrippen um jeden Zylinder, vorn mit Ventilator, der im
                              									günstigsten Falle gerade dem ersten Zylinder genügend Luft schaffen kann. Die andern
                              									Zylinder sind ständig in Gefahr festzubrennen, und wenn vielleicht auch die
                              									Schmierung noch reichen sollte, so wird die Leistung doch erheblich sinken, da sich
                              									das angesaugte Gemisch sofort sehr stark erhitzt. An Stelle der Blechrippen sind
                              									nach Fig. 32 angegossene Rippen und eingeschraubte
                              									Stifte genommen,
                              									oder nach Fig. 33 eigentümlich geschlitzte Rohre, in
                              									denen die Luft wie in Schornsteinen zirkulieren soll, Dass mit solchen Hilfsmitteln
                              									bei aller Unzuverlässigkeit die Motoren auch noch teurer werden als mit einer
                              									einfachen Wasserkühlung, dürfte wohl sicher sein. Die Einführung der Röhrenkühler
                              									mit künstlich gesteigerter Luftströmung hat das Gewicht der gesamten Kühleinrichtung
                              									auf ein Minimum herabgedrückt, – für einen25 PS Motor z.B. 26 kg + 6 l Wasser
                              									–, auch die Betriebssicherheit der Kühlung ist bei den kurzen Rohrleitungen durchaus
                              									genügend.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 790
                              Fig. 36. N. A.-G. 10 PS Zweizylinder-Motor (Vorderansicht).
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 790
                              Fig. 37. N. A.-G. 10 PS Zweizylinder-Motor (Seitenansicht).
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 790
                              Fig. 38. Querschnitt durch den N. A.-G.-Motor.
                              
                           Die Schmierung der Motoren bildet mehr und mehr eine Spezialaufgabe. Man sucht sie
                              									unabhängig von der Bedienung zu machen, sie wird meist so eingerichtet, dass sie
                              									sich beim Ingangsetzen des Motors selbsttätig mit anstellt. Man benutzt z.B. den
                              									Druck der Auspuffgase, indem man eine Zweigleitung vom Auspuffrohr nach dem Oelbehälter führt, von
                              									wo das Oel infolge des entstehenden Ueberdruckes in die einzelnen Schmierleitungen
                              									tropft. Grössere Motoren erhalten für jedes Kurbellager eine besondere Oelleitung,
                              									für kleinere genügt es, das Oelbad im Kurbelgehäuse zu ergänzen, indem bei dem dort
                              									stets vorhandenen Ueberdruck genügend Oel durch alle Lager nach aussen gedrückt
                              									wird, Zuverlässiger als die Schmierung mit Hilfe der Auspuffgase ist natürlich die
                              									mit einer Oelpumpe, die hier und da auch schon ausgeführt worden ist, die aber
                              									wieder einen beweglichen Apparat mehr vorstellt. So haben de
                                 										Dion & Bouton an ihren neuen grösseren
                              									Motoren die in Fig. 34 dargestellte Anordnung
                              									gewählt; das Oel, das aus dem Behälter A durch die
                              									Leitungen F nach den Kurbellagern und weiter in das
                              									Kurbelgehäuse strömt, wird durch die Pumpe G auf dem
                              									Wege H wieder zurückgedrückt, es befindet sich demnach
                              									in einem ständigen, mechanisch erzwungenen Kreislauf.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 791
                              Fig. 39. Längsschnitt durch den N. A.-G.-Zweizylindermotor.
                              
                           Einige Schwierigkeit bereitet stets die Schmierung der Kurbelzapfen. Von diesen wird
                              									das Oel ständig weggeschleudert, man muss also danach trachten, mit Hilfe einer
                              									Zentrifugal-Innenschmierungfür genügende Sicherheit zu sorgen. Meist bohrt man
                              									von den Seiten der Kurbelarme schräge Löcher nach den Lagerstellen, mitunter sieht
                              									man auch noch besondere Hohlringe vor, Fig. 35, die
                              									aus Behältern oder Taschen mit Oel versehen werden. Fig.
                                 										35 ist ein Patent der Firma Louis Renault,
                              									Billancourt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 791
                              Fig. 40. Motor mit sämtlichen Ventilen auf einer Seite (Bayard).
                              
                           Die konstruktive Ausbildung der Einzelteile unterliegt natur-gemäss den grössten
                              									Schwankungen, je nach dem Geschmack des Erbauers. Immerhin aber lassen sich doch
                              									gewisse Regeln wieder finden, es werden gewisse Zusammenstellungen und
                              									Ausführungsformen bevorzugt.
                           Nach dem ursprünglich von Daimler gegebenen Vorbild
                              									erscheint als verbreiteter Normaltypus der in Fig.
                                 										36 und 37 wiedergegebene Motor (Ausführung
                              									der Neuen Automobil-Gesellschaft m. b. H., Berlin),
                              									dessen Haupterkennungsmerkmal die zu beiden Seiten der Zylinder angeordneten Ventile
                              									bilden. Auf jeder Seite befindet sich eine Steuerwelle mit Nocken, die mit Hilfe nur
                              									sehr kurzer Stosstangen die senkrecht darüber liegenden Ventile öffnen. Die
                              									Ventilkammern sind demnach beiderseits weit aus den Zylindern herausgebaut, die
                              									Rohre sind sämtlich an diese Kammern angeschlossen. Näheren Aufschluss über die
                              									Lage, den Antrieb und die Bedeutung der einzelnen Hilfsapparate geben die
                              									Schnittfiguren 38 und 39, die dieselbe Bauart, nur in etwas anderer Ausführung
                              									darstellen. In Fig. 39 ist der zum Motor gehörende Röhrenkühler
                              									mitgezeichnet.
                           Man erkennt das Bestreben, alles auf einen möglichst kleinen Platz zusammenzudrängen;
                              									so sind die Kurbelzapfenmitten gegenüber den Zylindermitten zusammengeschoben, das
                              									Zahnrad auf der Hauptwelle für den Antrieb der Steuerwellen ist über das Kurbellager
                              									zurückgezogen, die hier getrennt gekapselten Steuerwellen (Fig. 38) sind in Eindrückungen des Hauptgehäuses gelegt. Die
                              									empfindlichen Apparate, Vergaser, Magnetinduktor und vor allem die Abreisskontakte
                              									der Zündung sind handlich zur schnellsten Bedienung an dem äusseren Umfang des
                              									Ganzen verteilt.
                           Der grosse Vorzug dieser Anordnung, in letzter Linie dieser Ventilanordnung, ist der,
                              									dass die Steuerung die denkbar einfachste ist, zweitens, dass man für den Antrieb
                              									der Hilfsapparate verhältnismässig viel Gelegenheit hat und dass schliesslich die
                              									Platzausnutzung um den ganzen Motor herum gut und gleichmässsig ist. Es findet
                              									nirgends eine allzu grosse Zusammendrängung statt.
                           Nachteile dieser Anordnung sind die sehr schlechte Form des Verbrennungsraumes, er
                              									besitzt eine sehr grosse Oberfläche, die viel Wärme ins Kühlwasser abführt, sodann
                              									das grosse Gewicht, die beiden Ventilkammern enthalten wegen der doppelten Wandung
                              									eine grosse Menge Material, und schliesslich die notwendige doppelte Ausführung der
                              									Steuerwellen, die ebenfalls eine Vergrösserung des Gewichtes und auch eine
                              									erhebliche Verteuerung der Maschine zur Folge hat.
                           Der letzte Grund namentlich ist die Ursache gewesen,weshalb man zu anderen
                              									Ventilanordnungen übergegangen ist. (Eine eingehende Besprechung aller hier in
                              									Betracht kommenden Fragen siehe in des Verfassers Aufsätzen im Motorwagen, 1903, Heft 13 u. f.). Man hat versucht, die
                              									doppelte Ausführung der Steuerwellen dadurch zu vermeiden, dass man sämtliche
                              									Ventile auf dieselbe Zylinderseite legte, also die Motoren nach Art von Fig. 40 ausführte (Schnittzeichnung des Motors von
                              										Bayard). Dadurch vereinfacht sich die Steuerung,
                              									aber gleichzeitig tritt ein recht störender Platzmangel ein. Nur bei sehr
                              									geschickter Rohrführung ist es möglich, für die Ventilfedern und -Steuerung die
                              									notwendige Zugänglichkeit zu wahren, meist muss man einen der anzutreibenden
                              									Hilfsapparate, z.B. den Magnetinduktor doch auf die andere Zylinderseite stellen und
                              									demgemäss noch einen besonderen Antrieb anbringen. Grösse Schwierigkeiten bereitet
                              									in dem Falle stets die Hebelsteuerung für eine Abreisszündung. Die Zündstelle soll
                              									in der Nähe des Einlassventils liegen, damit eine gute Zündung gesichert ist, das
                              									Gestänge muss sich also von der einen vorhandenen Steuerwelle zwischen Ventilkammern
                              									und Rohrleitungen hindurchdrängen, um bis zu dem fast allein richtigen Platz über
                              									dem Einlassventil zu kommen. Beim Motor Fig. 40 hat
                              									man sich dadurch geholfen, dass man für die Zündersteuerung eine obenliegende
                              									Hilfswelle mit Kegel- und Schraubenrädern antreibt. Ausser sonstigen Nachteilen hat
                              									man also anstatt eine Welle zu sparen noch eine Welle mehr. Wendet man dagegen
                              									Kerzenzündung an, dann ist diese zweite Ventilanordnung sehr wohl zu gebrauchen.
                              									Hervorragende Fabriken haben sie angenommen.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)