| Titel: | Ersatz von Gleisanschlüssen und Anschlussgleisen. | 
| Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 801 | 
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                        Ersatz von Gleisanschlüssen und
                           								Anschlussgleisen.
                        Ersatz von Gleisanschlüssen und Anschlussgleisen.
                        
                     
                        
                           Die Vorteile, die ein Anschlussgleis einzeln liegenden Fabriken, Landgütern oder
                              									ähnlichen Anlagen gewährt, werden oft überwogen von den Nachteilen, die ein
                              									derartiges Gleis in technischer und wirtschaftlicher Beziehung für die
                              									Anschlussinhaber mit sich bringt. Dennoch ist in manchen Fällen der gänzliche
                              									Verzicht auf ein Anschlussgleis nicht im Interesse der betreffenden gewerblichen
                              									oder landwirtschaftlichen Anlage, da vielleicht dann eine Umladung von der Eisenbahn
                              									auf Strassenfahrzeuge doch zu häufig, zeitraubend und kostspielig würde. Das
                              									Zweckmässigste wäre hiernach ein Verfahren, das es ermöglicht, die von der Eisenbahn
                              									bezogenen Güter ohne Umladung, aber auch nicht auf einem besonderen, unter hohen
                              									Kosten erst anzulegenden Schienenwege, sondern auf den bestehenden Strassen bis an
                              									ihren Bestimmungsort zu transportieren. In der Tat sind schon öfters derartige
                              									Verfahren und Mittel, sie auszuführen, in Vorschlag gebracht worden. Keins indessen
                              									hat sich recht Eingang in die Praxis verschaffen können. Die Gründe hierfür lassen
                              									sich sofort übersehen, wenn man die bisher erdachten, in Betracht kommenden
                              									Einrichtungen etwas näher betrachtet.
                           Die bisher bekannt gewordenen Hilfsmittel zur Beförderung von Eisenbahngütern auf
                              									Landwegen ohne Umladung kann man in zwei Hauptgruppen einteilen, je nachdem die
                              									Räder der Fahrzeuge Vorrichtungen besitzen, die sowohl auf Schienen als auf
                              									Landstrassen laufen können, oder die Fahrzeuge mit besonderen Drehgestellen, Achsen
                              									oder Rädern für Schienenwege und Landwege ausgestattet sind. Von beiden Gruppen
                              									sollen im folgenden nur einige besonders charakteristische Beispiele geboten werden.
                              									Ausdrücklich sei jedoch vorher bemerkt, dass hierbei selbstverständlich von
                              									denjenigen Konstruktionen abgesehen wird, die in erster Linie dazu bestimmt sind,
                              
                              									Strassenfahrzeuge auf in den Landwegen verlegten Spurbahnen zu befördern. Es sollen
                              									nur die Bauarten besprochen werden, welche den Transport eines Strassenfahrzeuges
                              									unmittelbar auf Eisenbahnen ermöglichen sollen.
                           Bei der zuerst erwähnten Gruppe kommt es darauf an, den als Strassenräder
                              									ausgebildeten Fahrzeugrädern zwecks Fahrens auf Schienen eine Führung entsprechend
                              									dem Spurkranz der Eisenbahnräder zu geben. Das hat man z.B. dadurch zu erreichen
                              									gesucht, dass man zwei gesonderte Räder a und d (Fig. 1a u. b) auf einer mit Schraube und Exzenter versehenen
                              									Achse drehbar anordnet. Beim Fahren auf der Landstrasse (Fig. 1a) stehen die Räder miteinander nicht in Verbindung. Erst wenn das
                              									Exzenter c, auf dem das mit Spurkranz versehene Rad d lose drehbar sitzt, auf der Schraube in die in Fig.
                              									1b gezeichnete Stellung bewegt wird, senkt sich dieses Rad d und übernimmt, da es im Durchmesser etwas grösser als das Rad a ist, die Fortbewegung des Wagens auf
                              									denSchienen. Die Bewegung des Exzenters geschieht durch Hebel und Kette vom
                              
                              									Kutscherstande aus. Selbstverständlich können alle vier Räder des Wagens in der
                              									beschriebenen Art ausgebildet sein, doch genügt es, wenn nur
                                 										ein Rad mit der Vorrichtung versehen ist, der Wagen im übrigen aber so
                              									gebaut ist, dass seine Spur um die Breite des Spurkranzrades breiter ist als die des
                              									Schienengleises.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 801
                              Fig. 1a.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 801
                              Fig. 1b.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 801
                              Fig. 2a.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 801
                              Fig. 2b.
                              
                           Ein anderer Vorschlag geht dahin, den Spurkranz aus mehreren Sektoren herzustellen,
                              									die aus dem Umfang des Radkranzes heraustreten können. Als Ausführungsbeispiel eines
                              									derartigen Rades sei auf das in Fig. 2a u. b dargestellte hingewiesen. Bei diesem Rad liegen die
                              									Sektoren a zwischen den äusseren Radkränzen u, welche zur seitlichen Abstützung und Führung dienen.
                              									Soll das Fahrzeug auf Landstrassen fahren, so befinden sich die Sektoren in der in
                              										Fig. 2a gezeichneten Stellung; beim Uebergang
                              									auf ein Schienengleis wird der Ring g mit den
                              									Führungsprismen f nach links verschoben, wodurch sich
                              									die Sektoren a von der Radachse entfernen und mit ihrem
                              									Spurkranz über den Radumfang hinaustreten. Die Verschiebung des Ringes g geschieht durch Verstellen der Mutter e mittels Stellschlüssel auf dem Gewindeteil der Nabe
                              										n.
                           
                           Während bei den bisher besprochenen Bauarten der Spurkranz von vornherein neben
                              									dem Landstrassenrade! vorhanden ist, wird bei einer anderen Bauart der glatte Umfang
                              									des Rades mit einer Spurrille versehen, die während der Fahrt auf Gleisen den
                              									Schienenkopf umfasst, während auf der Strasse die beiden Seitenflächen der Nut, also
                              									gewissermassen die Umflächen des doppelt vorhandenen Spurkranzes als Lauffläche
                              									dienen. Währenddessen muss jedoch die Nut vor dem Eindringen von Steinen usw.
                              									geschützt sein. Dieser Schutz soll durch Einlegen einer Kette aus langen Eisenstäben
                              									erreicht werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 802
                              Fig. 3.
                              
                           Von der Ueberlegung ausgehend, dass der Spurkranz nie auf dem ganzen Umfange der
                              									Räder notwendig ist, sondern immer nur grade an der das Gleis berührenden Stelle,
                              									hat man versucht, den Spurkranz durch eine Spurkranzrolle zu ersetzen, die, wie Fig. 3 erkennen lässt, mit ihrem sie am Fahrzeuge
                              									haltenden Tragarm t gelenkig verbunden ist und dem Rade
                              									durch Gleiten an der Schiene eine Führung gibt. Begegnet der Rolle r ein Widerstand, so kann sie vermöge der federnden
                              									Aufhängung nachgeben. Dabei spannt sie die Feder f,
                              
                              									durch die sie nach Ueberwindung des Hindernisses wieder in die richtige Lage
                              									zurückgebracht wird. Bei der zweiten der obengenannten Gruppen sind an ein und
                              									demselben Fahrzeug, das in seinem Aeusseren manchmal mehr einem Eisenbahnwagen,
                              									manchmal mehr einem Strassenfahrzeug ähnelt, beide Arten von Rädern: Spurkranzräder
                              									und Strassenräder, gleichzeitig untergebracht, jedoch in der Weise, dass wie vorher
                              									die Strassenräder stets in Betrieb bleiben und durch die Spurkranzräder während des
                              									Gleistransportes nur unterstützt oder geführt werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 802
                              Fig. 4.
                              
                           Als Beispiel für die Einrichtung und Wirkungsweise solcher Fahrzeuge möge der in Fig. 4 dargestellte Wagen dienen. Soll er auf
                              									Schienen weiter befördert werden, so wird er zunächst durch die Zugtiere auf die
                              									Schienen gezogen. Dann lässt man die Spurkranzräder durch Drehen der Schraube c bis zur Berührung der Schienen herab und setzt
                              									hierauf das Drehen der Schraube in dem Masse fort, in dem die Spurkranzräder
                              									belastet werden sollen. Von den Wagenrädern wird dann nur noch ein Teil der Last
                              									weiter getragen. Eine derartige Lastverteilungist durch besondere, zwischen
                              									Wagenachsen und den als Drehgestellen ausgebildeten Untergestellen eingeschaltete
                              									Federn ermöglicht. Die in dem Drehgestelle d quer
                              									gelagerte Schraube c besitzt rechts- und linksgängiges
                              									Gewinde, ihre Muttern stehen durch Druckarme e in
                              									gelenkiger Verbindung mit den Achsen a der
                              									Spurkranzräder s. Beim Heben und Senken werden die
                              									Achsen a von Armen i
                              									gehalten, die entweder mit den Drehgestellen oder den Wagenradachsen gelenkig
                              									verbunden sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 319, S. 802
                              Fig. 5.
                              
                           Auch bei dem durch Fig. 5 dargestellten Fahrzeug ist
                              									je eine Achse mit Schienenrädern und eine solche mit Strassenrädern in einem
                              									gemeinschaftlichen Drehgestell angeordnet. Jedes Drehgestell besitzt ausserdem zwei
                              									Drehpfannen b und c, die
                              									mit den in senkrechter Richtung beweglichen Drehzapfen d und e die sogenannten Drehkönige bilden.
                              									Beide Drehzapfen können mit Hilfe einer Zahnradübersetzung z gleichzeitig bewegt werden und zwar in der Weise, dass der eine
                              									Drehzapfen belastet wird, während der andere entlastet wird. Soll also das Fahrzeug
                              									beispielsweise auf Gleisen laufen, so wird der Drehzapfen d in die Pfanne b heruntergeschraubt. Die
                              									Last des Fahrzeuges wird alsdann durch eine Wiege und die beiden Scharnierhehel h, sowie die Blattfedern i
                              									auf beide Achsen übertragen. Der Wagen stellt jetzt
                              
                              									also einen auf zwei zweiachsigen Drehgestellen laufenden Eisenbahnwagen vor, dessen
                              									Achsen gleichmässig zu der Lastverteilung herangezogen werden. Während der Fahrt auf
                              									Strassen ist der Wagen dagegen nur zweiachsig, da alsdann der Drehzapfen d hochgeschraubt, der Zapfen e
                                 										dagegen in die Pfanne c herabgeschraubt ist.
                              									Jetzt wird die Last vom Drehzapfen unmittelbar auf das Drehgestell und durch dieses
                              									auf die damit fest verbundene Wagenradachse übertragen. Die Anordnung der Achsen im
                              									Drehgestell ist so getroffen, dass stets die Spurkranzachse nach dem Ende des
                              									Fahrzeuges hin, die Wagenradachse nach der Mitte hin liegt. Dadurch ist erreicht,
                              									dass der Wagen in jeder Richtung benutzbar ist. Beim Aufbringen des Fahrzeuges auf
                              									ein Schienengleis wird der Wagen erst mit dem einen Drehgestell aufgefahren, und in
                              									diesem dann die Spurachse heruntergelassen. Dann wird der Wagen weitergefahren und
                              									das zweite Drehgestell ebenfalls in die Fahrstellung gebracht. Schliesslich wird
                              									noch die Lastverteilung durch Spannung der Federn i
                              									geregelt.
                           Aus dieser kurzen Uebersicht, ja schon aus der in der Einleitung gegebenen
                              									Gruppierung lässt sich der Grund ersehen, warum alle diese Konstruktionen sich wohl
                              									in einem kleinen Wirkungskreise unter bestimmten lokalen Verhältnissen bewähren
                              									mögen, für eine allgemeine Einführung aber ungeeignet erscheinen. Der Grund hierfür
                              									ist offenbar der, dass alle diese Vorschläge kostspielige Aenderungen an den
                              									bestehenden Betriebsmitteln oder gar die Schaffung ganz neuer Betriebsmittel
                              									erfordern. Weder irgend ein ganz beliebiger Güterwagen einer Bahn lässt sich mit den
                              									oben beschriebenen Hilfsmitteln ohne Zeitverlust und ohne Aenderung seiner ihm
                              									eigentümlichen Bauart ausstatten und auf Landwegen weiter befördern, noch kann ein
                              									nach einem der vorbeschriebenen Systeme gebauter Landwagen ohne weiteres in einen
                              									Zug eingestelltwerden. In der Praxis kann sich aber nur ein Verfahren
                              									einbürgern, das schnell und ohne grosse Kosten verwendet werden kann, d.h. ein
                              									Verfahren, das wesentliche Aenderungen der Wagenbauart vermeidet. –l.