| Titel: | Beiträge zur Bestimmung der Ein- und Austrittsgrössen von Turbinenlaufrädern auf Grund experimenteller Untersuchung. | 
| Autor: | Camerer | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 97 | 
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                        Beiträge zur Bestimmung der Ein- und
                           								Austrittsgrössen von Turbinenlaufrädern auf Grund experimenteller
                           								Untersuchung.
                        Von Professor Dr. phil. Dr. Ing. Camerer,
                           								München.
                        (Schluss von S. 58 d. B.)
                        Beiträge zur Bestimmung der Ein- und Austrittsgrössen von
                           								Turbinenlaufrädern usw.
                        
                     
                        
                           Zu der beschriebenen Anwendung der Hauptgleichung auf die Bremsergebnisse
                              									möchten noch folgende Punkte hervorgehoben werden.
                           1) Aus dem Verlauf der ΔQ-Kurven (Fig. 12 bis 14 und
                              										16 bis 18)
                              									erkennt man, dass die der Achse zunächst befindlichen Wasserstrassen an der
                              									Vermehrung oder Verminderung der Wassermenge in viel höherem Mass beteiligt sind,
                              									als die aussen gelegenen.
                           Das wird besonders deutlich durch Fig. 20, wo für
                              									wechselnde Punkte V je die zugehörigen v2 von den Endpunkten
                              									ihrer u2 senkrecht nach
                              									unten aufgetragen sind. Wenn V mit U zusammenfällt, wird v2 = u2, man erhält eine Gerade unter 45°. Für alle
                              									anderen Fälle Hyperbeln; da
                           
                              v
                              2
                              2
                              =Vg
                              2
                              – Vd
                              2
                              
                           und
                           \overline{V\,g^2}=\overline{U\,f^2}=\overline{U\,d^2}+{u_2}^2.
                           {v_2}^2=\overline{U\,d^2}=\overline{V\,d^2}+{u_2}^2.
                           Da im einzelnen Fall Ud und Vd konstant
                           v22 = C + u22
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 97
                              Fig. 20. Abhängigkeit der relativen Austrittsgeschwindigkeiten v2 von den Umfangsgeschwindigkeiten u2 bei verschiedenen Lagen des Punktes V bezw.
                                 										bei verschiedenen Eintrittsdreiecken.
                              
                           Man erkennt, dass bei einer Verminderung der Wassermenge unter den zu Anfang
                              									gemachten Voraussetzungen in der Nähe der Achse bald kein Wasser mehr austreten
                              									kann, während bei einer Steigung der Wassermenge die Geschwindigkeit v2 und damit die
                              									absolute Austrittsgeschwindigkeit in der Nähe der Achse rasch wachsen muss; eine
                              									Erscheinung, die Verfasser durch direkte Messung der Austrittsgeschwindigkeiten bei
                              									verschiedener Beaufschlagung vollauf bestätigt gefunden hat.
                           Daraus folgt weiter, dass es nicht möglich ist, mit einem konstanten Schwerpunkt der austretenden
                              									Gesamtwassermenge bei verschiedener Beaufschlagung zu
                              									rechnen, da derselbe eben mit steigender Wassermenge mehr nach der Achse zu
                              									rückt.
                           Welchen Einfluss dieser Fehler auf die Q-Kurve hat, ist
                              									in den Fig. 21 bis 24 zu erkennen. Dort wurden die Diagramme in analoger Weise wie in Fig. 12 bis 19 aber
                              									für die Gesamtwassermenge gezeichnet unter der Annahme, dass der Schwerpunkt, der
                              									für die Wassermenge, bei welcher v2
                              									= u2 ist, im
                              									Austrittsprofil auftritt, für jede andere Beaufschlagung derselbe sei.
                           Man erkennt einerseits die fehlerhafte Drehung der Q-Kurve um die genannte Wassermenge, anderseits aber gleichfalls wie früher
                              									die bessere Erfüllung des Eintrittsdreiecks, wenn das Schaufelende, als wenn die
                              									Mitte der Schaufelöffnung als Austrittspunkt gewählt wurde.
                           Nun ist es aber auch nach der genauen Behandlung mit einzelnen Wasserstrassen, wie
                              									erwähnt, nicht möglich gewesen, die Arbeitsgleichung ganz zu befriedigen; denn
                              									selbst wenn zur Berechnung des Schaufelaustritts der gesamte senkrecht durchflossene
                              									Querschnitt am Schaufelende ohne Berücksichtigung einer Verengung durch die
                              									Schaufelstärken eingesetzt war, konnte der gerechnete Eintrittswinkel β1 nur bis auf etwa 82°
                              									– 68° = 14° dem wirklichen Schaufelwinkel genähert werden. Es fragt sich nun,
                              									inwieweit wir in der Lage sind, unsere zu Anfang gemachten Voraussetzungen zu
                              									modifizieren, um die fehlende Uebereinstimmung vielleicht doch noch ganz oder
                              									teilweise zu erzielen.
                           Wir hatten zunächst die Geschwindigkeitsdifferenzen innerhalb einer Wasserstrasse
                              
                              									vernachlässigt. Das bedingt natürlich einen Fehler, Es ist aber nicht anzunehmen,
                              									dass sich derselbe in hohem Masse bemerklich machen kann.
                           Ebenso würde eine im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegende Vergrösserung des
                              
                              									hydraulischen Wirkungsgrades nur einen Teil der noch fehlenden Uebereinstimmung
                              									ausmachen können, denn nach Fig. 25 gezeichnete
                              									Diagramme zeigen, dass zur vollen Befriedigung der Arbeitsgleichung unter sonst
                              									gleichbleibenden Voraussetzungen ein hydraulischer Wirkungsgrad von 0,939 v. H.
                              									nötig wäre, wenn das Schaufelende, dagegen von 0,978 v. H., wenn die
                              									Austrittsöffnung der Rechnung zugrunde gelegt wird.
                           Dabei ist der Einfachheit wegen nur mit der Wassermenge, für die v2 = u2 wird, und mit ihrem
                              									Schwerpunkt im Gesamtprofil gerechnet worden.
                           
                           Im übrigen ist diese Diagrammkonstruktion (Fig.
                                 										25) sehr einfach. Gegeben sind u1, u2, β1 und β2. Aus der Wassermenge rechnet sich c1 und v2. Damit sind Ein- und
                              									Austrittsdreiecks somit w1, v1 und w2 bestimmt. Mit
                              									\overline{b\,d}=v_1 (s. Fig. 11) und \overline{V\,b}=w_1 ergibt sich
                              									Punkt V; mit U\,f=\overline{V\,g} Punkt U. Schliesslich wird durch Antragen von \overline{d\,e}=w_2 und \overline{W\,e}=\overline{U\,a}, die
                              									Strecke W\,d=\sqrt{2\,g\,H\,\eta} gefunden, woraus sich η berechnen
                              									lässt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 98
                              Fig. 21. Abhängigkeit der Diagrammseite Vd von der Wassermenge unter
                                 										Annahme des Austrittspunktes 2 in der Schaufelöffnung.a) bei hydraulischem
                                 										Wirkungsgrad.
                              
                           Diese Lösung lässt auch unmittelbar einen Schluss ziehen, welche Umdrehzahl nach der
                              									Arbeitsgleichung die günstigste wäre.
                           Wenn man nämlich den Wirkungsgrad in kleinem Bereich konstant ansieht, so werden die
                              									gewünschten Diagramme einfach dem in Fig. 25
                              
                              									gezeichneten proportional sein, somit werden auch die Umfangsgeschwindigkeiten
                              									sich zu verhalten haben wie die Grössen Wd.
                           Daraus folgt eine notwendige Verminderung der Umdrehzahl um 6¾ v. H., wenn die
                              									Austrittsöffnung, um 4½ v. H., wenn das Schaufelende zur Berechnung des
                              									Schaufelaustritts zugrunde gelegt wurde.
                           Es darf dabei bemerkt werden, dass die betreffende Turbine bei den in Frage kommenden
                              									Umdrehzahlen gegen eine Aenderung derselben günstigerweise recht unempfindlich ist
                              									und bei Aenderung um 10 v. H. nur etwa 1 v. H. an Wirkungsgrad verliert.
                           Dieser Umstand möchte die Vermutung nahe legen, dass eben die günstigste Umdrehzahl
                              									in Wirklichkeit tiefer liege. Das widerspricht aber dem Bremsprotokoll, welches für
                              									etwa 0,9 der vollen Wassermenge eher noch höhere Umdrehzahlen verlangt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 98
                              Fig. 22. Abhängigkeit der Diagrammseite Vd von der Wassermenge unter
                                 										Annahme des Austrittspunktes 2 in der Schaufelöffnung bei den Wirkungsgraden des
                                 										Bremsberichtes.
                              
                           
                           Wohl aber hat mit Rücksicht auf die grosse Unempfindlichkeit der Turbine
                              									gegenüber dem sogen. stossfreien Eintritt der Gedanke Berechtigung, dass der
                              									stossfreie Eintritt zwar bei einer niedrigeren Umdrehzahl liegt, aber andere
                              
                              									Einflüsse, etwa die gesteigerte Leistung mit gleichzeitigem Zurücktreten der
                              									Widerstände bei Erhöhung der Umdrehzahl die gleichzeitige Erhöhung des
                              
                              									Wirkungsgrades hervorruft.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 99
                              Fig. 23. Abhängigkeit der Diagrammseite Vd von der Wassermenge unter
                                 										Annahme des Austrittspunktes 2' im Schaufelende.a) bei hydraulischem
                                 
                                 										Wirkungsgrad
                              
                           Weiter sei an eine nicht unwahrscheinliche Erscheinung erinnert, die ich früher mit
                              									dem Ausdruck „Schaufelrückwirkung“ bezeichnet hatte.
                           Es ist ja leicht erklärlich, dass das Wasser beim Eintritt in eine scharf gekrümmte
                              									Schaufel nicht im Parallelismus mit der Schaufelspitze, sondern mit einer gewissen
                              									Anpassung an die nachfolgende Krümmung (Fig. 26)
                              									seinen leichtesten Weg findet, wodurch sich von vornherein eine Vergrösserung
                              									der Umdrehzahl ergeben würde.
                           Man erkennt aus der Fig. 26, dass man im gezeichneten
                              									Fall ohne Schwierigkeit auf eine Verkleinerung des Eintrittswinkels von 90° auf 70°
                              									geführt wird.
                           Der Vollständigkeit wegen wurde noch der Frage näher getreten, auf welchem
                              									Durchmesser D1 das
                              									Eintrittsdreieck der Arbeitsgleichung genügen würde. Nach kurzem Probieren wurde in
                              									dem Diagramm Fig. 27 berechnet, dass unter Annahme
                              									von Punkt 2 im Schaufelende, Punkt 1 auf Durchmesser 435 (statt 450) und mit Punkt 2
                              									in der Schaufelöffnung auf 425 kommen, d.h. im ersten Fall um 7½ mm, im zweiten Fall
                              									um 12½ mm nach innen rücken müsste.
                           
                        
                           
                              Schlussbetrachtung.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 99
                              Fig. 24. Abhängigkeit der Diagrammseite Vd von der Wassermenge unter
                                 										Annahme des Austrittspunktes 2' im Schaufelende bei den Wirkungsgraden des
                                 										Bremsberichtes.
                              
                           Die fehlende Uebereinstimmung zwischen den vor liegenden Bremsergebnissen und der Hauptgleichung
                              									zeigt, dass die üblichen Annahmen bei der praktischen Interpretation der
                              
                              									mathematischen, in der Hauptgleichung vorkommenden Grössen nicht immer richtig
                              									sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 100
                              Fig. 25. Bestimmung des hydraulischen Wirkungsgrades aus der
                                 										Arbeitsgleichung.a) für die Schaufelöffnung; b) für das Schaufelende
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 100
                              Fig. 26.
                              
                           Bei der grossen Zahl dieser Annahmen ist eine eindeutige Lösung der Frage durch die
                              									eine Hauptgleichung nicht möglich. Betrachtet man aber die einzelnen Annahmen
                              									und besonders ihre Variationsfähigkeit näher, so reduziert sich doch die Zahl der
                              									Veränderlichen.
                           Man unterscheidet zunächst die lediglich den Charakter von Ungenauigkeiten tragenden
                              									Annahmen und bemerkt, dass z.B. die Gleichsetzung der mittleren Geschwindigkeit mit
                              									der Wurzel aus dem mittleren Geschwindigkeitsquadrat, die Gleichsetzung der
                              									Wirkungsgrade für alle Wasserstrassen oder die Nichtbeachtung der Niveauflächen nur
                              									untergeordnete Bedeutung haben können.
                           Auch die Annahmen über die Grösse der mechanischen Verluste in der Turbine, oder über
                              									die Schaufelrückwirkung lassen nur schwer eine so grosse Veränderung zu, um allein
                              									die fehlende Uebereinstimmung zu bringen.
                           Somit kann eine Berichtigung der Ein- und Austrittsgrössen nicht von der Hand
                              									gewiesen werden, und zwar führt die Anwendung der Hauptgleichung auf ein Verschieben
                              									des Eintrittspunktes 1 nach innen, des
                              									Austrittspunktes, 2 nach aussen und eine gleichzeitige
                              									Bewertung der durch die Schaufelstärken bedingten Wasserverzögerung im Austritt
                              									bezüglich der Reaktionswirkung auf das Laufrad.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 100
                              Fig. 27. Bestimmung des Durchmessers D1 aus
                                 										der Arbeitsgleichung.a) für die Schaufelöffnung; b) für das
                                 
                                 										Schaufelende
                              
                           
                           Wie weit man hierin gehen darf, kann natürlich nicht mathematisch genau
                              									festgestellt werden.
                           Da sich aber ein Verschieben des Eintrittspunktes, solange man am Grundsatz des
                              									stossfreien Eintritts festhält, schwerlich rechtfertigen lässt und da auch die
                              									Variationsfähigkeit der zuvor besprochenen Annahmen zur Erzielung der
                              									Uebereinstimmung zwischen Bremsergebnissen und Arbeitsgleichung nicht ausreicht, so
                              									bleibt nur als Hauptpunkt die Berichtigung der Austrittsgrössen und da die zu Anfang
                              									angestellte allgemeine Betrachtung diese Berichtigung in gleichem Sinne verlangt wie
                              									die mathematische Untersuchung, so dürfen wohl folgende Endergebnisse als
                              									wahrscheinlich hervorgehoben werden:
                           1. Bei Reaktionsturbinen befindet sich der Austrittspunkt 2 im Schaufelende.
                           2. Die durch die Schaufelstärken im Austritt bedingte Wasserverzögerung beeinflusst
                              									die Reaktionswirkung auf das Laufrad. Danach wäre im äussersten Falle der Berechnung
                              									der Austrittsgeschwindigkeit der ganze, durch Schaufelstärken nicht verminderte
                              									Querschnitt nach dem Austritt zugrunde zu legen.