| Titel: | Die Automobilausstellung zu Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 108 | 
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                        Die Automobilausstellung zu
                           									Berlin.
                        Die Automobilausstellung zu Berlin.
                        
                     
                        
                           Die Automobilausstellung zu Berlin ist die grösste, die bis jetzt in Deutschland
                              									veranstaltet wurde. Das Automobil verwandelt sich immer mehr von einem leichten,
                              									offenen Sportfahrzeug in einen bequemen Wagen, der auch bei schlechtem Wetter
                              									benutzt werden kann. Die Motore sind daher durchschnittlich viel stärker geworden
                              									und meist als Mehrzylindermaschinen ausgebildet, da diese eine grössere
                              									Betriebszuverlässigkeit gewährleisten, indem das Versagen eines Zylinders weniger
                              									schadet. Die Kristallisation um gewisse Grundformen und die Vereinfachung in der
                              									Fabrikation schreitet nur sehr langsam vor; man findet noch 8 PS-Einzylindermotore
                              									und auch 8 PS-Vierzylindermotore, auch die Betätigung und Anbringung des Saugventils
                              									ist fast noch ebenso verschieden, wie ich es in D. p. J. 1904, 319, S. 516 u. ff., erläutert habe. Die grössten Unterschiede findet man
                              									z. Z. am Vergaser, der teils durch das Kühlwasser, teils durch die Abgase und teils
                              									gar nicht geheizt wird. Diese mannigfaltigen Variationen, besonders noch in Hinsicht
                              									auf die konstruktive Ausgestaltung, sind hauptsächlich deshalb möglich, weil die
                              									Benzinvergasung ein so überaus einfacher Vorgang ist, dass er sich auch vollzieht,
                              									wenn überhaupt kein besonderer Vergaser vorhanden ist, sondern wie bei einigen
                              									Motorrädern die Verbrennungsluft durch den Benzinbehälter hindurchgesaugt wird. Die
                              									Zentrifugalregulatoren wirken meist auf den Vergaser ein, sind aber infolge grosser
                              									Eigenreibung häufig labil und verursachen daher, wenn man sie sich selbst überlässt,
                              									ein sehr hässliches Arbeiten des Motors; es ist daher stets eine Handhabe, meist auf
                              									dem Steuerrad, angebracht, die jederzeit eine Beeinflussung des Reglers ermöglicht;
                              
                              									hierdurch wird die Selbsttätigkeit zwecklos und es ist daher im Interesse der
                              									Einfachheit zu bewillkommnen, dass einige Firmen, z.B. die Adlerfahrradwerke, bei den ausgestellten Erzeugnissen den selbsttätigen
                              									Regler nicht mehr in Anwendung gebracht haben. Die Kettenkraftübertragung auf die
                              									Treibräder wird immer mehr durch den mit geringerem Reibungsverlust arbeitenden
                              									Gelenkwellenantrieb ersetzt. Dass der letztere häufig zu Betriebsstörungen
                              									Veranlassung gibt, ist weniger ein grundsätzlicher Fehler, als auf ungeschickte
                              									Ausführung zurückzuführen; beim Gelenkwellenantrieb wird nämlich in dem Gehäuse der
                              									Hinterachse ein Reaktionsmoment hervorgerufen, das meist sehr schlecht aufgenommen
                              									und daher nur normalen Beanspruchungen gewachsen ist; wird aber der Wagen in
                              									einer Steigung sehr plötzlich eingeschaltet oder vermittels der Vorgelegbremse stark
                              									verzögert, so treten so grosse Kräfte auf, dass leicht Zerstörungen veranlasst
                              									werden. Dies wird voraussichtlich noch häufiger vorkommen, zumal man jetzt wieder
                              									auf eine grössere Federungsmöglichkeit hinarbeitet. Die führende Daimlermotorengesellschaft hat nämlich wieder ein
                              									Fahrzeug mit doppelten Federn ausgestellt, wie man sie schon früher bei Automobilen
                              									hatte und stets bei Droschken findet. Ein paar Jahre hindurch hatte sich die
                              									Automobiltechnik mit den einfachen Federn begnügt, die man bei Eisenbahnfahrzeugen
                              									verwendet; auch die im Dezember 1904 stattgefundenen Pariser Automobilausstellung
                              									lässt eine baldige Vervollkommnung der Tragfedern ahnen. – Soweit das allgemeine
                              
                              									über die ausgestellten Automobile. Nun verdienen noch einige, technisch interessante
                              									Ausstellungsgegenstände Erwähnung, zunächst drei Systeme von Dampfautomobilen.
                              									Dasjenige von Fox ist das bekannte der amerikanischen
                              									Dampfwagen: durch flüssigen Brennstoff geheizter Siederohrkessel und
                              									Schiebermaschine mit Kulissensteuerung; Stoltz
                              									verwendet einen sog. Rohrplattenkessel für ungefähr 40 atm Ueberdruck und eine
                              									Verbundmaschine mit Ventilsteuerung; Altmann hat einen
                              									ähnlichen Kessel wie Fox, aber eine Drillingsmaschine,
                              									deren einfach wirkende, mit Ventilsteuerung ausgerüstete Zylinder sternförmig in
                              									einem Abstand von 120° liegen und auf eine gemeinsame Kurbel wirken. Ein
                              									Benzinautomobil von Krieger hat elektrische
                              									Kraftübertragung auf die Hinterräder; der Benzinmotor treibt eine Dynamomaschine an,
                              									deren Strom auf zwei kleine Motore verteilt wird; letztere wirken vermittels
                              									einfacher Zahnradübersetzung auf je ein Hinterrad. Hier ist also noch eine
                              									mechanische Zahnradübertragung vorhanden. Rein elektrisch dagegen ist die
                              									Kraftübertragung bei einem ganz ähnlichen Fahrzeug von Lohner-Porsche, bei dem die beiden Vorderräder zu zwei grossen Motoren
                              									ausgebildet sind. Eine hydraulische Kraftübertragung für Automobile ist von v. Pittler ausgestellt. Zwei kinematisch recht
                              									interessante Konstruktionen bewirken den mechanischen Antrieb der vorderen
                              									Lenkräder. Von den ausgestellten Motorbooten gebührt dem 500 PS-Sechszylinderboot
                              									der Howaldtswerke die meiste Beachtung.
                           Ludwig v. Löw, Dipl.-Ing.