| Titel: | Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen. | 
| Autor: | Straube | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 116 | 
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                        Die Steuerungen der
                           								Ventildampfmaschinen.
                        Von Prof. Straube in
                           									Karlsruhe.
                        Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           Es ist bereits an anderer Stelle ausgesprochen worden, dass der
                              									Dampfmaschinenbau heute auf einer Höhe der Entwicklung steht, welche nur noch wenig
                              									gesteigert werden zu können scheint. Im besonderen ist dies mit den Steuerungen der
                              									Kolbendampfmaschinen und namentlich mit deren Ventilsteuerungen der Fall. Dieses
                              									Gebiet erscheint vollständig ausgebaut. Alle irgendwie Erfolg versprechenden Wege
                              									sind darin beschritten worden und dies hat schliesslich zu Konstruktionen geführt,
                              									welche in dem Masse als einwandfrei bezeichnet werden können, dass Neues und vor
                              									allem Besseres in Zukunft kaum noch zu Wege gebracht werden dürfte. Nachdem somit in
                              									dieser Richtung eine Entwicklung vorliegt, welche als abgeschlossen gelten kann,
                              									möchte ein kurzer Ueberblick über dieselbe und eine endgültige Einordnung der sehr
                              									mannigfaltigen Erscheinungen ihrer Eigenart und Verwandtschaft nach in Gattungen und
                              									Gruppen nicht ohne Interesse sein. Diesem Zweck sollen die nachfolgenden
                              									Ausführungen dienen.
                           
                        
                           
                              Allgemeine Anordnung der Steuerungen der
                                 										Ventildampfmaschinen.
                              
                           Die Ventildampfmaschinen im engeren Sinne gehören zu den sogenannten
                              									Präzisionsdampfmaschinen, bei welchen die Füllung des Zylinders mit Frischdampf, der
                              									jeweils von der Maschine geforderten Leistung entsprechend, vom Regulator
                              									selbsttätig eingestellt wird. Dass Steuerungen, welche dies ermöglichen, sich ohne
                              									weiteres auch zur Verstellung der Füllung von Hand während des Betriebes eignen, wie
                              									das häufig bei den Mittel- und Niederdruckzylindern der Maschinen mit mehrstufiger
                              									Expansion geschieht, ist selbstverständlich. Als Ventile werden ausschliesslich
                              									die mehrsitzigen, entlasteten Rohrventile in der aus Fig.
                                 										1 ersichtlichen, bekannten Form benutzt. An jedem Zylinderende sitzt je
                              									ein solches Ventil für den Dampfeinlass und je eins für den Dampfauslass.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 115
                              Fig. 1. Zum Kondensator.
                              
                           Die Betätigung der Ventile geschieht bei liegenden Maschinen
                              									stets durch eine besondere Steuerwelle, welche parallel der Maschinenmitte läuft und
                              									von der Kurbelwelle aus durch Winkelräder betrieben wird. Auch bei den stehenden
                              									Maschinen ist die Anordnung einer solchen Steuerwelle in ähnlicher Weise für die
                              									meisten Ventilsteuerungen nicht zu umgehen, aber ihr Antrieb viel umständlicher. Die Lösung der
                              									Aufgabe, stehende Ventilmaschinen ohne besondere
                              									Steuerwelle zu bauen, ist meines Wissens bisher nur bei der Lentzsteuerung und bei der ihr sehr ähnlichen Steuerung der Sundwiger Eisenhütte (s. Fig.
                                 										3), sowie bei der Königsteuerung (s. später
                              									Fig. 24) in einwandfreier Weise gelungen. Die Einlassventile werden bei
                              									selbsttätiger Beeinflussung durch den Regulator ausnahmslos von Exzentern bewegt.
                              									Die Bewegung derselben durch umlaufende unrunde Scheiben (Daumen) findet nur
                              									vereinzelt bei Mittel- und Niederdruckzylindern mehrstufiger Expansionsmaschinen
                              									statt, wo man auf Einstellung der Füllung während des Betriebes verzichtet. Auch bei
                              									den Auslassventilen ist der Antrieb durch Exzenter die Regel und der durch
                              									umlaufende, unrunde Scheiben die Ausnahme. Im ersteren Falle dient häufig dasselbe
                              									Exzenter, welches das Einlassventil steuert, auch zur Steuerung des zugehörigen
                              									Auslassventils, doch geschieht dies dann stets in solcher Weise, dass dabei das
                              									Spiel des letzteren durch die Verstellung der Einlassteuerung garnicht oder nur
                              									unbedeutend beeinflusst wird.
                           
                        
                           
                              Rückdruck auf den Regulator.
                              
                           Bei der selbsttätigen Verstellung der Füllung durch den Regulator dürfen diesen die
                              									in dem Triebwerk der Steuerung wirkenden Kräfte in seiner Wirksamkeit nicht
                              									behindern oder, wie man sagt, auf ihn keinen Rückdruck
                              									ausüben. Solchen Rückdruck zu erzeugen, ist bei den Ventilmaschinen in erster Linie
                              										der auf dem geschlossenen Einlassventil lastende
                                 										Dampfdruck geeignet, welcher im Augenblick der Ventileröffnung von dem
                              									Triebwerk der Steuerung überwunden werden muss, jedoch auf den Regulator ohne
                              									Einwirkung bleibt, wenn trotz Veränderung der Füllung die Ventileröffnung immer
                              									genau bei derselben Kurbelstellung stattfindet. Der Regulator kann dann seine einer
                              									anderen Füllung entsprechende Stellung im Augenblick der Ventileröffnung ungehindert
                              									einnehmen, ohne bei letzterer mitzuwirken. Da die Eröffnung des Einlassventils etwas
                              										vor der Totpunktlage der Kurbel stattfinden muss,
                              									nennt man diesen Vorgang den Voreintritt (VE.). Unveränderlichkeit des Voreintritts verhindert also Rückdruck auf den Regulator
                                 										seitens des auf dem Ventil lastenden Dampfdruckes. Bei den meisten
                              									Ventilsteuerungen ist diese Bedingung entweder genau oder mit genügender Annäherung
                              									erfüllt.
                           Weiter sind die Reibungswiderstände im Triebwerk der
                                 										Steuerung Kräfte, welche Rückdruck auf den Regulator ausüben können,
                              									zunächst die Reibung in den Gelenkzapfen, von welchen am meisten das Exzenter wegen
                              
                              									seines grossen Durchmessers in Betracht kommt. Man treibt daher von letzterem häufig
                              									das Einlassventil nicht unmittelbar an, sondern betätigt mit der Exzenterstange das
                              									Auslassventil und lenkt die Einlassteuerung seitlich an ein Auge des Exzenterbügels
                              									mittels eines Zapfens von geringem Durchmesser an, dessen geringes Reibungsmoment
                              									auf den Regulator keinen nennenswerten Rückdruck auszuüben vermag. Als Rückdruck
                              									erzeugender Reibungswiderstand kommt ferner die Reibung der Ventilspindel in ihrer
                              									Stopfbüchse in Betracht. Man ersetzt daher neuerdings diese Stopfbüchse durch eine
                              									nahezu reibungslose Labyrinthdichtung, wie z.B. die in Fig. 1 dargestellte Ausführung der Ascherslebenei
                                 										Maschinenbau-Akt.-Ges. zeigt, bei welcher ausserdem die Einrichtung
                              									getroffen ist, dass das Schmieröl durch die Luftleere des Kondensators in die
                              									Dichtungsrillen hineingesogen wird. Der Verbrauch an Schmieröl wird durch einen
                              									kleinen Hahn geregelt, welcher in das nach dem Kondensator führende Röhrchen
                              									eingeschaltet ist.
                           Vielfach sind auch die der Massenbeschleunigung von
                                 										Ventil samt Triebwerk dienenden Kräfte imstande, Rückdruck zu verursachen.
                              									Dann müssen diese Teile möglichst geringes Gewicht erhalten. In jedem Falle ist im
                              									Interesse geringen Rückdrucks dafür zu sorgen, dass die im Triebwerk der Steuerungen
                              									auftretenden Kräfte und Widerstände entweder an sich so gering wie möglich seien,
                              									oder dass von ihnen so wenig wie möglich in das Stellzeug des Regulators
                              									hineingeleitet werde, dass dieselben vielmehr möglichst vollkommen innerhalb des
                              									Triebwerks selber sich aufheben.
                           
                        
                           
                              Ventilerhebung.
                              
                           Da die Einlassventile bei Beeinflussung der Füllung durch den Regulator stets mit
                              									Exzentern bewegt werden, wird im allgemeinen mit wachsender Füllung auch deren
                              									Erhebung zunehmen. Letztere darf aber hauptsächlich mit Rücksicht auf die zu
                              									erreichende Umdrehungszahl und aus durch die Form der Rohrventile gebotenen
                              									Rücksichten ein bestimmtes Höchstmass nicht überschreiten. Es ist also darauf zu
                              									achten, dass bei veränderlicher Füllung das Verhältnis von Ventilhub bei
                              									Maximalfüllung zu Ventilhub bei Normalfüllung, der sogen. Ueberhub, möglichst klein ausfalle. Ergibt sich dieser Ueberhub zu gross,
                              									so erhält man bei einem bestimmten Ventilhub für die Normalfüllung, welcher aus der
                              									Notwendigkeit folgt, bei dieser eine gewisse Dampfgeschwindigkeit zwischen den
                              									Abschlusskanten nicht zu überschreiten, einen viel zu grossen Hub für die
                              									Maximalfüllung, welcher unter Umständen unausführbar ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 116
                              Fig. 2. Kuchenbecker-Steuerung.
                              a. Ventil ganz geöffnet; b.
                                 										Augenblick des Ventilschliessens; c. Stange zum Auslassventil führend
                              
                           Hinsichtlich dieses Ueberhubes unterscheiden sich die Ventilsteuerungen recht
                              									erheblich voneinander und hat dessen Grösse einen wesentlichen Einfluss auf die
                              									Ausbildung gewisser Teile des Triebwerks.
                           
                        
                           
                              Einteilung der Ventilmaschinen.
                              
                           Man unterscheidet Ventilmaschinen mit auslösenden und solche mit zwangläufigen Steuerungen, Bei den ersteren findet
                              									jedoch der Vorgang der Auslösung nur bei den Einlassventilen statt, während die
                              									Auslassventile auch dort zwangläufig bewegt werden, so dass der Unterschied zwischen
                              									auslösenden und zwangläufigen Steuerungen sich im wesentlichen auf die Bewegung der
                              									Einlassventile beschränkt, namentlich wie deren Schlussbewegung eingeleitet und
                              									ausgeführt wird, wie dabei die Füllungsänderung erzielt und der allgemeinen
                              									Bedingung genügt wird, welche jede Steuerung eines Ventils erfüllen muss, dass
                              									nämlich der Zusammenhang des Triebwerks spätestens im Augenblick des Ventilschlusses
                              									aufzuhören hat und erst bei Beginn der Ventileröffnung sich wiederherstellen
                              									darf.
                           Dies geschieht bei den auslösenden Steuerungen durch
                              									Einschalten einer Sperrklinke in das Triebwerk, nach
                              									deren Auslösung das Ventil seine ganze Schlussbewegung frei
                                 										fallend, durch Federkraft (oder Gewicht) beschleunigt, ausführt. Je später
                              									die Auslösung erfolgt, desto grösser ist die jeweilige Füllung. Kurz vor Beginn der
                              									Ventileröffnung legt sich die Sperrklinke dann wieder in ihre Rast ein und das Spiel beginnt von Neuem.
                           Im Gegensatz hierzu wird bei der zwangläufigen Steuerung
                              									eines Ventils der Zusammenhang des Triebwerks auch während der ganzen
                              									Schlussbewegung aufrecht erhalten und erst im Augenblick des Ventilschlusses
                              									aufgehoben, Es geschehen also Ventileröffnung und Schlussbewegung beide zwangläufig mit der durch
                                 										das Triebwerk vorgeschriebenen Geschwindigkeit, die erstere, wie immer,
                              									ausserdem auch zwangschlüssig, während bei der letzteren in der Regel nur
                              									Kraftschluss stattfindet, d.h. der Zusammenhang des Triebwerks allein durch eine
                              									Feder (oder Gewicht) aufrecht erhalten wird. In Verwendung kommen dabei einseitig
                              									zwangschlüssige Getriebe, deren Zusammenhang im Augenblick des Ventilschlusses sich
                              									von selbst löst, und zwar in der Regel die sogen. Wälzhebel, entweder mit festen Drehpunkten,
                              									wie bei Fig. 1, oder mit
                                 										beweglichen Drehpunkten, wie später bei Fig. 16, seltener, und zwar nur in
                              									den schon früher bezeichneten Fällen, umlaufende, unrunde
                                 										Scheiben und, in den Exzenterantrieb eingeschaltet, vereinzelt auch die mit
                              									letzteren nahe verwandten schwingenden Daumenhebel (Lentzsteuerung). Von letzteren beiden wird, zwecks
                              									Verminderung der Reibung, die Bewegung stets durch auf ihnen laufende Rollen weiter
                              									übertragen.
                           Nur in einzelnen Fällen, bei der Kuchenbeckersteuerung
                              										(Fig. 2)Vergleiche Z. d. V. d. I. 1897, S. 537. D. p. J. 1898, 310, S. 42. und bei der Steuerung der
                              										Sundwiger Eisenhütte (Fig. 3) bleibt das Triebwerk auch während der Schlussbewegung
                              									zwangschlüssig. Dies wird hier dadurch erreicht, dass der Ventilhebel an dem durch
                              									das Triebwerk bewegten Ende eine Art Verzahnung erhält, in welche der Gegenhebel des
                              									Triebwerkes mit einem Daumen eingreift. Kurz vor Eintritt des Ventilschlusses muss
                              									aber nach Obigem auch hier der Zwangschluss des Triebwerkes aufhören und eine Feder
                              									in Wirksamkeit treten, welche den Ventilschluss sichert, deren Anspannung in diesem
                              									Falle jedoch nur eine geringe sein braucht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 117
                              Fig. 3.
                              a. Stange zum Flachregler
                                 										führend.
                              
                           In Fig. 2 ist letztere zwar fortgelassen, tatsächlich
                              									wird sie aber ausgeführt, weil ohne dieselbe die Ventile nicht genügend fest auf
                              									ihren Sitz gepresst werden, um vollkommen dicht zu sein. Wie ersichtlich, bildet die
                              									in Fig. 2 getroffene Einrichtung nur eine Zutat zu
                              									den erwähnten Wälzhebeln nach Fig. 1 und die in Fig. 3 eine solche zu den auf schwingenden
                              									Daumenhebeln laufenden Rollen, wie solche sonst vereinzelt zur Uebertragung der
                              									Bewegung auf zwangläufig gesteuerte Ventile benutzt werden. Die Ventilbewegung an
                              									sich wird durch diese Zutaten nicht geändert, man erreicht dadurch aber, dass, im
                              									Falle durch einen Widerstand, z.B. zu grosse Stopfbüchsenreibung der Ventilspindel,
                              									die den Ventilschluss sichernde Feder in ihrer Wirksamkeit behindert wird, oder wenn
                              
                              									sie zerbricht, das Ventil nur undicht bleibt, während es sonst ganz offen bleiben
                              
                              									würde.
                           Zum Zweck der Füllungsänderung werden bei den zwangläufigen Steuerungen am Triebwerk
                              									der Einlassventile geeignete Verstellungen vorgenommen. Die verschiedene Art und
                              									Weise, wie diese Verstellung während des Betriebes durch die Anordnung des
                              									Triebwerkes ermöglicht wird, bildet das unterscheidende Merkmal dieser Steuerungen
                              									untereinander.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)