| Titel: | Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen. | 
| Autor: | Straube | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 180 | 
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                        Die Steuerungen der
                           								Ventildampfmaschinen.
                        Von Prof. Straube in
                           
                           									Karlsruhe.
                        (Fortsetzung von S. 169 d. Bd.)
                        Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           
                              Zwangläufige Steuerungen mit veränderlichem
                                 										Exzenter.
                              
                           Bei der ersten Gruppe dieser Steuerungen findet eine direkte Verstellung des Exzenters statt, ähnlich wie
                              									bei den Schiebersteuerungen mit Flachregler. Die wesentlichen Eigenschaften
                              									derselben sind auch noch aus Fig. 8 ersichtlich. Die
                              									Exzenterstange ist hier stets gleichzeitig Ventilstange und meist gegenüber dem
                              									Exzenter so lang, dass sie als unendlich lang betrachtet werden kann. Infolgedessen
                              									muss für unveränderlichen Voreintritt der Exzentermittelpunkt von Bmax nach Bo verschoben werden,
                              									um die Füllung von Fmax
                              									auf Fo zu verringern.
                              									Die Linie Bmax
                              
                              									– Bo ist die von den
                              									Schiebersteuerungen her bekannte Scheitellinie und
                              									steht hier senkrecht auf der Ableitungsrichtung, da die Exzenterstellung bei der dem
                              									Voreintritt entsprechenden Kurbelstellung gezeichnet ist. Die gerade Scheitellinie
                              										Bmax – Bo kann, wie auch bei
                              									den Schiebersteuerungen üblich, der bequemeren praktischen Ausführung wegen, durch
                              									einen flachen Kreisbogen ersetzt werden, doch geht dann die Unveränderlichkeit des
                              									Voreintritts verloren. Die Fig. 8 zeigt, dass bei
                              									den Steuerungen dieser Gruppe der zur Ventilerhebung nutzbare Hub der Exzenterstange
                              									bei Normalfüllung nur etwa h''_{\mbox{norm.}}=\frac{1}{12} des Exzenterhubes beträgt und der Ueberhub
                              									\frac{h''_{\mbox{max}}}{h''_{\mbox{norm.}}} etwa = 5 ausfällt. Steuerungen dieser Art sind die in Pechan,
                              									„Maschinenbau“, 1895, Bd. 2, S. 461, beschriebene Czischeksteuerung, ferner die schon erwähnten Steuerungen von Lentz und von der Sundwiger
                                 										Eisenhütte. Die Czischeksteuerung arbeitet mit
                              									Wälzhebeln, was hier bei dem grossen Ueberhub für die Ventilerhebung der grossen
                              									Füllungen zu Unzuträglichkeiten führen dürfte. Die Lenzsteuerung und die der Sundwiger Eisenhütte
                              									dagegen verwenden zur Ventilerhebung auf schwingenden Daumenhebeln laufende Rollen.
                              									Bei ihnen bleibt daher nur das ungünstige, einen grossen Exzenter bedingende
                              									Verhältnis zwischen Exzentrizität und nutzbarem Hub der Exzenterstange bestehen, die
                              									Maximalerhebung der Ventile übersteigt jedoch, entsprechend der angewandten
                              									Daumenhöhe, nicht ein bestimmtes Mass und ist bei den grösseren Füllungen
                              									unveränderlich, wodurch der grosse Ueberhub hier ohne Wirkung bleibt. Deshalb
                              									dürften sich diese beiden Steuerungen auch für grosse Dampfmaschinen sehr wohl
                              									eignen. Sie zeichnen sich ausserdem durch Einfachheit aus und gestatten die
                              
                              									Anordnung eines Flachreglers, bei liegenden Maschinen auf der Steuerwelle, bei
                              									stehenden sogar direkt auf der Kurbelwelle, so dass erstere dann ganz fortfällt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 180
                              Fig. 15. Erzeugung der Scheitellinie durch ein unveränderliches und ein
                                 										veränderliches Exzenter. 
                              Ableitungsrichtung;
                                 										Scheitellinie
                              
                           Bei der zweiten Gruppe dieser Steuerungen wird die
                              									Veränderlichkeit des Exzenters in Anlehnung an die bei den Schiebersteuerungen dem
                              									Zweck der Umsteuerung dienenden Triebwerke dadurch bewirkt, dass man auf den
                              									Ableitungspunkt der nach dem Ventilhebel führenden Stange zwei Exzenterbewegungen gleichzeitig überträgt, deren Exzenter verschieden
                              									gerichtet sind. Die Exzenterbewegung, welcher der Ableitungspunkt dann wirklich
                              									folgt, ist diejenige, welche ihm ein Exzenter erteilen würde, dessen Grösse und
                              									Richtung man erhält, wenn man, wie zwei Seitenkräfte zu einer Mittelkraft, die
                              									jeweiligen Exzenter welche die Einzelbewegungen hervorrufen, oder sie hervorrufend
                              
                              									zu denken sind, zu einem Mittelexzenter vereinigt.
                           Die Mittel, welche hierbei einer Füllungsänderung dienen können, ergeben sich aus
                              										Fig. 15. OB = r und OB' = r'max. seien die beiden
                              									Seitenexzenter in der Stellung, welche sie bei Voreintritt einnehmen, so ergeben
                              									dieselben ein Mittelexzenter OBmax.
                              									= rmax., welches der
                              
                              									Maximalfüllung entspreche. Soll die Füllung verkleinert und schliesslich auf Null
                              									gebracht werden, so kann das – unendlich lange Ableitungsstange vorausgesetzt und,
                              									wenn der Voreintritt unveränderlich bleiben soll – nach Fig. 8 nur geschehen durch Verschiebung des Mittelpunktes des
                              
                              									Mittelexzenters von Bmax. nach Bo
                              									auf der Scheitellinie senkrecht zur Ableitungsrichtung. Um letzteres zu bewirken,
                              									muss mindestens das eine Seitenexzenter, z.B. r' in
                              									Richtung und Grösse derart verändert werden, dass sein Mittelpunkt parallel der
                              									Scheitellinie wandert. Es könnte das aber auch, wie leicht einzusehen, mit r geschehen. Im ersteren Falle geht das unveränderliche
                              									Exzenter dem veränderlichen voran, im letzteren Falle folgt er hinterher.
                           Soll die Veränderlichkeit der Exzenter nur hinsichtlich der Grösse und nicht auch der
                              									Richtung nach stattfinden, so müssen entweder beide Exzenter verändert werden, doch
                              
                              									wird dies wegen der Umständlichkeit der praktischen Ausführung nicht zu empfehlen
                              									sein, oder es muss der Mittelpunkt B des
                              									unveränderlichen Exzenters r auf der Scheitellinie
                              									liegen und das veränderliche Exzenter r' parallel
                              									derselben gerichtet sein. Dann können für ersteres z.B. die Grenzwerte ro oder rmax. gewählt werden.
                              									Vorteilhafter wird es aber unter Umständen sein, ein beliebiges zwischen ro und rmax. liegendes
                              									Exzenter auszuführen, z.B. rnorm. Man erhält dann für die grösste und kleinste Füllung
                              									entgegengesetzte Richtung des veränderlichen Exzenters und also relativ geringere
                              									Exzentrizitäten desselben für die äussersten Stellungen der Steuerung. Hiervon wird
                              									mehrfach Gebrauch gemacht (s. später Fig. 17 und
                              										26). Man könnte nun bei den einzelnen
                              									Steuerungen dieser Art in jedem Falle die Seiten- und Mittelexzenter in ihren
                              									Beziehungen zur Scheitellinie nach Massgabe der Fig.
                                 										15 zu bestimmen suchen und würde daraus Schlüsse hinsichtlich der zu
                              									wählenden Verhältnisse der betreffenden Triebwerke ziehen können. Ein klares Bild
                              									der wirklichen Bewegungsvorgänge würde sich dabei aber nicht ergeben. Um
                              									letzteres zu erhalten, dürfte indessen vielleicht der in den folgenden Betrachtungen
                              									eingeschlagene Weg gangbar sein.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 181
                              Fig. 16. sind zu OV zugeordnete Halbmesser der Ellipsen.Fig. 16a.
                                 										Ableitung vom Gelenkpunkt.Fig. 16b. Ableitung von beliebigem Punkt der
                                 										Lenkstange.
                              Vom Ventilhebel Ableitungsrichtung
                                 										der Ventilstange
                              
                           Als nächstliegende Anordnung, welche sich für eine Steuerung dieser Art bietet, kann
                              									das in Fig.
                                 										16 dargestellte Triebwerk gelten. Die beiden Exzenterbewegungen werden von
                              									der gemeinsamen Steuerwelle aus, die eine unmittelbar, die andere durch
                              									Zwischenschalten eines Hebels auf den Vereinigungspunkt V übertragen. Die zum Ventilhebel führende Ableitungsstange kann nun
                              									entweder direkt an Punkt V angreifen (Fig. 16a) oder an
                              									einen beliebigen Punkt V auf einer der beiden
                              									Lenkstangen (Fig. 16b). Um die Figur einfach zu gestalten, ist angenommen, dass das
                              									veränderliche Exzenter r1 bei Voreintritt sich in seiner Mittellage befindet und der Punkt E beim Verstellen der Füllung durch Aenderung des die
                              									wirksame Grösse von r1
                              									ergebenden Hebelverhältnisses unverändert bleibt, was zur Folge hat, dass der
                              									Drehpunkt D des Hebels verschoben werden muss. Ferner
                              									ist der Punkt V so gewählt, dass VV = AV ist. Unter der
                              									weiteren Voraussetzung unendlich langer Lenkstangen entstehen dann als Bahnen der
                              									Punkte V und V Ellipsen
                              									mit den gemeinsamen Mittelpunkten O und O', welche man, wie die Figur zeigt, in einfacher Weise
                              									mit Hilfe ihrer zugeordneten Durchmesser verzeichnen kann. Der sich hierbei
                              									ergebende Ueberhub ist zunächst ziemlich gross. Die Mittel, um denselben zu
                              									verringern, liegen aber auf der Hand. Es ist zu dem Zweck nur nötig, den Ellipsen
                              									nicht mehr einen gemeinsamen Mittelpunkt zu geben, sondern sie auf der unteren
                              									Hälfte näher zusammenzurücken, und dies wird erreicht, wenn r1 bei Voreintritt sich über der
                              									Mittellage, also im Sinne der Drehrichtung von Fig. 16a hinter und im
                              									Sinne von Fig.
                                 										16b vor derselben befindet. Auf diese Weise erzielt z.B. die Kliebischsteuerung,Näheres darüber siehe in Leist,
                                    											„Steuerungen der Dampfmaschinen“, Auflage 1900, Fig.
                                    										324–326. deren Triebwerk im übrigen durchaus der Fig. 16b entspricht,
                              									ganz brauchbare Verhältnisse für die Ventilerhebung. Im Gegensatz zur Kliebischsteuerung, welche also, wie in Fig. 16 angenommen,
                              									beide Exzenter wirklich ausführt und Punkt E bei
                              									Voreintritt unveränderlich lässt, wird bei zwei anderen bekannten Steuerungen dieser
                              									Gruppe, der Kuchenbeckersteuerung (Fig. 2) und der ebenfalls schon erwähnten älteren CollmannsteuerungNäheres darüber siehe in Leist,
                                    											„Steuerungen der Dampfmaschinen“, Auflage 1900, Fig.
                                    										327–330. nur das eine Exzenter wirklich ausgeführt, das zweite aber
                              									dadurch gebildet, dass, ähnlich wie bei den auslösenden Steuerungen nach Fig. 6, an einen beliebigen, jedoch nicht mit dem
                              									Führungspunkt zusammenfallenden Punkt der Exzenterstange, annähernd senkrecht zu
                              									deren mittlerer Richtung, seitlich eine Stange angelenkt wird, welche nun die zweite
                              									Exzenterbewegung hervorruft. Bei Kuchenbecker ist die
                              									unveränderliche, bei Collmann die veränderliche
                              									Exzenterbewegung in dieser Weise angelenkt. Im übrigen stimmen beide Steuerungen
                              									darin überein, dass sie, nicht wie bei der Kliebischsteuerung, den Punkt V', sondern direkt
                              									den Vereinigungspunkt der beiden Bewegungen V zum
                              									Antrieb der Ventilstange benutzen (Fig. 16a). Ferner ist
                              									bei beiden nicht, wie bei Kliebisch, Punkt E bei Voreintritt unveränderlich und Punkt D verschiebbar, sondern letzterer unveränderlich
                              									und dafür E verstellbar, bei Kuchenbecker auf einem Kreise um V als
                              									Mittelpunkt, bei Collmann aber auf einer einen Kreis um
                              
                              										V annähernden geraden Linie, wodurch allerdings
                              									eine einfachere Herstellung des Triebwerkes erreicht, aber wie früher bei der Hungersteuerung, die Unveränderlichkeit des
                              									Voreintritts verloren geht.
                           Im Einzelnen zeigen die Triebwerke von Kuchenbecker und
                              										Collmann noch einige Abweichungen von Fig. 16a,
                              									welche jedoch nicht grundlegender Natur sind. Eine weitere Schematisierung dieser
                              									Steuerungen möge hier unterbleiben, zumal dieselbe namentlich bei Collmann wenig Wert haben würde wegen der dort durch
                              									die Kürze der Ventilstange und der Lenkstange des unveränderlichen Exzenters r hervorgerufenen Abweichungen. Erwähnt sei nur, dass
                              									durch richtige Wahl der Verhältnisse bei allen Steuerungen dieser Gruppe der
                              									Ueberhub sich derart herabmindern lässt, dass sie durchweg die Anwendung von
                              									Wälzhebeln gestatten. Bei der älteren Collmannsteuerung
                              									beträgt der Ueberhub sogar nur etwas über zwei, ein Umstand, der wesentlich dazu
                              									beigetragen hat, dass diese Steuerung auch für die allergrössten Maschinen als
                              									geeignet befunden wurde.
                           Die Umständlichkeit der Triebwerke der Steuerungen mit zwei Exzenterantrieben hat
                              									aber dazu geführt, dass man nach einfacheren Konstruktionen gesucht und diese auch
                              									in den sog. Lenkersteuerungen gefunden hat, welche die dritte Gruppe dieser Gattung
                              
                              									bilden.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)