| Titel: | Der elektrische Kohlelichtbogen im Vakuum. | 
| Autor: | A. Hoerburger | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 203 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Der elektrische Kohlelichtbogen im
                           
                           								Vakuum.
                        Ein Beitrag zur Kenntnis des
                           								Lichtbogens.
                        Von Dr. A. Hoerburger, Ingenieur,
                           									Berlin.
                        (Fortsetzung von S. 185 d. Bd.)
                        Der elektrische Kohlelichtbogen im Vakuum.
                        
                     
                        
                           J. StarkZur Kenntnis des Lichtbogens. Annalen der Physik und Chemie, IV, 12,
                                       												1903, S. 673. behandelt den Lichtbogen von einem ganz
                              									neuen Standpunkt aus, indem er von der Ansicht ausgeht, dass auch im Lichtbogen wie
                              									bei den Gasentladungen die positiven und negativen Jonen die Träger des elektrischen
                              									Stromes sind. In früheren AbhandlungenAnnalen der Physik und
                                       												Chemie, IV, 4, 1901, S. 407 und 7, 1902, S. 438.
                              									legte er dar, dass man den Lichtbogen als eine selbständige Strömung aufzufassen
                              									habe, dass er darum eine Minimalspannung besitze und dass diese das Minimum von
                              
                              									Arbeit bezogen auf die Ladungseinheit darstelle, das von der elektrischen Strömung
                              									geleistet werden müsse, um zwischen den Elektroden Ionisation herzustellen.
                           An dem Lichtbogen in freier Luft fallen dem Auge zwei Teile durch ihre verschiedene
                              									Farbe auf, ein bläulich leuchtender von der Anode zur Kathode sich erstreckender
                              									Kern und eine diesen umgebende gelbrot leuchtende Hülle oder Aureole. Die
                              									eigentliche Strombahn des Lichtbogens oder kurz der Lichtbogen selbst ist der
                              									hochtemperierte Kern, durch ihn laufen fast sämtliche Stromlinien; die rötliche
                              									Hülle ist nur eine sekundäre Begleiterscheinung. Wenn man den Kern des Lichtbogens
                              									oder kurz den Lichtbogen genauer betrachtet, besonders wenn man seine Elektroden
                              									voneinander beträchtlich entfernt oder ihn bei niedrigem Gasdruck herstellt, so kann
                              									man an ihm folgende Teile unterscheiden: Auf einer weissglühenden kleinen Stelle der
                              									Kathodenoberfläche sitzt ein nach oben sich erweiternder, intensiv leuchtender
                              									Lichtbüschel; auf diesen folgt eine kurze, weniger stark leuchtende Partie, der
                              									dunkle Zwischenraum; von diesem erstreckt sich bis unmittelbar vor die Anode die
                              									positive Lichtsäule. Die i Anode ist mit einer dünnen leuchtenden Schicht bedeckt.
                              									Auch die elektrische Untersuchung ergibt die vorstehenden vier Teile des
                              									Lichtbogens. Zwischen der Kathode und einem Punkte des kathodischen Lichtbüschels
                              									ist ein beträchtlicher Spannungsabfall vorhanden, der Kathodenfall im Betrage von
                              
                              									5–15 Volt. Aehnlich liegt an der Anode zwischen ihr und dem Ende der leuchtenden
                              									Anodenschicht ein Spannungsabfall im Betrage von 10–20 Volt. Ist die positive
                              									Lichtsäule ungeschichtet, so ist das Spannungsgefälle in ihr räumlich konstant und
                              									etwas grösser als im dunklen Zwischenraum. Der Anoden- und Kathodenfall ändern sich
                              									nur wenig mit der Stromstärke und dem Gasdruck, das Spannungsgefälle in der
                              									positiven Lichtsäule nimmt zu mit steigendem Gasdruck und abnehmender
                              
                              									Stromstärke.
                           Ein Vergleich der Bestandteile des Glimmstromes und des Lichtbogens ergibt, dass
                              									beiden die leuchtende Anodenschicht, die positive Lichtsäule und der dunkle
                              									Zwischenraum eigen sind; sie unterscheiden sich lediglich durch ihre kathodischen
                              									Bestandteile; das kathodische Lichtbüschel des Lichtbogens ist beim Glimmstrom durch
                              									das sogenannte negative Glimmlicht ersetzt, das aus erster Kathodenschicht, dunklem
                              									Kathodenraum und negativer Glimmschicht besteht. Der Kathodenfall des Glimmstromes
                              									(Spannungsdifferenz zwischen Kathode und negativer Glimmschicht) kann nie
                              									unter seinen normalen Wert im Betrage von mehreren Hundert Volt sinken. Er ist also
                              									immer beträchtlich grösser als der Kathodenfall des Lichtbogens.
                           Ausser in der Lichterscheinung und im Spannungsabfall unterscheidet sich der
                              									kathodische Teil des Lichtbogens auch in der Stromdichte und in der Temperatur von
                              									demjenigen des Glimmstromes; so lange der Kathodenfall normal ist, nimmt auch bei
                              									letzterem ebenso wie beim Lichtbogen die kathodische Basis der elektrischen Strömung
                              									zu mit wachsender Stromstärke. Die normale Stromdichte des Glimmstromes ist indessen
                              									angenähert proportional dem Gasdruck und umgekehrt proportional der absoluten
                              									Temperatur, diejenige des Lichtbogens ändert sich dagegen nur wenig mit dem Gasdruck
                              									und wächst mit steigender Temperatur. Dazu ist bei gleichem Gasdruck die Stromdichte
                              									des Lichtbogens 100–1000 mal grösser als diejenige des Glimmstromes. Bei gleicher
                              									Stromstärke ist daher die kathodische Basis des Glimmstromes viele Male grösser als
                              									diejenige des Lichtbogens. Entsprechend der grossen Stromdichte ist auch die
                              									Temperatur in der kathodischen Basis des Lichtbogens höher als beim Glimmstrom, ja
                              									die Temperatur in der kathodischen Strombasis kann nie unter eine bestimmte sehr
                              									hohe Temperatur von etwa 3000° sinken, ohne dass der Lichtbogen erlischt. Umgekehrt
                              									kann die Temperatur in der kathodischen Basis des Glimmstromes nicht über diesem
                              									Werte liegen, wohl aber jeden beliebig kleinen besitzen.
                           Der Glimmstrom begnügt sieh mit dem Dampf oder dem Gas, das er bei seiner Entstehung
                              									zwischen seinen Elektroden vorfindet; dieses ionisiert und durchströmt er dann. In
                              									einigen Fällen macht er aus seiner Kathode okkludiertes Gas frei oder veranlasst
                              									diese zu einer mässigen Verdampfung, indes ist dies eine sekundäre störende
                              									Erscheinung. Anders ist es beim Lichtbogen. In seiner kathodischen Strombasis ist
                              									notwendigerweise immer eine sehr hohe Temperatur vorhanden; infolgedessen findet an
                              									ihr ohne Ausnahme eine Verdampfung des Kathodenmetalles statt. Der Dampfstrahl, der
                              									aus der weissglühenden kathodischen Strombasis des Lichtbogens hervorbricht und nach
                              									der Theorie immer vorhanden sein muss, lässt sich in den meisten Fällen direkt
                              									beobachten; er fällt nämlich räumlich zusammen mit dem kathodischen
                              									Lichtbüschel.
                           Dass auch die Anode des Lichtbogens Dampf aussende, ist nicht notwendig; sie kann
                              									künstlich auf niedriger Temperatur gehalten werden oder infolge ihrer Grösse von
                              									selbst auf mässiger Temperatur bleiben. Die Kathode muss dagegen unter allen
                              									Umständen in der Strombasis von der weissglühenden Stelle Dampf aussenden. Obwohl
                              									die Dampfentwicklung aus der Anode nicht notwendig für die Existenz des Lichtbogens
                              									ist, so findet sie doch in Wirklichkeit in den meisten Fällen statt. Der Anodenfall
                              									des Lichtbogens ist nämlich in der Regel nicht kleiner, sondern zumeist grösser als
                              									der Kathodenfall. Das gleiche gilt darum auch von der elektrischen Arbeit und der
                              									von ihr erzeugten Wärmemenge an den Elektroden.
                           Der von den Elektroden nach dem Innern der Strombahn beständig zuströmende Dampf
                              									erleidet dort keine Anhäufung; gleichzeitig wird nämlich immer Dampf an der ausseien
                              
                              									kälteren Grenzhülle kondensiert oder durch Sauerstoff oxydiert. In der Versorgung
                              									der Strombahn mit Dampf konkurrieren also Anode und Kathode miteinander. Sind sie
                              									geometrisch und chemisch kongruent, so bleibt in dieser Konkurrenz zumeist die Anode
                              									Siegerin. In den meisten Fällen ist nämlich der Anodenfall grösser als der
                              									Kathodenfall. In diesem Falle erhält die ganze positive Lichtsäule den Dampf von der
                              									Anode her geliefert; die Kathode verdampft wohl auch, indes kommt der im
                              									kathodischen Lichtbüschel hervorströmende Dampf schon in unmittelbarer Nähe der
                              									Kathode wieder zur Kondensation, ja an der Kathode mag selbst von der Anode
                              									herbeiströmender Dampf sich kondensieren, so dass eine Destillation von der Anode
                              									nach der Kathode erfolgt. Dies ist beispielsweise auch beim Kohlelichtbogen der
                              									Fall.
                           Wird der Lichtbogen in einem Raume erzeugt, in dem ein Dampf oder Gas vorhanden ist,
                              									das von dem Elektrodenmetall chemisch verschieden ist, so schlägt der Lichtbogen
                              									mittels der Dampfentwicklung aus seinen Elektroden eine Brücke aus Dampf und leitet
                              									dann seine Stromlinien durch diesen Dampfkanal, Die Gegenwart des metalloidalen
                              									Gases bestimmt den Dampfdruck und damit das Spannungsgefälle in der Strombann, auch
                              									findet bis zu einem gewissen Grade eine Mischung in der Strombahn statt, die das
                              									Spannungsgefälle in der positiven Lichtsäule beeinflusst, d.h. vergrössert.
                           Aus der Arbeit von J. Stark habe ich deshalb so
                              									ausführlich zitiert, weil sich aus den angezogenen Stellen ergibt, dass ich es bei
                              									meiner Untersuchung tatsächlich mit Lichtbogenerscheinungen und nicht etwa mit
                              									Glimmstrom oder irgend einer Uebergangserscheinung zu tun hatte, so dass sich im
                              									gegebenen Falle ein ausführlicher Beweis erübrigt und ein Hinweis auf die hier
                              									angeführten Stellen genügt. Während es nach den früher erwähnten Ansichten von Stenger und Lehmann zum
                              									mindesten zweifelhaft wäre, ob einzelne Erscheinungen nicht etwa in das Gebiet des
                              									Glimmstromes hinüberspielen, muss nach dieser neuesten Veröffentlichung über den
                              									Lichtbogen von J. Stark die Frage zugunsten des
                              									Lichtbogens entschieden werden.
                           Ganz neuerdings hat A. WehneltAnnalen der Physik und Chemie, 4. Folge, 14.
                                    											Bd., 1004, S. 425. in seiner Arbeit: „Ueber den Austritt
                                 										negativer Jonen aus glühenden Metallverbindungen und damit zusammenhängende
                                 										Erscheinungen“ die gleichen Beobachtungen gemacht wie W. Hittorf (vergl. S. 184). Er bedeckte Platinbleche
                              									mit einer Metallverbindung und benützte sie in einer Vakuumröhre als Kathode. Wurden
                              									die Platinbleche durch einen elektrischen Hilfsstrom bis zur Weissglut erhitzt, so
                              									erniedrigte sich der Kathodenfall besonders bei Ca-, Ba-,
                                 										Sr-Verbindungen bis auf einige 20 Volt, so dass es möglich war, mit der
                              									gebräuchlichen Niederspannung von 110 Volt Ströme bis zu mehreren Ampere durch die
                              									Vakuumröhre zu senden.
                           Obwohl durch diese Untersuchung, die durch die gleiche Beobachtung von W. Hittorf bei Kohle als Elektrodenmaterial gestützt
                              									wird, die Behauptung von J. Stark (vergl. S. 202), dass
                              									der Kathodenfall des Glimmstromes nie unter seinen normalen Wert von mehreren 100
                              									Volt sinken kann, widerlegt scheint, dürfte doch aus anderen Gründen feststehen,
                              									dass es sich bei den später angeführten Untersuchungen dieser Arbeit nicht um einen
                              									Glimmstrom, sondern um einen wirklichen Lichtbogen handelt. Bei beiden Forschern,
                              										W. Hittorf sowohl wie A.
                                 
                                 										Wehnelt, musste die negative Elektrode durch einen Hilfsstrom oder
                              									Lichtbogen bis zur Weissglut erhitzt werden, um den Glimmstrom bei der niedrigen
                              									Spannung zu ermöglichen. Dieser selbst ist also nicht imstande, die hohe Temperatur,
                              									die zur Aussendung der Jonen in der grossen Menge bei kleiner Basis nötig ist, zu
                              									erzeugen. Das auf allen folgenden Abbildungen und bei allen Beobachtungen dieser
                              									Arbeit vorhandene kleine Dampfbüschel an der Kathode beweist das Vorhandensein des
                              									Lichtbogens.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)