| Titel: | Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. | 
| Autor: | M. Buhle, W. Pfitzner | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 289 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der
                           								Weltausstellung in St. Louis 1904.
                        Von Professor M. Buhle und Dipl.-Ing. W.
                                 										Pfitzner,
                           								Dresden.
                        (Fortsetzung von S. 275 d. Bd.)
                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St.
                           								Louis 1904.
                        
                     
                        
                           3/6gek. Personenzuglokomotive der „Union Pacific
                                    											Eisenbahn-Gesellschaft“.
                           Hervorragend durch ihre Länge und ihr Gewicht ist die an zweiter Stelle zu
                              									beschreibende Personenzuglokomotive der Union Pacific,
                              									der ältesten Transkontinentallinie Nordamerikas. Die Maschine, Fig. 24–29, (Zusammenstellung
                              									1, No. 6, S. 258 d. Bd.) mit über 10 m Radstand und 100,5 t Dienstgewicht, wozu der
                              									Tender mit 61 t Dienstgewicht noch hinzukommt, ist als einfache Zwillingsmaschine
                              									normaler Bauart ausgeführt. Das Triebwerk ist bei den grossen Längen der Stangen,
                              									namentlich der Schubstange (s. Fig. 24) durch
                              									Ausbildung in I-Querschnitt möglichst leicht gemacht: mit
                              									Ausnahme des Treibkurbelzapfens ist, wie üblich, kein nachstellbares Lager
                              									ausgeführt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 289
                              Fig. 24. Personenzuglokomotive der Union Pacific Eisenbahn (Pacific
                                 										Type).
                              
                           Die Steuerung, Bauart Stephenson, mit gekreuzten
                              									Stangen, ist insofern etwas abweichend vom gewöhnlichen, als der Doppelhebel, der
                              									das tief liegende Kulissengestänge mit der hoch liegenden Schieberstange verbindet,
                              									sehr weit nach vorn gekommen ist, (zwischen den Treib- und Kuppelachsen ist für ihn
                              									kein Platz), wodurch sich der Antrieb der an beiden Enden geführten Schieberstange
                              									mit einem Gleitstück notwendig machte (s. Fig.
                                 									25).
                           Die Seitenbewegung des Drehgestelles und der hinteren Laufachse wird bei dem langen
                              									Radstand natürlich sehr bedeutend. Beide sind mit Pendeln aufgehängt, die ein
                              									reichliches Ausweichen nach der gestatten. Das Drehgestell ist in seiner Bauart
                              									ähnlich dem bekannten der Schenectady Locomotive Works,Lokomotiven der Gegenwart, 2. Aufl., S.
                                       												242. nur ist die Spurpfanne bedeutend grösser, ihr
                              									Durchmesser beträgt hier 475 mm.
                           Mit demselben Grundgedanken ist die hintere Laufachse durchgebildet, die in Fig.
                                 										30–32 (S. 292) besonders dargestellt ist. Die durch 203 mm hohe Winkeleisen
                              									verbundenen Achsbuchsführungen tragen je einen Querbalken mit zwei seitlichen
                              									Zapfen. An diesen hängen Pendel, die mit ihren unteren Zapfen in eigenartig
                              									geformte, aus zwei Blechen zusammengesetzte Träger gelagert sind. An zwei aussen
                              									gelegenen Bolzen dieser Träger greift das Federgehänge und somit also die Last an.
                              									Auf diese Weise bekommt die ganze Achse grosses seitliches Spiel; eine unter dem
                              									vorderen Ende der Feuerbüchse gelagerte Führung bewirkt ausserdem eine Anpassung an
                              									die Gleiskrümmung, wobei das in den Gelenken vorhandene Spiel die fehlende
                              									Universalbewegung ersetzt. Die ganze Konstruktion sieht sehr leicht aus und wegen
                              									der geringen Reibung in der Aufhängung dürfte das seitliche Einstellen auch leicht
                              									vor sich gehen.
                           Der Kessel dieser Maschine gehört dem sogenannten Straight
                                 
                                 										Type an, d.h. alle Kesselschüsse sind zylindrisch. Die Blechstärke beträgt
                              									17,5 mm bei 14 Atm. Druck, die Feuerbüchse, die wie bei fast allen grossen Maschinen
                              									der Vereinigten Staaten weit über den Rahmen hinausgebaut ist, hat in allen ihren
                              									Stahlblechwänden nur 9,5 mm Wandstärke. Besonders bemerkenswert ist an dem Kessel
                              									die an allen Schüssen durchgeführte Doppellaschennietung mit Dreieckslaschen, eine
                              									von Vauclain, dem ersten Konstrukteur der Baldwinwerke, eingeführte Verbindung. Die Nietung ist
                              									durchweg nach oben gelegt (s. Fig. 25), um sie nicht
                              									der Wasserbespülung auszusetzen; sie besteht aus einer aussen liegenden schmalen
                              									Lasche mit zwei Nietreihen, und aus einer innen liegenden dreieckig begrenzten
                              									Lasche, die weit über das Kesselblech hinweggeht und mit sieben Nietreihen
                              									angeheftet ist, deren Nietenzahl allmählich
                           
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 290
                              Fig. 25. Pacific Type (Seitenansicht.)
                              
                           bis auf nur einen Niet abnimmt. Auf diese Weise wird ein Gütegrad der Nietung
                              									erreicht, der fast bis an die Festigkeit des unverletzten Bleches kommt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 290
                              
                           Bemerkenswert ist ferner an dem Kessel die 2,48 m lange Rauchkammer, die wohl nur des
                              									weit vorn liegenden Drehgestelles wegen diese Grösse erhalten hat.
                           Der Tender dieser Maschine (vergl. Fig. 24) ist von
                              									dem sogenannten Vanderbilt Type, dessen Merkmal in dem
                              									zylindrischen Wasserbehälter besteht. Auf den Wasserbehälter von 26,5 cbm Inhalt ist
                              									die Kohlentasche aufgesetzt, der Wasserbehälter selbst ist an dieser Stelle schräg
                              
                              									abgeschnitten. Ueber das ganze Fahrzeug ist ein Laufsteg mit niedrigem Geländer
                              									geführt. Das Gewicht dieser Tender ist fast genau dasselbe wie bei der allgemein
                              									gebräuchlichen Gattung; die zylindrische Form bringt also keine Gewichtsersparnis,
                              									was man vielleicht erwarten könnte. Die Drehgestelle sind sehr leicht gehalten und
                              									stimmen in der Bauart mit der der gewöhnlichen Güterwagen ziemlich überein.
                           
                        
                           
                              5
                              /
                              7
                              gek. Güterzuglokomotive der Atchison, Topeka und Santa Fé
                                 										Eisenbahngesellschaft.
                              
                           Als letzte der von Baldwin ausgestellten Lokomotiven sei
                              
                              									die für die Atchison, Topeka und Santa Fé Eisenbahn
                              									gebaute Verbund-Güterzuglokomotive in Tandemanordnung (Zusammenstellung 1, No. 13,
                              									S. 258 d. Bd.) hier besprochen. Die Maschine ist die schwerste, die überhaupt in den
                              										Baldwin-Werken gebaut worden ist. Sie ist bestimmt
                              									für den Gebirgsdienst der genannten Bahn, der Steigungen von 26 v. T. bei 16 km
                              									Länge aufweist, und zwar beabsichtigt die Bahn Verwaltung, 85 Stück dieser
                              									Lokomotiven in Dienst zu stellen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 291
                              Fig. 33. Güterzuglokomotive der Atchison, Topeka und Santa Fé Eisenbahn (Santa
                                 										Fé Type).
                              
                           Die Bauart, nach der Besitzerin allgemein Santa Fé Type
                              									genannt, ist in Fig. 33–38 (S. 293) näher
                              									erläutert. Die Maschine besitzt fünf Treibachsen, ausserdem je eine Laufachse vorn
                              									und hinten, bei einem Gesamtradstand von ziemlich 11 m, der längste, der in Amerika
                              									ausgeführt worden ist. Die beiden Laufachsen sind seitlich verschiebbar, die hintere
                              									ist in der Konstruktion ähnlich der im vorigen Abschnitt beschriebenen, die vordere
                              									entspricht der gewöhnlichen amerikanischen Ausführung der einachsigen Drehgestelle.
                              									Bei der mittleren Treibachse ist der Spurkranz fortgelassen. Das Gewicht der
                              									Lokomotive beträgt 131 t, der Tender wiegt ausserdem 74 t, so dass als Gesamtgewicht
                              									die stattliche Zahl von 205 t erscheint.
                           Der nach der sogenannten Extended wagon top-Form gebaute
                              									Kessel ist über der sehr breiten Feuerkiste stark überhöht. Bei seiner an sich hohen
                              									Lage – die Mitte liegt 3 m über Schienenoberkante – füllt er infolgedessen das
                              									Profil fast ganz aus, so dass die Aufsätze, wie Sandkasten, Dampfdom usw. sehr
                              									gedrückt werden mussten. Die Pfeife liegt wagerecht. Die Siederohre sind bei über 6
                              									m Länge ebenso wie bei der vorher beschriebenen Maschine vollständig frei tragend
                              									ausgeführt, ohne jede Unterstützung. Die Materialstärken betragen im Kessel 22,2 und
                              									23,8 mm bei 15,8 Atm., in der Feuerbüchse 9,5 mm.
                           Rahmen und Maschine sind bei den grossen Längen natürlich sehr schwer, insbesondere
                              									ist die Schubstange trotz des I-Querschnittes von ganz
                              									bedeutendem Gewicht (380 kg). Zusammen mit den in Tandemanordnung laufenden Kolben
                              									entstehen daher ganz erhebliche schwingende Massen, die trotz der sehr schweren
                              									Gegengewichte an en Rädern (vergl. Fig. 33, die
                              									Gegengewichte füllen beinahe das halbe Rad aus) ein starkes Schlingern der Maschine
                              									zur Folge haben. So betrug der seitliche Ausschlag der Maschine auf dem Prüfstand in
                              									der Ausstellung vorn am Kuhfänger gemessen bis zu 4 cm.
                           Der am meisten bemerkenswerte Teil an der Maschine ist der Tandemdoppelzylinder
                              										Vauclainscher Bauart, der in Fig. 39–42 im einzelnen dargestellt ist. Die übliche
                              									Uebereinanderanordnung nach Vauclain war bei den
                              									grossen Abmessungen der Zylinder nicht möglich. Auch bei der Hintereinanderanordnung
                              									mussten des Normalprofils wegen die Zylinder noch geneigt und der Kreuzkopf konnte
                              									nur einseitig geführt werden; er hat aber, wie in Fig.
                                 										33 und 34 zu erkennen ist, eine doppelte
                              									Führung erhalten. Die Tandemzylinder sind konstruktiv recht interessant ausgeführt.
                              									Die Befestigung am Rahmen erfolgt nur durch den Niederdruckzylinder, der
                              									Hochdruckzylinder ist freitragend an diesen angeschraubt. Die beiden Schieberkästen
                              									für die auf derselben Stange sitzenden Kolbenschieber sind zu einer
                              									gemeinschaftlichen Kammer vereinigt, mit Rücksicht darauf, dass keine Verspannung in
                              									den Gusstücken eintritt. Die Dichtung zwischen den ineinander steckenden Laufbüchsen
                              									der Schieber geschieht deshalb durch eine grosse Stopfbüchse mit Hanfpackung (Fig.
                                 									39).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 291
                              Fig. 42. Aufgeschnittenes Modell eines Vauclain-Tandem-Zylinder.
                              
                           Für die Abdichtung der Kolbenstange zwischen den beiden Zylindern ist eine
                              									Metallpackung aus Segmentstücken mit Federanpressung vorgesehen, die in einem
                              									schmalen Ringraum zwischen zwei Deckeln sitzt (Fig. 39 und 42). Der Aufbau der Zylinder geschieht in folgender
                              									Weise:
                           In den Niederdruckzylinder wird der grosse Zwischendeckel eingelegt; die
                              									Metallstopfbüchse wird über die Kolbenstange geschoben und mit dem kleineren, in
                              										Fig.
                                 										39 enger schraffierten Deckel an dem grossen Zylinderdeckel
                              									festgeschraubt. Sodann wird der Hochdruckzylinder übergeschoben, der sich mit einer
                              									Zentner- und Dichtungsleiste auf den Deckel des Niederdruckzylinders stützt und mit
                              									seinen Flanschschrauben alle Teile festpresst. Eine Reihe Schrauben ist ausserdem
                              									oben am Schieberkasten
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 292
                              Bewegliche Laufachse der Baldwin Locomotive Works.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 292
                              Tandem-Zylinder, Bauart Vauclain.
                              
                           
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 293
                              Fig. 34. Santa Fé Type (Seitenansicht).
                              
                           angebracht, jedoch nur zur Befestigung, die Abdichtung geschieht durch die
                              									erwähnte Hanfstopfbüchse.
                           Die Untersuchung der inneren Stopfbüchse erfordert also jedesmal das Abnehmen des
                              									ganzen Hochdruckzylinders; um diese Arbeit zu ei leichtern, sind über den Zylindern
                              									die in Fig. 33 und 34 sichtbaren kleinen Kräne an der Rauchkammer angebracht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 293
                              
                           Das grosse überhängende Gewicht erfordert natürlich eine möglichst breite
                              									Befestigung am Rahmen, der an dieser Stelle deshalb auch als Platte ausgebildet ist,
                              									s. Fig. 35
                              									(Schnitt). Zu erwähnen ist noch, dass auch die Rohranschlüsse von den Zylindern nach
                              									dem Sattelstück mit Stopfbüchsen gedichtet sind, um alle Klemmungen zu
                              									vermeiden.
                           Die Wirkungsweise der Schieber entspricht der der bekannten Vauclainschen Bauart mit dem Unterschied, dass die einzelnen Kanäle weiter
                              									auseinander liegen. Der Dampf strömt durch das in Fig. 35 (Schnitt A–A) sichtbare Rohr in den äusseren Schieberkasten des
                              									Hochdruckzylinders, von dort durch einen der beiden (äusseren) Ringkanäle um den
                              									Schieberkörper herum in den Zylinder (Fig. 39 und 40, Schnitt
                              									durch den Schieberkasten). Der Auspuffdampf des Hochdruckzylinders geht durch den
                              									Schieber hindurch in das Innere der Laufbüchsen, die also hier den Aufnehmer
                              									vertreten, und wird durch den Niederdruckschieber in die Ringkanäle dieses Zylinders
                              									geleitet. Der Auspuff von hier geht um den Schieber herum in das Ausströmrohr.
                           Die Bauart und Wirkungsweise der ganzen Anordnung ist sicherlich sehr einfach, in
                              									bezug auf Wärmeausnutzung hat sie aber alle Mängel der Woolfschen Bauart. Besonders nachteilig ist jedenfalls die Unmöglichkeit,
                              									das Füllungsverhältnis der beiden Zylinder nicht ändern zu können.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)