| Titel: | Brinells Untersuchungen mit seiner Kugelprobe. | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 294 | 
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                        Brinells Untersuchungen mit seiner Kugelprobe.
                        (Schluss von S. 283 d. Bd.)
                        Brinells Untersuchungen mit seiner Kugelprobe.
                        
                     
                        
                           
                              3. Einfluss verschiedener Kohlenstoff-, Silizium- und
                                 										Mangangehalte auf die Härte von Eisen und Stahl.
                              
                           Brinell wendet schon seit einer Reihe von Jahren die
                              									Kugelprobe als Kontrolle der bekannten Schmiedeprobe beim Martinprozess an.
                           Zur Ausführung der Schmiedeproben dienten Gussproben von 75 × 75 × 100 mm; sie wurden
                              									bis auf 28 mm Stärke ausgeschmiedet und dann wurde ein Stück von 65 mm Länge für die
                              									Eindruckversuche abgetrennt. Um eine gewisse Einheitlichkeit in der Wärmebehandlung
                              									zu wahren, wurden sämtliche Probestücke bis 800° erhitzt und langsam an der Luft
                              									abgekühlt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 294
                              Fig. 5. Einfluss des Kohlenstoffgehaltes auf die Härtezahl bei Stahl mit 0,35
                                 										– 0,44 v. H. Mangangehalt und einander sieben verschiedenen
                                 										Siliciumgehalten
                              
                           Auf der Pariser Ausstellung im Jahre 1900 führte Brinell
                              									die Ergebnisse von ungefähr 1500 verschiedenen Schmelzen vor und hat damit ein
                              									ausserordentlich umfangreiches und wertvolles Material zur Beurteilung des
                              									Einflusses von Kohlenstoff, Silizium und Mangan auf die Härte geliefert. Axel Wahlberg hat die Brinellschen Ergebnisse zusammengefasst und nach wachsendem Mangangehalt
                              									systematisch in 11 Gruppen eingeteilt (s. Tab. II) derart, dass der
                              									Mangangehalt beträgt in Gruppe 1 = 0,18–0,24 v. H., in 2 = 0,25–0,34 v. H. und so
                              									fort, wachsend von Gruppe zu Gruppe um je 0,1 v. H. bis zu 1,15–1,24 v. H. bei
                              
                              									Gruppe 11.
                           In jeder Gruppe sind die Schmelzen wieder nach steigendem Silizium- und
                              									Kohlenstoffgehalt geordnet und die zugehörigen Härtezahlen angegeben. In Tab. II
                              									sind nur die Werte für die Gruppen 2, 3, 4 aufgeführt; ferner sind die Ergebnisse
                              									für Gruppe 3 in Fig. 5 graphisch dargestellt.
                           Phosphor- und Schwefelgehalt sind in der Urschrift nicht besonders angegeben, sondern
                              									es wird ganz: allgemein mitgeteilt, dass der Phosphorgehalt zwischen 0,024–0,029 v.
                              									H. und der Schwefelgehalt zwischen 0,005–0,020 v. H. schwankt.
                           Um den relativen Einfluss von Kohlenstoff, Silizium und Mangan auf die Härte besser
                              									verfolgen zu können, hat Wahlberg aus dem vorhandenen
                              									Material diejenigen Schmelzen herausgegriffen, deren Gehalt an zwei von den in
                              									Betracht kommenden drei Elementen innerhalb bestimmter ziemlich enger Grenzen:
                              									gleich ist, und hat nun die Härtezahlen dieser Schmelzen nach steigendem Gehalt des
                              									dritten Elementes geordnet.
                           Man erhält also für drei sonst gleich zusammengesetzte Gruppen getrennt den Einfluss
                              									von steigendem Gehalt an Kohlenstoff, Silizium und Mangan. In Tab. III ist für die
                              									miteinander zu Vergleichenden Schmelzen ein Kohlenstoffgehalt von 0,2–0,4 v. H.
                              									(Reihe 2 und 3), ein Siliziumgehalt von 0,1–0,5 v. H. (Reihe 1 und 3) und ein
                              									Mangangehalt von 0,2–0,6 v. H. (Reihe 1 und 2) zugrunde gelegt. Die Schlusswerte der
                              									Tab. III (s. a. Schaulinien Fig. 6) zeigen eine
                              									durchschnittliche Härtesteigerung für je 0,1 v. H.:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 um
                                 19,3
                                 Einheiten,
                                 
                              
                                 Silizium
                                 „
                                   6,4
                                 „
                                 
                              
                                 Mangan
                                 „
                                   4,0
                                 „
                                 
                              
                           Das Härtevermögen dieser drei Elemente verhält sich: also ungefähr wie
                              									1\,:\,\frac{1}{3}\,:\,\frac{1}{5}.
                           Die Kohlenstoffkurve A (Fig.
                                 										6) zeigt bei 1,05 bis 1,10 v. H. ein scharf ausgeprägtes Maximum, was
                              									beachtenswerterweise mit der Tatsache übereinstimmt, dass die Zugfestigkeit des
                              									Stahls bis ungefähr 1 v. H. Kohlenstoffgehalt steigt, dann aber mit steigendem
                              									Kohlenstoffgehalt abnimmt.
                           Tabelle II.
                           
                              Härtezahlen für Stahl, geordnet nach wachsendem
                                 										Kohlenstoffgehalt bei gleichem Gehalt an Mangan und Silizium.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 295
                              Kohlenstoffgehalt; Mangan v. H.;
                                 										Silizium v. H.; Härte-Zahlen
                              
                           Tabelle III.
                           
                              Veränderung der Härtezahl mit wachsendem Gehalt des Stahles
                                 										an Kohlenstoff, Silizium und Mangan bei sonst annähernd gleicher
                                 										Zusammensetzung.
                              
                           
                              
                                 Reihe 1.
                                 Reihe 2.
                                 Reihe 3.
                                 
                              
                                 Einfluss desKohlenstoffgehaltes
                                 Einfluss desSiliziumgehaltes
                                 Einfluss desMangangehaltes
                                 
                              
                                        Mangan  0,2–0,6 v. H.       Silizium 0,1–0,5 v.
                                    											H.
                                      Mangan       0,3–0,5 v. H.     Kohlenstoff 0,2–0,4 v.
                                    											H.
                                      Silizium      0,1 0,2 v. H.     Kohlenstoff 0,2–0,4 v.
                                    											H.
                                 
                              
                                 Kohlen-stoffv. H.
                                 AnzahlderChargen
                                 Härte-zahlMittel
                                 Siliziumv. H.
                                 AnzahlderChargen
                                 Härte-zahlMittel
                                 Manganv. H.
                                 AnzahlderChargen
                                 Härte-zahlMittel
                                 
                              
                                 0,100,150,200,250,300,350,400,450,500,550,600,650,700,750,800,850,900,951,001,051,101,151,20
                                   2  31013141513  7  8  81515141110  710  811  6  5  4  6
                                 103120126141149163166181205221229230238248256260270271277301271272266
                                 0,10–0,20–0,30–0,40–0,50–0,60–0,70––––––––––
                                 12–12–  7–10–  6–  9–  5––––––––––
                                 133–143–156–157–159–165–163––––––––––
                                 ––––0,30–0,40–0,50–0,60–0,70–0,80–0,90–1,00–1,10––
                                 ––––4–4–4–4–4–4–4–4–4––
                                 ––––130–134–140–141–143–147–154–158–158––
                                 
                              
                                 Mittlere Zunahme der
                                    											Härte-zahl für 0,1 v. H. Kohlenstoff= 19,3 Einheiten.
                                 Mittlere Zunahme der Härte-zahl für 0,1
                                    											v. H. Silizium= 6,4 Einheiten
                                 Mittlere Zunahme der Härte-zahl für 0,1
                                    											v. H. Mangan= 4,0 Einheiten.
                                 
                              
                           Die Steigerung der Härte ist dem Kohlenstoffgehalt nicht proportional, sondern
                              									nimmt mit steigendem Kohlenstoffgehalt rasch ab. Sie beträgt zwischen
                           C = 01–0,6 v. H, für je 0,1 v. H. 24
                              									Einheiten
                           und zwischen
                           C = 0,6–0,9 v. H. für je 0,1 v. H. 14
                              									Einheiten.
                           Auch die Siliziumkurve B (Fig.
                                 										6) zeigt eine Abnahme der Härtesteigerung mit zunehmendem Siliziumgehalt.
                              									Die Härtezunahme beträgt zwischen
                           Si = 0,1–0,3 v. H. im Mittel 12
                              									Einheiten
                           und für
                           Si = 0,3–0,6 v. H. im Mittel 3
                              									Einheiten
                           Bei ungefähr 0,6 v. H. Silizium scheint die Kurve einen Höchstwert zu erreichen, was
                              									allerdings noch nicht genügend gesichert ist, da Werte von höherem Siliziumgehalt
                              									als 0,7 v. H. nicht vorliegen. Während man früher eine gewisse Abneigung gegen
                              									Silizium hatte, gibt man neuerdings gewissen Sorten Werkzeugstahl einen höheren
                              									Gehalt an Silizium, da man erkannt hat, dass letzterer ohne die Härtbarkeit und
                              									Zähigkeit zu beeinträchtigen die Bearbeitbarkeit wesentlich erleichtert; eine
                              									Eigenschaft, die besonders bei der Herstellung von Fräsern zu schätzen ist.
                           Der Einfluss des Mangans auf die Härte ist nach Schaulinie C (Fig. 6) wesentlich geringer als der des
                              									Kohlenstoffs und auch des Siliziums. Die Härte nimmt ungefähr proportional mit dem Mangangehalt zu. Zur
                              									Entscheidung der Frage, ob bei 1,0 v. H. der höchste Wert für die Härte erreicht
                              									ist, reicht das vorliegende Material noch nicht aus, es müsste in bezug auf höhere
                              									Mangangehalte vervollständigt werden.
                           Betrachtet man die Tabelle II genauer, so machen sich eine Anzahl charakteristischer
                              									Unregelmässigkeiten bemerkbar, die nicht ohne weiteres auf Versuchsfehler
                              									zurückgeführt werden können, da sie bei mehreren Reihen wiederkehren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 296
                              Fig. 6. Veränderung der Härtezahl mit wachsendem Gehalt des Stahles an
                                 										Kohlenstoff, Silizium und Mangan bei sonst annähernd gleicher
                                 										ZusammensetzungGehalt an Kohlenstoff (Linie A), Silizium (B) oder Mangan
                                 										(C).
                              
                           Während bei weitem die Mehrzahl der senkrechten Zahlenreihen stetiges Wachsen der
                              									Härtezahlen mit steigendem Siliciumgehalt erkennen lässt, zeigen einige von ihnen
                              									bei einer gewissen Zusammensetzung, die Wahlberg die
                              										„kritische“ nennt, auffallend kleine Werte, z.B. die Reihen mit 0,5 und 1
                              									v. H. Kohlenstoff und 0,45–0,54 v, H. Mangan.
                           Die Zusammensetzungen
                           
                              
                                 C = 1,0 v. H.
                                 Mn = 0,45–0,54 v. H. u.
                                 Si = 0,3–0,4 v. H.
                                 
                              
                                 und
                                 
                                 
                                 
                              
                                 C = 0,5 v. H.
                                 „
                                 Si = 0,3 v. H.
                                 
                              
                           würden demnach „kritische“ sein.
                           Aehnliche Unregelmässigkeiten zeigen auch einige von den wagerechten Reihen in bezug
                              									auf den Einfluss ansteigenden Kohlenstoffgehaltes, z.B. die Reihe für 0,25–0,34 v.
                              									H. Mangan und 0,35–0,44 v. H. Silizium, in der die Härte 233 bei C = 1,00 v. H. auffallend gering ist.
                           Jedenfalls wäre es interessant, diese „kritischen Zusammensetzungen“ durch
                              									planmässige Erweiterung des vorhandenen Materials weiter zu verfolgen, wobei die
                              									metallographische Forschung zu Rate gezogen werden müsste.
                           
                        
                           
                              4. Einfluss des Ausglühens und der Kaltbearbeitung.
                              
                           Zuweilen kann es erwünscht sein, den Grad einer vorangegangenen Wärmebehandlung
                              
                              									festzustellen. Wenn dies auch vornehmlich Sache der Metallographie sein dürfte,
                              									so kann doch auch hier die Kugelprobe mit Erfolg angewandt werden, in Fällen
                              									nämlich, wo es genügt, ein ungefähres Bild zu erhalten. Brinell hat auch in dieser Richtung eine Anzahl Versuche ausgeführt, deren
                              									Ergebnisse in Tabelle IV zusammengestellt sind. Zehn Stahlsorten verschiedenen
                              									Kohlenstoffgehalts wurden teils im Anlieferungszustande, teils nach erfolgter
                              									Erhitzung auf Rotglut und Weissglut der Kugeldruckprobe unterworfen. Die Zahlen
                              									lassen erkennen, dass bei Erhitzung auf Rotwärme alle Sorten ungefähr gleichviel an
                              									Härte verloren, während die Erhitzung bis zur Weissglut für die höheren
                              									Kohlenstoffgehalte eine grössere Einbusse an Härte zur Folge habe als für die
                              									niederen.
                           Um festzustellen, inwieweit die Kugelprobe zur Beurteilung der erfolgten
                              									Kaltbearbeitung herangezogen werden könne, stellte Brinell folgende Versuche an. Zwei kaltgezogenen und hierauf ausgeglühten
                              									Stahlstangen von 25 mm Stärke und 1,2 v. H. bezw. 0,25 v. H. Kohlenstoffgehalt
                              									entnahm er je eine Probe, die mit 1,2 A und 0,25 A bezeichnet wurden. Die Reststücke wurden kalt durch
                              									ein Zieheisen von 24 mm Durchmesser gezogen, der Querschnitt also um 10 v. H.
                              									verkleinert und dann entsprechend Probestücke 1,2 und 0,25 B entnommen. Die Ergebnisse (Tab. V) zeigen nun, dass die Härte des
                              									weicheren Stahles infolge des Kaltziehens in höherem Masse wächst als die der
                              									härteren. Ein weiterer Versuch zeigt, bis zu
                           Tabelle IV.
                           
                              Einfluss der Glühhitze auf die Härte.
                              
                           
                              
                                 StahlNo.
                                 Material, wie esaus dem Walz-werk
                                    											kommt
                                 dunkelrot warm ge-macht und
                                    											langsamKohlenlösche ab-gekühlt
                                 weiss warm gemachtund langsam in
                                    											Koh-lenlösche abgekühlt
                                 
                              
                                 Härtezahl
                                 Härtezahl
                                 Verminde-rung derHärte v. H.
                                 Härtezahl
                                 Verminde-rung derHärte v. H.
                                 
                              
                                 1
                                 109
                                   97
                                 11
                                   94
                                 14
                                 
                              
                                 2
                                 126
                                 115
                                   9
                                 109
                                 14
                                 
                              
                                 3
                                 161
                                 143
                                 11
                                 132
                                 18
                                 
                              
                                 4
                                 172
                                 156
                                   9
                                 138
                                 20
                                 
                              
                                 5
                                 204
                                 194
                                   5
                                 151
                                 26
                                 
                              
                                   6a
                                 228
                                 202
                                 11
                                 159
                                 30
                                 
                              
                                   6b
                                 255
                                 235
                                   8
                                 179
                                 30
                                 
                              
                                 8
                                 273
                                 231
                                 15
                                 176
                                 36
                                 
                              
                                 9
                                 289
                                 258
                                 11
                                 189
                                 35
                                 
                              
                                 12
                                 302
                                 262
                                 13
                                 212
                                 30
                                 
                              
                           Tabelle V.
                           
                              
                                 Proben-be-zeichnung
                                 Chemische Analyse
                                 Härtezahl
                                 Härtesteige-rung infolge
                                    											derKalt-bearbeitung
                                 
                              
                                 Cv. H.
                                 Siv. H.
                                 Mnv. H.
                                 Sv. H.
                                 Pv. H.
                                 
                              
                                 1,2 A
                                 1,20
                                 0,33
                                 0,18
                                 0,012
                                 0,027
                                 88
                                 11,9
                                 
                              
                                 1,2 B
                                    98,5
                                 
                              
                                 0,25 A
                                 0,25
                                 0,06
                                 0,40
                                 0,020
                                 0,028
                                 45
                                 25,5
                                 
                              
                                 0,25 B
                                    56,5
                                 
                              
                           
                           welchem Grade die Kaltbearbeitung schliesslich getrieben
                              									werden kann. Ein Stahlrohr von 36 mm Aussendurchmesser wurde in mehreren Zügen ohne
                              									Ausglühen bis auf 26 mm Aussen- und 9,5 mm Innendurchmesser heruntergebracht, wobei
                              									das Rohr schliesslich ohne örtliche Verletzung infolge der übertriebenen
                              									Kaltbearbeitung der Länge nach aufsprang.
                           Für das kaltgezogene Rohr ergab sich die Härtezahl zu 286, nach dem Ausglühen zu 207.
                              									Durch das Kaltziehen war also die Härte des an und für sich harten Materials noch um
                              									40 v. H. erhöht werden.