| Titel: | Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. | 
| Autor: | M. Buhle, W. Pfitzner | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 337 | 
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                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der
                           								Weltausstellung in St. Louis 1904.
                        Von Professor M. Buhle und Dipl.-Ing. W.
                                 										Pfitzner,
                           								Dresden.
                        (Fortsetzung von S. 325 d. Bd.)
                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St.
                           								Louis 1904.
                        
                     
                        
                           2 × 3/3-gek. Güterzuglokomotive
                                 										(Rimrott-Mallet) der Baltimore & Ohio R.
                                 										R.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 337
                              Fig. 56. 2 × 3/3-gek. Güterzuglokomotive der American Locomotive Co.
                                 										(Schenectady-Werke).
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 337
                              Fig. 61. ⅗-gek. Personenzuglokomotive der American Locomotive Co. (Brooks
                                 										Werke).
                              
                           Die 2 × 3/3-gek. Mallet-Lokomotive (Fig.
                                 										56–60 und Zusammenstellung 1, No. 20, S. 258 und 259) ist zur Zeit die
                              									schwerste Maschine der Welt; sie ist entworfen von dem
                              									Chefingenieur der American Locomotive Co., C. J.
                                 										Mellin. Bekanntlich wird diese Lokomotivgattung bei Vollbahnen mit Vorliebe
                              									im Hügelland verwendet auf Strecken mit Steigungen bis zu etwa 1 : 30. Im besondern
                              									wurde diese Lokomotive von den Schenectady-Werken für
                              									den Dienst der „Baltimore- und Ohio-Eisenbahngesellschaft“ im Alleghany
                              									Gebirge zwischen Connelsville und Cumberland gebaut; die stärkste Steigung der
                              									Strecke beträgt etwa 1 : 100, und die kleinsten Kurven sind mit nur 213 m
                              									Halbmesser verlegt.
                           Sämtliche Räder der zwei dreiachsigen Dampfdrehgestelle sind Treib- bezw.
                              									Kuppelräder, so dass das Gesamtdienstgewicht von 153 t als Reibungsgewicht
                              									ausgenutzt ist. Das hintere, von den Hochdruckzylindern angetriebene Gestell trägt
                              									den grösseren Teil des Kesselgewichtes; das vordere Niederdruckgestell kann sich bis
                              									zu einer gewissen Grenze unter dem Kessel seitlich frei bewegen und ist einseitig
                              									durch zwei Gelenke mit langen, durchgehenden Bolzen an den Rahmen des
                              									Hintergestelles angeschlossen. Selbstverständlich ist durch die Beweglichkeit der
                              									Gestelle gegeneinander bedingt, dass auch die Verbindungen der Hochdruckzylinder mit
                              									den Niederdruckzylindern
                           
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 338
                              Fig. 57.
                              
                           bezw. der letzteren mit dem Auspuffrohre eine gewisse
                              									gegenseitige Verdrehung und Verschiebung zulassen. Der vordere Teil des Kessels ruht
                              									mittels zweier unten abgerundeter Stahlgusstücke, von denen das eine mit dem ersten
                              									Kesselschuss, das andere mit der Rauchkammer fest verbunden ist, auf entsprechend
                              									zwischen den vorderen Hauptrahmen angebrachten flachen Gleitlagerstücken. Das
                              									erstere Querstück dient in der Hauptsache zur Aufnahme und Uebertragung des
                              									Kesselgewichtes, während das zweite im wesentlichen zur Begrenzung der
                              									Seitenbewegung bestimmt ist. Durch daselbst vorgesehene Rückstellfedern wird nach
                              									einer Seitenverschiebung die Rückkehr in die Mittellage bei der Einfahrt aus einer
                              									Kurve in die Grade beschleunigt. Der starre Radstand jedes Gestelles beträgt 3,048
                              									m, der Gesamtradstand 9,347 m.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 338
                              
                           Die zum Hochdruckzylinderpaar führenden Dampfeinströmrohre sind von dem etwa in der
                              									Mitte auf dem Kessel sitzenden Dom aussen um den Langkessel herumgeführt, während
                              									das zugleich den Aufnehmer bildende Ueberströmrohr unten zwischen den Rahmen
                              									angeordnet ist. Kessel, Rohre und Zylinder sind gegen Wärmestrahlung bestens
                           
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 339
                              Fig. 62.
                              
                           geschützt. Während die Hochdruckzylinder mit
                              									Kolbenschiebern ausgerüstet sind, haben die Niederdruckzylinder entlastete Richardson-Flachschieber erhalten; die Steuerung ist
                              									bei allen vier Triebwerken nach Walschaert (Heusinger)Die erste
                                       												dieser Art in Amerika. durchgebildet. Die Umsteuerung
                              									wird, wie in den Vereinigten Staaten fast durchweg üblich, durch einen Handhebel
                              									bewirkt; jedoch kann der Lokomotivführer zur Unterstützung bei der Einstellung der
                              									vier Steuergehänge sich einer durch Druckluft betriebenen Hilfsvorrichtung bedienen,
                              									welche durch einen zweiten Hebel betätigt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 339
                              
                           Ein selbsttätiges Anfahrventil und ein vom Führer bedientes Wechselventil ergänzen
                              									die Steuerung in vorteilhaftester Weise. Dadurch könnte die normale Zylinderzugkraft
                              									von 32 t auf 38,5 t erhöht werden, wenn es das Reibungsgewicht der Lokomotive
                              									zuliesse.
                           Der aus drei Schüssen bestehende Kessel gehört zu der „straight top“-Gattung, d.h. er hat keine überhöhte
                              									Feuerbuchse. Die Quernähte besitzen zwei Nietreihen, L während die mit inneren und
                              									äusseren Laschen ausgestatteten Längsnähte deren sechs erhalten haben. Bei 519 qm
                              									Heizfläche hat diese Riesenmaschine nicht weniger als 6,7
                           
                           qm Rostfläche, deren Länge nahezu 3 m beträgt. Ein Bündel von 436 Rohren von 6,4
                              									m Länge zwischen den Rohrwänden füllt den mit seiner Längsachse über 3 m über S. O.
                              									liegenden Kessel, der Dampf von 16,5 Atm. Spannung erzeugt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 340
                              Einstellbare Laufachse der American Locomotive Co.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 340
                              Fig. 69. 3/3-gek. Verschiebelokomotive der American Locomotive Co. (Brooks
                                 										Werke).
                              
                           
                        
                           
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                              -gek. Personenzuglokomotive der Lake Shore & Michigan
                                 										Southern R. R. (Prairie Type).
                              
                           Diese Maschine, in den Fig. 61 bis 68 dargestellt,
                              									(Hauptabmessungen unter No. 22 in der Zusammenstellung 1, S. 258 und 259), zeigt
                              									eine Anordnung, die nach europäischen Anschauungen nicht als schnellfahrende
                              									Maschine angewendet werden sollte. Sie hat vorn nur eine einzige Laufachse, die
                              									Führung ist demnach nicht so gut wie bei Verwendung eines Drehgestelles. Der
                              									Vorzug der Bauart ist die geringe Länge bei drei Kuppelachsen; unbequem ist die
                              									Unterstützung der Kreuzkopfgleitbahnen, die nur mit Hilfe eines starken, für die
                              									erste Treibachse weit ausgeschnittenen Bleches möglich war, das weit oben am Kessel
                              									befestigt ist (s. Fig. 64).
                           Die Zwillingsmaschine ist ohne Besonderheiten, die Steuerung entspricht der in Fig. 55 (S.
                              									325) dargestellten der Rahmen wird unter der Feuerbüchse ebenfalls
                              									plattenförmig.
                           Das meiste Interesse bieten die einstellbaren Laufachsen, von denen die hintere eine
                              									neue, im allgemeinen der preussischen Adams-Achse
                              									ähnliche Bauart zeigt. Die in Fig. 66–68 näher
                              									dargestellte Achse ist in einem radial verschiebbaren Gusstück gelagert, das durch
                              									Federn in seiner mittleren Lage gehalten wird. Der Federdruck wird durch Stangen mit
                              									Kugelgelenken übertragen, um allseitige Beweglichkeit der Achsbüchse gegenüber dem
                              									Rahmen zu ermöglichen, die Druckübertragung vom Federgehänge des Hauptrahmens
                              									geschieht unmittelbar unter den Federbunden, die Gleitlager bestehen aus gehärtetem
                              									Stahl.
                           Der Kessel hat die Form „Radial Stay Type“, die
                              									Abmessungen der Feuerbüchse usw. sind die gewöhnlichen; die 344 Siederohre sind
                              									ziemlich 6 m lang.
                           ––––––––––
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 340
                              Fig. 70. 2/5-gek. Schnellzuglokomotive der American
                                 										Locomotive Co. (Brooks Werke) auf erhöhter Drehscheibe
                              
                           In Fig. 69 und 70
                              									sind noch zwei Lokomotiven in Ansicht wiedergegeben, von denen die eine, eine
                              									Verschiebelokomotive, der Brauerei von Anheuser Busch
                              									in St. Louis gehörig, ein Beispiel dafür war, dass auch in Amerika unter Umständen
                              									auf das Aeussere etwas gegeben wird. Die Maschine war sehr sorgfältig bemalt und
                              
                              									poliert, sehr im Gegensatz zu dem sonst unscheinbaren Aeusseren der anderen
                              									Lokomotiven. Als Verschiebemaschine für die beengten Fabrikgleise zeigt sie einen
                              									sehr kurzen Radstand von nur 3,4 m, dabei ist das mittlere Rad noch ohne Spurkranz
                              									ausgeführt. An der Maschine ist die sehr lange Schubstange besonders auffällig. Der
                              									verhältnismässig sehr schwere Schlepptender ist in Amerika bei allen
                              									Verschiebelokomotiven zu finden.
                           In Fig. 70 ist die schon (S. 244) erwähnte Lokomotive
                              									auf der Drehscheibe abgebildet, die inmitten des Transportgebäudes in Bewegung
                              									vorgeführt wurde. An der Lokomotive, die im allgemeinen völlig dem normalen Atlantic
                              									Type entspricht, sind die Kuppelräder mit je zwei Gegengewichten ausgerüstet, die
                              									nach der Angabe des Erfinders dieser Anordnung, Davis,
                              									einen besseren Massenausgleich ergeben sollen als die gewöhnliche Ausführung. Dass
                              									die Räder besser und ruhiger laufen, wie verschiedentlich behauptet wurde, ist wohl
                              									nur auf ihr erheblich grösseres Gewicht zurückzuführen. Auf die Konstruktion der
                              									Drehscheibe soll später eingegangen werden.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)