| Titel: | Der heutige Stand der Motorfahrräder. | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 345 | 
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                        Der heutige Stand der Motorfahrräder.
                        (Fortsetzung von S. 333 d. Bd.)
                        Der heutige Stand der Motorfahrräder.
                        
                     
                        
                           
                              b) Mehrzylindrige Motoren.
                              
                           Die Mehrzylindermotoren sind aus dem sich ständig steigernden Verlangen nach immer
                              									höherer Leistung des Motorzweirades hervorgegangen. Der Verwendung des luftgekühlten
                              									Einzylindermotors ist in der Verwirklichung dieses Bestrebens eine Grenze gezogen,
                              									die mit Motoren von 3½ PS erreicht sein dürfte, denn die Leistungsfähigkeit ist
                              									nicht allein durch Vergrösserung von Kolbenhub und Zylinderbohrung zu erzielen,
                              									sondern es müssten auch die Kühlflächen der Rippen im gleichen Masse vergrössert
                              									werden, als sich die Wärmeentwicklung erhöht. Da dieses jedoch aus technischen und
                              									Fabrikationsrücksichten nicht angängig ist, sucht man dem Heisslaufen der stärkeren
                              									Motoren durch Anwendung von zwei oder vier Zylindern kleinerer Abmessungen
                              									vorzubeugen (s. S. 262).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 345
                              Fig. 53. Zweizylinder-Motor zum Zweirad Fig. 13 S. 277 der
                                 										Wanderer-Fahrradwerke von Winklhofer & Jänicke.
                              
                           Fig. 53 zeigt einen solchen Zweizylindermotor der Wanderer-Fahrradwerke, der in Stärken von 4 und 5 PS
                              									gebaut wird. Seine Konstruktion ist in bezug auf Ausführung des Motorgehäuses, der
                              									Kolbenstangen samt Kolben, sowie der Räderübertragung nach dem Zündapparat fast
                              									dieselbe, wie die des Einzylindermotors (Fig. 43).
                              									Von diesem weicht sie in der Hauptsache nur durch die Anordnung zweier Zylinder und
                              									der selbsttätigen Ansaugventile – die über den
                              									Auspuffventilen liegen – ab. Die Ansaugventile sind aus dem bei Fig. 13, S. 277, erwähnten Grunde nicht gesteuert.
                              									Das Ansaugen geht bei diesen Ventilen durch die Saugwirkung des niedergehenden
                              									Kolbens vor sich, und zwar abwechselnd in einem der beiden Zylinder nach je zwei
                              									Kolbenhube, wobei das Gas durch Ansaugrohr 216 (Fig. 53) solange in den jeweiligen Zylinder
                              									einströmt, bis sein Kolben den tiefsten Stand erreicht hat.
                           Ueber den Ansaugventilen befinden sich in den Kniestücken 208 und 217, die schon auf S. 277 erwähnten
                              									Druckstifte 211 in Führungshülsen 213. Letztere haben einen geränderten Bund, und lassen
                              									sich auch ohne den Stift 211 niederdrücken, wobei in
                              									dieselben Erdöl zum Lösen verbrannter Rückstände an den Ventilen eingespritzt
                              									wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 345
                              Fig. 54. Zweizylinder-Motor zum Zweirad Fig. 16 S. 278 von Seidel &
                                 										Naumann.
                              
                           Die Auspuffventile sind gesteuert, und erhalten ihre genau begrenzte Bewegung durch
                              									die Nockenzahnräder 233. Letztere werden durch das auf
                              									der Motorwelle sitzende Zahnrad 231 in gleicher Weise
                              									angetrieben, wie dieses bei Fig. 43, S. 329, über
                              									die Steuerung des Ansaug- und Auspuffventils schon gesagt wurde, nur dass hier das
                              									Zahnrad 231 nicht in das erste, sondern in das zweite
                              									Nockenzahnrad 233 eingreift. Die Auspuffventile gleiten
                              									in Führungshülsen 219 und werden durch Federn 220 mit Gegendruckscheiben 221 und Splint 222 auf ihre Sitze gedrückt.
                              									Durch die Ventilstifte 223, die in den Führungshülsen
                              										224 gelagert sind, werden die Ventile mittels dem
                              									in 227 drehbaren Doppelhebel 225 und 226 angehoben, sobald die Nocken der Zahnräder 233 unter den bei Fig.
                                 										43 erwähnten Rollen des Doppelhebels 225 und
                              										226 hinweggleiten.
                           Die Zündung ist ebenfalls magnet-elektrisch. Der Zündapparat besitzt doppelte Magnete
                              									und der Unterbrecherring für den Abreisskontakt ist mit zwei Einkerbungen versehen,
                              									deren Lage einander gegenüber von der Geraden genau soviel abweicht, als der Winkel
                              									zwischen den beiden Zylindern beträgt. Dadurch wird Vor- und Nachzündung für beide Zylinder genau
                              									gleichmässig reguliert. Der Apparat besitzt ferner zwei Kohlenhalter, von welchen je
                              									ein Kabel zu den Zündkerzen führt.
                           Die Kraftübertragung auf die Schwungräder erfolgt im Gegensatz zum Motor Fig. 43 bei jeder
                              									Umdrehung derselben, ergibt also im gewissen Sinne eine Arbeitsweise des Motors im
                              									Zweitakt, da nach je zwei Bewegungen des Kolbens der eine von beiden einen
                              									Arbeitshub ausführt. Die beiden Kolbenstangen umschliessen mit ihren unteren Augen
                              									nebeneinander die gemeinsame Kurbelachse und sind auf dieser so angebracht, dass die
                              									eine Kolbenstange auf der verlängerten Bronzebüchse der anderen gelagert ist.
                           Das Anheben der Auspuffventile erfolgt durch die um den Punkt 281 drehbar gelagerten Hebel 283, und zwar
                              									gleichzeitig dadurch, dass an diese Hebel bei 284
                              									kleine Hebel 286 angelenkt sind, die ihren gemeinsamen
                              									Drehpunkt in 288 haben. Die Betätigung erfolgt von der
                              									Lenkstange aus mittels Zughebels und Drahtseilzug (Fig.
                                 										13). Letzterer ist längs des Lenkstangenarmes, des Steuer- und unteren
                              									Rahmenrohres geführt, und an dem Auge 287 befestigt.
                              									Durch die Zugfeder 290 werden die Ventilheber abwärts
                              									gezogen.
                           Dass es nicht zu den Unmöglichkeiten gehört, auch die Ansaugventile zu steuern, zeigt
                              										Fig. 54 an einem 3½ PS.-Zweizylinder-Motor,
                              									System Laurin & Klement.
                           Fig. 55 bis 57 zeigen den
                              									vierzylindrigen Motor von 3 PS der Fabrique Nationale.
                              									Auch bei ihm arbeiten die Ansaugventile a selbsttätig,
                              									während die Auspuffventile b durch die Steuerwelle 17 mittels der Nocken 22
                              									betätigt werden. Letztere sind so versetzt, dass sie mittels der Hebel c, die in e ihren
                              									Drehpunkt haben, die Ventilstifte d und somit die
                              									Ventile b nacheinander anheben.
                           Der Antrieb der Steuerwelle 17 geschieht mittels der
                              									Zahnräder 18, 19, 20 (Fig. 57), von denen
                              									letzteres auf der Kurbelwelle 12, ersteres dagegen auf
                              									der Steuerwelle 17 sitzt. Da nun zwei Umdrehungen der
                              									Kurbelwelle einer Umdrehung der Steuerwelle entsprechen müssen, so hat das Zahnrad
                              										20 der Kurbelwelle siebzehn Zähne, das Rad 18 der Steuerwelle dagegen vierunddreissig. Das ganze
                              									Getriebe ist zwischen dem Kurbelgehäuse und dem Deckel gelagert. Die Kurbelwelle ist
                              									vierfach gekröpft und ruht in fünf Lagern, von denen sich je eins zwischen je zwei
                              									Zylindern befindet, so dass die Geradeführung der Welle gesichert ist. Der vordere
                              									Teil der Welle betätigt durch das Zahnrad 20 die
                              									Zündungsvorrichtung, während ihr hinterer, aus dem Gehäuse hervorragender Teil, das
                              									Schwungrad 200 trägt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 346
                              Fig. 55.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 346
                              Magnetapparat zum Motor der Fabrique Nationale.
                              
                           Der am vorderen Teil des Kurbelgehäuses befindliche Magnetapparat besitzt ein
                              									Zahnrädchen 21 und wird, wie erwähnt, vermittels des
                              									Zahnrädchens 20 angetrieben. Wie Fig. 58 zeigt, sitzt
                              									das Kontaktstuck 7 auf der Achse des Ankers und trägt als Kontakt einen Platinstift
                              
                              									während der zweite Kontakt (Platinstift) auf einem schwingenden Doppelhebel 11 sitzt und durch eine Feder auf den Platinstift des
                              									Kontaktstückes gedrückt wird. Der Ring 13 (Fig. 59 und
                              										60), der innen zwei Erhöhungen 15 aufweist, sowie der Deckel 16 schliessen die Unterbrechervorrichtung ab.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 347
                              Fig. 55–57. Vierzylinder-Motor zum Motorzweirad Fig. 17 S. 278 der Fabrique
                                 										Nationale.
                              
                           Während sich der Unterbrecher dreht, sind die beiden Platinstifte in Bewegung. Sobald
                              									aber der Hebelarm eine der Erhöhungen des Ringes trifft, wird er abgedrückt, und die
                              									Platinstifte trennen sich so lange, bis der Hebelarm über die Erhöhungen
                              									hinweggeglitten ist, wonach sie sofort wieder gegeneinander gedrückt werden.
                           Da der Ring zwei Erhöhungen besitzt, so werden bei jeder Umdrehung zwei Funken
                              									erzeugt, und somit kommen vier Funken auf zwei Umdrehungen des Motors. Die Funken
                              									werden von dem Stromverteiler auf die verschiedenen Zylinder verteilt. Sie treten am
                              									Ende der isolierten Achse des Magneten auf.
                           Der Deckel 16 trägt in seinem Inneren eine federnde
                              									Kohlenbürste 17, welche sich gegen das Ende der Achse
                              									legt, und der Funke nimmt seinen Weg durch die Kohlenbürste 17, die Feder 16, die
                              									Mitte des Deckels und die äussere Feder zum Kohlenhalter 19, von wo er mittels Kabels zum Verteiler geführt wird.
                           Dieser ist aus isolierendem Material hergestellt und auf dem aus dem Zahnradgetriebe
                              									hervorragenden Ende der Daumenwelle 17 (Fig. 57 und 61)
                              									vernietet. In einer Vertiefung ist mittels zweier Schrauben 113 die Messingscheibe 102 angebracht. Sie
                              									trägt die Feder 110 mit Kohlenplättchen 112. In den Kohlenstifthalter und die Messingscheibe
                              									ist diametral ein Kanal gebohrt, welcher den Kohlenstift 108 und seine Feder 109 (Fig. 62) aufnimmt. Die
                              									Verteilerglocke 100 trägt in der Mitte den Kontakt 104. Rechtwinklig zur Achse sind ferner in Abständen
                              									von 90 ° vier seitliche isolierte Kontakte 103
                              									angebracht. Die Verteilerglocke bedeckt den Kohlenstifthalter; er ist in eine Rinne des
                              									Kurbelgehäuses aufgesetzt und durch eine seitliche Schraube gesichert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 348
                              Fig. 60. Verschlusskapsel zum Magnetapparat Fig. 58 und 59.
                              
                           Das vom Magneten kommende Kabel ist an den mittleren Kontakt angeschlossen. Die
                              									Funken pflanzen sich durch das Kabel, den mittleren Kontakt, das Kohlenplättchen,
                              									die Feder, die Messingscheibe und den Kohlen stift fort.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 348
                              Verteilerglocke zum Motor der Fabrique Nationale.
                              
                           Die Umdrehungsgeschwindigkeit des Verteilers ist halb so gross wie diejenige des
                              
                              									Magneten. Der Funke wird erzeugt in dem Augenblick, in dem der Kohlenstift mit einem
                              									der seitlichen Kontakte in Berührung kommt. Diese sind durch Kabel mit den
                              									entsprechenden Zylindern verbunden. Nach zwei Umdrehungen des Motors, also nach
                              									einer Umdrehung der Daumenwelle, befindet sich der Kohlenstift wieder in seiner
                              									ursprünglichen Stellung, nachdem er vier Funken an die Zylinder abgegeben hat.
                           Die Oelung des Motors geschieht vermittels der an der rechten des Oelreservoirs
                              									befindlichen Schmiervorrichtung, die das Oel durch Rohre in den vorderen und
                              									hinteren Teil des Motors verteilt (s. Fig. 17 S.
                              									278).
                           Das Oel, welches das Bestreben hat, sich am Boden des Kurbelgehäuses anzusammeln,
                              									wird von den Kurbeln der Welle in die verschiedenen Zylinder geschleudert.
                           Es fliesst an den Zylinder- und Gehäusewandungen herab in die oberhalb der
                              									Wellenlager befindlichen Schmiertöpfe und von hier aus in die Schmiernuten der
                              									Wellenzapfen. Seitlich aus diesen austretend, fliesst es dann in das Kurbelgehäuse
                              									zurück und beginnt den beschriebenen Kreislauf von neuem. Der Motor entwickelt bei
                              									1800 Umdrehungen nominell 3 PS.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 348
                              Fig. 63. Magnet-elektrische Zündung der Metall-Industrie Schönebeck a.
                                 										E.
                              
                           Bei all den bisher gezeigten Motoren – ausser der Vierzylinder-Type von Dürkopp
                              									Fig. 20 S. 280 – wird der Zündapparat entweder durch
                              									Zahnräder oder Kette von der Motorachse aus angetrieben. Dieses hat jedoch den
                              									Nachteil, dass sich die Kette nach einiger Zeit streckt oder die Zahnräder nützen
                              									sich ab. In beiden Fällen tritt eine Verschiebung des Zündzeitpunktes ein. Diesem
                              									Uebelstand sucht nun die Metall-Industrie Schönebeck
                                 										A.-G. in Schönebeck a. E. dadurch zu beseitigen, dass sie den
                              									magnet-elektrischen Zündapparat unmittelbar in das Schwungradgehäuse einbaut. Wie
                              										Fig. 63 zeigt, sitzt der als zweites Schwungrad
                              									ausgebildete Magnetkranz a auf der Kurbelwelle und
                              									dreht sich um den Anker b. Letzterer ist feststehend in
                              									einer getrennten Kammer des Kurbelgehäuses öldicht und staubsicher angebracht. Das
                              									Ganze ist durch die Kappe d verschlossen.
                           Durch diese Anordnung wird nicht nur ein auf die Dauer feststehender Zündzeitpunkt
                              									erzielt, sondern es kommt auch das tote Gewicht, das die bisherigen Apparate bilden,
                              									in Fortfall; da der Anker fessteht, fallen Schleifkontakte usw. fort. Ein weiterer
                              									Vorzug dieses Apparates ist, dass Beschädigungen, Verschmutzen, Verrosten usw.
                              									ausgeschlossen sind, was die Lebensdauer des Apparates beträchtlich verlängert.
                           Um den nötigen starken Funken zu erzielen, wird der im Apparat erzeugte Strom durch
                              									die Induktionsspule c auf Hochspannung
                              									transformiert.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)