| Titel: | Neuerungen auf dem Gebiete der Wellentelegraphie. | 
| Autor: | Adolf Prasch | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 380 | 
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                        Neuerungen auf dem Gebiete der
                           								Wellentelegraphie.
                        Von Ing. Adolf Prasch,
                           								Wien.
                        Neuerungen auf dem Gebiete der Wellentelegraphie.
                        
                     
                        
                           Die Entwicklung der Wellentelegraphie ist nunmehr, nachdem die massgebenden
                              
                              									Grundlagen durch die Arbeiten hervorragender Männer festgelegt erscheinen, in
                              									langsamere, dafür aber zielbewusstere Bahnen gelenkt worden. Es wird jetzt, fast
                              									ausschliesslich auf den durch Professor Braun
                              									gewiesenen Wegen, welche den Umschwung der Wellentelegraphie anbahnten, weiter
                              									gearbeitet und hierdurch eine Verbesserung der gegenseitigen Abstimmung zwischen
                              									Sender und Empfänger zu erreichen gesucht.
                           Diesbezüglich sind die verschiedenen Arten von Wellenmessern, mit deren Hilfe es
                              									ermöglicht wird, die Längen der von einem bestimmten Sender ausgestrahlten Haupt-
                              									und Nebenwellen genau festzustellen, von hervorragender Bedeutung.
                           Die Geheimhaltung der Nachrichten ist jedoch, wie bereits erwiesen, auf dem Wege der
                              									Abstimmung noch unmöglich, da eine Resonanzwirkung im genauen akustischen Sinne nur
                              									dann zu erreichen wäre, wenn der Sender ununterbrochene Züge ungedämpfter Wellen
                              									entsenden würde. Wiewohl nun diesbezügliche Anläufe vorliegen, so ist es z. Z. noch
                              									nicht gelungen, dem Endziele wesentlich näher zu rücken. Um jedoch eine vollkommene
                              									Geheimhaltung dennoch zu ermöglichen, wird das Augenmerk in neuerer Zeit vielfach
                              
                              									der gerichteten Wellentelegraphie zugewendet, durch welche die entsendeten Wellen
                              									nur in eine bestimmte Richtung gelenkt werden und sich nicht, wie bisher, nach allen
                              									Richtungen im Raume verbreiten können.
                           Der Ausgestaltung der einzelnen für die Wellentelegraphie benötigten Hilfsapparate
                              									wird die grösste Aufmerksamkeit gewidmet und getrachtet, dieselben nicht nur
                              									empfindlicher, sondern auch widerstandsfähiger zu machen. Insbesondere trifft dies
                              									für die Wellenanzeiger zu, deren ursprüngliche Form (Fritter) nunmehr ganz verlassen
                              									zu werden scheint, nachdem es gelungen ist, auf elektrolytischen und bolometrischen
                              									Wirkungen beruhende derartige Instrumente zu schaffen, deren Empfindlichkeit
                              									die der besten Fritter um ein vielfaches übersteigt.
                           Trotz der sorgfältigsten Untersuchungen und Forschungen ist es bis heute noch nicht
                              									gelungen, über die Art und Weise der Fortpflanzung der elektrischen Wellen ein
                              									vollkommenes Bild zu gewinnen, was ja auch nicht wundernehmen kann, da hier der
                              
                              									experimentelle Nachweis fast vollständig versagt. Insofern stimmen die Ansichten der
                              									Forscher überein, dass die Fortpflanzung der Wellen längs der Erdoberfläche erfolgt,
                              									dieselben sozusagen längs der Erdoberfläche gleiten, wie dies bei elektrischen
                              									Wellen längs der Drähte der Fall ist.
                           Darüber sind aber die Ansichten noch geteilt, ob die Wellen sich stetig vergrössern
                              									oder ob sie in der Form und Grösse gleich bleiben. Im ersteren Falle würde deren
                              									Intensität mit zunehmender Entfernung im geometrischen, im letzteren Falle hingegen
                              									nur im einfachen arithmetischen Verhältnisse abnehmen. Erstere Ansicht wird von Fessenden, letztere hingegen von Taylor verfochten. Fessenden gelangt auf Grund seiner Versuche zur Ansicht, dass die nach
                              									seinem Systeme der drahtlosen Telegraphie erzeugten elektrischen Wellen sich von den
                              									elektrischen Wellen anderer Systeme unterscheiden und er bezeichnet daher diese
                              									Wellen als hallfreie Aetherwellen. Es dürfte daher nicht ohne Interesse sein, die
                              									Ansicht des bekannten Physikers und Elektrotechnikers Professor Blondel hier vorzuführen, welcher sich auf Grund seiner
                              									theoretischen Forschungen den Anschauungen Fessendens
                              									zuneigt aber nachweist, dass die Annahme solcher Wellen durchaus nicht notwendig ist
                              									und sich alle Erscheinungen auf Grundlage der von Hertz
                              									entwickelten Gesetze zwanglos erklären lassen.
                           Ueber die praktischen Ausführungen wellentelegraphischer Einrichtungen wurde bisher
                              									äusserst wenig verlautbar und schien es daher von Wert, auch hierüber, soweit
                              									Material vorlag, einiges zu bringen. Die praktischen Winke für die Ausführung
                              									solcher Einrichtungen, wie solche von de Forest, einem
                              									der gründlichsten Kenner dieses Gebietes, gegeben wurden, dürften wohl auch einigen
                              									Nutzen bringen. Um eine gewisse Einteilung festzuhalten, gelangen hier vorerst die
                              									theoretischen Untersuchungen, sodann die Neuerungen an Wellenmessern und
                              									Wellenanzeigern zur Vorführung, worauf erst auf die verschiedenen Systeme der
                              									drahtlosen Telegraphie übergegangen und zum Schlusse der praktischen Winke für die
                              									Ausführung gedacht wird.
                           
                        
                           
                              Blondels Theorie über die Form und Fortpflanzung
                                 										elektrischer Wellen.
                              
                           Nach Taylor wandern die elektrischen Wellen als halbe
                              									Ellipsen von stets gleicher Höhe längs der Erdoberfläche und nehmen nur im
                              									Durchmesser zu (Fig. 1). Diese Darstellung rührt
                              									nach Blondel nur von einer unvollständigen Auslegung
                              									der theoretischen Untersuchungsergebnisse von Hertz
                              									her. Er weist nun in einfacher Weise nach, dass die Darstellung des Feldes in der
                              									Nähe des Sendedrahtes mit den Ergebnissen der Hertzschen Forschungen übereinstimmt und sich in vollkommenem Einklänge mit
                              									der Entstehung weit wandernder sphärischer Wellen befindet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 380
                              Fig. 1.
                              
                           Nach Blondel ist ein geerdeter Sendedraht einem Hertzschen Oszillator von der doppelten Länge des
                              									Luftdrahtes (AA'
                              									Fig. 1) gleichwertig. Die gedachte Verlängerung OA' des Luftdrahtes bildet das elektrostatische
                              									Spiegelbild in bezug auf die Erdoberfläche. Das in der Umgebung eines solchen
                              									geradlinigen Oszillators AA' (Fig. 2) entstehende
                              									Feld ist dem von Hertz festgestellten Felde vollkommen
                              									gleich.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 380
                              
                           Dieses Feld bildet sich aus kleinen in sich geschlossenen Schlingen oder Schleifen,
                              									die sich später auflösen, mit ihren Enden senkrecht zu dem Drahte nach beiden
                              
                              									Richtungen fortschreiten und sich hierbei immer weiter ausdehnen. Die Verwendung
                              									eines endlichen geradlinigen Erregers für den Oszillator ändert an der Erscheinung
                              									qualitativ nichts und muss man daher bei dem grösseren Erreger ebenfalls Schleifen
                              									erhalten, die den das Kraftfeld darstellenden Störungskreis bilden. Die Art und
                              									Weise, wie sich die Schleifen loslösen und als Wellen weiter wandern, kann, wie
                              									bereits Fleming gezeigt hat,D. p. J. 1904, Bd. 319, S. 380. aus den von Hertz gegebenen Figuren abgeleitet werden.
                           Die positiven und negativen Ladungen oder Elektronen schreiten in entgegengesetzten
                              									Linien gegen die Enden des Erregers vor, bleiben hierbei jedoch durch Kraftlinien
                              									ebenso verbunden wie in dem Falle, in welchem eine gewisse Elektrizitätsmenge
                              									oder Masse in ihre Elektronen zerlegt wird. Diese elektrischen Kraftlinien bilden zu
                              									Beginn der Bewegung Schleifen von ansteigendem Umfange. Die nach auf- und abwärts
                              									wandernden Elektronen unterliegen aber an den Enden der Drähte einer Reflektion und
                              									bewegen sich in entgegengesetzter Richtung, wodurch sich die Schleifenenden wieder
                              									nähern (Fig.
                                 										2). Infolge der Trägheit überspringen die Elektronen den
                              									Gleichgewichtspunkt O, wodurch die Kraftlinien sich
                              									kreuzen (Fig.
                                 										3) und endlich vom Drahte loslösen und in sich geschlossen ihren Weg als
                              									freie Wellen fortsetzen (Fig. 3 und 4). Die
                              									Gegenwart der Erde gestattet aber nur die Aufrechterhaltung der oberen Hälfte dieser
                              									Schleifen.
                           Die so gebildeten Schleifen schreiten hierbei aber nicht durch einfache
                              									Bewegungsübertragung fort und behalten ihre Form bei, wie dies Fig. 1 voraussetzt, sondern haben das Bestreben, sich
                              									nach allen Richtungen hin auszudehnen, und wachsen während der Fortpflanzung längs
                              									der Erde ununterbrochen in die Höhe, krümmen sich zu gleicher Zeit gegen die
                              									vertikale Achse des Luftdrahtes und nehmen endlich durch Vereinigung die
                              									halbkreisförmige Form an. Dieser Vorgang ist in Fig.
                                 										5 dargestellt. Die halbkreisförmige Form der Kraftlinien wird in
                              									Wirklichkeit jedoch nicht so rasch erreicht, wie dies in der Figur, welche keinerlei
                              									Ansprüche auf mathematische Genauigkeit macht, dargestellt ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 380
                              Fig. 5.
                              
                           Sobald sich die ausbreitenden Schleifen mit ihren Enden an der Achse vereinigen, um
                              									vollkommen halbkreisförmig zu werden, wird die Fortpflanzung rein transversal und
                              									erfolgt mit der Geschwindigkeit des Lichtes. Solange jedoch diese Linien nicht jene
                              									Entfernung erreicht haben, in welcher sie die sphärische Form annehmen., folgt das
                              									Kraftfeld weit komplizierteren Gesetzen, die Kraftlinien oszillieren, wie dies Hertz nachgewiesen hat, und bewegen sich nicht mit der
                              									Geschwindigkeit des Lichtes. Die hierbei auftretenden Erscheinungen sind auch schwer
                              
                              									zu erklären, doch ist eine solche Erklärung auch nicht notwendig, da es sich hier
                              									nur darum handelt, eine Vorstellung über das zu gewinnen, was in grosser Entfernung
                              									vor sich geht, und genügt für diese Zwecke die gegebene schematische Darstellung
                              									vollkommen.
                           Zum Zwecke der Klarlegung des Vorganges stellt Blondel
                              									eine einfache Hypothese über die in dem Luftdrahte auftretenden Oszillationen auf.
                              									Er nimmt an, dass diese Schwingungen ähnlich wie die Schwingungen in einer offenen
                              									Pfeife, die an der Basis erregt wird, als Funktion der Zeit sinoidal verlaufen.
                              									Hierzu ist er nach den Untersuchungen von Slaby
                              									berechtigt, welche ergeben, dass der erregte Luftdraht am Erdungspunkt stets einen
                              									Spannungsknoten und einen Strombauch und am freien Ende einen Spannungsbauch und
                              									einen Stromknoten aufweist (Fig. 6).
                           Vernachlässigt man die an den reflektierenden Enden des Luftdrahtes
                              									auftretenden Störungen, was zulässig ist, da eine Aenderung der Form der Drahtenden
                              									oder das Hinzufügen von kleinen Kugeln, Scheiben oder verschiedener Arten von
                              									Spitzen eine Aenderung der Wellenlänge nicht hervorruft, und lässt man ferner die
                              									Aenderungen der Kapazität und der linearen Induktion des Leiters unberücksichtigt,
                              									so kann man die Stromgleichung einfach schreiben:
                           J=J_o\,\mbox{cos}\,\frac{\pi^2}{2\,H}\,\mbox{sin}\,\pi\,\frac{V\,t}{2\,H'},
                           wobei J den Strom an dem Punkte
                              										z zur Zeit t, Jo die Amplitude von J,
                                 										z die Höhe des betrachteten Punktes, H die
                              									Höhe des Luftdrahtes und V die Geschwindigkeit des
                              									Lichtes bezeichnet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 381
                              Fig. 6.
                              
                           Auf Grund dieser Annahme hat Blondel eine annähernde
                              									Berechnung durchgeführt, welche die Verteilung der Energie in einer Welle grosser
                              									Entfernung erkennen lässt. Da die Weitläufigkeit dieser Berechnung eine vollständige
                              									Wiedergabe ausschliesst, seien hier nur die Schlussergebnisse dieser Berechnung
                              									vorgeführt. Nach denselben ist die Aenderung der Kräfte in dem Felde eine Funktion
                              									des Winkels Φo, d. i.
                              									des Winkels zwischen der Richtung eines Stromelementes und einem Vector, welcher
                              									senkrecht zu den elektrischen und magnetischen Kräften steht, was sich durch den
                              
                              									Ausdruck
                           \frac{\mbox{cos}\,\left(\frac{\pi}{2}\,\mbox{cos}\,\theta_o\right)}{\mbox{sin}\,\theta_o} . . . . . . . 1)
                           darstellen lässt.
                           Auf der andern ändert sich die Energie senkrecht zu dem radialen Vector von Poynting entsprechend dem Ausdrucke
                           \frac{\mbox{cos}^2\,\left(\frac{\pi}{2}\,\mbox{cos}\,\theta_o\right)}{{J_o}^2\,\mbox{sin}^2\,\theta_o} . . . . . 2)
                           Es ist nun leicht zu ersehen, dass die Stärke des Empfanges von der Energie abhängt,
                              									welche der Empfangsdraht aufnimmt. Dies steht für thermische oder analoge
                              									Wellenempfänger ausser Zweifel, trifft aber auch für alle Wellenanzeiger der
                              									Frittertype zu, welche nur für den elektrischen Stoss bei Ankunft eines Wellenzuges
                              									empfindlich sind. Das Entstehen der Frittung ist allerdings von einer bestimmten
                              									Spannung abhängig, aber es ist, da ein Zusammenschmelzen der einzelnen
                              									Metallteilchen (Brückenbildung) angenommen wird, hierfür unbedingt auch eine
                              									gewisse, wenn auch minimale Elektrizitätsmenge erforderlich. Das Fritten wird
                              									demnach durch das Produkt aus Spannung und Stromstärke bestimmt. Führt man zwei
                              									Luftdrähten von gleicher Höhe dieselbe elektromotorische Kraft zu, so wird der Draht
                              
                              									mit grösserer Oberfläche auch die grössere Elektrizitätsmenge aufnehmen und auch,
                              									wie dies durch den Versuch nachgewiesen wurde, auf den Empfänger energischer
                              									einwirken als der andere Draht. Es ist demnach die vom dem Empfangsdraht in Form von
                              									magnetischen und elektrischen Kraftlinien aufgenommene Energie, welche den Empfang
                              									beeinflusst. Die Empfindlichkeit kann demnach dem radialen Vector als proportional
                              									angesehen werden, und ist der Ausdruck hierfür
                           r = ro
                              									– z cos θo . . . . . 3)
                           Hieraus ergibt sich auch mit aller Bestimmtheit, dass die Wirkung der Wellen im
                              									umgekehrten Verhältnis zum Quadrat der Entfernung und nicht, wie Taylor annimmt, im einfachen umgekehrten Verhältnis zur
                              									Entfernung abnimmt.
                           Betrachtet man die dem Faktor 2) entsprechende Kurve als Funktion des Winkels Φo, so erhält man die
                              									relativen Werte durch die Vectoren der Fig. 7
                              									dargestellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 381
                              Fig. 7.
                              
                           Man sieht aus dieser Kurve nebst den beigegebenen Zahlen, dass die Energie um so
                              									schneller abnimmt, je mehr man sich über den Horizont erhebt. Es stimmt sonach die
                              									gegebene Theorie mit den Beobachtungen verschiedener Forscher auch in dieser
                              									Beziehung überein. Besonders Ferrié, welcher
                              									Untersuchungen in einem Luftballon anstellte, konnte nachweisen, dass die Güte des
                              									Empfanges mit zunehmender Höhe beträchtlich sinkt. Es ist ferner ganz ausser
                              									Zweifel, dass die Verteilungskurve die gleiche Form in allen Entfernungen beibehält.
                              									Es ergibt sich hieraus weiteres, dass bei grosser Entfernung der Abstand des
                              
                              									Empfängers von der Erde geringer sein muss, um wahrnehmbare Signale zu erhalten, und
                              									dies umsomehr, als die Energie in absoluten Werten abnimmt.
                           Diese Theorie, bei welcher die Erde als absoluter Leiter angenommen wurde, ist für
                              									die Uebertragung über Wasser unmittelbar anwendbar. Sie ist aber in dem Falle der
                              									Fortpflanzung über schlecht leitende Erde, welche in diesem Falle als ein halbes
                              									Dielektrikum zu betrachten ist, nur annähernd richtig. Die Erdformation wirkt zwar
                              									auf die Fortpflanzung der Wellen bei grosser Entfernung ein, hindert aber die
                              									Fortpflanzung nicht, wie sich dies aus der Fortpflanzung elektrischer Wellen längs
                              									leitender Körper von selbst ergibt. Die Wellen drehen sich nur in einer solchen
                              									Weise, dass sie der Oberfläche folgen können, wie dies durch die Versuche von Sarrazin, de la Rioe, Blondlot u.a. erwiesen wurde.
                           Es genügt nach vorstehendem, die einfache Benutzung der bekannten Eigenschaften der
                              										Hertzschen Wellen, um alle die beobachteten
                              
                              									Erscheinungen in ausreichender Weise erklären zu können, ohne dass es notwendig ist,
                              									wie dies von anderer geschehen (Fessenden), diesen
                              									Wellen neue oder geheimnisvolle Eigenschaften zuzuschreiben. Es liess sich auf diese
                              									Weise, ungeachtet der sehr verschiedenen Bedingungen und ohne die komplizierteren
                              									Vorgänge in der Nähe des Luftdrahtes zu analysieren, der theoretische Nachweis dafür
                              									erbringen, dass auf sehr grosse Entfernung die Fortpflanzung der von einem
                              									Luftdrahte erzeugten Wellen jener von halbkreisförmigen Wellen entspricht.
                           Da nun halbkreisförmige Wellen polarisierte Wellen: sind, so können sie auch die
                              									Energie in allen Winkelrichtungen nicht in der gleichen Weise fortpflanzen, sondern
                              									haben in der horizontalen Richtung die grösste, gegen den Zenith hingegen gar keine
                              									Wirkung.
                           
                        
                           
                              Der Multiplikationsstab als Wellenmesser.
                              
                           Die Wellenmesser gewinnen für die Funkentelegraphie eine immer grössere Bedeutung.
                              									Ein praktisch verwertbares Instrument muss folgenden Bedingungen entsprechen: 1. Die Wellenlänge
                              									ist so anzugeben, wie sie sich im freien Raume ausbildet. 2. Es muss eichfähig,
                              									handlich, leicht transportabel sein und 3. eine genaue Messung bis zu 1 v. H.
                              									zulassen.
                           Der von Professor Slaby hergestellte Multiplikationsstab
                              									entspricht allen diesen Bedingungen. Er ist nichts weiteres als eine entsprechend
                              									ausgebildete Resonanzspule. Nach der interessanten theoretischen Entwicklung der
                              									Grundgesetze, der hier leider nicht gefolgt werden kann, lässt sich jedes beliebige,
                              									geerdete Drahtgebilde dann in maximale Eigenschwingungen versetzen, wenn es von
                              									freien Wellen getroffen wird, deren Frequenz dem Produkte aus Kapazität und
                              									Selbstinduktion dieses Drahtgebildes entspricht. Es ist sonach dieses Produkt,
                              									welches von Slaby mit dem Namen
                              										„Schwingungskapazität“ belegt wurde, allein für das Auftreten der
                              									Resonanz von bestimmendem Einfluss. Es schwingen sonach alle geerdeten Drahtgebilde,
                              									die mit einer bestimmten Frequenz elektrisch erregt werden, dann in Resonanz, wenn
                              									sie Schwingungskapazitäten besitzen, welche die Gleichung
                           T = 2 π
                                 										√CL
                           erfüllen.
                           Wenn nun auch der Wert von C sehr verschieden sein kann
                              									und die Energie der Eigenschwingung um so grösser wird, je grösser die Kapazität und
                              									je kleiner die Selbstinduktion des Schwingungskreises ist, muss man bei einem
                              									solchen Wellenmesser, um die Wirkungen sichtbar zu machen, die Kapazität so wählen,
                              									dass eine möglichst grosse Oberflächenspannung und damit verbundene starke
                              									Elektronenstrahlung entsteht, oder mit anderen Worten eine sehr kleine Kapazität mit
                              									grösser Selbsinduktion vereinigen.
                           Dies wird in einfachster Weise durch Anordnung des Schwingungsleiters in Spulenform
                              									erreicht, wodurch allerdings auf eine magnetische Fernwirkung der Schwingungen
                              									verzichtet wird.
                           Die diesbezüglich durchgeführten Versuche und Berechnungen ergaben, dass die
                              									Elektronenstrahlung einer solchen Spule hauptsächlich von der Ganghöhe der Windungen
                              									abhängt, welche möglichst klein sein soll. Will man daher den Multiplikationsstab
                              									als Messinstrument verwenden, so sind für denselben nur Drähte von sehr kleinem
                              									Durchmesser mit sehr dünner Isolierung zu verwenden. Mit Kupferdraht von 0,1 mm
                              									Dicke und einfacher Seidenumwicklung wurden ganz gute Ergebnisse erzielt, bessere
                              									aber mit dem gleichen Draht, dessen Isolation aus einem äusserst dünnen Ueberzug von
                              									Zellulose-Acetat bestand.
                           Die Wirkung hängt aber auch von der Länge der Stäbe, sowie dem Material ab, auf
                              									welches der Draht gewickelt wird. Die Eigenschwingungen der Spule lassen sich
                              									annähernd berechnen und ist hierbei ein Koeffizient zu berücksichtigen, welcher von
                              									einer gewissen Länge des Stabes ab als eine Konstante des Stabes betrachtet werden
                              									kann und bei Verwendung gleichen Materials und konstanter Ganghöhe nur eine Funktion
                              									der Stabdicke ist. Ist demnach die Kurve dieses Koeffizienten einmal ermittelt, so
                              									lässt sich die Teilung des Stabes leicht durch Rechnung finden.
                           Um nun die Wellenlänge eines Schwingungskreises mittels eines solchen
                              									Multiplikationsstabes messen zu können, ist es notwendig, dass dessen
                              
                              									Schwingungskapazität so verändert werden kann, dass sie der aufgedrückten Frequenz
                              									entspricht, was durch Zu- und Ausschalten von Windungen, wie dies Fig. 8 zeigt, geschieht. Eine oberhalb befindliche
                              									Skala lässt sodann die Wellenlängen unmittelbar ablesen.
                           Eine richtige Wellenmessung mit diesen Multiplikationsstäben ist jedoch nur dann
                              									möglich, wenn er in einer Viertelwelle schwingt. Es muss daher die
                              									Schwingungsenergie des zu messenden Kreises auf dem Multiplikationsstab unter
                              									Aufrechterhaltung dieser Bedingung übertragen werden. Ein unmittelbarer
                              
                              									Draht-Anschluss ist unzulässig, weil dadurch eine Verzerrung der Welle eintritt und
                              									der Anschlusspunkt im allgemeinen kein Knotenpunkt ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 382
                              Fig. 8.
                              
                           Der Multiplikationsstab muss sich daher (Fig. 9)
                              									stets in einer solchen Entfernung vom Schwingungskreise befinden, dass er weder eine
                              									Rückwirkung auf diesen ausübt, noch dass dessen Kapazität vom Schwingungskreise
                              									beeinflusst werden kann.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 382
                              Fig. 9.
                              
                           Die Messung erfolgt in der Weise, dass man den einseitig in einer Metallfassung
                              									endigenden Stab an dieser mit der linken Hand hält und sodann den mit der Erde
                              									verbundenen Schuber solange verschiebt, bis erzürn Sprühen gelangt. Die freie Spitze
                              									des Stabes soll hierbei dem Schwingungskreise zugewendet werden. Man wählt zu diesem
                              									Zwecke am besten jene Stellen des Schwingungskreises, an welchem sich die stärksten
                              									Oberflächenspannungen ausbilden, also zwischen Kondensator und Spule. Befestigt man
                              									an dieser Stelle des zu messenden Kreises ein zugespitztes Drahtstückchen, welches
                              									nach Versuchen dessen Frequenz nicht ändert, so nimmt das Sprühen des
                              									Multiplikationsdrahtes zu und man kann sich mit ihm weiter vom Schwingungskreise
                              									entfernen. Der Schuber des Stabes ist durch einen Litzendraht mit einem Metallteller
                              									verbunden, welcher auf den Erdboden gelegt wird. An und für sich genügt schon die
                              									Erdung durch den Körper selbst, allein das Sprühen wird bei dieser Anordnung
                              									wesentlich verstärkt, und macht sich dies auch dann bemerklich, wenn der Teller auf
                              									Holzboden liegt.
                           Zur sicheren Messung muss jedoch, wie bereits erwähnt, der Multiplikationsstab in
                              									einem gewissen Abstand, etwa ½–1 m vom Schwingungskreise gehalten werden. Die bei
                              									Eintreten der Resonanz auftretenden Sprühfunken sind sehr schwach und wegen ihrer
                              									blauvioletten Farbe kaum zu erkennen.
                           Um die Wirkung zu verstärken, lässt man die violette Strahlung auf fluoreszierende
                              									Substanzen wirken. Zu diesem Zwecke werden kleine Plättchen mit Kristallen von
                              									Baryumplatinzyanür bedeckt und unier die Spitze des Stabes gebracht, wodurch ein
                              									intensiv hellgrüner Lichtpunkt erhalten wird, der auch im unmittelbaren Sonnenlicht
                              
                              									erkennbar bleibt. Eine fackelartige Ausbreitung des Leuchtens wird dadurch erreicht,
                              									dass man Blattgold auf den fluoreszierenden Plättchen verreibt. Das Erscheinen einer
                              
                              									blitzartig auftretenden Lichtfackel zeigt dann die erreichte Abstimmung an.
                           Die Eichung der Stäbe unmittelbar auf Wellenlängen, wie sie sich im freien Raume
                              									ausbreiten, bot anfänglich viele Schwierigkeiten, da sowohl die Berechnung der
                              									Frequenz von Schwingungskreisen mit eingeschalteten Flaschenkapazitäten zu grossen
                              									Ungenauigkeiten führt und sich auch die Selbstinduktionen nicht einwandfrei
                              									berechnen lassen. An geradlinig gestreckten blanken Drähten erfolgt die Ausbreitung
                              									der Schwingungen mit der gleichen Geschwindigkeit wie im freien Raume; es konnte daher
                              									angenommen werden, dass die an ihnen gemessenen Wellenlängen mit jenen im freien
                              
                              									Raume übereinstimmen. Um den Einfluss benachbarter Metallmassen zu beseitigen, wurde
                              									die Eichung im freien Rsume an langen 2 m über den Erdboden gespannten Drähten, die
                              									in der Mitte durch eine Funkenstrecke erregt wurden, vorgenommen. Die Einstellung
                              									der Multiplikationsstäbe erfolgte im Dunklen an den Drahtenden in einer solchen
                              									Entfernung, dass eine Kapazitätsänderung ausgeschlossen war.
                           Für den praktischen Gebrauch werden drei Multiplikationsstäbe mit verschiedenem
                              									Messbereiche in einem leicht transportablen Etui untergebracht. Die Bezeichnung,
                              									Abmessungen und Messbereich dieser Stäbe zeigt nachstehende Tabelle.
                           Für Messung grösserer Wellenlängen kann noch ein Stab mit etwas grösserem
                              									Durchmesser, dessen Messbereich bis zu \frac{\lambda}{4}=300\,m reicht, hinzugefügt werden.
                           
                              
                                 Bezeichnungder Stäbe
                                 Durchmesserin mm
                                 Länge in cm.
                                 Messbereich für λ/4in m.
                                 
                              
                                 
                                    A
                                    
                                 1
                                 80
                                   25–  50
                                 
                              
                                 
                                    B
                                    
                                 2
                                 80
                                   50–100
                                 
                              
                                 
                                    C
                                    
                                 4
                                 80
                                 100–200
                                 
                              
                           Die Stäbe sind mit seideumsponnenem Kupferdraht von 0,1 mm Kupferseele gewickelt und
                              									haben eine durchschnittliche Ganghöhe von 0,2 mm.
                           Bei Verwendung von Kupferdraht gleicher Dicke, der mit einer äusserst dünnen Schicht
                              									Zellulose-Ocetat überzogen ist und welcher eine Ganghöhe von 0,1 mm zulässt, können
                              									die Stäbe bei gleichem Messbereiche die Hälfte der angegebenen Länge haben.
                           Zur Bestimmung der kleinsten einzuhaltenden Entfernung des Multiplikationsstabes vom
                              									Messkreise durchgeführte Versuche ergaben als solche: für den Stab A 20 cm, für B 35. cm und
                              
                              									für C 40 cm.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)