| Titel: | Kryptol, ein neuer elektrischer Heizwiderstand. | 
| Autor: | Arthur Wiesler | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 414 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Kryptol, ein neuer elektrischer
                           								Heizwiderstand.
                        Von Dr. Arthur Wiesler.
                        Kryptol, ein neuer elektrischer Heizwiderstand.
                        
                     
                        
                           Die Benutzung des elektrischen Stromes für Koch-, Heiz- und Schmelzapparate ist
                              									in neuerer Zeit in den Vordergrund des Interesses gerückt worden, besonders seitdem
                              										Moissan im Jahre 1892 durch den Bau seines
                              									elektrischen Ofens gezeigt hat, dass es möglich ist, durch Ausnützung der Wärme
                              									des elektrischen Flammenbogens Temperaturen von 3500 ° zu erreichen.
                           Die elektrische Erhitzung kann entweder derart erfolgen, dass der elektrische Strom
                              									an geeigneter Stelle unterbrochen wird und einen Lichtflammenbogen bildet, oder dass
                              									der Strom durch einen Leiter geführt wird, welcher seinem Durchgang einen Widerstand
                              									entgegensetzt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 414
                              Fig. 1. Wassererhitzer.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 414
                              Fig. 2. Zimmerheizofen.
                              
                           Man unterscheidet danach Flammenbogenöfen und Widerstandsöfen.
                              									Mit den Flammenbogenöfen ist man imstande, die höchsten Wärmegrade hervorzubringen
                              									und auf einen kleinen Raum zukonzentrieren, ohne aber die erhaltene hohe Temperatur
                              									innerhalb gewisser Grenzen je nach Bedürfnis ändern zu können. Dieser Nachteil
                              									haftet den Widerstandsöfen nicht an, man kann sie vielmehr durch Regelung des
                              									Widerstandes auf beliebig hohe Temperaturen erhitzen. Da man bisher bei den
                              									Widerstandsöfen mit Metallwiderstand hauptsächlich Platin und Nickel benutzt hat, so
                              									konnte man nur diejenigen Temperaturen erreichen, welche unter dem Schmelzpunkt des
                              									betreffenden Metallwiderstandes liegen, also im allgemeinen 1700 °C. Die Anordnung
                              									geschah derart, dass man den zu erhitzenden Körper mit einer Isolierschicht umgab,
                              									in welche man das betreffende Metall in Form von Draht, Folie oder Blech einbettete.
                              
                              									Besonders die Firma Heraeus in Hanau hat eine Reihe von
                              									derartigen Laboratoriumsöfen auf den Markt gebracht. Für sehr hohe Temperaturen und
                              									besonders für die Zwecke der Industrie reichten diese Widerstandsöfen, bei welchen
                              									man das teuere Edelmetall Platin oder Nickel benutzte, nicht aus. Man suchte nun den
                              									metallischen Widerstand durch einen nichtmetallischen zu ersetzen und wählte dazu
                              									die Kohle. Doch erst, nachdem man die Kohle mit entsprechenden Zusätzen versehen
                              									und einer besonderen Behandlung unterworfen hatte, konnte sie erfolgreich als
                              									Heizwiderstand benutzt werden. Diese Widerstandsmasse, welche aus Graphit,
                              									Karborundum und Ton besteht, erhielt den Phantasienamen „Kryptol“ und wird
                              									von der Kryptol-Gesellschaft m. b. H. in Berlin,
                              									welcher das ganze Verfahren durch Patente geschützt wurde, in den Handel
                              									gebracht.
                           Das Kryptol ist eine körnige Masse, welche um das Schmelzgefäss aus Schamotte oder
                              									Porzellan lose aufgeschichtet wird und in dauernder Berührung mit dem Schmelzgefäss
                              									und den Elektroden des elektrischen Stromes bleibt. Die Handhabung mit dem Kryptol
                              									gestaltet sich sehr einfach. Benutzt man eine Schamotteplatte oder eine emaillierte
                              									Eisenplatte, auf der an beiden Enden zwei Kohleelektroden aufgelagert sind,
                              									verbindet dieselben mit einer Elektrizitätsquelle und streut zwischen die Elektroden
                              									eine zusammenhängende Schicht von Kryptol, so wird dadurch der Strom geschlossen,
                              									und es entwickelt sich in kurzer Zeit eine erhebliche Menge von Wärme, die sich
                              									durch kleine, hin- und hergehende Lichtbogen kundgibt. Stellt man ein Kochgeschirr
                              									auf die Kryptolmasse, so wird es in zehn Minuten zum Kochen gebracht. Die Temperatur
                              									lässt sich durch Aenderung der Stromstärke und der Menge des aufgeschichteten
                              									Kryptols regeln. Wenn man eine Stelle eines Apparates stärker erhitzen will als die
                              									andere, so geschieht dies dadurch, dass man dort eine dünnere Kryptolschicht
                              									auflegt, wodurch der Querschnitt des Widerstandes verringert und dieser selbst
                              									vergrössert wird. Die nach diesem System angefertigten Haushaltungsgerätschaften,
                              									z.B. Wassererhitzer (Fig. 1), Zimmerheizofen (Fig. 2), Bügeleisen (Fig.
                                 										3), Kaffeeröster (Fig. 4), haben sich gut
                              									bewährt.
                           Auch in der Industrie hat das Kryptolverfahren mannigfache Anwendung gefunden, z.B.
                              									zum Heizen von Muffelöfen (Fig. 5). Die
                              									Kohleelektroden sind zu beiden Seiten des flachen Bodens der Schamottemuffel
                              									angebracht und das Kryptol wird über die Wölbung der Muffel lose aufgestreut. Der
                              									Strom nimmt seinen Weg von der Elektrode um die Muffel herum und erhitzt sie auf die
                              									höchste Temperatur, welche die Schamotte gestattet. Bei dem Tiegelofen (Fig. 6) wird der Tiegel oben und unten mit einem
                              									Elektrodenring versehen, in eine Kasette eingesetzt, die Zwischenräume zwischen
                              									Kasette und Tiegel werden mit Kryptolmasse angefüllt und die Elektrodenringe mit dem
                              									Strom verbunden. Der Strom nimmt seinen Weg von dem einen Elektrodenring an der Wand
                              									des Ofens zum zweiten Elektrodenring und bringt so den Tiegel zur Glut. Die kleinen
                              									Kryptoltiegelöfen (Fig. 6) haben einen
                              									Stromverbrauch von (500–3000 Watt) je nach der Höhe der Temperatur, welche sich bis
                              									über 1800° C. steigern lässt. Dabei ist die Einschaltung eines Vorschaltwiderstandes
                              									zu empfehlen. Die grösseren Kryptoltiegelöfen haben einen Stromverbrauch von etwa
                              									1200–4500 Watt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 414
                              Fig. 3. Bügeleisen.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 414
                              Fig. 4. Kaffeeröster.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 414
                              Fig. 5. Muffelofen.
                              
                           Bei den Röhrenöfen wird ein Marquardtsches Porzellanrohr
                              									in hufeisenförmige Elektroden eingelagert und der Raum dazwischen mit Kryptol
                              									angefüllt. Es ist gelungen, die Marquardtsche Masse,
                              									welche ausserordentlich feuerbeständig ist, auf diese Weise zum Schmelzen zu
                              
                              									bringen. Der Stromverbrauch schwankt entsprechend dem Durchmesser des Rohres
                              									und der Temperatur, die man erzielen will, zwischen 2000 und 8000 Watt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 415
                              Fig. 6. Tiegelofen.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 415
                              Fig. 7. Kryptol-Verbrennungsofen.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 415
                              Fig. 8. Kryptolkocher.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 415
                              Fig. 9. Kryptolkocher.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 415
                              Fig. 10. Kryptolheizer für Kochflaschen.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 415
                              Fig. 11. Krytol-Trockenschrank.
                              
                           Grosse Bedeutung gewinnt auch die Kryptolheizung für die Laboratorien. Es ist
                              									gelungen, den Verbrennungsofen, mit welchem der Chemiker die organischen
                              									Elementaranalysen auszuführen hat, mit Kryptol auf die für die Verbrennung
                              									notwendige Temperatur zu bringen.
                           Der Ofen (Fig. 7) besteht aus einer Eisenrinne,
                              									ausgefüllt mit Schamotte als Isolationsmittel, in welche die Verbrennungsröhre
                              									eingebettet ist. Die Schamotterinne wird mit Kryptol angefüllt und durch die an den
                              									beiden Enden befindlichen Elektroden mit dem elektrischen Strom verbunden. Um nun
                              									jeden Teil des Rohres beliebig hoch zu erhitzen, wie es der Gang der organischen
                              									Elementaranalyse erfordert, braucht man nur die beiden durch ein Kupferkabel
                              									verbundenen Einsteckklammern in die Kryptolmasse einzuführen. Der Strom geht dann
                              									von der einen Elektrode bis zur Einsteckklammer, durch das Kupferkabel zur zweiten
                              									Einsteckklammer und von da zur zweiten Elektrode zurück, so dass dann der zwischen
                              									den beiden Einsteckklammern befindliche Teil des Glasrohres von der Erhitzung total
                              									ausgeschaltet ist. Ferner kann man die Temperatur des Verbrennungsrohres durch
                              									Zuschütten oder Abnehmen von Kryptol und durch Aenderung der Stromstärke beliebig
                              									regeln. Eine Verbrennung erfordert einen Stromaufwand von etwa 2½
                              									Kilowattstunden.
                           Bei dem Kryptolkocher (Fig. 8) ist die Anordnung
                              									derart, dass in die Rinne kleine Porzellanbecher eingesetzt sind, in welchen
                              									die Reagenzgläschen ruhen. Die ganze Rinne ist mit Kryptolmasse angefüllt. In
                              									ähnlicher Weise wird die Kryptolheizung bei der Stickstoffbestimmung nach Kjeldahl (Fig. 9)
                              									verwendet.
                           Der Kryptolheizer für Kochflaschen (Fig. 10), der die
                              									Stelle eines Wasserbades vertreten soll, enthält zwei konzentrische Zylinder, deren
                              									Zwischenraum lose mit Kryptol angefüllt ist, der innere Hohlraum dient zur Aufnahme
                              									der zu erwärmenden Gefässe. Der Stromverbrauch beträgt 600–15000 Watt.
                           Der Kryptoltrockenschrank (Fig. 11) enthält eine
                              									Platte, welche mit Kryptol bestreut wird und durch zwei seitlich angebrachte
                              									Elektroden mit der Stromquelle verbunden wird. Der Stromverbrauch beträgt
                              									entsprechend der Grösse des Trockenschrankes 500–2500 Watt.
                           Man ist imstande, mit der Kryptolmasse Temperaturen bis 3000 ° C. zu erreichen, da
                              									alle Bestandteile derselben so hohe Hitzegrade vertragen. Ferner gewährt das Kryptol
                              									den Vorteil, dass die damit beschickten Apparate nicht dauernd die Elektrizität
                              									beanspruchen, da das Kryptol mit Rücksicht auf seine nicht metallische
                              									Zusammenstellung ein schlechter Wärmeleiter ist.