| Titel: | Ueber Schmelzpunkte von Metallen. | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 489 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber Schmelzpunkte von Metallen.
                        Ueber Schmelzpunkte von Metallen.
                        
                     
                        
                           Um den Schmelzpunkt eines Metalls zu bestimmen,
                              									kann man entweder die Aenderung des Kohäsionsvermögens
                              									oder die Wärmeabsorption beim Uebergange vom festen zum
                              									flüssigen Zustande benutzen.
                           Im ersten Falle beobachtet man die Formänderung eines aus dem betreffenden Stoffe
                              									gebildeten Körpers von möglichst scharfen Umrissen, im zweiten Falle misst man die
                              									Geschwindigkeit, mit der ein in die Substanz gestecktes Thermometer seinen Stand
                              									ändert, wenn die Temperatur sehr langsam und gleichmässig geändert wird: beim
                              									Schmelzpunkte bemerkt man einen mehr oder minder deutlichen Stillstand der
                              									Temperatur.
                           Da man für das erste Verfahren die Metalle meist in Drahtform anwendet, so kann man
                              									es als „Drahtmethode“ von dem zweiten, der „Tiegelmethode“, unterscheiden, bei der eine
                              									grössere Menge Substanz in einem Tiegel eingeschmolzen wird.
                           Ein Vorzug des ersten Verfahrens ist der, dass man nur sehr kleine Stoffmengen zu
                              									seiner Durchführung bedarf; ein Nachteil liegt darin, dass der Eintritt der
                              									Verflüssigung oft nicht scharf beobachtet werden kann. Deshalb verdient die
                              									Tiegelmethode für genaue Messungen den Vorrang.
                           Für beide Verfahren gemeinsam gilt die Forderung, dass das benutzte Metall chemisch
                              									rein sei, da kleine Beimengungen oft den Schmelzpunkt erheblich ändern; auch während
                              									der Schmelzung ist das Metall vor Verunreinigung zu hüten und danach die
                              									Gasatmosphäre und das Tiegelmaterial zu wählen, mit denen das erhitzte Metall in
                              									Berührung kommt. Die meisten Metalle nehmen nämlich Sauerstoff aus der Luft auf und
                              									müssen deshalb unter reduzierenden Gasen geschmolzen werden, einige Metalle können
                              									im Porzellantiegel siliziumhaltig werden, alles Fehlerquellen, die einer genauen
                              
                              									Schmelzpunktbestimmung hinderlich sind.
                           Dazu kommt noch bei hochschmelzenden Metallen die Schwierigkeit einer genauen Temperaturmessung; diese wollen wir zunächst
                              									eingehender erörtern.
                           Solange man mit der Skala des Quecksilberthermometers ausreicht, sind
                              									Temperaturbestimmungen verhältnismässig einfach; über 500° muss man Pyrometer benutzen, die erst in den letzten zehn Jahren
                              									zu bequemen und sicheren Messgeräten gestaltet
                              									worden sind.
                           Die älteste Form eines Pyrometers war ein Metallstab, dessen Längenzunahme der
                              									Temperaturzunahme proportional gesetzt wurde. Mit solchem Stabpyrometer hat schon Newton Schmelzpunkte
                              
                              
                              									gemessen.
                           Besonders oft verwandte man Differential-Stabpyrometer,
                              									unter denen das von Daniell aus Platin und Graphit
                              									hergestellte Pyrometer zu erwähnen ist. In neuerer Zeit haben v. Steinle und Härtung
                              									diesem Apparate die Form eines Graphitstabes gegeben, welcher von einer
                              									Eisenröhre umhüllt ist, deren Bewegung gegeneinander durch einen Zeiger vergrössert
                              									wiedergegeben wird.
                           Leider ist die Einstellung solcher Apparate für genaue Messungen zu unsicher und sie
                              									sind untereinander nur mangelhaft vergleichbar.
                           Gänzlich unbrauchbar ist das Pyrometer von Wedgewood,
                              									bei dem das Schwinden eines Zylinders aus ungebranntem Ton ein Mass der Temperatur
                              									geben soll, auf die der Tonkörper erhitzt war. Genauere Untersuchungen lehrten, dass
                              									die Verkleinerung des Tonzylinders nicht nur von der Höhe, sondern auch wesentlich von der Dauer
                              									der Erhitzung abhängt. Ferner verzieht sich der Zylinder leicht und verschiedene
                              									Tonarten haben verschiedenes Schwindemass. Trotz all dieser schweren Mängel ist das
                              									Pyrometer von Wedgewood immer noch nicht ausser
                              									Gebrauch gekommen.
                           Ueberhaupt eignen sich feste Körper nicht zu allgemein gültigen Temperaturmessungen,
                              									weil bei ihnen das Verhältnis Ausdehnung: Temperaturerhöhung, der
                              										„Ausdehnungskoeffizient“, nicht konstant ist, sondern meist mit
                              									zunehmender Temperatur grösser wird. So ist z.B. der lineare Ausdehnungskoeffizient
                              									des Kupfers bezogen auf 1 ° C:Landolt-Börnstein, Physikalisch-chemische
                                    											Tabellen, 2. Aufl., S. 97.
                           
                              
                                 bei
                                 40 °
                                 0,0000
                                 168,
                                 
                              
                                 „
                                 50 °
                                 0,0000
                                 170,
                                 
                              
                                 „
                                 1000 °
                                 0,0000
                                 200.
                                 
                              
                           In manchen Fällen, wie beim Eisen, treten ausserdem beim Erhitzen unregelmässige
                              									Aenderungen ein, die sich aus inneren Umlagerungen erklären.
                           Für genaue Temperaturmessungen ist man daher auf Gase
                              									als „thermometrische Substanzen“ angewiesen. Die Gase haben (in genügender
                              									Entfernung von ihrem Verflüssigungspunkt) sehr annähernd den gleichen
                              									Ausdehnungskoeffizienten (0,00367), so dass man in ihrer Ausdehnung ein allgemeiner
                              									gültiges Mass für die Temperaturbestimmung besitzt.
                           Hierbei ist es eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob der
                              									Ausdehnungskoeffizient der Gase unabhängig von der
                              									Temperatur ist. Geradezu lässt sich diese Frage nicht beantworten, weil wir die
                              									Ausdehnung des Gases ja als Mass der Temperatur nehmen. Würde der
                              									Ausdehnungskoeffizient sich ändern, so hätten die mit dem Luftthermometer gemessenen
                              									Temperaturdifferenzen in verschiedener Höhenlage verschiedenen absoluten Wert.Ein absolutes Mass der Temperatur lässt sich
                                    											thermodynamisch aus dem zweiten Hauptsatz ableiten.
                           
                           Indirekt suchte Viktor MeyerC. Langer und
                                       													V. Meyer, Pyrochemische Untersuchungen
                                       												(Braunschweig 1885), S. 9. darüber ein Urteil zu
                              									gewinnen, indem er die Ausdehnung von Stickstoff und Sauerstoff bis zur Weissglut
                              									miteinander verglich; erfand keinen Unterschied. Wenn sich also der
                              									Ausdehnungskoeffizient dieser Gase mit der Temperatur änderte, so müsste er sich bei
                              									beiden in ganz gleichem Masse ändern; da erscheint es wahrscheinlicher, dass er
                              									ungeändert bleibt und dass daher das Luftthermometer ein richtiges Mass für die
                              									Temperatur bietet.
                           Das Gasthermometer besteht ebenso wie das
                              									Quecksilberthermometer aus einem weiten Gefäss, an das eine lange, enge Kapillare
                              									angesetzt ist. Aus praktischen Gründen bestimmt man meist nicht die Zunahme des Gasvolumens, sondern hält das Volumen des Gases
                              									konstant und misst mit einem an die Kapillare angesetzten Quecksilbermanometer die
                              									Zunahme der Spannung, die nach den Gasgesetzen
                              									proportional der Temperatursteigerung ist.
                           Soll das Luftthermometer zur Messung sehr hoher Temperaturen dienen, so ist die Wahl
                              									eines passenden Gefässmaterials nicht leicht, da nur
                              									wenige sonst geeignete Stoffe in der Glühhitze unveränderlich und zugleich gasdicht
                              									sind. In erster Linie kommt, da Glas nur bis 500 ° brauchbar ist, Porzellan in Frage
                              									und zwar glasiertes Porzellan, da unglasiertes nicht gasdicht ist. Innen und aussen
                              									glasiertes Porzellan ist bis 1100 ° anwendbar; dann schmilzt die Glasur und beginnt
                              									zu verdampfen, wodurch der Gasinhalt des Gefässes vermehrt und die Angaben des
                              									Thermometers zu hoch ausfallen würden. Da die Porzellanmasse selbst einen viel
                              									höheren Schmelzpunkt hat, so kann man Gefässe, die nur aussen glasiert sind, bis
                              									1450° benutzen. Bei dieser Weissglut ist freilich die Wandung schon etwas biegsam,
                              									so dass der Druck im Luftthermometer dem äusseren Drucke annähernd gleich sein muss,
                              									damit das Gefäss seine Form nicht ändert.
                           Bei den sehr ausgedehnten und sorgsamen Untersuchungen, die von Holborn und seinen Mitarbeitern in der
                              									physikalisch-technischen Reichsanstalt über das Luftthermometer angestellt wurden,
                              									ergab sich, dass das Luftvolumen, wenn man hoch erhitzt hatte, zwischen den
                              									verschiedenen Messungsreihen nicht ganz konstant blieb, was jedenfalls von einem
                              									Einfluss der Gefässwände herrührte. Füllte man statt mit Luft mit Wasserstoff, so
                              									änderte sich die Gasmenge in höherer Temperatur bei jeder neuen Heizung erheblich;
                              									auch Stickstoffüllung blieb nicht völlig konstant, sondern nahm meist nach jeder
                              									Heizung ein wenig zu.
                           Aus diesem Grunde verliess Holborn das Porzellan und
                              									wandte sich nach weiteren Versuchen mit Platin schliesslich dem Platiniridium zu.Prinsep, der als Münzwardein in Benares (1829) zuerst das Luftthermometer zur
                                    											Bestimmung hoher Schmelzpunkte benutzte, gebrauchte ein Gefäss aus
                                    										Gold. Er liess das Gefäss aus dieser sehr widerstandsfähigen
                              									Legierung (mit 20 v. H. Iridium) in Zylinderform anfertigen und füllte es mit Stickstoff. Nun blieben die Angaben des Thermometers
                              									sich dauernd gleich.
                           Bei dem Gebrauche des Luftthermometers ist zu berücksichtigen, dass in dem
                              									Verbindungsrohr vom Kolben zum Manometer, dem „Stiel“, eine kleine Luftmenge von tieferer Temperatur enthalten
                              									ist. Um diesen Fehler auszumerzen, bestimmt man die Temperatur längs des Stieles mit
                              									besonderen Vorrichtungen und berechnet danach die anzubringende Berichtigung.
                           Die andere Korrektur zu ermitteln, die wegen der Ausdehnung
                                 										des Gefässes angebracht werden muss, ist eine mühselige und langwierige
                              									Arbeit.
                           So haben Deville und Troost
                              									vor 50 Jahren den Ausdehnungskoeffizienten der von ihnen benutzten Porzellansorte
                              									zwischen 0 ° und 1500 ° durch etwa 200 Messungsreihen festgelegt.
                           In sinnreicher Weise hat in neuester Zeit Daniel
                                 										BerthelotAnnales de chimie et
                                    											de physique (7. Folge) 26 (1902),
                                    
                                    										58–144. den Einfluss des Gefässmaterials ausgeschaltet indem er die
                              										Dichte der erhitzten Luft auf optischem Wege nach einer Interferenzmethode bestimmte
                              									und aus der gefundenen Dichte gemäss den Gasgesetzen die Temperatur der Luft
                              									berechnete. Die Methode hat sehr hübsche Ergebnisse geliefert, dürfte aber in der
                              									Technik wohl kaum Anwendung finden.
                           Die Heizung des Luftthermometers geschieht heutzutage
                              									ausschliesslich auf elektrischem Wege, indem man eine Spirale aus Platinfolie oder
                              									Platindraht, die um ein unglasiertes PorzellanrohrKein Chamotterohr, weil dies beim Glühen Gase
                                    											entwickeln kann, die durch das Platiniridium diffundieren.
                              
                              									gewickelt ist, durch einen starken elektrischen Strom zum Glühen erhitzt. Durch
                              									sorgfältige Umhüllung ist die Wärmeabgabe nach aussen auf ein Geringes herabgesetzt,
                              									so dass man nicht mehr unter der Glut, die von den früher benutzten Gebläseöfen
                              									ausgeströmt wurde, zu leiden hat. Noch viel mehr fallen die anderen Vorzüge des
                              									elektrischen Widerstandsofens ins Gewicht: die dem Platin äusserst schädlichen
                              									Flammengase fehlen, die leichte Regelung des Stromes gestattet, die Temperatur
                              									andauernd auf derselben Höhe bis auf den Grad genau zu erhalten, was bei den
                              									Gebläseöfen nicht zu erreichen war. Um die Temperatur im Innern des Heizrohres auf
                              									eine längere Strecke gleichmässig zu erhalten, ist es zweckmässig, die Windungen der
                              									Spirale an den Enden enger zu legen als in der Mitte. Der Ofen kann bis etwa 1500°
                              
                              									benutzt werden; das Anheizen muss langsam geschehen, damit die Heizspule nicht
                              									beschädigt wird.Kürzlich hat Holborn ein Rohr aus reinem Iridium anfertigen
                                    											lassen, das durch einen Strom von 1000 Ampere erhitzt wird; da der
                                    
                                    											Schmelzpunkt des Iridiums über 2000° liegt, so lässt sich im Inneren dieses
                                    											Heizrohres die Temperatur weit über 1500° steigern (vergl. D. p. J. 1903,
                                    												318, S. 427).
                           So schön nun auch das Luftthermometer, wie wir gesehen haben, in allen Einzelheiten
                              									durch die langjährige Arbeit vieler Männer zu einem äusserst genauen Messinstrument
                              									ausgebildet worden ist, so bleibt es doch ein schwerfälliges und kostspieliges
                              									Gerät. Man hat daher stets darauf gesonnen, andere Pyrometer herzustellen, die bei
                              									gleicher Genauigkeit einfacher wären und durch Vergleich mit dem Luftthermometer
                              									geeicht werden könnten.
                           Pouillet suchte sich folgendermassen zu helfen: er
                              									bestimmte zunächst die spezifische Wärme des Platins zwischen 0 ° und 1200 °;
                              									erhitzte er dann eine gewogene Platinkugel auf die unbekannte Temperatur und mass
                              									die von der Kugel aufgenommene Wärmemenge in einem Kalorimeter, so konnte er jetzt
                              									umgekehrt hieraus die erreichte Temperatur berechnen.
                           Violle ging weiter, indem er annahm, dass die Formel
                           c0t = 0,0317 + 0,000006 . t,
                           worin c0t die mittlere spezifische Wärme des
                              									Platins zwischen den Temperaturen 0 ° und t ° bedeutet,
                              									noch über 1200 ° hinaus gilt. Er suchte die Temperatur des schmelzenden Platins
                              									dadurch zu bestimmen, dass er in geschmolzenes Platin eine Platinspirale tauchte,
                              									diese im Augenblick, als die Oberfläche des Platins erstarrte, mit der an ihr
                              									hängenden Scheibe von Platin heraushob und in das Wasser des Kalorimeters tauchte;
                              									er fand so als Erstarrungspunkt des Platins 1779°.
                           Weit bequemer und genauer als diese kalorimetrischen Temperaturbestimmungen sind die
                              										elektrischen Pyrometer. Hier sind zwei Arten zu
                              									unterscheiden; bei der einen Art wird die Aenderung, die der Widerstand eines Metalldrahtes mit der
                              									Temperatur erfährt, mit einer Messbrücke bestimmt, bei der anderen die
                              									elektromotorische Kraft eines Thermoelementes mit dem Voltmeter oder genauer nach
                              									einer Nullmethode.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 491
                              Fig. 1.
                              
                           Als Beispiel eines Widerstandspyrometers sei das Instrument beschrieben, das Heycock und Neville zu
                              									Schmelzpunktbestimmungen benutztenJournal of
                                    											the Chemical Society (neue Folge) 67 (1895). (Fig. 1). Etwa 20 cm reinsten Platindrahtes von 0,1 mm
                              									Durchmesser sind bifilar um einen schmalen Rahmen von kreuzförmigem Querschnitt
                              									gewickelt, der von zwei Glimmerblättchen gebildet wird; diese Platinspirale hat etwa
                              
                              									2 cm Länge, ihr Widerstand beträgt bei 0 ° 3,3 Ohm. An die Enden der Spirale sind
                              									dickere Platindrähte gelötet und an diese schliesslich Kupferdrähte, die in
                              									Klemmschrauben endigen; die Drähte sind auf ihrem Wege durch Glimmerscheiben
                              									voneinander isoliert. Zum Schütze der Spirale und ihrer Zuleitungen dient ein innen
                              									und aussen glasiertes Porzellanrohr von 40 cm Länge und 7 mm innerem
                              									Durchmesser.
                           Um den Widerstand der Zuleitungen zur Spirale auszuschalten, dient der „Kompensator“, der genau wie das Pyrometer
                              									gestaltet ist, nur dass an der Stelle, wo bei diesem die Spirale sich befindet, Hin-
                              									und Rückleitung unmittelbar miteinander verbunden sind. Man sieht in der Figur die
                              									zwei Drähte des Kompensators den Leitungen des Pyrometers parallel laufen. Wird bei
                              									der Messung vom Gesamtwiderstand des Pyrometers der Widerstand des Kompensators
                              									abgezogen, so erhält man den Widerstand der Spirale allein.
                           Da sich bei längerem Gebrauche die Angaben des Widerstandsthermometers ändern, so
                              									muss es von Zeit zu Zeit wieder geprüft werden.
                           Erheblich einfacher in seinem Bau ist das von Le
                                 										Chatelier angegebene thermoelektrische
                                 										Pyrometer, das aus einem Platindraht und einem Platinrhodiumdraht (10 v. H.
                              									Rhodium) besteht. Ob die Drähte an ihrer Verbindungsstelle zusammengedreht oder
                              									zusammengeschweisst oder -geschmolzen oder mit Gold zusammengelötet sind, macht nach
                              										Le Chateliers Untersuchungen keinen
                              									Unterschied.
                           Was die Richtung des Stromes anlangt, so geht er an der erhitzten Lötstelle vom
                              									Platin zum Platinrhodium. Die Abhängigkeit der elektromotorischen Kraft von der
                              									Temperatur lässt sich in weiten Grenzen durch eine parabolische Gleichung
                              									wiedergeben. Fig. 2 zeigt für ein solches Pyrometer
                              									diesen Zusammenhang in zeichnerischer Darstellung; wir sehen, dass über 500° die
                              									Kurve fast geradlinig verläuft.
                           Neben seiner Handlichkeit hat das Le Chateliersche
                              									Pyrometer den grossen Vorzug, dass es nicht wie das Luftthermometer oder das
                              									Widerstandspyrometer nur die mittlere Temperatur eines mehr oder minder grossen
                              									Raumes angibt, sondern die Temperatur des Punktes misst, an dem sich die
                              									Verbindungsstelle der beiden Drähte befindet.
                           Der Gebrauch dieses Pyrometers erfordert dieselben Schutzmassregeln wie alle
                              									Platinapparate: Heizgase sind von ihm fernzuhalten; ebenso ist Wasserstoff bei
                              									Gegenwart von Silizium schädlich. Man benutzt deshalb das Thermoelement nach
                              									Möglichkeit nicht ohne ein Schutzrohr aus glasiertem Porzellan.
                           Das Pyrometer nach Le Chatelier ist seiner Natur nach
                              									nur bis zum Schmelzpunkte des Platins benutzbar; darüber hinaus kann man aus der
                              									Lichtmenge, die von der Flächeneinheit des schmelzenden Körpers ausgestrahlt wird,
                              									seine Temperatur berechnen. Solche optische Pyrometer
                              									sind vor einigen Jahren (1901) von Holborn und Kurlbaum, von Wanner und
                              									anderen konstruiert worden und haben auch zur Bestimmung sehr hochliegender
                              									Schmelzpunkte Anwendung gefunden.Vor kurzem
                                    											ist es Holborn gelungen, für verschiedene
                                    											Metalle direkt den Zusammenhang zwischen Temperatur und Lichtemission zu
                                    											bestimmen. Er fand, dass, unabhängig von der Temperatur, im roten Licht
                                    											Platin etwa ⅓, Gold ⅛ und Silber 1/14 der „schwarzen Strahlung“
                                    											aussendet (Sitzungsberichte der Preuss. Akademie der Wissenschaften 1905, S.
                                    
                                    											311.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 491
                              Fig. 2. Mikrovolt.
                              
                           Durch diese Pyrometer, von denen das nach Le Chatelier
                              									die weiteste Verbreitung gewonnen hat, ist die Schwierigkeit, genau und bequem hohe
                              									Temperaturen zu bestimmen, in hohem Grade überwunden. Nunmehr können wir uns wieder
                              									den Schmelzpunktsbestimmungen selber zuwenden. Wie gesagt, bieten sich hier zwei
                              									Wege, die Drahtmethode und die Tiegelmethode.
                           Für die Drahtmethode sind verschiedene Formen angewandt worden. Becquerel hing vor der Lötstelle des Thermoelementes an
                              									Platinhäkchen, die in einem eisernen Ringe befestigt waren, Drähte aus den zu
                              									untersuchenden Metallen auf. Kurz bevor der Schmelzpunkt erreicht war, liess er die
                              									Temperatur möglichst langsam ansteigen; so liess sich das Abschmelzen der Drähte
                              									scharf beobachten.
                           Le Chatelier fügte das zu schmelzende Drähtchen zwischen
                              									die Enden seines Thermoelementes ein; bei langsamer Temperatursteigerung stieg die
                              									Spannung des Thermoelementes stetig, bis plötzlich durch Schmelzen des Drahtes der
                              									Strom unterbrochen wurde.
                           Holborn und Wien machten
                              									darauf aufmerksam, dass bei dieser eleganten Methode das Durchschmelzen von der
                              									Spannung beeinflusst wird, welche die Drähte des Thermoelementes auf die Lötstelle
                              									ausüben, und welche bei den einzelnen Versuchen wechselt. Nach ihrer Ansicht kommen
                              									deshalb die höchsten Temperaturen, die man für diese Schmelzpunktsbestimmung
                              									beobachtet, der Wahrheit am nächsten, umsomehr als der Draht häufig an der Lötstelle
                              									kurz vor dem Schmelzen abbricht.
                           Die zweite Methode, die „Tiegelmethode“, wurde
                              									von Le Chatelier in kleinstem Masstabe angewandt, indem
                              									er die Lötstelle des Pyrometers mit einem dünnen Blättchen aus dem zu untersuchenden
                              									Metalle umwickelte. Wurde nun in der Nähe des Schmelzpunktes die Temperatur sehr
                              									langsam gesteigert, so blieb, wenn das Blättchen schmolz, die Angabe des Voltmeters
                              									einige Augenblicke konstant.
                           Gewöhnlich wird man grössere Mengen des Metalls für die Tiegelmethode anwenden, weil
                              									damit die Bestimmung des Haltepunktes der Temperaturänderung genauer wird. Ausserdem
                              									wird sich natürlich der Haltepunkt umso schärfer ausprägen, je grösser die
                              									Schmelzwärme des betreffenden Metalles ist und je vorsichtiger man die
                              									Aussentemperatur ändert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 492
                              Fig. 3.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 492
                              Fig. 4.
                              
                           Eine eigenartige Methode wandte MuthmannLiebigs Annalen
                                    											331 (1904). an, um das Schmelzen des Metalles sichtbar zu machen.
                              
                              									Er brachte auf seine Oberfläche einen beschwerten Fühlhebel, der beim Schmelzen
                              									plötzlich in das Metall einsank und seine Bewegung auf einen Zeiger in vergrössertem
                              									Masstabe übertrug; im Augenblick des Einsinkens wurde ein in die Schmelze getauchtes
                              										Le Chatelier-Pyrometer abgelesen. Um das
                              									schmelzende Metall vor Oxydation zu schützen, benutzte Holmann den in Fig. 3 wiedergegebenen
                              									Schmelzofen. Der Ofen F ist doppelwandig und wird nach
                              									alter Art durch den Gebläsebrenner B erhitzt. Um das
                              									Metall in dem Tiegel C vor Oxydation zu schützen, wird
                              									der Tiegel mit dem Kohlenblock E bedeckt, in dessen
                              									Unterseite eine zum Tiegelrand passende Rinne eingeschnitten ist; ausserdem ist im
                              									oberen Teil des Tiegels eine Kohlenplatte D angebracht,
                              									auf die Kohlenpulver geschüttet wird. Eine Asbestscheibe G, die mit einer dicken Schicht von Asbestfasern A bedeckt ist, hält die Hitze zusammen. Von oben her ragt durch
                              									Oeffnungen das Thermoelement bis in die Schmelze hinein.
                           In dem elektrisch geheizten Schmelzofen von Holborn
                              										(Fig. 4) ist die Heizspule aus blankem
                              
                              									Nickeldraht (bis 1000° brauchbar, sonst Platindraht) auf ein kurzes Chamotterohr R gewickelt, in dessen Innern der Tiegel aufgestellt
                              									ist; das Ganze ist durch Asbestwolle A und den dicken
                              									Chamottemantel C möglichst gegen Wärmeverlust
                              									geschützt. Um den Sauerstoff der Luft fernzuhalten,
                              									brachte Holborn das Metall in einen Graphittiegel, auf
                              									den ein zweiter Graphittiegel als Deckel gestülpt war; der Boden dieses zweiten
                              									Graphittiegels erhielt ein Loch, um das Thermoelement durchzulassen. In anderen
                              									Fällen schmolz Holborn unter einer schützenden Decke
                              									von Kochsalz.
                           Heycock leitete Kohlenoxyd oder Wasserstoff auf die
                              									Oberfläche des Metalles.
                           Würde das Metall aus Graphittiegeln und Porzellantiegeln Verunreinigungen aufnehmen-,
                              									nämlich Karbide bezw. Siliziumverbindungen bilden, so muss man Tiegel aus Magnesia
                              									anwenden, die nach folgender Vorschrift hergestellt werden: reine Magnesia wird im
                              									elektrischen Flammenbogen geschmolzen, grob gepulvert und mit gesättigter
                              									Boraxlösung zu einem dicken Brei angerührt; mit diesem Brei wird ein Graphittiegel
                              									3–5 mm dick ausgekleidet, getrocknet und bis zur höchsten Weissglut erhitzt, wobei
                              									der Borax verdampft. So erhält man einen porösen, aber gut haltbaren Tiegel aus fast
                              									reinem Magnesiumoxyd.Nach einem anderen
                                    											Verfahren fertigen Gebrüder Siemens in Berlin
                                    											Tiegel und andere Gegenstände aus gebrannter Magnesia an.
                           Die Lötstelle des Thermoelementes wurde von Holman
                              									ungeschützt in das geschmolzene Metall getaucht. Man könnte einwenden, dass sich
                              									hierbei eine Legierung mit dem betreffenden Metall bildet; Holman überzeugte sich aber, dass es bei seinen Messungen nichts
                              									ausmachte, ob er das Thermoelement das erste Mal oder zu wiederholten Malen
                              									benutzte. Nach der Messung wurde das Thermoelement herausgezogen, die Lötstelle
                              									gereinigt oder einfach abgeschnitten und die Drahtenden im Knallgasgebläse von neuem
                              
                              									zusammengeschmolzen. Muthmann tauchte die Lötstelle nur
                              									in die Decke aus geschmolzenem Salz ½–1 cm über der Metalloberfläche. Holborn umgab das Element mit einem Porzellanschutzrohr
                              									von 5 mm Weite und 1,5 mm Wandstärke, das mindestens 4 cm in das geschmolzene Metall
                              									eintauchte und 1 cm über dem Boden des Tiegels endete. Aus Fig. 4 ersieht man, wie innerhalb dieses Schutzrohres die beiden Drähte
                              									voneinander durch ein dünnes Porzellanröhrchen isoliert sind.
                           Nach diesen allgemeinen Angaben wollen wir uns nunmehr den einzelnen Metallen
                              									zuwenden.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)