| Titel: | Ueber Schmelzpunkte von Metallen. | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 526 | 
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                        Ueber Schmelzpunkte von Metallen.
                        (Schluss von S. 512 d. Bd.)
                        Ueber Schmelzpunkte von Metallen.
                        
                     
                        
                           Hier kommen wir zu der allgemeineren Frage: Wie
                                 										gestaltet sich das Erstarren einer Lösung? Zwei Fälle sind denkbar:
                              									entweder besteht im festen Zustande die Lösung weiter oder es trennen sich beim
                              									Erstarren beide Stoffe.
                           Für den zweiten Fall haben wir ein gutes Beispiel in wässeriger
                              									Kochsalzlösung. Reines Wasser würde bei 0 ° gefrieren; ist Kochsalz darin aufgelöst,
                              									so scheidet sich erst unter 0° Eis aus; die zurückbleibende Lösung wird
                              									konzentrierter, ihr Gefrierpunkt sinkt weiter, während sich andauernd reines Eis
                              									ausscheidet, bis schliesslich die Lösung an Kochsalz gesättigt ist. Nun scheiden
                              									sich Eis und Kochsalz gleichzeitig aus; die Temperatur bleibst stehen, bis alles
                              									fest geworden ist, gerade als wenn ein einheitlicher Stoff erstarrte. Man bezeichnet
                              									diesen Temperaturpunkt als eutektischen Punkt und das
                              									ausgeschiedene innige Gemenge als eutektisches Gemisch.
                              									Für eine wässerige Kochsalzlösung liegt dieser Punkt bei – 22 ° und die
                              									Konzentration der bei dieser Temperatur gesättigten Lösung beträgt 23,69 v. H.
                           Diese Betrachtung lässt sich ungeändert auf eine metallische Schmelze übertragen,
                              									deren zwei Bestandteile sich beim Erstarren voneinander trennen. Tauchen wir in die
                              									Schmelze die Lötstelle unseres Pyrometers und lesen während der Abkühlung etwa von
                              									fünf zu fünf Sekunden die Temperatur ab, so beobachten wir folgendes (Fig. 8):s. Tammann, Ueber die Ermittlung der
                                    											Zusammensetzung chemischer Verbindungen ohne Hilfe der Analyse, Zeitschr. f.
                                    											anorg. Chemie 37, 303, 1903. Zunächst sinkt die Temperatur der
                              									vollkommen flüssigen Schmelze gleichmässig, Strecke ab;
                              									dann verlangsamt sich der Temperaturabfall, weil durch das Auskrystallisieren des
                              									einen Bestandteiles Wärme frei wird, Strecke bc. Hat
                              									sich soviel von diesem Stoffe ausgeschieden, dass die zurückgebliebene Schmelze an
                              									dem zweiten Bestandteil gesättigt ist, so bleibt die Temperatur stehen, Strecke cd, weil nun das eutektische Gemisch der beiden Stoffe
                              									erstarrt. Ist alles fest geworden, so sinkt die Temperatur weiter, Strecke de. Der Knick der Zeitkurve bei b wird umso schwächer sein und die wagerechte Strecke cd umso länger, je mehr die Zusammensetzung der
                              									ursprünglichen Schmelze der des eutektischen Gemisches entspricht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 526
                              Fig. 8.
                              
                           In Fig. 9 ist der Fall dargestellt, dass die beiden
                              									Bestandteile im flüssigen Zustande unbegrenzt ineinander löslich sind. Auf der
                              									Abszissenachse sind die Prozentgehalte der Legierung, die zugehörigen Temperaturen,
                              									bei denen die Erstarrung beginnt,d.h. die
                                    											Ausscheidung eines Bestandteiles in fester Form. als Ordinaten
                              									aufgetragen; so erhält man die „Schmelzkurve“
                                 										ABC, in der A und C die Schmelzpunkte der reinen Bestandteile und B den eutektischen Punkt bedeutet. Die Fig.
                                 										9. Wagerechte ee ist die „eutektische
                                 										Linie“; ist die Temperatur bis zu ihr gesunken, dann ist die Schmelze
                              									vollständig erstarrt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 526
                              Fig. 9.
                              
                           Da die wagerechte Strecke cd der Zeitkurve (Fig. 8) für die Zusammensetzung, die dem eutektischen
                              									Punkte B (Fig. 9)
                              									entspricht, am längsten ausfällt so kann man die Abszisse von B auch dadurch bestimmen, dass man für verschiedene
                              									Zusammensetzungen die zugehörige Länge cd als Ordinate
                              									einträgt; man erhält dann die Kurve hik (Fig. 9), deren höchster Punkt i auf der gleichen Ordinate wie B liegt.
                           Für Kupfer und Kupferoxydul hat Heyn die
                              									Schmelzkurve von 0,08–9,0 v. H. Kupferoxydulgehalt bestimmt. Er schmolz 450 Gramm
                              									Kupfer (Drahtabschnitte) mit wechselnden Mengen gepulvertem Kupferoxydul gemischt in
                              									einem Graphittiegel, der mit einem Einsatz von unglasiertem Porzellan versehen war
                              									und deckte mit einem dünnen Chamottedeckel zu. Nachdem die Mischung im Gebläseofen
                              									geschmolzen war, wurde der Tiegel herausgenommen, auf eine Steinunterlage gesetzt,
                              									der Deckel abgeschlagen und das vorgewärmte Thermoelement (mit Porzellanhülle)
                              									eingetaucht. Während des Abkühlens wurde der Tiegel ein wenig umgeschwenkt, so lange
                              									die Masse noch flüssig war. Ein Bedecken mit Kohle oder geschmolzenen Salzen wurde
                              									vermieden.
                           Nach der Messung wurde der Oxydulgehalt der Schmelze bestimmt und zwar derart, dass
                              									dünne Späne über den ganzen Längsschnitt des Blöckchens entnommen wurden, mit
                              									Ausnahme der obersten Schicht von 10 mm Dicke, die jedenfalls aus der Luft
                              									Sauerstoff aufgenommen hatte.
                           Heyn beobachtete nur bei drei Schmelzen einen
                              									ausgeprägten Erstarrungspunkt, nämlich bei 0,08 v. H., 3,4 v. H. und 3,5 v. H.
                              									Kupferoxydul, während in den fünf anderen Fällen, in denen der Oxydulgehalt zu 1,16
                              									v. H., 1,75 v. H., 4,7 v. H., 6,3 v. H. und 9,0 v. H. gefunden wurde, die Schmelze
                              									in einem Temperaturintervall allmählich erstarrte. Im ersten Falle, wo reines Kupfer
                              									ohne Oxydulzusatz eingeschmolzen wurde, lag der Haltepunkt bei 1102 °, im zweiten
                              									und dritten Falle bei 1084 °. Dieser Punkt 1084° spielte auch bei der Abkühlung der
                              									anderen fünf Schmelzen eine auffällige Rolle, indem die Temperatur erst mehr oder
                              									weniger tief (bis zu 8 °) unter ihn sank, dann plötzlich zu ihm anstieg, längere
                              									Zeit stillstand und dann stetig fiel. Bei einem Gehalt von 1,16 v. H. Kupferoxydul
                              									war noch ein zweiter Haltepunkt zu beobachten, der bei 1095° lag.
                           Der Punkt 1084° ist der eutektische Punkt der Lösung von Kupferoxydul in Kupfer.
                              									Schmelzen mit weniger als etwa 3 ½ v. H. Kupferoxydul scheiden beim Erkalten
                              									zunächst reines Kupfer aus, schmelzen mit höherem Oxydulgehalt dagegen zunächst
                              									reines Kupferoxydul, bis so beide Mal der Gehalt von 3 ½ v. H. erreicht ist, das
                              									eutektische Gemisch, das dann bei der konstanten Temperatur 1084° als Ganzes
                              									erstarrt. Fig. 10 gibt diese Ergebnisse zeichnerisch
                              									wieder.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 526
                              Fig. 10. Gewichtsprozente Cu2O.
                              
                           Da der von Heyn für fast reines Kupfer bei 1102°
                              									beobachtete Haltepunkt mit dem bei 1084° von Holborn
                              									für Kupfer in reduzierender Atmosphäre gefundenen Schmelzpunkt identisch sein
                              									dürfte, so ist an den Zahlen von
                           
                           Heyn eine Temperaturberichtigung anzubringen. Auch
                              									der eutektische Punkt, der von Heyn bei 1084° gefunden
                              									wurde, wird wohl in Wirklichkeit mit einem von Holborn
                              									bei 1065° ermittelten Punkte zusammenfallen, nämlich mit dem Schmelzpunkt von Kupfer
                              									in oxydierender Atmosphäre. Die von Heyn bestimmten
                              									Temperaturen sind also durchweg um 19° zu verringern; dann werden die Untersuchungen
                              									von Holborn durch sie auf das Beste bestätigt und in
                              									trefflicher Weise ergänzt.
                           Legierungen. Es verlohnt, die eben geschilderten
                              									Vorgänge beim Erstarren einer aus zwei Bestandteilen bestehenden Schmelze weiter zu
                              									verfolgen und einige Worte über die Schmelzpunkte von Legierungen zu sagen. Der
                              									Fall, dass beide Bestandteile sich beim Erstarren trennen, ist im obigen genügend
                              									behandelt worden; der Linienzug ABC in Fig. 9 gibt das allgemeine Schema für derartige
                              									Legierungen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 527
                              Fig. 11. Gewichtsprozente.
                              
                           Krystallisiert bei der Abkühlung der Schmelze eine bestimmte Verbindung zwischen den beiden Metallen aus, so tritt diese sozusagen als
                              									gleichberechtigte Komponente neben den beiden Metallen auf und der Linienzug ABC verdoppelt sich. Ein Beispiel bietet die
                              									Erstarrungskurve der Blei-Magnesium-Legierungen (Fig.
                                 										11): der Linienzug ABCDE zeigt zwei Minima
                              									bei B und D und ein
                              									Maximum bei C. Das Maximum entspricht dem Schmelzpunkt
                              									der reinen Verbindung, die in unserem Falle, wie sich aus der Abszisse von C berechnen lässt, die Formel PbMg2 besitzt. B ist der Schmelzpunkt des eutektischen Gemisches aus Magnesium und der
                              									Verbindung PbMg2, D der eutektische Punkt der Komponenten Blei und PbMg2.
                           Zwei Verbindungen bestehen zwischen Zink und Antimon,
                              
                              									nämlich Zn3Sb2 und ZnSb. Die Erstarrungskurve (Fig. 12) besitzt zwei Maxima und drei Minima; das Maximum C ist der Schmelzpunkt von Zn3Sb2 das Maximum E der von ZnSb; die Minima
                              										B, D und F sind die
                              									Schmelzpunkte der eutektischen Gemische (Zn + Zn3Sb2, Zn3Sb2 + ZnSb, ZnSb + Sb).
                           In allen diesen Fällen tritt immer bei Zusatz des höher schmelzenden Metalles zu
                              									niedriger schmelzenden zunächst ein Fallen der Erstarrungstemperatur (bis zum
                              									eutektischen Punkte) ein. Tritt diese Erniedrigung nicht ein, so ist dies ein
                              									Zeichen, dass auch im festen Zustande eine Lösung vorliegt. Dies ist z.B. bei den Legierungen von
                              									Nickel mit Kobalt der Fall, deren Schmelzpunkte sich auf einer geraden Linie
                              									anordnen.
                           Verzögerungserscheinungen beim Erstarren, wie sie schon beim System
                              									Kupfer-Kupferoxydul erwähnt wurden, erschweren die Feststellung der Schmelzkurve; je
                              									grösser die Masse der Schmelze ist und um so langsamer die Temperatur fällt, um so
                              
                              									eher werden sie zurückgedrängt. Eine zweite Verwicklung ist noch unangenehmer,
                              									nämlich dass vorhandene Verbindungen erst unterhalb ihres Schmelzpunktes beständig
                              									sind, so dass man die Lage des ihnen auf der Schmelzkurve entsprechenden Maximums
                              									nicht unmittelbar bestimmen kann. Solche Zersetzungen treten bei den
                              									Natriumamalgamen auf.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 527
                              Fig. 12. Gewichtsprozente.
                              
                           Eine wesentliche Stütze und Ergänzung für die aus der
                              									Schmelzkurve für die Zusammensetzung der Legierung hergeleiteten Folgerungen bietet
                              
                              									die mikroskopische Betrachtung der Struktur, indem man ebene Flächen an die
                              									Metallstücke anschleift, fein poliert und, wenn nötig, durch Anätzen die
                              									verschiedenen Gefügeteile dem bewaffneten
                           
                              Schmelzpunkte der Metalle.
                              
                           
                              
                                 Metall
                                 Grad
                                 Namen
                                 Jahr
                                 
                              
                                 Aluminium
                                 657
                                 Holborn und Day
                                 1900
                                 
                              
                                 Antimon
                                 630
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Baryum
                                 850
                                 
                                    Guntz
                                    
                                 1902
                                 
                              
                                 Blei
                                 327
                                 Holborn und Day
                                 1900
                                 
                              
                                 Cadmium
                                 322
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 Calcium
                                 800
                                 
                                    Arndt
                                    
                                 1904
                                 
                              
                                 Cäsium
                                 27
                                 
                                    Setterberg
                                    
                                 1882
                                 
                              
                                 Cerium
                                 623
                                 
                                    Muthmann
                                    
                                 1904
                                 
                              
                                 Chrom
                                 1515
                                 
                                    Lewis
                                    
                                 1902
                                 
                              
                                 Eisen
                                 1600
                                 
                                    Pictet
                                    
                                 1879
                                 
                              
                                 Gallium
                                 30
                                 
                                    Lecoq de Boisbaudran
                                    
                                 1876
                                 
                              
                                 Germanium
                                 900
                                 
                                    Winkler
                                    
                                 1886
                                 
                              
                                 Gold
                                 1063
                                 Holborn und Day
                                 1901
                                 
                              
                                 Indium
                                 176
                                 
                                    Winkler
                                    
                                 1867
                                 
                              
                                 Indium
                                 2020
                                 
                                    Nernst
                                    
                                 1903
                                 
                              
                                 Kalium
                                 62
                                 
                                    Hagen
                                    
                                 1882
                                 
                              
                                 Kobalt
                                 1528
                                 Guertler und Tammann
                                 1904
                                 
                              
                                 Lithium
                                 186
                                 
                                    Kahlbaum
                                    
                                 1900
                                 
                              
                                 Lanthan
                                 610
                                 
                                    Muthmann
                                    
                                 1904
                                 
                              
                                 Magnesium
                                 633
                                 Heycock und Neville
                                 1895
                                 
                              
                                 Mangan
                                 1245
                                 
                                    Heraeus
                                    
                                 1902
                                 
                              
                                 Natrium
                                 98
                                 
                                    Schüller
                                    
                                 1904
                                 
                              
                                 Neodym
                                 840
                                 
                                    Muthmann
                                    
                                 1904
                                 
                              
                                 Nickel
                                 1484
                                 
                                    Holborn und Wien
                                    
                                 1895
                                 
                              
                                 Niobium
                                 1950
                                 
                                    v. Bolton
                                    
                                 1905
                                 
                              
                                 Palladium
                                 1535
                                 Holborn und Henning
                                 1905
                                 
                              
                                 Platin
                                 1720
                                 
                                    Holborn und Henning
                                    
                                 1905
                                 
                              
                                 Praseodym
                                 940
                                 
                                    Muthmann
                                    
                                 1904
                                 
                              
                                 Quecksilber
                                 – 39
                                 
                                    Schüller
                                    
                                 1904
                                 
                              
                                 Rubidium
                                 + 39
                                 
                                    Bunsen
                                    
                                 1863
                                 
                              
                                 Silber
                                 962
                                 Holborn und Day
                                 1900
                                 
                              
                                 Strontium
                                 600
                                 
                                    Stockem
                                    
                                 1903
                                 
                              
                                 Tantal
                                 2250
                                 
                                    v. Bolton
                                    
                                 1905
                                 
                              
                                 Tellur
                                 446
                                 
                                    Fay
                                    
                                 1902
                                 
                              
                                 Thallium
                                 304
                                 Heycock und Neville
                                 1894
                                 
                              
                                 Vanadium
                                 1680
                                 
                                    v. Bolton
                                    
                                 1905
                                 
                              
                                 Wismut
                                 269
                                 Hüttner und Tammann
                                 1904
                                 
                              
                                 Zink
                                 419
                                 Holborn und Day
                                 1900
                                 
                              
                                 Zinn
                                 241
                                 
                                    Tammann
                                    
                                 1904
                                 
                              
                           
                           Auge sichtbar macht. Auf photographischem Wege wird dann
                              									in besonders eingerichteten sinnreichen Apparaten das Bild des Schliffes in
                              									unparteiischer Weise festgehalten.
                           Leider kann ich in diesem Aufsatze nicht näher auf diese interessanten Verhältnisse
                              									eingehen, um deren Aufklärung sich in neuester Zeit unter anderen Tammann in Göttingen wesentliche Verdienste erworben
                              										hat.Die Figuren 8, 9,
                                    												11 und 12 sind den Arbeiten entnommen, die Tammann und seine Schüler in letzter Zeit in der Zeitschrift für
                                    
                                    											anorganische Chemie veröffentlicht haben.
                           Zum Schlusse will ich eine Zusammenstellung der Schmelzpunkte aller Metalle
                              									geben, soweit ich darüber Angaben zu Gebote hatte. Ich habe nach Möglichkeit die
                              									neuesten und sichersten Zahlen aufgenommen und bei jeder Zahl den Namen des
                              									Beobachters und das Jahr beigefügt.