| Titel: | Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. | 
| Autor: | M. Buhle, W. Pfitzner | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 529 | 
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                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der
                           								Weltausstellung in St. Louis 1904.
                        Von Professor M. Buhle und Dipl.-Ing. W.
                                 										Pfitzner,
                           								Dresden.
                        (Fortsetzung von S. 517 d. Bd.)
                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St.
                           								Louis 1904.
                        
                     
                        
                           
                              Pullman-Wagen.
                              
                           Mit der grössten Anzahl von Wagen waren die bekannten Pullman-Werke vertreten; zwei Züge von je fünf Wagen waren zur Schau
                              									gebracht, ein „Limited Train“, der unseren Luxuszügen entsprechen würde, und
                              									ein Personenzug gewöhnlicher Zusammensetzung.
                           Sämtliche Wagen hatten zur Erinnerung an den Ankauf Louisianas historische Namen aus
                              									jener Zeit bekommen. (Bekanntlich erhält überhaupt jeder Pullman-Wagen einen Namen.) So setzten sich die beiden Züge aus folgenden
                              									Wagen zusammen: 1. Gepäck- und Rauchwagen „Jefferson“, 2. Speisewagen
                              										„Monroe“, 3. Schlafwagen „Livingston“, 4. Salonwagen
                              										„Napoleon“, 5. Aussichtswagen „Louisiana“. Der andere Zug
                              									enthielt: 1. Personenwagen „1803“, 2. Chaircar „1903“, 3. Speisewagen
                              										„Centennial“, 4. Auswanderer-Schlafwagen „Mississippi“, 5.
                              									Privatwagen „President“.
                           Die Bauart der Pullman-Wagen wird in Amerika überall als
                              									sehr kräftig und widerstandsfähig anerkannt. Vor allen Dingen ist, wie schon
                              									erwähnt, auf möglichste Verstärkung der Stirnwände gesehen, um das
                              									Ineinanderschieben der Wagen bei Zusammenstössen zu erschweren. Die unseren
                              									Pufferbohlen entsprechenden Balken sind aus Eisen hergestellt und mit reichlichen
                              									Eckversteifungen und Eisenverbindungen an den nur aus Balkenwerk bestehenden
                              									Hauptlängsträgern des Wagens angeschlossen. Bei den grossen Längen der Wagenkästen
                              									sind einfache I-Träger mit Verspannung wie bei unseren Drehgestellwagen nicht gut
                              									ausführbar; das Tragwerk besteht vielmehr stets in einer fachwerkartigen
                              									Holzkonstruktion, welche die ganze Höhe vom Boden bis zu den Fenstern einnimmt und
                              									die durch einen sehr kräftigen Unterzug aus Rundeisen unter dem Wagen verspannt
                              									wird. Diese Spannvorrichtung, die in Fig. 91 und
                              										92 ebenfalls zu erkennen ist, wird so kräftig
                              									angezogen, dass sich der Wagenkasten meist um mehrere Zentimeter nach oben
                              									durchbiegt, so dass es scheint, als ob die Wagen als flache Bogenträger ausgeführt
                              									wären. Die Fenster können bei dieser Konstruktion natürlich nicht nach unten
                              									heruntergelassen werden; sie lassen sich nur zu einem kleinen Teil öffnen, indem die
                              									untere Hälfte nach oben vor die feste obere Hälfte geschoben wird.
                           Die Querträger mit den Drehzapfen für die Drehgestelle, früher ebenfalls aus Holzwerk
                              									mit Eisenversteifung bestehend, werden neuerdings bei den Pullman-Wagen durch schwere Stahlgussplatten ersetzt, so dass das
                              									Untergestell seitlich sehr an Steifigkeit gewinnt. Die Ausführung der
                              									Drehgestelle wie die der Räder, der Bremsen usw. weist gegen früher nichts Neues
                              									auf.
                           Die Fussböden der Pullman-Wagen werden ausser dem
                              									Holzbelag noch mit einer etwa 12 mm dicken Schicht aus Monolith bedeckt, einer
                              									zementartigen Masse, die eine glatte, harte und leicht zu reinigende Oberfläche
                              									gibt. In den Salons usw. sind darüber stets noch Teppiche gelegt; die Fussböden der
                              									Toiletten, Seitengänge usw. haben meist einen etwa 8 mm dicken Belag aus gemustertem
                              									Gummi. Die Wände von Wasch- und Baderäumen sind oft (wie auch neuerdings bei uns)
                              									mit Kacheln belegt.
                           Warmes und kaltes Wasser wird allen Wascheinrichtungen durch Luftdruck von Behältern
                              									unter den Wagen zugeführt; die Heizung ist bei allen Wagen als selbständige
                              									Warmwasserheizung ausgebildet. Die Beleuchtung geschieht durch Elektrizität und Gas
                              										(Pintsch).
                           Der Anstrich aller Pullman-Wagen ist dunkel olivgrün,
                              									mit einfachen gelblichen Streifen abgesetzt.
                           Ueber die innere Einrichtung der ausgestellten gewöhnlichen Personenwagen
                              										„1803“ und „1903“ ist nichts Besonderes zu bemerken, sie
                              									entsprechen in ihrem Inneren dem der oben genannten Wagen der American Car and Foundry Co. Der
                              									Auswanderer-Schlafwagen, „Tourist sleeper“, auch
                              										„Schlafwagen zweiter Klasse“ genannt, entspricht hinsichtlich der
                              									Einrichtung und Anordnung der Betten der normalen amerikanischen Ausführung, d.h.
                              									alle Betten, je zwei übereinander, sind in zwei Längsreihen im Wagen angeordnet,
                              									unmittelbar an dem in der Mitte des Wagens frei bleibenden Mittelgang, gegen den sie
                              									nur durch Vorhänge abgeschlossen sind. Auf diese Weise lassen sich in einem
                              									derartigen Wagen 32 sehr bequeme, etwa 1 m breite Betten unterbringen. Tagsüber sind
                              									die oberen Betten nach oben geklappt, indem sie gleichzeitig als Behälter für die
                              
                              									Kissen, Decken, Zwischenwände und Vorhänge dienen. Das untere Bett wird aus zwei
                              									gegenüber liegenden Sitzen hergestellt, die ebenso aufgestellt sind wie die Bänke in
                              										Fig. 92. Diese bekannte Einrichtung ist bei den
                              									Schlafwagen zweiter Klasse in einfacherer Ausstattung durchgeführt. Die Sitze der
                              									Bänke sind nur mit Rohrgeflecht überzogen; das Holzwerk ist glatt und ohne die
                              									üblichen Verzierungen gehalten. Ebenso sind die Waschräume an beiden Enden des
                              									Wagens einfach, aber doch reichlich; der Warmwasserheizofen im Waschraum für Frauen
                              									ist mit Vorrichtungen zum Wärmen von Speisen versehen; ferner befindet sich dort
                              									eine Aufwascheinrichtung, in der die Auswanderer ihr mitgebrachtes Geschirr reinigen
                              									können. Die Einführung dieser Wagen, die ebenso bequem und geräumig und bei grosser
                              
                              									Hitze vielleicht noch angenehmer sind als die heissen und dumpfen Schlafwagen erster
                              									Klasse, wird überall sehr anerkannt; die Wagen sind auch meist gut besetzt, da der
                              									Fahrpreiszuschlag gering ist. Die Wagen verkehren auf den langen Linien von Chicago,
                              
                              									St. Louis usw. nach dem Westen.
                           Die übrigen Wagen der Pullman-Ausstellung waren sämtlich
                              									Luxuswagen. In bezug auf Ausstattung und Eleganz können sie als Muster angesehen
                              									werden; die Durchbildung und Anordnung der Einrichtung erzielte eher den Eindruck
                              									von kleinen Gesellschafts- und Restaurationsräumen, als den des engen und gedrückten
                              									Eisenbahnwagens. Grösser Wert war auf einheitliche Ausstattung der einzelnen Wagen
                              									gelegt; jeder war in einem bestimmten Stil gehalten, so dass die Pullman-Ausstellung fast einer Ausstellung moderner
                              									Zimmereinrichtungen glich. Das grösste Interesse bot natürlich der „Limited
                                 										train“, da Züge dieser Art dem grossen Publikum, nicht nur wie die
                              									Privatwagen, einzelnen Leuten zugänglich sind. Allerdings wird für diese Züge ein
                              									besonderer Zuschlag erhoben.
                           Der erste Wagen dieses Zuges, der Gepäck- und Rauch wagen „Jefferson“ enthält
                              									ausser dem Gepäckraum ein Rauchzimmer mit zwölf Einzelsesseln und einem Sopha in
                              									Lederausstattung; daneben liegt ein Büffet, dann ein Barbierzimmer mit
                              									anschliessendem Baderaum und ein Warteraum für zehn Personen. Ausgeführt ist eine
                              									Anlehnung an den modernen deutschen Stil; alles Holzwerk ist in dunkelbrauner
                              									Färbung gehalten, mit flach geschnitzten einfachen Verzierungen. Die Farbe der
                              									Decken ist mattoliv, ebenso wie die der Vorhänge und Polsterung. Alle
                              									Beleuchtungskörper sind dem Stil genau angepasst, sie sind an den Seiten wänden des
                              									Wagens angebracht; die üblichen Deckenlampen sind vollständig vermieden.
                           Der Speisewagen „Monroe“ ist in flämischem Stil gehalten. Die braun gebeizte
                              									Eichenholztäfelung zieht sich bis zu den Decken hinauf in den Oberlichtaufbau, der
                              									hier rechteckig gehalten ist und infolge seiner grossen Breite den ganzen Raum
                              									scheinbar sehr vergrössert. Die freien Deckenfelder sind dunkelorange gefärbt. Die
                              
                              									breiten, oben halbelliptisch begrenzten Fenster sind etwas höher als gewöhnlich
                              									gesetzt, so dass zwischen ihrer Unterkante und der anstehenden Tischfläche ein
                              									Streifen bleibt, der zu einer nischenartigen Ausbildung der Wagenwand benutzt worden
                              									ist, wo kleinere Flaschen, Gläser usw. Platz finden können. Die Tische selbst, nach
                              									dem Mittelgang zu etwas abgerundet, sind sämtlich nur für je zwei Reisende
                              									berechnet. Auch hier sind die Beleuchtungskörper besonders ausgebildet; ausser einer
                              
                              									Reihe von flachen Deckenlampen sind an den Seitenwänden zwischen den Fenstern
                              									Laternen angebracht, und über jedem Tisch befindet sich eine Glühlampe an einem aus
                              									der Wand heraustretenden Kandelaber. Alle metallischen Teile sind in mattschwarz
                              									ausgeführt.
                           Die Einrichtung des Schlafwagens „Livingston“ ist konstruktiv dieselbe wie in
                              									dem oben beschriebenen Schlafwagen; in dem Hauptraum befinden sich zwölf Abteile
                              									(sections) mit je zwei übereinander liegenden Betten; ausserdem sind noch zwei
                              									abgeschlossene kleinere Räume vorhanden, ein „Drawing room“ mit vier Betten
                              									und ein „State room“ mit zwei Betten, die gegen einen besonderen und zwar
                              									verhältnismässig hohen Zuschlag zugänglich sind. Die Wände des Wagens sind mit
                              
                              									eingelegter Holzarbeit bedeckt, die Decken im Grundton mattgrün, die Verzierungen
                              									elfenbeinweiss. Auch die Waschräume und Toiletten sind ausserordentlich luxuriös
                              									ausgestattet. Die elektrische Beleuchtung ist reichlich; ausser den grossen
                              									Beleuchtungskörpern im Mittelgang an der Decke ist über jeder Bank in der
                              									Fensterecke eine Leselampe angebracht, die namentlich beim Schlafengehen recht
                              									angenehm ist, da sie das bei geschlossenen Vorhängen sonst recht dunkle Abteil
                              									erhellt. Diese Lampen sind in die Wagenwand eingelassen und mit Verschlusschieber
                              									versehen, so dass keine hervorspringenden Teile vorhanden sind und die Lampe selbst
                              									gut geschützt ist. Beim Oeffnen des Schiebers wird die Lampe selbsttätig
                              									eingeschaltet.
                           Der Salonwagen (Parlor car) „Napoleon“ fiel vor allem durch seine reichliche
                              									Beleuchtung auf, die in grossen, besonders entworfenen Beleuchtungskörpern im
                              									Lichtaufbau und in zwei Reihen ähnlich geformter kleinerer Lampen an den
                              									Hauptlängsträgern der Decke besteht. Im Hauptraum befinden sich wie üblich zwei
                              									Reihen von Drehsesseln; ausserdem ist ein kleinerer abgeschlossener Salon vorhanden.
                              									Die Toiletteräume sind mit Kacheln belegt.
                           In dem Aussichtswagen „Louisiana“ befinden sich ausser dem an die hintere
                              									Plattform grenzenden Salon eine Reihe Abteile, wie in den europäischen Schlafwagen,
                              									mit der gewöhnlichen Schlafeinrichtung und anstossenden Toiletteräumen
                              									(observation-compartment car). Auf die Ausstattung dieser Abteile ist, da sie die
                              									vornehmsten des ganzen Zuges darstellen, ganz besonderer Wert gelegt. Jedes ist in
                              									einem besonderen Farbenton gehalten; es ist nur kostbarstes Holz zur Täfelung
                              									verwendet; jede Platte ist besonders nach Maserung und Färbung ausgesucht. Die
                              									Beleuchtung geschieht durch Wandarme über den Eingangstüren. Der Aussichtssalon ist
                              									ebenfalls mit kostbarer Holzverkleidung ausgestattet, unter der flach ausgebildeten
                              									Decke ist reiches Schnitzwerk angebracht. Die Beleuchtungskörper treten als
                              									blumenähnliche Gebilde aus der Wand heraus. Die 3 m breite und 1,80 m lange
                              
                              									Aussichtsplattform ist zum Teil in den Wagen hineingebaut (vergl. auch Fig. 95); an den freien Seiten ist sie mit einem
                              									verzierten Geländer aus Messing umgeben. An das innere Ende des Salons schliesst
                              									sich ein Raum an, in dem Schreibtisch, Bibliothek und eine Schreibmaschine
                              									aufgestellt ist, die mit Bedienung den Reisenden unentgeltlich zur Verfügung
                              									steht.
                           Der Speisewagen des zweiten Pullman-Zuges
                              										„Centennial“, (Café smoking car), entspricht fast genau den bei uns
                              									üblichen Speisewagen; er enthält neben der Küche und dem Anrichteraum zunächst einen
                              									Speiseraum, und daneben eine Rauchabteilung (in Lederausstattung), in der sich auch
                              									ein Schreibtisch befindet. Die Ausbildung der glatt gehaltenen Wände, wie die Form
                              
                              									des Oberlichtaufbaues, ebenso die ungewöhnlich breiten Flächen zwischen den Fenstern
                              									geben dem Innern des Speiseraumes vollständig das Aussehen eines modernen,
                              									anheimelnden kleinen Speisezimmers.
                           Der Privatwagen „President“ enthält drei kleine Zimmer mit Schlafeinrichtung,
                              									Kleiderschrank und anschliessendem Toiletteraum, einen grösseren Speiseraum und
                              									einen Salon, der auf die als Aussichtsraum ausgebildete hintere Plattform des Wagens
                              
                              									führt. An Nebenräumen sind vorhanden: Baderaum, Küche, Anrichteraum und Dienerraum
                              									mit Schlafeinrichtung. Die Ausstattung der Luxusräume im Stil Louis XIV. ist
                              									natürlich hervorragend prächtig und kostbar.
                           Ein Privatwagen sei noch besonders vorgeführt, der von der Firma
                           
                              F. M. Hicks & Co., Chicago III,
                              
                           ausgestellt war. Von diesem Wagen ist in Fig. 95 ein Grundriss wiedergegeben, aus dem die
                              									Verteilung der einzelnen Räume zu ersehen ist, die ungefähr der des oben genannten
                              										Pullman-Privatwagens entspricht. Die Privaträume
                              									liegen inmitten des Wagens zu beiden Seiten eines Bade- und Toilettenraumes. Der
                              									eine (links) enthält ein nach Art der Pullman-Konstruktion ausgeführtes oberes und unteres Bett; in dem grösseren (rechts)
                              									ist eine grössere normale Bettstelle aufgestellt, ausserdem befinden sich in beiden
                              									Kleiderschränke. Am vorderen Ende des Wagens sind alle Nebenräume untergebracht:
                              									eine Küche, ein kleiner Schlafraum mit Doppelbett und ein Toiletteraum; ebenso
                              									befindet sich vorn der Warmwasserofen und in dem geschlossenen Vestibüle der
                              									Eisschrank. Zwischen diesen beiden Gruppen von kleineren Räumen befindet sich der
                              									Speiseraum, mit ausziehbarem Tisch, grossem Sopha und einigen Schränken, und am
                              									hinteren Ende des Wagens liegt der Salon, der mit der Platform den Aussichtsraum
                              									bildet. Die Platform ist in den Wagen hinein erweitert und mit dem üblichen
                              									Messinggeländer umgeben; in dem Dach ist eine grosse halbkugelige Kuppel für die
                              									Beleuchtungskörper eingebaut. Der Salon ist gegen die Platform durch besonders
                              									grosse Fenster abgeschlossen (Fig. 96). Die
                              									Ausstattung der einzelnen Räume ist ebenso wie bei den Pullman-Wagen sehr luxuriös (siehe auch Fig.
                                 										97); die Beleuchtung geschieht ebenfalls durch Elektrizität, im
                              									Bedarfsfälle durch Pintsch-Gas. Der Wagen läuft auf
                              									zwei dreiachsigen Drehgestellen; seine äussere Erscheinung ist die gleiche wie bei
                              									den Pullman-Wagen. Er ist als Direktionswagen für den
                              									eigenen Gebrauch einer Bahn bestimmt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 531
                              Fig. 95. Grundriss des „Private car“ von Hicks.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 531
                              Fig. 96. Aussichtsraum im „Private car“ von Hicks.
                              
                           
                        
                           
                              Personenwagen mit Seiteneingang der Wabash R. R.
                              
                           Abweichend von dem bisher ausschliesslich gebrauchten System der Durchgangswagen hat
                              									man neuerdings auf Vorortstrecken Wagen mit seitlichen Türen eingeführt, ähnlich den
                              									in Europa gebräuchlichen, die ein schnelleres Ein- und Aussteigen gestatten als die
                              									lediglich mit Türen an den Stirnwänden ausgerüsteten Wagen. Der „Shuttle
                                 										train Service“ der Wabash Railroad, der, wie
                              									schon auf S. 242 d. B. erwähnt, den Stadtverkehr von dem Hauptbahnhof in St. Louis
                              									nach der Ausstellung vermittelte, geschah durch mit seitlichen Eingängen versehene
                              									Wagen, die von der Bahngesellschaft besonders für diesen Zweck erbaut waren. Sie
                              									sind in den Werken der American Car & Foundry Co.
                              									zu Detroit erbaut worden, und zwar als normale Güterwagen, die nur für die Zeit der
                              									Ausstellung als Personenwagen hergerichtet waren. Aeusserlich hatten sie daher das
                              									plumpe Aussehen der grossen Güterwagen; bei einer Länge von etwa 15 m wiesen sie
                              									einen Querschnitt von 2,6 × 2,6 m auf; an jeder waren nur zwölf kleine Fenster (45 ×
                              									54 cm), sowie vier Türen angebracht, die als Schiebetüren mit einer gemeinsamen
                              									Oeffnungseinrichtung ausgebildet waren, ähnlich der weiter unten beschriebenen der
                              									Chicagoer Vorortwagen. Die Sitze im Innern boten Platz für 92 Personen. Es waren
                              									Bänke von verschiedener Länge in der Querrichtung des Wagens aufgestellt, ausserdem
                              									waren Handriemen zum Festhalten für Stehende reichlich vorgesehen. Die Beleuchtung
                              									geschah durch einfache Oellampen.Weiteres
                                    											über die Wagen siehe Railroad Gazette, 1904, S. 365.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 531
                              Fig. 97. Speiseraum im „Private car“ von Hicks.
                              
                           
                        
                           
                              Vorortwagen der Illinois Central R. R.
                              
                           Diese Bahn hat seit 1903 auf ihren stark benutzten Vorortstrecken um Chicago eine
                              									neue Wagenart eingeführt die sie auf der Weltausstellung zur Vorführung brachte,
                              									einen Personenwagen mit seitlichen Eingängen, jedoch ohne innere Abteile. Der Wagen
                              
                              									hat, wie Fig. 98 zeigt, seitlich 12 Türen, ferner
                              									an den Enden die gewöhnlichen Eingänge und Uebergangseinrichtungen zur Verbindung
                              									mit den Nachbarwagen. Durch diese Zerteilung der Seitenwände ist die übliche
                              
                              									Tragkonstruktion natürlich nicht mehr möglich. Es ist deshalb der Unterrahmen als
                              									alleiniger Träger ausgebildet worden; er besteht aus einer Profileisenkonstruktion,
                              									die durch vier Spannvorrichtungen versteift wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 532
                              Fig. 98. Vorortwagen der Illinois Central R. R.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 532
                              Fig. 99 und 100. Eisenkonstruktion des Wagens Fig. 98.
                              
                           Die durchaus metallische Ausführung gibt dem Ganzen natürlich
                              									eine grosse (in Amerika sonst vielfach nicht bekannte) Festigkeit und nebenbei auch
                              									Feuersicherheit. Auch der Wagenkasten selbst ist auf ein Eisengerippe aufgebaut,
                              									das, wie Fig.
                                 										99 zeigt, an den Wagenenden durch Diagonalen und grosse Eckbleche
                              
                              									versteift ist. Die langen Seitenwände sind der Schiebetüren wegen doppelt ausgeführt
                              										(Fig.
                                 										100). Die Wandfüllungen bestehen aus hartem Holz, das ohne Schrauben in
                              									den ∪-Eisen nur durch geringes Ueberkanten des etwas geschlitzten Flansches
                              
                              									festgehalten wird. Als Fussboden ist über dem Unterrahmen zunächst ein
                              									Eisenblechbelag, dann eine 6 mm dicke Asbestschicht und schliesslich eine 18 mm
                              									starke parkettähnliche Holzbelegung ausgeführt. Drehgestelle und
                              									Kupplungseinrichtungen sind die gewöhnlichen. Das Gewicht dieser neuen Wagen ist
                              									nach den Angaben der Bahn um 3–4 t geringer als bei gleich grossen Wagen in
                              									Holzkonstruktion, es beträgt 38,4 t.
                           Die Verwendung von Schiebetüren an Stelle der in Europa üblichen Schwingtüren
                              									erfolgte aus mehreren Gründen. Einmal war es die grössere Gefahrlosigkeit für die
                              									Reisenden, dann aber vor allem die Möglichkeit, alle Türen einer Wagenseite
                              									gemeinsam öffnen und schliessen zu können, wodurch eine grössere Geschwindigkeit in
                              									der Abfertigung der Züge zweifellos erzielt wird. In allen Vorortwagen in Amerika
                              									ist je ein Schaffner aufgestellt, der nur das Ein- und Aussteigen der Reisenden zu
                              									regeln und für die Schliessung der Türen zu sorgen hat. Bei gewöhnlichen
                              									Durchgangswagen steht er auf der Platform und bedient die beiden hier vorgesehenen
                              									Eingangstüren; in den neuen Wagen der Illinois Central R.
                                 										R. öffnet und schliesst er sämtliche Türen von dem einen Wagenende aus mit
                              									einer Druckluftvorrichtung oder (wenn kein Luftdruck vorhanden ist) mit Handrad und
                              									Spindel. Die Einrichtung ist so getroffen, dass während der Fahrt alle Türen
                              									verriegelt sind. Nach dem Halten des Zuges gibt der Schaffner die Verriegelung an
                              									der des Bahnsteiges frei, und die Reisenden können jede Tür einzeln nach Bedarf
                              									öffnen. Das Schliessen aller offenen Türen geschieht gemeinsam, erst schnell, gegen
                              									Ende der Bewegung langsamer, um Einklemmungen zu vermeiden. Ein elektrischer Wecker
                              									ist angebracht, der beim Schliessen solange ertönt, bis alle Türen wirklich
                              									geschlossen sind. Konstruktiv ist dieser Vorgang sehr einfach verwirklicht. Die
                              									Schiebetüren laufen oben in Rollen; über ihnen liegt in der ganzen Länge des Wagens
                              									eine Zugstange mit Mitnehmernasen, die gegen passende Anschläge an den Türen stossen
                              									und sie in einer Richtung mitnehmen. Die durchgehende Stange verriegelt also die
                              									Türen, indem sie sie in der geschlossenen Stellung festhält. Die Türen werden
                              									freigegeben, indem die Stange zurückgeschoben wird, wobei jedoch die Türen zunächst
                              									geschlossen bleiben. Die Bewegung der Zugstange geschieht unmittelbar durch den
                              									erwähnten Pressluftzylinder (Bremsluft).
                           Diese Anordnung hat vor der versuchsweise auch ausgeführten mit zwangläufiger
                              									Oeffnung aller Türen den Vorzug, dass nicht unnötig grosse Oeffnungen im Wagen
                              									während der Dauer des Aufenthaltes entstehen, was namentlich im Winter sehr angenehm
                              									ist. Die Dichtung gegen Zugluft in den Gleitfugen der Türen geschieht an der
                              									vorderen Kante durch eine keilartige Ausbildung der Kanten, hinten durch eine
                              									eingelegte dünne Tuchbekleidung, die zugleich das Klappern verhindert.
                           Die Aufstellung der Sitzbänke ist vollständig abweichend von der bei uns bekannten
                              									Art. Es ist eine Reihe von viersitzigen Doppelbänken quer in den Wagen gestellt, die
                              									an beiden Seiten des Wagens einen Längsgang frei lassen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 533
                              Fig. 101. Anordnung der Sitze im Wagen Fig. 98.
                              
                           Diese Anordnung besitzt den grossen Vorteil, dass die
                              									Verteilung der Reisenden in kürzester Zeit vor sich gehen kann und dass die einmal
                              									sitzenden Personen kaum gestört werden. Das Fehlen jeder hohen Zwischenwand
                              									erleichtert die Uebersicht über den Wagen und das Aufsuchen leerer Plätze. Die
                              									Bänke selbst (Fig. 101) sind nicht gepolstert,
                              									sondern in glattem Mahagoniholz ausgeführt; die einzelnen Sitze sind durch niedrige
                              									Armlehnen abgetrennt, so dass nie, wie vielfach bei uns, ein Zweifel über die
                              									zulässige Personenzahl auf einer Bank entstehen kann. An den Ecken der Rückenlehnen
                              									sind je zwei griffartige Aussparungen angebracht, an denen sich stehende Reisende
                              									festhalten können. Im ganzen sind in jedem Wagen 100 Sitzplätze vorhanden; in den
                              									Gängen können sich ausserdem nach Angabe der Bahn 200 Reisende aufstellen, so dass
                              									das Fassungsvermögen eines Wagens 300 Personen betragen würde.
                           Als Beleuchtung ist eine Reihe grosser Pintschgaslampen
                              									mitten über den Banklehnen angebracht, die an diesen Stellen 50 cm tiefer als sonst
                              									üblich angebracht werden konnten, da sie ja hier den Köpfen der Reisenden nicht im
                              									Wege sind. Diese Beleuchtung ist für alle auf den Bänken Sitzenden natürlich die
                              									denkbar günstigste.
                           Die Heizung ist als Dampfheizung nach dem System der Safety
                                 										Car Heating & Lighting Co. (deutsches
                              									System) ausgeführt, die Heizrohre liegen unter den Sitzbänken (Fig. 101).
                           Es muss anerkannt werden, dass diese Wagenform den Anforderungen eines starken
                              									Vorortverkehrs in weitem Masse entspricht; sie erfreut sich beim Publikum einer
                              									grossen Beliebtheit.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)