| Titel: | Das mechanische Blasen von Tafelglas nach P. Th. Sievert. | 
| Autor: | Wendler | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 700 | 
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                        Das mechanische Blasen von Tafelglas nach
                           									P. Th.
                              								Sievert.
                        Von Dr. Wendler.
                        (Schluss von S. 683 d. Bd.)
                        Das mechanische Blasen von Tafelglas nach P. Th.
                           								Sievert.
                        
                     
                        
                           Die Ergebnisse mit dieser Maschine befriedigten indessen in einer Beziehung noch
                              									nicht. Beim Aufgiessen der Glasmasse auf die metallene Platte i (Fig. 3, S. 683)
                              									verlieren die Randteile der Glasschicht begreiflicherweise am meisten Wärme und
                              									werden rascher fest als die mittleren. Die Folge ist, dass beim Aufblasen ein
                              									nicht unerheblicher Teil der Glasmasse in Gestalt eines dicken, später
                              									abzutrennenden Randwulstes an der Platte i verbleibt
                              									und verloren geht und dass der obere Teil der Walze eine zu grosse und
                              									ungleichmässige Wandstärke erhält. Dieser Uebelstand konnte durch eine Aenderung der
                              									Arbeitsweise beseitigt werden, ohne dass die Maschine etwa verwickelter geworden
                              									wäre – im Gegenteil, eine Vereinfachung der Maschinerie war möglich.
                           Die Aenderung besteht darin, dass man die an der Blasplatte angeheftete, an den
                              									Rändern festgehaltene Glasschicht nicht gleich den ausdehnenden Einflüssen der
                              									Schwerkraft, der Pressluft und der Zentrifugalkraft unterwirft, sondern zunächst
                              									soweit abkühlen lässt, dass sie eine gewisse Starrheit gewinnt. Das Anheften der
                              									Glasmasse an den Halterahmen geschieht in der in Fig.
                                 										2 veranschaulichten Weise, nur dass die Blasplatte die Glasschicht
                              									berührt, so dass die Glasmasse während des folgenden Erstarrens zwischen zwei
                              									Metallplatten eingeschlossen ist, was dem beabsichtigten Ausgleich ihrer Temperatur
                              									und Zähigkeit nur förderlich ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 701
                              Fig. 4.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 701
                              Fig. 5.
                              
                           Die Unterlage (a, Fig.
                                 									2) wird entfernt, wenn die Glasmasse so weit erstarrt ist, dass sie nicht mehr
                              									durchsackt. Die Fig. 4 zeigt die Maschine in dem
                              									Augenblick, in welchem auf dem unter dem Gerüst stehenden fahrbaren Gestell eine
                              									schüsselförmige flache Eisenform herangeführt worden ist, in welche die Glasmasse
                              									eingegossen wird. Die an dem senkrechten Schaft schwebende Platte, entsprechend o
                              									Fig. 2, wird in Fig.
                                 										5 mit den erhitzten Rändern in den Glaskuchen eingesenkt und nach einiger
                              									Zeit wieder angehoben. An der Unterseite der Platte hängt nun die noch rotwarme,
                              									aber nicht mehr durchsinkende Glasmasse. (Fig. 6).
                              									Der Wagen mit der flachen Form wird nun Weggefahren, die hierbei frei werdende, im
                              									Hüttenflur liegende Tür der Feuergrube geöffnet und die Glasmasse hierauf eingesenkt
                              										(Fig. 7). Wenn sie nach einiger Zeit wieder
                              									ausgehoben wird (Fig. 8), hängt sie als flacher
                              									Beutel herab, hat also die Gestalt, welche sie bei der zuerst geschilderten älteren
                              									Arbeitsweise nach dem Kippen der Platte i (Fig. 3) sofort annimmt. Ihre innere Beschaffenheit
                              									ist aber viel günstiger. Da sie zunächst in Berührung mit der Metallplatte nebst
                              									Rahmen einer gemeinschaftlichen Abkühlung ausgesetzt war, darauf in immer noch enger
                              
                              									Berührung mit dem Träger (Blasplatte nebst Rahmen) wieder aufgewärmt wurde, so hat
                              									sie in der Mitte wie am Rande eine gleichmässige Temperatur, was sich in der
                              									überraschendsten und günstigsten Weise bei dem nun folgenden Aufblasen zeigt. Alles
                              									Schwenken kann wegfallen. Die Drehung der werdenden Walze um ihre Längsachse und
                              									wiederholtes Anwärmen genügt nun, um in verhältnismässig rascher Zeit eine tadellos
                              									ausgebildete Walze zu erhalten (s. Fig. 9). Die
                              									Maschine in Fig. 4–8
                              									entspricht der älteren umständlicheren Arbeitsweise, aus dem Vergleich mit Fig. 9 geht die Vereinfachung hervor, welche die
                              									Maschinerie bei der verbesserten Arbeitsweise erfahren hat. Es sind davon nur noch
                              									die Einrichtungen zum Drehen und zum Heben und Senken des Blase- und Halterahmens
                              									angeordnet. Bei dieser einfachen Maschine ist das Anhaften der Glasmasse an den
                              									Halter nach Fig. 1 bewirkt. Der Platte n entspricht die flache Form (Fig. 4), in welcher ein ringförmiger Rahmen mit Schraubbolzen (Fig. 9) vor dem Eingiessen des Glases eingelegt wird.
                              									Nach dem Eingiessen des Glases wird die der Platte o
                              									entsprechende, am senkrechten Schaft hängende Blasplatte so niedergesenkt, dass der
                              									Rand der Glasmasse zwischen ihr und dem zuvor eingelegten ringförmigen Rahmen
                              									eingeklemmt wird. Rahmen und Platte werden mit Hilfe der Schraubbolzen aneinander
                              									befestigt, so dass hiermit die Anhaftung der Glasschicht an der Platte gegeben ist. Der obere,
                              									später abzutrennende Randwulst der Glaswalze ist bei diesem Verfahren sehr dünn. Es
                              									gibt also wenig Glasverlust und die Walze kann leicht durch Lösen der
                              									Verschraubungen und des Ringrahmens von der Platte getrennt werden. Natürlich könnte
                              									die Glaswalze auch einfach an einen abwärts stehenden erhitzten Rand der Blasplatte
                              									angeheftet und nach Fertigstellen durch sanftes Klopfen davon gelöst werden. Die
                              									Mengenleistung des oben geschilderten Verfahrens ist eine ganz ausserordentliche.
                              									Zunächst überschreiten die Abmessungen der danach hergestellten Walzen ganz
                              									bedeutend die übliche Grösse der von der Hand geblasenen, ja es hat sich gezeigt,
                              									dass die gleichmässige Verteilung des Glases in der Wandung der Walze und die
                              									Gradwandigkeit der Walze umso leichter zu erreichen sind, je grösser der Durchmesser
                              									der Walze gewählt wird, welcher lediglich von dem Durchmesser des angewendeten
                              									Blase- und Halterahmens abhängt. Da ferner die Praxis ergeben hat, dass eine Walze
                              									von grossem Durchmesser in derselben Zeit hergestellt werden kann wie eine Walze mit
                              									kleinem Durchmesser, so ergibt sich, dass dem Durchmesser der erblasenen Walzen
                              									entsprechend auch die Erzeugungsmenge der Maschine steigt. Die Abmessungen der
                              									Maschinenwalzen sind vorläufig auf 1,25 m Durchmesser bei 3,50–3,75 m Länge
                              									festgelegt, was etwa 13 qm Fensterglas in jeder Walze oder das Achtfache einer von
                              									Hand gefertigten Walze ergibt. Die Herstellung einer solchen Walze nimmt sechs
                              									Minuten einschliesslich des Aufgiessens der Glasmasse in Anspruch, so dass
                              									einschliesslich der Zeit für das Abnehmen der Walze mit einer Erzeugung von acht
                              									Walzen in der Stunde gerechnet werden kann, was 100 qm Fensterglas f. d. Stunde
                              									und Maschine oder, bei drei Arbeitsschichten zu je acht Stunden eine tägliche
                              									Erzeugung (in 24 Stunden) von 2400 qm und 14,400 qm in sechs Tagen ausmacht. Es ist
                              									dies mehr als das Fünffache der für das vielberufene Glass
                                 										Trust-Verfahren angegebenen Leistungsfähigkeit. Der Aufwand an
                              									Bedienungspersonal für die einzelne Maschine beläuft sich auf zwei Mann f. d.
                              									Schicht und auf drei Mann zur Hilfeleistung (Abnehmen und Fortschaffen der Walzen
                              									usw.), also auf fünfzehn Mann f. d. Maschine und vierundzwanzig Stunden. Verglichen
                              									mit der Handarbeit, leistet die Sievertsche Maschine
                              
                              									bei langsamer, auf ¾ der vollen angenommenen Arbeit, und bei der angegebenen
                              									Besatzung von fünfzehn Mann die Arbeit von vierundzwanzig Bläsern und achtundvierzig
                              									Hilfsmannschaften. Die Angaben über den Mannschaftsbedarf der amerikanischen
                              									Maschine machen es wahrscheinlich, dass die angegebenen Zahlen namentlich
                              									hinsichtlich der Hilfsmannschaft, zu niedrig gegriffen sind und dass in diesem
                              									Punkte von einer Ueberlegenheit der Maschine über die Sievertsche nicht wohl gesprochen werden kann. Der entscheidende Punkt bei
                              									dem Vergleiche steht aber noch aus, nämlich die Güte des Erzeugnisses. Die
                              									Wichtigkeit dieses Punktes ist eingangs genügend beleuchtet worden, es mag daher
                              									hier nur wiederholt werden, dass bei den ausländischen Maschinen ein minderwertiges
                              									Tafelglas erzeugt wird, während die Sievertsche
                              									Maschine ein Erzeugnis liefert, das den Wettbewerb mit dem von Hand gearbeiteten
                              									aufnimmt. Der Beweis dafür wird in nicht allzuferner Zeit auf offenem Markte
                              									geliefert werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 702
                              Fig. 6.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 702
                              Fig. 7.
                              
                           Wenngleich die beschriebene Maschine, wie schon erwähnt, mit Rücksicht auf die
                              									Herstellung von Glaswalzen ausgebildet und hierfür besonders bestimmt ist, so
                              									ist sie in ihren Grundzügen vortrefflich geeignet, auch bei den übrigen
                              
                              
                              									Ausführungsformen des vielseitigen Sievertschen
                              									Glasblaseverfahrens gute Dienste zu leisten. Die Anordnung der Wärmgrube unter der
                              									Blasevorrichtung ermöglicht auch bei der Herstellung anderer grosser Glaskörper,
                              									z.B. der schon früher fabrizierten geblasenen Glasbadewannen, den Glaskörper während
                              									der Blasearbeit mühelos nach Bedarf aufzuwärmen. Hierdurch wird die Gefahr
                              									beseitigt, dass die Glaswanne, welche in einer Form geblasen wird, während der
                              									Arbeit etwa zu rasch und ungleichmässig erstarrt und im fertigen Zustande innere
                              
                              									Spannungen aufweist, welche sich später im Gebrauche der Wanne durch Zerspringen
                              									unliebsam bemerkbar machen können. Die Haltbarkeit der unter Zuhilfenahme der
                              									Anwärmegrube geblasenen Badewannen wird also sehr erhöht werden. Die Einrichtung zum
                              									Drehen des Blase- und Halterahmens gestattet es, beim Blasen in runden Formen den
                              									Glaskörper zu drehen und so die Bildung von „Formnähten“ zu verhindern. Da
                              									der werdende Glaskörper während des Blasens frei zugänglich aufgehängt ist, so kann
                              									jeder zur Erzeugung von Besonderheiten der Gestalt etwa nötige Eingriff von
                              									Hand aufs bequemste ausgeführt werden. Die Maschine wird z.B. in beträchtlichem
                              									Umfange zum Blasen von viereckigen Akkumulatorenkästen verwendet. Es hat sich
                              									hierbei als zweckmässig erwiesen, die gute Ausbildung der Kastenkanten dadurch zu
                              									unterstützen, dass man den noch unfertig herabhängenden Glasbeutel mit Schlagleisten
                              									von ⌊-Form bearbeitet, deren zwei in wagerechter Lage die entgegengesetzten Seiten
                              									des Glaskörpers bearbeiten und seine Ueberführung in scharf vierkantige Gestalt
                              									erleichtern. Diese Arbeit ist bei der Maschine bequem auszuführen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 703
                              Fig. 8.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 703
                              Fig. 9.
                              
                           Vor allem aber, das sei nochmals betont, liegt das Schwergewicht der Maschine darin,
                              									dass es dem Sievertschen Blaseverfahren das weite und
                              									fruchtbare Feld der Fensterglasherstellung erschliesst. Das Lubberssche Verfahren ist mit einem wahren Verblüffungsfeldzug in Szene
                              									gesetzt worden und die grossprecherischen Berichte amerikanischer Quellen haben im
                              									Anfang allzu gläubige Ohren gefunden. Von der Sievertschen Maschine darf man hoffen, dass sie, wie jede gute Sache, am
                              									wirksamsten sich selbst loben wird.