| Titel: | Kommutator-Motore für einphasigen Wechselstrom. | 
| Autor: | Albert Hoerburger | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 738 | 
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                        Kommutator-Motore für einphasigen
                           								Wechselstrom.
                        Von Dr. Albert Hoerburger,
                           								Berlin.
                        Kommutator-Motore für einphasigen Wechselstrom.
                        
                     
                        
                           Seit einiger Zeit ist die Aufmerksamkeit nicht nur der Fachleute, sondern, durch
                              									die Berichte der Tageszeitungen über die Erfolge einzelner Wechselstrombahnen, auch
                              									der Laien auf die einphasigen Wechselstrom-Kommutatormotore gelenkt worden und man
                              									erhofft von diesen Motoren eine weitere Ausdehnung der Elektrotechnik auf ein
                              									Gebiet, das sich bisher ihr nur zu einem Versuch erschlossen, nämlich auf die
                              									Vollbahnen. Die einphasigen Wechselstrom-Kommutatormotore sind nicht etwa eine neue
                              									Erfindung der letzten Jahre, sondern nahezu so alt wie die Elektromotore überhaupt.
                              									Aber wie so oft in der Welt, hat man auch hier Bestrebungen wieder fallen lassen,
                              									nur weil nicht gleich die allerersten Bemühungen mit Erfolg gekrönt waren und weil
                              									kein dringendes Bedürfnis dafür vorlag, sondern anderweitiger Ersatz vorhanden war.
                              									Bei dem ersten Auftreten der elektrischen Motore hatte man, da beinahe
                              									ausschliesslich Gleichstrom in Anwendung kam, in dem Nebenschluss- und
                              									Hauptstrommotor für alle praktisch vorkommenden Bedürfnisse ausgezeichnete
                              									Maschinen. Diese beiden Arten wurden daher sorgsam ausgebaut und verbessert und
                              									allmählich zu einer staunenswerten Höhe in bezug auf Wirkungsgrad und
                              									Anpassungsfähigkeit gebracht. Als dann später der Drehstrom zur Verwendung kam und
                              									die Drehstrommotore zunächst in der bestechend einfachen Form mit Kurzschlussankern
                              									ihren Siegeszug durch das ganze Gebiet der Technik antraten, da vergass man in der
                              									Freude, nun auch einen Motor für hohe Spannung zu besitzen, und vor allem die
                              									Sorgen, die auch die vollkommenste Gleichstrommaschine mit den besten Einrichtungen
                              									durch das feuern am Kommutator bereitet, mit einem Schlage los zu sein, ganz, dass
                              									man die Einfachheit der doppelten Stromzuleitung hatte aufgeben müssen. Auch die
                              									einphasigen Induktionsmotore fanden hier und da Anwendung, indem man durch
                              									Hilfsphase und Leerlaufscheibe über die Schwierigkeit des Anlassens hinwegzukommen
                              									trachtete.
                           Welche Erfolge durch Ausdauer und rastlose Bemühungen auch unter den schwierigsten
                              									Verhältnissen erzielt werden können, das beweisen die glänzend gelungenen Versuche
                              									mit der elektrischen Schnellbahn, wo die Schwierigkeiten der Zuleitung des
                              									hochgespannten Drehstroms, der Beschleunigung in der Anlaufperiode und der
                              									Tourenregulierung überwunden wurden. Aber trotzdem hat der Drehstrom keine Aussicht
                              									bei einer wirklichen Praktischen Ausführung einer elektrischen Vollbahn verwendet zu
                              									werden; hier kann nur ein System in Frage kommen, und das ist der einphasige
                              									Wechselstrom. Seine Vorteile bestehen gegenüber Gleichstrom in der leichteren
                              									Streckenausrüstung wegen der Möglichkeit der höheren Spannung am Fahrdraht und dem
                              									Fortfall der vielen Unterstationen, gegenüber Drehstrom in der einfacheren
                              									Stromzuleitung und der Unabhängigkeit der Motore von einer Tourenzahl. Der
                              									Induktionsmotor allerdings kann nicht benutzt werden, denn auch mit den besten
                              									Hilfsmitteln lässt sich das Anlaufdrehmoment nicht über das Normale steigern, der
                              									Anlaufstrom und die Rückwirkung aufs Netz verkleinern oder eine rationelle
                              									Tourenregulierung ermöglichen. Hier tritt nun der einphasige Kollektormotor ein, der
                              									in den letzten Jahren durch unablässige Bemühungen weiter ausgebildet wurde und nun
                              									schon seine ersten Proben auch bei schwierigem Bahndienst glänzend bestanden hat.
                              									Heute baut nahezu jede grössere Elektrizitätsfirma ihren
                              									Wechselstrom-Kommutatormotor und alle erreichen ein gutes Anlaufmoment, einen guten
                              									Leistungsfaktor und Wirkungsgrad und fast funkenfreien Lauf. Er scheint nicht nur
                              
                              									berufen zu sein, der Bahnmotor der Zukunft zu sein, da er im Notfalle sogar auf
                              									bestehende Gleichstrombahnen übergehen kann, sondern wird auch noch manches Gebiet
                              									erobern, das bisher der Anwendung der Elektrizität verschlossen blieb.
                           Im Nachstehenden soll nun nicht nur kurz über die einzelnen möglichen Arten von
                              									einphasigen Wechselstrom-Kommutatormotoren berichtet werden, sondern auch nach
                              									Möglichkeit über die ausgeführten Konstruktionen, so weit sie aus Patentschriften
                              									und anderen Berichten zur Verfügung standen. Es soll dies eine zusammenfassende
                              									Darstellung der Ansichten sein, die man zur Zeit über diese Motore hat und die von
                              									mehr oder weniger berufener in Büchern und den verschiedensten Zeitschriften des In-
                              									und Auslandes niedergelegt wurden. Dabei geht natürlich eine eingehende theoretische
                              									Behandlung der Motore über den Rahmen eines solchen Berichts weit hinaus und ist
                              									auch wohl mehr Sache der speziellen Fachzeitschriften. Zur Zeit ist die Ansicht über
                              									den wirklichen Wert der einzelnen Motore noch nicht geklärt, sondern alles ist noch
                              									im Versuchsstadium, und es ist zu erwarten, dass erst in einiger Zeit sich die eine
                              
                              									oder andere Konstruktion siegreich im Felde behauptet, während die übrigen wieder
                              									verschwinden.
                           Die ersten Wechselstrom-Kommutatormotore entstanden aus der Tatsache, dass man an
                              									einem Gleichstrommotor die Polarität vertauschen kann, ohne dass sich die
                              									Drehrichtung ändert, und dem daraus gefolgerten Schluss, dass man also auch einen
                              									Gleichstrommotor mit Wechselstrom müsse betreiben können. Natürlich kannte man schon
                              									aus dem Transformatorenbau, dass es dazu nötig sei, das Eisen des Feldes fein zu
                              									unterteilen, da sonst unzulässige Verluste und Erwärmungen durch Hysterese und
                              									Wirbelströme auftreten. Jedoch die ersten Versuche waren nicht sehr ermunternd. Die
                              									Motore gaben trotz grosser Stromaufnahme nur eine kleine Leistung und die
                              									Kollektoren waren durch das Feuer bald zerstört. Zwar war auch bei den
                              									Gleichstrommotoren der Kollektor immer der schwächste Punkt, und selbst heute,
                              									nachdem eine
                              									Erfahrung von etwa dreissig Jahren den Konstrukteuren zur steht, wird der Kollektor
                              									als notwendiges Uebel betrachtet, jedoch bei den Wechselstrommotoren verzagte
                              									mancher an einer Möglichkeit der Besserung. Daneben hatten die Motore noch einen
                              									schlechten Wirkungsgrad und einen sehr kleinen Leistungsfaktor. Ganz ruhten die
                              									Versuche mit solchen Motoren wohl niemals und einzelne Firmen, wie insbesondere Ganz & Co. in Budapest
                              									unter Ingenieuren wie Blathy und Déri, Oerlikon unter Prof. Arnold, und einzelne amerikanische Firmen unter Steinmetz und Eickemeyer befassten sich mehr
                              									oder weniger immer mit dem Problem des Wechselstrom-Kommutatormotors.
                           Die heutigen intensiven Bestrebungen mit dem Kommutatormotor für einphasigen
                              									Wechselstrom sind zeitlich eingelenkt von dem Amerikaner B.
                                 										G. Lamme, der im Oktober 1902 vor der „American Institution of
                                 										Electrical Engineers“ einen Vortrag über den Bau und Betrieb der
                              									Washington–Baltimore–Annapolis-Bahn, mit einer Länge von etwa 73 km mit einphasigem
                              									Wechselstrom, hielt und damit das grösste Aufsehen erregte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 738
                              Fig. 1. Nebenschlussmotor.
                              
                           1. Der Nebenschlussmotor. Beim Nebenschlussmotor, dessen
                              									allgemeines Schema in Fig. 1 gegeben ist, werden
                              									Anker A und Feld F von
                              
                              									verschiedenen Strömen durchflössen. Die Feldwindungen besitzen bei Wechselstrom,
                              									abgesehen von den kleinen ohmschen Verlusten, hauptsächlich induktiven Widerstand
                              									und verbrauchen daher nahezu nur wattlosen Strom, der um 90° gegenüber der Spannung
                              									verschoben ist. Im Anker überwiegt für den Augenblick des Anlaufens ebenfalls der
                              									induktive Widerstand der Ankerwindungen, es ist daher auch im Anker nahezu nur
                              
                              									wattloser Strom vorhanden. Beide Ströme sind demnach unter sich in Phase; der Motor
                              									läuft wie bei Betrieb mit Gleichstrom mit kräftigem Drehmoment an. Allein während
                              									des Betriebes ändern sich die Verhältnisse. Im Feld ist nach wie vor wattloser Strom
                              									vorhanden, doch im Anker vermindert sich mit zunehmender Geschwindigkeit und
                              									zunehmender Belastung die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung mehr und
                              									mehr, da der Anker zunehmend auch Wattstrom aufnehmen muss, um überhaupt Arbeit
                              									leisten zu können. Da nun der Maximalwert des Stromes im Anker immer dann eintritt,
                              
                              									wenn das Feld, das ja mit dem Strom in den Feldwindungen in Phase ist, erst einen
                              									kleinen Wert hat, so wird der Motor für die entsprechende Leistung einen
                              									unverhältnismässig grossen Strom aufnehmen müssen und infolge der dadurch
                              
                              									entstehenden grossen. ohmschen Verluste einen kleinen Wirkungsgrad besitzen. Auch
                              									die Phasenverschiebung wird immer eine beträchtliche bleiben und so auch der
                              									Leistungsfaktor klein sein. Da das anfängliche Drehmoment beim Lauf des Motors immer
                              									kleiner wird, so wird der Nebenschlussmotor, da es kein Mittel gibt, diesen
                              									Schwierigkeiten zu entgehen, für die Praxis unbrauchbar bleiben.
                           2. Der reine Serienmotor. Beim reinen Serienmotor liegen
                              									die Verhältnisse demgegenüber bedeutend günstiger, da bei ihm Feld und Anker in
                              									demselben Stromkreis liegen und daher notwendigerweise immer in Phase sein müssen.
                              										Fig. 2 zeigt schematisch den Stromverlauf. Bei
                              									ihm wird man unter allen Umständen ein günstiges Drehmoment haben, da der Strom im
                              									Anker mit dem Feld, das mit dem Feldstrom in Phase ist, zu gleichen Zeiten seinen
                              									Maximalwert erreicht. Dagegen wird der Leistungsfaktor gering sein und einen
                              									gewissen ziemlich niedrigen Wert niemals übersteigen können. Die
                              									Selbstinduktion der Feldwindungen und der Ankerspulen bewirkt unter allen Umständen
                              									eine Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung, die durch kein Mittel völlig zu
                              									beseitigen ist. Die Spannungen im Serienmotor verteilen sich kurz
                              									folgendermassen:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 738
                              Fig. 2. Reiner Serienmotor.
                              
                           Das Feld besitze p Windungen f. d. Pol, der Motor
                              									besitze ausgeprägte Pole und sei der Einfachheit wegen zweipolig angenommen, habe
                              									also 2 p Feldwindungen. Der benutzte Wechselstrom habe
                              										v Perioden in der Sekunde und die im Feld erzeugte
                              									Induktion sei BF. Dann
                              									herrscht an den Enden der Feldwicklung eine elektromotorische Kraft
                           eF i= C1 . v. 2 p. Bf.
                           Die im Feld erzeugten Kraftlinien durchsetzen den Luftspalt und werden bei der
                              									Rotation des Ankers von den auf dem Umfang desselben verteilten wirksamen
                              									Ankerdrähten geschnitten. Dadurch entsteht im Anker eine elektromotorische Kraft eAg, die abhängig ist
                              									von der Feldinduktion Bf, von der Zahl der wirksamen Leiter z und von der Geschwindigkeit, also etwa der
                              									minutlichen Umdrehungszahl n,
                           eAg =
                              										C2 . n . z . Bf.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 738
                              Fig. 3. Vereinfachtes Diagramm des reinen Serienmotors.
                              
                           Diese im Anker durch Rotation erzeugte elektromotorische Kraft ist die
                              									elektromotorische Gegenkraft des Ankers und steht als motorisch wirkende und daher
                              									in Phase mit dem Strom befindliche Spannung senkrecht auf der rein induktiven
                              									Spannung im Feld (Fig. 3). Der im Anker fliessende
                              									Wechselstrom erzeugt nun ebenfalls ein Feld, welches natürlich auch ein Wechselfeld
                              									ist, und als solches in den Ankerdrähten unabhängig von der Rotation eine
                              									Wechselspannung erzeugt. Dieses Querfeld besitze eine Induktion BA und die von ihm
                              									erzeugte Spannung ist natürlich abhängig von der Periodenzahl, der Zahl der
                              									Ankerdrähte und der Stärke des Feldes also:
                           eAi =
                              										C3 . v . z . BA.
                           C3 ist in diesem Falle
                              									natürlich gleich C2,
                              									doch ist hierauf wie auch später keine Rücksicht genommen.
                           Diese induzierte Spannung ist im Gegensatz zu der vorigen wieder rein induktiv; sie
                              									steht senkrecht auf der Ankerspannung und ist in Phase mit der Feldspannung. Rein
                              									induktiv sind endlich auch noch die durch die Streufelder erzeugten Spannungen von
                              									der gesamten Grösse es.
                              									Dieselben sind abhängig von der Gestaltung der Pole, von der Grösse des Luftspaltes
                              									und von der Zahl und Form der Zähne. Dagegen sind die durch die ohmschen Verluste im
                              									Feld und im Anker entstehenden Spannungen reine Arbeitsspannungen und darum in Phase
                              									mit der Ankerspannung. Da Anker und Feld von dem gleichen Strom durchflössen sind,
                              									so ist der ohmsche Spannungsabfall, wenn wA der Ankerwiderstand, wF der Feldwiderstand ist,
                           ew =
                              										J . (wA + wF).
                           Wie man ohne weiteres aus Fig. 3 ersehen kann, ist
                              									die Motorspannung als geometrische Summe dieser einzelnen Teilspannungen gegeben
                              									durch
                           E=\sqrt{{E_A}^2+{E_J}^2},
                           wenn EA die Summe der
                              									Arbeitsspannungen, EJ
                              									die Summe der induktiven Spannungen bezeichnet. Der Leistungsfaktor ist gegeben
                              									durch:
                           cos\,\varphi=\frac{E_A}{E}.
                           Hieraus lassen sich die Möglichkeiten entnehmen, die zur Verbesserung des
                              									Leistungsfaktors gegeben sind, ferner sieht man auch, dass man einen gewissen Wert
                              									desselben nicht wird überschreiten können.
                           Zunächst wird man die Selbstinduktion des Feldes möglichst verkleinern, d.h. dem
                              									Felde möglichst wenig Windungen geben, und den Motor mit schwachem Felde arbeiten
                              									lassen, um die induktive Spannung eF im Felde zu verkleinern. Auf diese schädliche
                              									Wirkung des Feldes haben Steinmetz und Kapp schon in den achtziger Jahren hingewiesen. Da aber
                              									der Motor natürlich ein magnetisches Feld besitzen muss, um überhaupt arbeiten und
                              									ein Drehmoment entwickeln zu können, ist man mit der Verkleinerung der Windungszahl
                              										p an eine gewisse Grenze gebunden. Ist nämlich das
                              									Feld zu schwach, so kann unter Umständen das Querfeld des Ankers überwiegen und
                              									störend einwirken. Die geringe Feldwindungszahl sucht man durch grösseren
                              									Eisenquerschnitt und einen kleineren Luftspalt auszugleichen. Freilich sind hier
                              									durch die technische Ausführbarkeit Grenzen gezogen, immerhin ist man schon bis auf
                              									1 mm einseitigen Luftspalt sogar bei Bahnmotoren heruntergegangen. Den induktiven
                              									Spannungsabfall im Anker eAi durch Verringerung der Ankerspulen zu verkleinern, ist nicht ohne
                              									weiteres möglich, da man damit auch die gegenelektromotorische Kraft des Ankers eAg verkleinern würde
                              									und damit dem Anker die Möglichkeit nähme, nützliche Arbeit zu leisten. Nun will man
                              									doch gerade vom Anker nützliche Arbeit, also ein grosses eAg; es ist damit ein Widerspruch
                              									geschaffen, und wie so oft in der Technik muss der Konstrukteur auch hier einen
                              									Kompromiss zwischen den nützlichen und schädlichen Wirkungen schliessen. Das beim
                              									reinen Serienmotor nicht zu umgehende Querfeld sucht man daher durch mechanische
                              									Mittel an seiner Ausbildung möglichst zu hindern, indem man z.B. die Pole gegen den
                              									Anker hin abschrägt oder schlitzt, oder Quernuten in dem Eisen anbringt (vergl.
                              									unten). Die Zahl der Streulinien und damit die induktive Spannung es ist wie bei allen
                              									Maschinen möglichst klein zu halten. Man sucht dies durch die besondere Form der
                              									Pole und der Zähne in den Ankerblechen auch durch kleinen Luftspalt zu erziehen. Da
                              									auch der ohmsche Widerstand Einfluss auf den Leistungsfaktor hat, sucht man hier
                              									durch Vergrösserung des Ankerwiderstandes einzuwirken, doch darf man nicht zu weit
                              									gehen, da anderseits die ohmschen Verluste im Anker den Wirkungsgrad ungünstig
                              									beeinflussen. Ein letztes Mittel, den Leistungsfaktor zu erhöhen, ist dadurch
                              									gegeben, dass, wie man aus den oben gegebenen Formeln für eFi und eAi ersieht, diese Grössen unmittelbar von der
                              									Periodenzahl v des Wechselstromes abhängig sind, dass
                              									also ein Verkleinern der Periodenzahl ein Verkleinern der induktiven Spannungen und
                              									damit einen besseren Leistungsfaktor zur Folge hat. Am besten wird natürlich ein
                              									Motor mit der Periodenzahl o, d.h. mit Gleichstrom
                              									arbeiten. In der Tat sind die von Lamme vorgeschlagenen
                              									und bei Serienmotoren allgemein benutzten Periodenzahlen ungewöhnlich niedrig; sie
                              									betragen nur etwa 15–17 in der Sekunde und übersteigen keinesfalls 25 Perioden.
                           Auch der Wirkungsgrad des reinen Serienmotors ist nicht allzu günstig, einmal da man,
                              									wie oben erwähnt, den Widerstand im Motor absichtlich nicht allzuklein wählt und
                              									damit die ohmschen Verluste vergrössert, ferner da auch die Eisenverluste gegenüber
                              									Gleichstrom grösser sind. Ein weiterer bedeutender Verlust ist durch die
                              									Kurzschlusströme gegeben, die in den durch die Bürsten kurzgeschlossenen Windungen
                              									entstehen. Diese sind bedeutend grösser als bei Gleichstrommaschinen. In den
                              									kurzgeschlossenen Spulen (vergl. Fig. 4) wird
                              									nämlich durch das Wechselfeld ein Strom erzeugt, wie in der kurzgeschlossenen
                              									Sekundärspule eines Transformators. Diese Ströme, die nicht bloss am Kommutator ein
                              									unzulässiges Feuern erzeugen, sondern auch bedeutende Verluste durch Erwärmung im
                              									Anker herbeiführen, sind natürlich um so grösser, je grösser die induzierte Spannung
                              									in den Spulen ist, d.h. je mehr Spulen in Serie geschaltet an die kurzgeschlossenen
                              									Kollektorlammellen angeschlossen sind. Man wird daher an jede Lammelle nur eine
                              									Windung anschliessen, und da die Zahl der Kollektorlammellen wegen der Grösse des
                              									Kollektors beschränkt ist, ist auch die Zahl der Ankerwindungen beschränkt. Das hat
                              									nun weiter zur Folge, dass ein Wechselstromserienmotor nur für eine beschränkte
                              									Spannung gebaut werden kann, im allgemeinen noch niedriger als die Gleichstrommotors
                              									Die Wechselstromserienmotore werden in der Tat nur für etwa 100 bis höchstens 200
                              									Volt am Kollektor bei besonders grossen Motoren gebaut, und müssen daher meistens in
                              									Verbindung mit einem Transformator gebraucht werden, um die hohe Spannung der
                              									Zuleitung zu ermässigen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 739
                              Fig. 4. Schema des Kurzschlusstromes unter des Bürste.
                              
                           Ein solcher Transformator kann nun nach dem Vorschlag von Lamme als Spannungsregler gebaut sein, das heisst mit einer beweglichen
                              									sekundären Windung, so dass man die dem Motor zugeführte Spannung in weiten Grenzen
                              									verlustlos ändern und so den Motor anlassen und in der Geschwindigkeit ändern kann,
                              									ohne in vorgeschalteten Widerständen Energie zu verlieren. Man kann aber auch den
                              									Transformator in den Motor einbauen und den Serienmotor mit einem
                              									Serientransformator nach der schematischen Zeichnung der Fig. 5 verwenden. Diese Schaltungsweise ist von Skott angegeben und in dem englischen Patent 19520/1903 enthalten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 739
                              Fig. 5. Hauptstrommotor mit Serientransformator.
                              
                           Von den reinen Serienmotoren sind es hauptsächlich zwei Arten von Maschinen, die mehr
                              									bekannt geworden sind und sich auch praktisch bewährt haben, das ist der schon
                              									mehrfach erwähnte Serienmotor von Lamme, der von der
                              										Westinghouse Electric Mfg. Co. gebaut wird, und der
                              									Motor von Finzi, der auf der elektrischen Bahn in
                              									Mailand im Betrieb ist. Beide haben ihre günstigen Resultate hauptsächlich der
                              									ungewöhnlich niederen Periodenzahl von etwa 17 Perioden i. d. Sekunde zu
                              									verdanken.
                           Die Einzelheiten des Lammeschen Motors sind in der
                              									britischen Patentschrift 26746/1902 enthalten. In einer langen theoretischen
                              
                              									Abhandlung legt Lamme dar, dass die Selbstinduktion des
                              									Motors mit dem Strom anwächst und bald eine solche Grösse erreicht, dass sie die von
                              									aussen aufgedrückte Spannung nahezu erreicht und der Motor keinen wirksamen
                              									Arbeitsstrom mehr aufnehmen kann. Da das Querfeld des Ankers eine gleich schädliche
                              										Wirkung ausübt,
                              									so sind beide klein zu halten, damit die Selbstinduktionsspannung im Motor auch bei
                              									grösstem Strom noch unter der zugeleiteten Spannung bleibt.
                           Es hat sich nun durch Versuche ergeben, dass ein günstiges Arbeiten erzielt werden
                              									kann, wenn zwischen der Selbstinduktion des Feldes und der gegenelektromotorischen
                              									Kraft des Ankers ein bestimmtes Zahlenverhältnis besteht; es muss also sein
                           \frac{e_{F\,i}}{e_{A\,g}}=M..
                           Setzt man die aus den früheren Gleichungen bekannten
                              									entsprechenden Grössen ein, so muss die Gleichung bestehen:
                           C_4\cdot \frac{v\cdot 2\,p\cdot }{P\cdot n\cdot \xi}=M,
                           wenn man z = P . ξ, also wirksame
                              
                              									Leiter auf der Ankeroberfläche ersetzt durch einen Ausdruck, der die Zahl der Pole
                              									und der hintereinander geschalteten Leiter zwischen den Bürsten enthält. Das Produkt
                              									aus Polzahl und Zahl der sekundlichen Umdrehungen gibt die Ankerperiodenzahl.
                           Das Verhältnis zwischen der Windungszahl des Feldes und der Windungszahl des Ankers
                              									muss im allgemeinen grösser als 0,5 sein und darf höchstens den Wert 0,75 erreichen,
                              									also:
                           0,5\,<\,\frac{2\,p}{\xi}\,\leq\,0,75.
                           Das Verhältnis zwischen Periodenzahl des zugeführten Wechselstroms und der
                              									Periodenzahl im Anker muss ungefähr den Wert 0,625 haben, und der Wert der
                              									Konstanten beträgt
                           C_4=\frac{1}{0,625}=1,6;
                           daraus ergibt sich, dass das Verhältnis zwischen der
                              									Selbstinduktionsspannung des Feldes und der gegenelektromotorischen Kraft des Ankers
                              
                              
                              									den gleichen Zahlenwert haben muss, wie das Verhältnis der Windungszahlen in Feld
                              									und Anker; also:
                           0,5\,<\,\frac{e_{F\,i}}{e_{A\,g}}\,<\,0,75.
                           Für eine bestimmte Umdrehungszahl von etwa 700 ist daher aus der Polzahl der Maschine
                              									die Wechselzahl des Stromes bestimmt, und umgekehrt; für einem achtpoligen Motor ist
                              									die Periodenzahl 16,6, für einen zwölfpoligen Motor die Periodenzahl 25.
                           Die Einzelheiten der Konstruktion sind aus Fig. 6a zu entnehmen.
                              									Der Anker hat ganz die Bauart eines gewöhnlichen Gleichstromankers mit
                              									Schleifenwicklung (Fig. 6b). Die
                              									Ankerbleche sind in einzelnen Paketen 6 zwischen denen
                              									Ventilationsschlitze 7 vorgesehen sind, durch ein Kreuz
                              										2 auf der Nabe 3
                              									aufgebaut und durch ein Gusstück 1 zusammengehalten.
                              									Die Nabe ist auf der einen verlängert, um den Platz für den Kollektor 14 zu schaffen. Die Ankerbleche haben auf dem Umfange
                              									72 Nuten, in denen je sechs isolierte Kupferleiter untergebracht sind. Die Wicklung
                              
                              									ist als Schablonenwicklung hergestellt und in die Nuten eingelegt. Am Kollektor
                              									sind, um Ausgleichströme durch die Bürsten zu verhüten, sogenannte
                              									Aequipotentialverbindungen (12.13) vorgesehen. Die verlängerten Verbindungen der
                              									Ankerspulen zum Kollektor (15 u. 16) sind aus einem Material mit hohem spezifischen
                              									Widerstand, etwa aus Neusilberstreifen hergestellt um den früher erwähnten
                              									Vorteil des hohen ohmschen Ankerwiderstandes zu erreichen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 740
                              Lammes Serienmotor.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 740
                              Fig. 7. Kurven des reinen Serienmotors nach Lamme.
                              
                           Da nun diese künstlichen Zusatzwiderstände ausserhalb des
                              									eigentlichen Ankerkreises liegen, so wird erzielt, dass unnötige Verluste im Anker
                              									durch Stromwärme vermieden werden, der Vorteil der Verminderung der Kurzschlusströme
                              									aber trotzdem erreicht wird, da diese Widerstände nur in jene Ankerspulen
                              									eingeschaltet sind, die grade durch die Bürsten kurz geschlossen sind. Das Feld ist
                              									ebenfalls aus einzelnen Blechen zusammengesetzt, die in eigenartiger Weise durch
                              									einen gusseisernen Rahmen (26 u. 27) zusammengehalten werden. (Fig. 6c u. d.) Der
                              									gusseiserne Rahmen wird magnetisch nicht beansprucht. Die Polansätze 19 sind verhältnismässig kurz und in achsialer Richtung
                              									an den Enden von breiten aber niedrigen Nuten 20 durchsetzt, die entweder
                              									geschlossen, oder nur ganz wenig aufgeschlitzt sind. Durch diese Nuten soll eine
                              									hohe Zahnsättigung erzielt werden und dadurch die Ausbildung des Querfeldes des
                              									Ankers in massigen Grenzen gehalten werden. Die Schlitze dürfen deshalb nicht zu
                              									lang sein, damit dadurch nicht der magnetische Widerstand unnötig erhöht wird. Ihre
                              									günstige Wirkung wird noch verstärkt durch einen grösseren mittleren Schlitz 21, der einen massiven Leiter 22 oder eine in sich geschlossene Windung 24
                              									aus gut leitendem Material enthält. Die Feldspulen 25
                              									bestehen aus hochkantig gewickeltem Flachkupfer, und sind alle in Serie geschaltet.
                              									Das Verhältnis der Zahl der Pole zu der Zahl der minutlichen Wechsel des
                              									zugeleiteten Wechselstromes ist 1 : 250 und das Verhältnis der Feldamperewindungen
                              									zu den Ankeramperewindungen ist 20 : 27. Dass ein derartiger Motor bei guter
                              									Durchbildung aller Teile noch gute Ergebnisse erzielen kann, beweist die Fig. 7, die die Versuchsergebnisse in Kurven enthält.
                              										G ist die Geschwindigkeit in km/Std. bei einem
                              									Uebersetzungsverhältnis der Vorgelege Zahnräder von 10 : 31 und einem Raddurchmesser
                              									von 84 cm, η der Wirkungsgrad einschliesslich des
                              									Vorgeleges, P die Leistung des Motors in Pferdestärken,
                              									und Z die Zugkraft in mkg.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 741
                              Fig. 8. Stator nach Finzi mit abgeschrägten oder geschlitzen Polen.
                              
                           Ein zweiter ausgeführter Serienmotor ist der von Finzi,
                              									der viel Aehnlichkeit mit dem Motor von Lamme hat. Bei
                              									ihm sind zur Verhütung der Selbstinduktion des Ankers und des Ankerquerfeldes die
                              									Pole nach Fig. 8 gegen den Anker verjüngt, so dass
                              									ihre Stirnfläche einen kleineren Teil der Ankerfläche bedecken als gewöhnlich. Meist
                              									werden auch die Pole durch einen Spalt in zwei Teile getrennt, wie es der rechte
                              									Teil der Fig. 8 nach den Angaben im engl. Pat.
                              									17185/1903 zeigt. Die Motore sind von der Firma Brioschi,
                                 										Finzi & Co. in Mailand gebaut und sind auf
                              									der Mailänder Strassenbahn mit gutem Erfolg gelaufen.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)