| Titel: | Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. | 
| Autor: | M. Buhle, W. Pfitzner | 
| Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 772 | 
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                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der
                           								Weltausstellung in St. Louis 1904.
                        Von Professor M. Buhle und Dipl.-Ing. W.
                                 										Pfitzner,
                           								Dresden.
                        (Fortsetzung von S. 533 d. Bd.)
                        Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St.
                           								Louis 1904.
                        
                     
                        
                           
                              Güterwagen.
                              
                           Wie bereits einleitend erwähnt wurde, waren unter den Güterwagen fast nur Wagen für
                              									besondere Zwecke, Schnellentlader, Kühlwagen usw. zur Schau gestellt, über welche in
                              									D. p. J. zum Teil bereits wiederholt berichtet worden ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 772
                              Fig. 102. Kokswagen der Pressed Steel Car Co., Pittsburg, Pa.
                              
                           
                        
                           
                              Die Wagen der Schoen Pressed Steel Co., Pittsburg, Pa., und
                                 										der Bettendorf Axle Co., Davenport, Jowa.
                              
                           In Nordamerika herrscht bekanntlich das Bestreben, den
                              									Güterverkehr durch schwere Züge mit grossen Wagen zu bewältigen; durch den Bau
                              									solcher grossen Güterwagen (Fig. 102) haben sich
                              									besonders die oben bezeichneten Firmen ausgezeichnet.Vergl. Buhle, D.
                                    											p. J. 1904, Bd. 319, 324 u. f., ferner
                                    												„Wasser- und Wegebau“ 1904, 261 u. f., sowie „Deutsche
                                       												Bauzeitung“ 1904, 522 u. f. Wohl wenige Neuerungen in der
                              									Technik haben eine so schnelle und erfolgreiche Entwickelung aufzuweisen, wie die
                              									Anwendung gepressten Eisens bei den amerikanischen Eisenbahnbetriebsmitteln. Etwa im
                              									Jahre 1888 begann man in den Vereinigten Staaten im kleinen Masstabe mit der Anfertigung von
                              									Gegenständen aus gepresstem Eisen, die bei den Güterwagen zunächst an die Stelle von
                              									Gusseisen treten sollten, weil sie sich bei geringeren Kosten stärker und
                              									dauerhafter gestalten liessen. Die Praxis bestätigte dies und zeigte zugleich, dass
                              									eine bedeutende Ersparnis an Wagengewicht erzielt wurde.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 773
                              Fig. 103. Drehgestell der Bettendorf Axle Co., Davenport, Jowa.
                              
                           Die früher bei den nordamerikanischen Güterwagen üblichen Holzquerschnitte der
                              									Drehgestelle werden beispielsweise jetzt vollständig aus Eisen hergestellt. Die Fig. 103–105 zeigen eine
                              									solche Konstruktion der Bettendorf Axle Co., Davenport,
                                 											Jowa.Vergl. auch
                                       													„Railroad Gazette“ 1904, No. 24, 445 u. f.
                              									Die fast durchgehends auch bei Personenwagen angewandten Schraubenfedern sind auch
                              									hier benutzt. Die Vorteile der eisernen Querbalken liegen in der stärkeren und
                              									dauerhafteren Unterstützung für den Wagenkörper und in der Ersparnis an Gewicht und
                              									Reparaturen. Ebenso werden die gesamten Drehgestelle und auch die Rahmen für die
                              									Wagenkasten sowie diese selbst vollständig aus Eisen hergestellt. Das gilt besonders
                              									für die sogenannten Selbstentlader, die mit einem
                              									Raumgehalt von 32–72 cbm und mehr gebaut und zum Zwecke leichteren und schnelleren
                              									Entladens mit geneigten Stirnwänden und mit Bodenklappen ausgesattet werden (Fig. 102).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 773
                              Fig. 104 und 105. Bettendorf-Drehgestelle.
                              
                           Die Möglichkeit der Selbstentladung bildet einen ausserordentlich grossen Vorteil
                              									dieser Wagengattung. Dass durch die Bodenform meist auch die Stärke und Haltbarkeit
                              									des Wagens recht beträchtlich erhöht wird, ist selbstverständlich. Namentlich von
                              									Bedeutung ist diese Tatsache im Hinblick auf den Rangierbetrieb, bei dem die
                              									selbsttätigen Kupplungen (s. unten) und das Bestreben, Zeit zu ersparen, heftige
                              									Stösse verursachen. Seit Einführung der Eisenwagen ist die früher alljährlich recht
                              									grosse Anzahl von „Wracks“ erheblich zurückgegangen. Dabei ist
                              									bemerkenswert, dass ein solcher Wagen von z.B. 50 t Ladegewicht ungefähr für
                              									dieselben Kosten f. d. t Nettolast hergestellt werden kann wie ein guter Holzwagen
                              									von 30 t Aufnahmefähigkeit.
                           Vor allem eignen sich die eisernen Wagen zur Beförderung von Kohlen, Koks, Erzen,
                              
                              									Steinen und ähnlichen stückigen Stoffen.
                           Es dürfte nicht uninteressant sein, die Hauptabmessungen des in Fig. 102 wiedergegebenen Kokswagens kennen zu
                              									lernen:
                           
                              
                                 Grösste
                                 Höhe 12' 9½''
                                 =
                                   3899
                                 mm
                                 
                                 
                              
                                 „
                                 Länge 42'
                                 =
                                 12801
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 „
                                 Breite 10'
                                 =
                                   3048
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 Max. Inhalt 3384 cb'
                                 =
                                 95,8
                                 cbm
                                 
                                 
                              
                                 Wagengewicht rd.
                                 
                                 16600
                                 kg
                                 
                                 
                              
                                 Drehgestellgewicht rd.
                                 
                                   7400
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––––
                                 
                                 
                              
                                 Gesamtgewicht rd.
                                 
                                 24000
                                 kg
                                 
                                 
                              
                                 Tragfähigkeit rd.
                                 
                                 49900
                                 „
                                 ∾ 50 t.
                                 
                              
                           Selbstverständlich sind zur Herstellung dieser Wagen viele Sondermaschinen nötig
                              									geworden, und ein grosses Kapital ist darin angelegt; aber die Aussichten auf die
                              									immer grössere Verwendung der Fabrikate sind so gut, dass man die Kosten nicht
                              									gescheut hat.
                           Mehr und mehr stellte sich jedoch auf verschiedenen Strecken, so insbesondere z.B.
                              									auf der Chicago-, Burlington- und Quincy-Bahn das Bedürfnis heraus nach der Möglichkeit
                              									einer besseren Ausnutzung solcher Spezialwagen, und daraus haben sich vor allem die
                              									Wagen der
                           
                        
                           
                              Rodger Ballast Car Co., Chicago, III.,
                              
                           entwickelt. Die in Fig. 106–110
                              									dargestellten Betriebsmittel dieser Art (multi-service-freight-cars) lassen unschwer erkennen, in welch' einfacher
                              									Weise offene Güterwagen bezw. Flachbodenwagen gewöhnlicher Art in schnellentladende
                              									Trichterwagen (und umgekehrt) verwandelt werden können. Diese Wagen dienen dazu, die
                              									früher vielfach unumgänglichen Leerfahrten derselben zu vermindern. Als
                              									Trichterwagen können sie zur Beförderung von Kohlen und Erzen, als Flachbodenwagen
                              									für Stückgüter benutzt werden. Will man den Trichterboden gebrauchen, so werden die
                              									im Boden befindlichen Klappen geöffnet (Fig. 109); schliesst
                              									man dagegen die Bodenklappen, so hat man einen Flachbodenwagen (Fig. 108 und 110).
                           Auf die in St. Louis ebenfalls vertreten gewesenen Selbstentlader der
                           
                        
                           
                              Goodwin Car Co., New York, N. Y.
                              
                           war auch bereits in D. p. J. 1904, 319, S. 324 u. f. eingegangen; jedoch sei hier an der für sich selbst
                              									sprechenden Fig. 111 wiederholt darauf hingewiesen,
                              									dass der den Selbstentladern vielfach gemachte Vorwurf der zu hohen Schwerpunktslage
                              									ebenso unberechtigt ist wie bei vielen der amerikanischen Lokomotiven, weil eben die
                              									Tatsache ebenso unbedenklich ist wie bei letzteren. Bereits auf 217 d. Bds. war bei
                              									der Besprechung dieses Umstandes mit bezug auf Spalte 20 der Zusammenstellung I auf
                              									259 und 260 hervorgehoben, dass die
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 774
                              Wagen der Rodger Ballast Car Co., Chicago, III.
                              
                           
                           Ruhe des Ganges durch die hohe Schwerpunktslage kaum
                              									beeinflusst würde und jedenfalls für die Laufsicherheit keine Gefahr bestände.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 775
                              Fig. 111. Vergleich zwischen Lokomotive und Goodwin-Selbstentlader
                                 										(Schwerpunktslage).
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 775
                              Fig. 112. Eis- und Wasserbehälter der Johnson-Kühlwagen.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 775
                              Fig. 113. Anordnung der Lufteinlassöffnungen bei Johnson-Kühlwagen.
                              
                           Und in der Tat ist bereits vielfach diese Erkenntnis auch bei
                              									uns durchgedrungen; denn man ist heute hinsichtlich der hohen Lage der Kesselachse
                              									bei Lokomotiven nicht mehr so ängstlich wie früher, und
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 775
                              Fig. 114. Luftauslass (Johnson-Kühlwagen).
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 320, S. 775
                              Schema der Luftzirkulation im Kühlwagen der Johnson Refrigerator Co.,
                                 
                                 										Chicago.
                              
                           
                           so ist mehr und mehr zu hoffen, dass man auch bei uns
                              									sich der Vorzüge der Selbstentlader mehr als bisher bewusst werde.
                           
                        
                           
                              Die Kühlwagen der Johnson Automatic Refrigerator Co.,
                                 										Chicago, III.
                              
                           Von den Kühlwagen die in den Vereinigten Staaten aus leicht erklärlichen Gründen eine
                              									noch wesentlich grössere Rolle spielen als hierzulande – über 100000 sind dort im
                              									Betrieb –, seien besonders diejenigen hervorgehoben, welche von der soeben genannten
                              									Firma ausgestellt gewesen sind; im ganzen hatten drei Firmen sich auf diesem Gebiete
                              									beteiligt.
                           Die Kühlwagen, welche insbesondere zur Beförderung von Milch und Bier sowie von
                              									Lebensmitteln wie Fischen, Fleisch, Früchten, Käse, Butter und dergl. dienen, sind
                              									mit Wasserbehältern aus Blech ausgerüstet. Unter den Eiskammern angeordnet, dienen
                              									diese zur Aufnahme des Eiswassers (Fig. 112)
                              									und eines von letzterem umspülten Rohrsystems, durch welches Luft geblasen wird. Der
                              									Einlass für die Luft befindet sich im mittleren Teil des Wagenbodens (Fig. 113), der Auslass an der Decke der Wagenenden
                              										(Fig. 114). Die Auslassröhren sind perforiert,
                              									und zwar sind die Oeffnungen so angeordnet, dass die Luftzirkulation möglichst
                              									gleichmässig nach allen Teilen des Wagens erfolgt, so dass überall nahezu dieselbe
                              									Temperatur herrscht. Die Zirkulation der Luft durch die Röhren wird durch einen von
                              									einer Wagenachse mittels Reibungsrädern angetriebenen Ventilator bewirkt, der unter
                              									dem Wagenkasten angebracht ist (Fig. 115–117).
                           Inbezug auf gewisse bemerkenswerte Betriebsmittel-Elemente, die als solche
                              									ausgestellt waren bezw. sich an etlichen zur Schau gestellten Wagen befanden, und
                              									besonders hervorgehoben zu werden verdienen, sei hier verwiesen auf den Abschnitt D:
                              										Einzelteile (Räder, Achsbuchsen usw.).
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)