| Titel: | Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen. | 
| Autor: | Hans A. Martens | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 9 | 
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                        Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen.
                        Von Regierungsbaumeister Hans A. Martens.
                        Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen.
                        
                     
                        
                           Zu einem einflussreichen Bestandteil der Selbstkosten von Erzeugnissen sind
                              									neben den Kosten der Rohstoffe und ihrer Verarbeitung die Förderkosten aller Art
                              									geworden, so dass es das Bestreben der Industrie ist, diese zu einem Geringstwert zu
                              									machen, um auf dem Weltmarkt erfolgreich in den Wettkampf eintreten zu können. Wenn
                              									die Förderung des Fernverkehrs vom Fabrikanten zum Abnehmer und zur Verbrauchsstelle
                              									durch die Fortschritte der Verkehrsmittel für Land und Wasser, der Eisenbahnen und
                              									Schiffe, wesentlich zur Verbilligung des Verkaufspreises der Waren beiträgt, so ist
                              									doch nicht weniger der Ortsveränderung der Rohstoffe, Werk- und Fertigstücke auf der
                              									Erzeugungsstätte, in der Fabrik selbst, grösste Aufmerksamkeit zuzuwenden, um die
                              									höchste Wirtschaftlichkeit dabei zu wahren. Bei der Ortsveränderung von Lasten
                              									innerhalb des Werkes kommen Betriebseinrichtungen mannigfacher Art, je nach Zweck
                              									und Oertlichkeit zur Verwendung: Für die Förderung und Lagenveränderung in wage- und
                              									senkrechter Richtung auf kurze Wegstrecken innerhalb der Gebäude sorgen Lauf- und
                              									Drehkrane, deren Leistung und Bauart den Verhältnissen angepasst sind. Für den
                              									Fernversandverkehr dienen Eisenbahnen, Landfuhrwerke und Schiffe, für den Verkehr
                              									innerhalb des Werkes von Werkstatt zu Werkstatt werden Fördereinrichtungen von
                              									eisenbahnartigem Gepräge verwendet, die man unter dem Sammelbegriff Fabrikbahnen
                              									zusammenfasst. Die Anlage und der Betrieb dieser sollen zum Gegenstand einer
                              									Untersuchung gemacht werden.
                           Es ist selbstverständlich, dass die Fabrikbahn aus dem Arbeitsgange in dem Werk
                              									logisch entwickelt werden und daher in engstem Zusammenhang mit der Oertlichkeit,
                              									den zu verarbeitenden Rohstoffen und den Erzeugnissen stehen muss. Der Ersatz
                              									menschlicher Kraft und Geschicklichkeit beim Lastenbewegen durch Krane ist bereits
                              									mit einem hohen Grade technischer und wirtschaftlicher Vervollkommnung vor sich
                              									gegangen. Das gleiche lässt sich allgemein von den Fabrikbahnen nicht sagen. Der
                              									Umstand, dass die Fabrikbahn auf manchen Werken wenig oder nur beschränkt Eingang
                              									gefunden hat, darf wohl in zwei Ursachen vermutet werden: 1. Die von Jahr zu Jahr
                              									notwendig gewordenen Erweiterungsbauten haben den Lageplan so unübersichtlich
                              									gestaltet, dass eine planmässige Anlage einer Fabrikbahn nicht möglich erscheint,
                              
                              									von der ein vollkommen wirtschaftlicher Erfolg erwartet werden kann. 2. Die
                              									Anlagekosten werden gescheut, die bei Neubeschaffung von Gleis und Betriebsmitteln
                              									für ausgedehnte industrielle Werke nicht unbedeutend sein können. Die erste
                              									Ursache lässt sich gründlich nur durch einen an anderer Stelle zu errichtenden
                              									Neubau des ganzen Werkes beseitigen, mit dem dann die Fabrikbahn richtig angelegt
                              									werden kann. Die zweite Ursache ist missverstandene Sparsamkeit, indem der alte
                              									kaufmännische Grundsatz ausser Acht gelassen wird: An Anlagekosten soll nicht
                              									gespart werden, wenn dadurch die Betriebskosten später dauernd verringert werden
                              									können.
                           Es gibt eine Menge von Betriebskosten, die in der gewöhnlichen Bilanz nicht als
                              									besondere Posten erscheinen und sich häufig überhaupt nicht oder doch nur durch
                              									mühsame, zeitraubende Untersuchungen zahlenmässig nachweisen lassen und dann als
                              									recht namhafte Beiträge zu anderen Summen gefunden werden. Beeinflussen sie die
                              									Wirtschaftlichkeit ungünstig, so möchte man sie „verkappte
                                 										Unwirtschaftlichkeit“ nennen. Der Ingenieur kennt sie und seine Aufgabe ist
                              									es, sie dem Verständnis der kaufmännischen Fabrikleitung näher zu bringen und auf
                              
                              									ihre richtige Würdigung zu dringen: Unnütze Wege von Arbeitern und Arbeitsstücken
                              									infolge unrichtiger Aufstellung von Arbeitsmaschinen, überflüssige Hubarbeit infolge
                              									unausgeglichener Höhenunterschiede, unzureichende räumliche Verhältnisse sind solche
                              
                              									Bestandteile der „verkappten Unwirtschaftlichkeit“. Der von den Amerikanern
                              									so streng befolgte Grundsatz, alle unnötige Arbeitsleistung in der Summe der
                              
                              									Wirkungen als Verlust und Verschwendung an Zeit und Geld zu betrachten und daher zu
                              									vermeiden, wird des öfteren im Laufe der Untersuchung gebührend betont werden.
                           Der Fabrikbahnbetrieb kennzeichnet sich als Lastenförderung auf Schienen und zeigt
                              									seine Ueberlegenheit deutlich durch nachstehende Vergleichswerte von Zugkraft und
                              									Förderlast für Feldwege, gepflasterte Wege und Schmalspurgleis.
                           Es sind erforderlich an Zugkraft für 1 t Wagengewicht auf:
                           
                              
                                 Feldwegen
                                 gepflasterten Wegen
                                 Schmalspurgleis
                                 
                              
                                 100 kg
                                 30 kg
                                 10 kg.
                                 
                              
                           Wird die zu bewegende Last von einem Arbeiter mit einer Zugkraft von 15 kg und 1 m
                              									Geschwindigkeit bezw. von einem Pferde mit einer Zugkraft von 65 kg und gleicher
                              									Geschwindigkeit auf der Wagerechten befördert, so lassen sich bewegen:
                           
                           
                              
                                 
                                    
                                    
                                 
                                 auf Feld-wegen
                                 gepflaster-ten Wegen
                                 Schmal-spurgleis
                                 
                              
                                 durch
                                 einen Arbeiter rd.
                                 130
                                 kg
                                   440
                                 kg
                                 1300
                                 kg
                                 
                              
                                 „
                                 ein Pferd rd.
                                 600
                                 „
                                 2000
                                 „
                                 6000
                                 „
                                 
                              
                           Mit Lokomotiven lassen sich 40 bis 10000 kg mit einer Geschwindigkeit von 20 km in
                              									der Stunde auf Schmalspurgleisen befördern, wobei die Wirtschaftlichkeit des
                              									Kraftantriebes um so grösser wird, je stärkere Maschinen zur Verwendung gelangen
                              									können, da diese mit einem grösseren Gesamtwirkungsgrade arbeiten als kleine
                              									Maschineneinheiten, während die Unterhaltungs- und Bedienungskosten fast die
                              									gleichen bleiben. Die Betriebskosten einer kleinen Schmalspurlokomotive von 12 bis
                              									15 Pferdestärken einschliesslich des Lohnes für Maschinisten sind mit denen von 6
                              									bis 7 Pferden einschliesslich Pferdelenkerkosten gleichzustellen bezw. mit denen von
                              									15 bis 20 Arbeitern. Die Unterhaltungskosten für ein Pferd nebst Führerlohn sind
                              									mithin gleich den Lohnausgaben für 2,5 bis 3 Arbeiter. Diese Zahlen, mit denen der
                              									Leistungen an Zugkraft in Beziehung gebracht, weisen mit Notwendigkeit auf den
                              									Kraftantrieb hin und zeigen, wie durch eine zielbewusste Ausgestaltung eines
                              
                              									Fabrikbahnbetriebes die Wirtschaftlichkeit des Werkes nicht unbeträchtlich gehoben
                              									werden kann.
                           Weit entfernt, schablonenhafte Rezepte für Fabrikbahnen geben zu wollen, soll im
                              									Folgenden die Darstellung allgemein gültiger Gesichtspunkte dieses wichtigen
                              									Hilfsmittels der Industrie versucht werden. Wenn auch zahlreiche leistungsfähige
                              									Spezialfirmen die allgemeinen und besonderen Vorarbeiten von Fabrikbahnen gänzlich
                              									übernehmen, so muss doch der Standpunkt als der richtigere bezeichnet werden, der
                              									diese Arbeiten dem Werk selbst zuweist, während die Ausführung, d.h. der Bau des
                              									Gleises und der Fahrzeuge als tatsächliche Spezialität jenen Firmen übertragen
                              									wird.
                           
                        
                           
                              Bahnsysteme und Linienführung.
                              
                           In erster Reihe begegnet man bei der Förderung der zu verarbeitenden Rohstoffe der
                              									Aufgabe, sie dem Werk zuzuführen, Hierauf rücksichtigend, werden die Fabriken in
                              									passender örtlicher Lage gegründet, sei es, dass die Urstoffe durch Eisenbahn oder
                              									Schiff oder Landfuhrwerk zugeführt werden (z.B. bei Maschinenfabriken,
                              									Zuckerfabriken, Dampfmühlen), sei es, dass sie in unmittelbarer Nähe gewonnen werden
                              									(wie z.B. bei Kokereien, Ziegeleien, Kalkbrennereien und Glasbläsereien). Die Zufuhr
                              									durch Eisenbahnen weist von selbst auf die Anpassung der Fabrikbahn an die Stammbahn
                              									hin, um die Güter ohne Umladung in den Wagen zum und vom Werk befördern zu können.
                              									Bei Anschluss des Werkes an eine Wasserstrasse wird das Fördergeschäft aus dem
                              									Schiff im wesentlichen durch Hafenkrane für Stückgüter und durch Becherwerke für
                              									leichte Massengüter besorgt werden, worauf die Weiterförderung über grössere
                              									Weglängen durch Schmalspurstandbahn, Hängebahn oder Förderbänder oder Schnecken
                              									bewirkt wird.
                           Die Herbeischaffung der Rohstoffe aus naheliegenden Sand- und Lehmgruben oder
                              									Steinbrüchen wird im Zusammenhang mit der ununterbrochenen Gewinnung und
                              									Verarbeitung zweckmässig in kleineren Lasteinheiten durch Stand- oder Schwebebahn in
                              									ebenfalls ununterbrochenem Fördergange zu erfolgen haben. Die Vorteile der Befreiung
                              									des Förderverkehrs von etwaigen Kreuzungen mit öffentlichen Strassen in Planhöhe
                              									werden auf die Schwebebahn hinweisen. Bei Ueberwindung grosser Höhenunterschiede,
                              									für welche die Oertlichkeit nur starke Steigungen gestattet, ist die Anlage eines
                              									Bremsberges, einer Seil-, Stand- oder Schwebebahn geboten.
                           Die Beschaffenheit der Rohstoffe übt in zweiter Linie Einfluss auf das zu
                              									wählende Bahnsystem. Grosse, lange und sperrige Stückgüter lassen sich am sichersten
                              									in Wagen mit Normalspur befördern, da bei ihnen die Gefahr des Umkippens wegen
                              									grösserer Spurweite und längeren Radstandes der Wagen vermindert ist. Kohlen zum
                              									Betriebe des Kraftwerkes werden, falls sie nicht aus werkeignem Schacht unmittelbar
                              									am Ort gefördert werden, durch Eisenbahnwagen bis an die Entladestelle gebracht. Bei
                              									Anbringen durch Schiff entladen Sondereinrichtungen, deren Bau nach Oertlichkeit und
                              									weiterer Fördevung der Kohle auf dem Werk in Mannigfaltigkeit hoch entwickelt ist.
                              									Der Kohlenkran mit im Schiff beladenen Kohlenhunden, die auf Schmalspurhochbahnen
                              									dem Stapelplatz oder dem Kesselhause zurollen, wird die Regel sein. Die Zufuhr von
                              									Massengut, wie Rüben, Getreide, Erz, Sand, wird vom Anschlussbahnhof ohne Umladung
                              									in den Eisenbahnwagen bis zur Verarbeitungs- oder Lagerstelle erfolgen, während bei
                              									Zuführung auf dem Wasserwege die leichteren Massengüter mittels Becherwerken und
                              									Förderbändern, die schwereren durch Kran und Kipp wagen weitergeschafft werden. Für
                              									die Förderung der Werkerzeugnisse sowie der Verarbeitungsrückstände vom Werk fort
                              									gilt sinngemäss das für die Zufuhr eben Erörterte.
                           Die Linienführung der Stand- und Schwebebahnen ist abhängig von der Lage der
                              									einzelnen Fabrikgebäude und Plätze voneinander, die durch sie bedient werden sollen.
                              									Je planmässiger diese für den Arbeitsgang gebaut sind, um so einfacher und
                              									praktischer wird sich die Führung der Bahnen gestalten lassen. Scharfe Krümmungen
                              									sind bei den Standbahnen zu vermeiden, da sie den Fahrwiderstand beträchtlich
                              									erhöhen. Die Tatsache, dass Fahrzeuge für kleinste Krümmungshalbmesser angeboten
                              									werden, darf keineswegs als Ermutigung gelten, sie unbesorgt zu verwenden. Für
                              									Handbetrieb können sie oft eine erhebliche Erschwernis des ganzen Verkehrs bedeuten,
                              									sobald der Krümmungswiderstand die menschliche Kraft übersteigt: Stockungen sind
                              									dann unausbleiblich. Bei Kraftantrieb tritt die Entgleisungsgefahr in den
                              									Vordergrund. Die Schwebebahn zeigt hier ihre Ueberlegenheit, da Krümmungshalbmesser
                              									bis zu 500 mm hinab gefahrlos zulässig sind, so dass sie häufig die Förderung dort
                              									übernehmen wird, wo die Schmalspurbahn versagt. Indessen ist es erforderlich, dass
                              									die Standbahn, sowohl Normal- wie Schmalspur-Bahn, mit einigen Hauptsträngen bis in
                              									die Werkstattsgebäude der Kesselschmiede und Zusammenbauhalle eindringt, um das
                              									Verladen der Lasten unmittelbar ohne Zwischenbewegung zu ermöglichen.
                           Zwingt die örtliche Verteilung der Gebäude zu scharfen Krümmungen, so ist die Prüfung
                              									am Platze, ob nicht Drehscheiben und Schiebebühnen Vorteile bringen können. Dies
                              
                              									wird für Verhältnisse, unter denen Hauptbahnwagen in Krümmungen von Hand verschoben
                              									werden müssten, von zweifellosem Vorteil sein. Allerdings tritt die Erschwernis ein,
                              									dass an Drehscheiben anschliessende Gleise nicht mit geschlossenen Zügen befahren
                              									werden können. Die sorgfältige Prüfung der Verkehrs- und Betriebsverhältnisse nur
                              									kann die Frage lösen. Höhenunterschiede sind bei Standbahnen im allgemeinen selbst
                              									unter Aufwand beträchtlicher Anlageküsten zu vermeiden: Sie bilden eine dauernde
                              									Qulle hoher Betriebskosten, da ihretwegen, selbst wenn sie kurz sind, die
                              									Maschinenkraft grösser gewählt werden muss. Auch bergen sie die Gefahr selbsttätigen
                              									Inbewegungsetzens der Fahrzeuge in sich und können einem ungeschickt geführten Zuge
                              									ein ungewollt grosses Arbeitsvermögen erteilen, das den Führer die Gewalt über den
                              									Zug verlieren lässt, so dass schwere Unfälle und Beschädigungen nicht ausgeschlossen
                              									scheinen.
                           Die Frage, ob Normal- oder Schmalspur zu verwenden ist, lässt sich nach obigen
                              									Erwägungen unschwer entscheiden. Alle Stellen des Fabrikgebäudes, welche mit Fahrzeugen der
                              									Anschlussbahn unmittelbar zu bedienen sind, müssen die gleiche Spur wie jene haben.
                              									Wo der Raum für die Durchfahrt beschränkt ist, wird die Schmalspur mit Notwendigkeit
                              									an die Stelle der Normalspur treten und ihrer Aufgabe völlig gerecht werden dort, wo
                              									es sich um Förderung kleinerer Lasteinheiten handelt. Für Hochgleise eignet sie sich
                              									wegen der nur geringen zulässigen Belastungen kleinerer Fahrzeuge; desgleichen für
                              									Handbetrieb, da die kleinen Fördereinheiten leicht von einem Arbeiter bewegt werden
                              									können. Nicht weniger bestimmend für die Wahl der Schmalspur ist die Forderung
                              									ununterbrochenen Förderverkehrs, weil er selbst bei sehr grossen Tagesleistungen
                              									doch zu kleinen Lasteinheiten führt, wie sie in den Fahrzeugen einer
                              									Schmalspurbahn verladen werden. Aehnliche Ueberlegungen gelten für die Hängebahn,
                              									die vor allem die Daseinsberechtigung dort hat, wo der Verkehr in Planhöhe nicht
                              									mehr mit einer Standbahn belastet werden darf, so dass der Zwang vorliegt, jeden
                              									weiteren Verkehr aus Planhöhe zu entfernen. Die Hochlage vereinigt dann in sich den
                              									Vorteil leichter Entladung von Massengütern mit Hilfe ihrer natürlichen Schwerkraft.
                              									Die der Standbahn gegenüber höheren Anlagekosten einer Hoch- oder Schwebebahn werden
                              									durch die in dieser Lösung oft einzig vorhandene Möglichkeit neuen Verkehrs mehr als
                              									wett gemacht.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)