| Titel: | Zur Theorie der Wechselstromkreise. | 
| Autor: | Leo Lichtenstein | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 38 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Zur Theorie der Wechselstromkreise.
                        Von Leo Lichtenstein,
                           								Berlin.
                        Zur Theorie der Wechselstromkreise.
                        
                     
                        
                           
                           I.
                           Die vorliegende Arbeit bezweckt, einige für die Theorie der Wechselstromkreise
                              									grundlegende Begriffe, über deren Gebrauch die Ansichten der Fachleute zur Zeit noch
                              									sehr verschieden sind, klarzulegen. Die Begriffe, um die es sich hier handelt,
                              
                              									kommen besonders häufig bei der Berechnung von Wechselstromnetzen zur Anwendung und
                              									beanspruchen jetzt mit Rücksicht auf die neu aufgekommene Einphasentechnik erhöhtes
                              									Interesse. Um möglichst einfache Verhältnisse zu erhalten, legen wir der weiteren
                              									Betrachtung eine einfache Stromschleife zugrunde (Fig.
                                 										1).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 38
                              Fig. 1.
                              
                           Ist
                           
                              
                                 
                                    J
                                    t
                                    
                                 der
                                 momentane
                                 Wert
                                 des Stromes,
                                 
                              
                                 
                                    E
                                    t
                                    
                                 „
                                 „
                                 „
                                 der Maschinenspannung,
                                 
                              
                                 
                                    W
                                    
                                 „
                                 Widerstand,
                                 
                              
                                 
                                    N
                                    t
                                    
                                 die Zahl der Kraftlinien, die von dem Strom Jtdurch
                                    											das Rechteck ABCD
                                    											hindurchgeschicktwerden,
                                 
                              
                           sämtliche Grössen im absoluten elektromagnetischen Masssystem
                              									ausgedrückt, so besteht die Relation
                           E_t=J_t\cdot W+\frac{d\,N_t}{d\,t} . . . . . . . . . . 1)
                           Geht man von den momentanen zu den effektiven Werten über, so findet man
                           E=J\,W\,\overset{\wedge}{+}\,\left(+\frac{d\,N}{d\,t}\right) . . . . . . . . . . 2)
                           wenn man mit +\frac{d\,N}{d\,t} den Effektivwert der Grösse \frac{d\,N_t}{d\,t}
                              									bezeichnet. Das Zeichen Δ soll die geometrische Addition andeuten.
                           Enthält die Stromschleife keine eisernen Leiter, so ist die Kraftlinienzahl N dem Strom proportional
                           Nt= L . Jt.
                                               L = konstant
                           E=J\,W\,\overset{\wedge}{+}\,L\,\left(+\frac{d\,J}{d\,t}\right) . . . . . . . . . . 3)
                           L heisst Koeffizient der
                              									Selbstinduktion der Stromschleife, +\frac{d\,J}{d\,t} bezeichnet den Effektivwert von
                              									+\frac{d\,J_t}{d\,t}.
                           Bestehen die die Schleife bildenden Leiter ganz oder teilweise aus Eisen, so ist L nicht mehr von dem Strome unabhängig. Bei den im
                              									Bahnbetriebe vorkommenden Stromdichten kann aber L mit
                              									genügender Genauigkeit als unveränderlich angesehen werden. Für die vorliegenden
                              									Betrachtungen spielt die Veränderlichkeit von L
                              									vollends keine Rolle mehr.
                           Nach Maxwell ist der Selbstinduktionskoeffizient des in
                              										Fig. 1 dargestellten Stromkreises in absoluten
                              									elektromagnetischen Einheiten
                           L=\frac{1}{2}\,\left\{\mu_1+\mu_2+4\,\mu_0\mbox{ log nat }\frac{(\varrho-R)\,(\varrho-r)}{R\,r}\right\}\,l 4)
                           
                              
                                 
                                    μ
                                    1
                                    
                                 ist
                                 die
                                 Permeabilität
                                 des
                                 Leiters
                                 1,
                                 
                              
                                 
                                    μ
                                    2
                                    
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                                    2,
                                    
                                 
                              
                                 
                                    μ
                                    0
                                    
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 Zwischenmediums,
                                 
                              
                                 
                                    l
                                    
                                 „
                                 „
                                 Länge der Schleife in cm.
                                 
                              
                           Das Glied μ1 + μ2 in dem Klammerausdruck rührt von dem magnetischen
                              									Feld in den Leitern, das Glied 4\,\mu_0\mbox{ log nat }\frac{(\varrho-R)\,(\varrho-r)}{R\,r} von dem Feld in dem Zwischenmedium (Luft)
                              									her.
                           Besteht der Leiter 2 aus Kupfer, der Leiter 1 aus Eisen, das Zwischenmedium aus Luft (Luftleiter
                              									und Schiene), so wird
                           L=\frac{1}{2}\,\left\{1+\mu+4\mbox{ log nat }\frac{(\varrho-R)\,(\varrho-r)}{R\,r}\right\} . 5)
                           Bei der Ableitung der Formeln 4) und 5) wird bekanntlich vorausgesetzt, dass die
                              									beiden Leiter AB und CD
                              									kreiszylindrisch sind und dass ferjer die Stromdichte im Leiterquerschnitt überall
                              									dieselbe ist. Bei den aus Luftleitern und Schienen gebildeten Stromkreisen sind
                              									diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Insbesondere wird infolge des sogenannten
                              									Skineeffektes (Hautwirkung) der Strom in der Schiene nach der Oberfläche hin
                              									gedrängt. In den
                              									Formeln 4) und 5) ist daher unter μ nicht die wahre
                              									Permeabilität des Schieneneisens, sondern eine Funktion jener, die wir im weiteren
                              										„äquivalente Permeabilität“ der Schiene nennen wollen, zu verstehen.
                              									Desgleichen sind R und r
                              									äquivalente Halbmesser des Lufteiters und der Schiene.
                           Ist die Frequenz des Wechselstromes, den wir sinusförmig annehmen, gleich ∾, so nimmt
                              									die Gleichung 2) die Form an
                           E=J\,W\,\overset{\wedge}{+}\,2\,\pi\,\sim\cdot J\,\frac{1}{2}\,\left\{1+\mu+4\mbox{ log nat }\frac{(\varrho-R)\,(\varrho-r)}{R\cdot
                                 r}\right\}\cdot l;\ C\,G\,S . 6)
                           
                              E=J\,W\,\overset{\wedge}{+}\,2\,\pi\,\sim\cdot J\cdot L;
                              
                           E0 = JW ist die wattsche, E1 = 2π ∾ . J . L die wattlose
                              									Komponente der Spannung.
                           Ist die Schleife nicht kurzgeschlossen, ist vielmehr im Zweige BC eine gegenelektromotorische Kraft wirksam, so nennt
                              									man das Glied E0
                              									= JW den ohmschen, das Glied Ei = 2π ∾ .
                              										J . L den induktiven
                              									Spannungsabfall des Stromkreises.
                           Bleiben wir zunächst bei der Kurzschlusschleife (Fig.
                                 										1).
                           Man findet die Maschinenspannung E aus den beiden
                              									Komponnenten E0 und Ei durch einfache
                              									Konstruktion (Fig. 2).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 39
                              Fig. 2.
                              
                           Wir wollen E0 und Ei im folgenden auch
                              									bei der auf Fig. 1 abgebildeten Schleife als
                              									ohmschen und induktiven Spannungsabfall bezeichnen.
                           Wie aus Fig. 2 ersichtlich, ist
                           \frac{E_0}{E}=\frac{E_0}{\sqrt{E^2+{E_1}^2}}=\cos\,\varphi . . . . 7)
                           der Leistungsfaktor des Stromkreises.
                           Besteht die Stromschleife lediglich aus Kupferleitern, so ist in der Formel 5) μ = 1 zu setzen. Wir erhalten also
                           L=\frac{1}{2}\,\left\{2+4\mbox{ log nat }\frac{(\varrho-R)\,(\varrho-r)}{R\cdot r}\right\}\cdot l\,(C\,G\,S) 8)
                           E_1=2\,\pi\,\sim\cdot J\,\frac{1}{2}\,\left\{2+4\mbox{ log nat }\frac{(\varrho-R)\,(\varrho-r)}{R\cdot r}\right\}\cdot l\,(C\,G\,S) 9)
                           Setzt man in 9) l in km, J
                              									in Amp., Ei in Volt
                              
                              									ein, so findet man
                           E_1^{Volt}=2\,\pi\,\sim\cdot J^{Amp.}\cdot \frac{1}{2}\,\left\{2+4\mbox{ log nat }\frac{(\varrho-R)\,(\varrho-r)}{R\,r}\right\}\cdot
                                 l^{km}\cdot 10^{-4} . 10)
                           Diese Formel ist durch Versuche vollkommen bestätigt worden.
                           Bei einer Stromschleife, deren hauptsächliche Abmessungen sind:
                           ρ = 1 m,
                           Leiterquerschnitt = 100 qmm,
                           R = r = äquivalenter
                              									Halbmesser = 0,536 cm,
                           l = 2,05 km,
                           sind folgende Werte gemessen worden:
                           
                              
                                 Strom J
                                 Ma-schinen-spannungE
                                 VerbrauchEJ cos ϕ
                                 Leistungs-faktorcos ϕ
                                 Frequenz
                                 Selbst-induktions-koeffizientder
                                    											Strom-schleifeL=\frac{E\,\sin\,\varphi}{2\,\pi\,\infty\cdot J}
                                 
                              
                                 Amp.
                                 Volt
                                 Watt
                                 cos ϕ
                                 ∞/Sek.
                                 
                                    Henry
                                    
                                 
                              
                                     90,5
                                   149,2
                                   6200
                                 0,460
                                 49,5
                                 0,0047
                                 
                              
                                   145,6
                                 227
                                 16200
                                 0,490
                                 46,7
                                 0,0046
                                 
                              
                                 176
                                 270
                                 23400
                                 0,491
                                 45,0
                                 0,0047
                                 
                              
                                 Im Mittel
                                   0,00467
                                 
                              
                           Aus der Formel 9) erhält man aber
                           
                              L=\frac{1}{2}\,\left\{2+4\mbox{ log nat }\frac{(100-0,556)\,(100-0,536)}{0,536\cdot 0,536}\right\}\cdot 2,05\cdot 10^5\,C\,G\,S
                              
                           oder
                           L = 0,00476 Henry.
                           Der Unterschied beträgt rund 1,9 v. H.
                           Wie aus den Formeln 9) und 10) ersichtlich, ist der Koeffizient der Selbstinduktion
                              									unserer Stromschleife der Länge l proportional
                           L = L0 . l.
                           L0 heisst „Koeffizient der Selbstinduktion der Strom schleife f. d.
                                 										Längeneinheit“. Neuerdings ist statt dieses Ausdrucks der Name
                              										„Induktivität der Stromschleife für die Längeneinheit“ vorgeschlagen
                              									worden.
                           L_0=\frac{1}{2}\,\left\{1+\mu+4\mbox{ log nat }\frac{(\varrho-R)\,(\varrho-r)}{R\cdot r}\right\}C\,G\,S 11)
                           Die Einführung des Begriffes „Koeffizient der Selbstinduktion für die
                                 										Längeneinheit“ hat zu der Vorstellung geführt, als hätte nun tatsächlich
                              									jede Längeneinheit und überhaupt jedes in sich nicht
                              									geschlossene Leiterstück einen Selbstinduktionskoeffizienten. Den
                              									Selbstinduktionskoeffizienten der Stromschleife fasst man danach als Summe der
                              									Induktionskoeffizienten, die den einzelnen Leitern der Schleife entsprechen, auf,
                              									ähnlich wie der Gesamtwiderstand der Schleife die Summe aller Einzelwiderstände
                              									ist.
                           Diese Vorstellung gewinnt anscheinend um so eher an Berechtigung, als manche Autoren
                              									mit Vorliebe mit dem Koeffizienten der Selbstinduktion einzelner Leiter einer
                              									Stromschleife rechnen und im Endergebnis zu richtigen, durch Versuche bestätigten
                              									Resultaten gelangen. In der drahtlosen Telegraphie wird häufig mit der
                              									Selbstinduktion gerader ungeschlossener Leiterstücke (Antenne) gerechnet und von der
                              									Formel
                           L=2\,l\,\left(\mbox{log nat }\frac{2\,l}{r}-0,75\right)\,C\,G\,S . . 12)
                           Gebrauch gemacht. In der Gleichung 12) bedeutet
                           l die Länge des Drahtes in cm,
                           r seinen Halbmesser.
                           Neuerdings sind von einem vom Elektrotechnischen Verein eingesetzten Ausschuss
                              									Vorschläge zur Definition der elektrischen Eigenschaften gestreckter Leiter
                              									ausgearbeitet worden, die auf der Vorstellung einer einem Leiter innewohnenden Selbstinduktion gegründet sind. In der Tat ist
                              									aber die besagte Vorstellung unrichtig und kann unter Umständen zu groben Fehlern
                              									führen.
                           Dass dem so ist, überzeugt uns folgende einfache Ueberlegung. Betrachten wir eine
                              									einfache Stromschleife (Fig. 1). Fliesst in dem
                              									Kreise Strom, so erzeugt dieser ein magnetisches Feld, und die Schleife wird von
                              									magnetischen Kraftlinien geschnitten. Aendert sich der Strom, so ändert sich gleichzeitig
                              									das Feld, und in der Schleife wird elektromotorische Kraft induziert. Diese nennt
                              									man „elektromotorische Kraft der Selbstinduktion“.
                           Selbstinduktion ist also ein physikalisches Phänomen, das in dem den Leiter
                              									umgebenden Raum seinen Ursprung hat und von den Leitern selbst nur mittelbar
                              									abhängt. Ohne Leiter hätten wir keinen Strom und mithin keine Selbstinduktion.
                              									Liegen jedoch die beiden Leiter unmittelbar nebeneinander, so dass der von ihnen
                              									eingeschlossene Flächenraum Null wird, so verschwindet die Selbstinduktion bis auf
                              									einen kleinen Betrag, der von dem Felde in den Leitern selbst abhängt. Bei bifilarer
                              									Anordnung haben wir Wechselstromkreise praktisch ohne Selbstinduktion.
                           Daraus ersieht man schon, dass man im physikalischen Sinne lediglich von der
                              									Selbstinduktion und von dem Selbstinduktionskoeffizienten eines Stromkreises, nicht aber von denen eines
                              									ungeschlossenen Leiters sprechen darf.
                           Wie kommt es nun, dass man, wie gesagt, trotzdem häufig mit der Selbstinduktion
                              									einzelner Leiter arbeitet und doch zu richtigen Resultaten kommt?
                           Der Selbstinduktionskoeffizient des Stromkreises (Fig.
                                 										1) ist
                           
                              L=\frac{1}{2}\,\left\{1+\mu+4\mbox{ log nat }\frac{(\varrho-r)\,(\varrho-r)}{R\cdot r}\right\}\cdot l;\ (C\,G\,S)
                              
                           Wir schreiben
                           
                              L=\frac{1}{2}\,\left\{1+4\mbox{ log nat }\left(\frac{\varrho-r}{r}\right)\right\}\cdot l+\frac{1}{2}\,\left\{\varrho+4\mbox{
                                 log nat }\left(\frac{\varrho-R}{R}\right)\right\}\cdot l;\ (C\,G\,S).
                              
                           Führen wir die Bezeichnungen ein
                           
                              L_1=\frac{1}{2}\,\left\{1+4\mbox{ log nat }\left(\frac{\varrho-r}{r}\right)\right\}\cdot l;\ (C\,G\,S)
                              
                           
                              L_2=\frac{1}{2}\,\left\{\mu+4\mbox{ log nat }\left(\frac{\varrho-R}{R}\right)\right\}\cdot l;\ (C\,G\,S),
                              
                           so erhalten wir
                           
                              L = L
                              1
                              + L
                              2
                              
                           E1 =
                              										2π ∾ . J . L = 2π ∾ J (L1 + L2) = 2π ∾ . J . L1 – 2π ∾ (– J) . L2 . . . . . . . . . . 13)
                           Nennt man jetzt L1 und
                              										L2
                              									Selbstinduktionskoeffizienten der beiden Leiter AB und
                              										CD, so gibt die Formel 13) den induktiven
                              									Spannungsabfall der Schleife richtig an. Die Glieder
                           2π ∾ . J
                              									. L1 = E1'
                           und
                           2π ∾ (– J) L2 = E1''
                           geben den „induktiven Spannungsabfall“ der Leiter AB und CD
                           E1= E1' – E1''.
                           Wir sehen also, dass man tatsächlich mit den Koeffizienten der Selbstinduktion
                              									einzelner nicht in sich geschlossener Leiter rechnen kann. Der Grund liegt, wie aus
                              									unserer Ableitung unzweideutig hervorgeht, darin, dass in dem Endresultat E1 immer nur die
                              									Differenz der beiden Einzelabfälle auftritt.
                           Es scheint also, als ob es für die praktische Anwendung gleichgültig wäre, ob man mit
                              									der physikalischen Vorstellung des
                              									Selbstinduktionskoeffizienten einer Stromschleife oder
                              									mit den lediglich mathematischen definierten Begriffen
                              									der Selbstinduktionskoeffizienten einzelner Leiter der Schleife rechnet. Dem ist
                              									aber tatsächlich nicht so. Nichts hindert uns nämlich zu setzen
                           
                              
                              L_1=\frac{1}{2}\,\left\{1+4\mbox{ log nat }\left(\frac{\varrho-r}{r}\right)\right\}\cdot l+A
                              
                           
                              L_2=\frac{1}{2}\,\left\{\mu+4\mbox{ log nat }\left(\frac{\varrho-R}{R}\right)\right\}\cdot l-A
                              
                           L = L1 + L2
                           E1 =
                              										2π ∾ . J . L = 2π ∾ . J (L1 + L2)
                                                    = 2π ∾ . J . L1 – 2π ∾ (– J) L2.
                           Für den „induktiven Spannungsabfall“ des Leiters AB erhalten wir jetzt
                           
                              \begin{array}{rcl}E_1'&=&2\,\pi\,\sim\cdot J\cdot L_1\\&=&2\,\pi\,\sim\cdot J\,\left[\frac{1}{2}\,\left\{1+4\mbox{ log nat
                                 }\left(\frac{\varrho-r}{r}\right)\right\}\,l+A\right];\end{array}
                              
                           für den Abfall des Leiters CD den
                              									Wert
                           
                              \begin{array}{rcl}E_1''&=&2\,\pi\,\sim\,(-J)\cdot L_2\\&=&2\,\pi\,\sim\,(-J)\,\left[\frac{1}{2}\,\left\{\mu+4\mbox{ log nat
                                 }(\varrho-R})\right\}\,l-A\right].\end{array}
                              
                           Vergleicht man diese Werte mit denen der Formel 13), so findet man, dass die beiden
                              									Spannungsabfälle jetzt um
                           2π J . A
                           grösser geworden sind.
                           
                              Die „Spannungsabfälle der Leiter“ sind mithin nicht
                                 										eindeutig gegeben, ihre Differenz allein ist genau bekannt.
                              
                           Nun wird häufig, besonders in der Praxis des elektrischen Bahnbetriebes, gefragt, wie
                              									gross der Spannungsabfall in einem Leiter der Schleife, z.B. in den Schienen, bei
                              									Wechselstrom sei. Man will darunter die geometrische Summe des ohmschen
                              									Spannungsabfalles in jenem Leiter
                           J . W
                           (W = Wechselstrom widerstand des
                              									Leiters)
                           und des eben genannten „induktiven“ verstehen.
                           Da dieser aber, wie erwähnt, nicht eindeutig gegeben ist, so kann auf die erwähnte
                              									Frage eine Antwort nicht erteilt werden.
                           Nicht selten wird sogar bei der Ausschreibung von Bahnprojekten verlangt, die
                              									Potentialdifferenz zwischen zwei beliebigen Punkten der Schiene solle einen
                              									bestimmten Wert nicht überschreiten. Unter „Potentialdifferenz“ will man den
                              										„gesamten Spannungsabfall“ in den Schienen verstehen. Natürlich ist die
                              									Frage in dieser Form überhaupt unlösbar. Was man unter „Potentialdifferenz“
                              									zwischen zwei Punkten der Schienen zu verstehen hat. wird sich aus dem Folgenden
                              									ergeben.
                           Wir kehren zur Betrachtung eines ungeschlossenen geraden Leiters zurück.
                           Nach Franz Neumann ist die Selbstinduktion eines geraden
                              
                              									Drahtes vom Halbmesser r und der Länge l
                           L=2\,l\,\left(\mbox{log nat }\frac{2\,l}{r}-0,75\right);\ (C\,G\,S) . 12)
                           Bei raschen elektrischen Schwingungen wird ein gerader an einen Generator einpolig
                              									angeschlossener Leiter vom Strom (Ladestrom) durchflössen. Wir haben hier scheinbar
                              									mit einem ungeschlossenen Strome zu tun. Der Koeffizient der Selbstinduktion des
                              									Drahtes wird nach der Formel (12) bestimmt. So wird z.B. bei der Berechnung der
                              									Frequenz von Hertzschen Oscillatoren verfahren.
                              									Tatsächlich sind die Ströme auch hier nur scheinbar „ungeschlossen“. Nach der
                              									Theorie von Maxwell schliessen sie sich vielmehr durch
                              									das Dielektrikum in Gestalt der sogenannten „dielektrischen Verschiebung“.
                              										Lg ist also als
                              									Selbstinduktionskoeffizient der aus dem geraden Draht und der Rückstrombahn
                              									gebildeten geschlossenen Schleife anzusehen.
                           Betrachten wir jetzt eine irgendwie gestaltete poligonale Strombahn ABCDEF (Fig. 3).
                           Sind die Längen einzelner Leiter l1, l2, l3, l4, l5, l6, so kann der Koeffizient der Selbstinduktion des
                              
                              									bezeichneten Stromkreises in der Form
                           L = αl1+ βl2+ – – – – + kl6,
                           α, β – – – – k gleich konstant,
                           überhaupt nicht dargestellt werden. – L kann also in Einzelbeträge, die der „Selbstinduktion einzelner
                                 										Leiter“ entsprechen würden, nicht zerlegt werden. Der Begriff der
                              									Selbstinduktion einzelner Leiter versagt also vollständig, so wie man von der
                              									einfachen Stromschleife (Fig. 1) zu den
                              									komplizierteren geradlinien Strombahnen übergeht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 41
                              Fig. 3.
                              
                           Die Formel 12), auf die Stromschleife (Fig. 1)
                              									angewendet, würde zu ganz falschen Ergebnissen führen.
                           Bei Systemen, die aus mehreren parallel geführten Lettern bestehen, wird darum
                              									bisweilen jedem Leiter ein „Koeffizient der Selbstinduktion“, jedem
                              									Leiterpaar ein „Koeffizient der gegenseitigen Induktion“ zugeordnet.
                           Für die Stromschleife (Fig. 1) gibt man z.B. an
                           
                              
                                 
                                    L_1=2\,l\,\left(\mbox{log nat }\frac{2\,l}{r}-0,75\right);\ C\,G\,S
                                    
                                    L_2=2\,l\,\left(\mbox{log nat }\frac{2\,l}{r}-0,75\right);\ C\,G\,S
                                    
                                    M_{12}=2\,l\,\left(\mbox{log nat }\frac{2\,l}{r}-1,0\right);\ C\,G\,S
                                    
                                 13)
                                 
                              
                           Der „induktive Spannungsabfall“ des Leiters (1) ergibt sich hiernach
                              									zu
                           
                              \Delta\,V_1=2\,\pi\,\sim\cdot L_1\cdot J+2\,\pi\,\sim\,M_{12}\cdot (-J)=2\,\pi\,\sim\,(L_1-M_{12})\,J=2\,\pi\,\sim\cdot J\cdot
                                 2\,l\,\left(\mbox{log nat }\frac{\varrho}{r}+0,25\right)
                              
                           Der „induktive Spannungsabfall“ des Leiters (2) ist in analoger Weise
                              									gleich
                           
                              \Delta\,V_2=2\,\pi\,\sim\cdot L_2\,(-J)+2\,\pi\,\sim\cdot M_{12}\cdot J=-2\,\pi\,\sim\,(L_2-M_{12})\,J=-2\,\pi\,\sim\cdot
                                 2\,l\,\left(\mbox{log nat }\frac{\varrho}{R}+0,25\right)\cdot J.
                              
                           Der induktive Spannungsabfall der Schleife berechnet sich zu
                           ΔV = ΔV1 – ΔV2 = 2π ∾ . 2l
                           
                              \left(\mbox{log nat}\,\frac{\varrho^2}{R\,r}+0,50\right)\cdot J=
                              
                           
                              =2\,\pi\,\sim\cdot J\cdot 1/2\,\left(4\,\mbox{log nat}\,\frac{\varrho^2}{R\,r}+2,0\right)\cdot l
                              
                           Diese Formel stimmt bis auf eine geringfügige Vernachlässigung mit der Formel (10)
                              									überein.
                           Diese Uebereinstimmung ist einfach dadurch bedingt, dass die Glieder, die log nat l enthalten, sich in dem Endresultat aufheben.
                           Die nach den Formeln (13) gerechneten Koeffizienten sind der Leiterlänge nicht proportional. Ihre Einführung ist willkürlich und
                              									nur durch die im Endresultat sich ergebende
                              									Uebereinstimmung bedingt.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)