| Titel: | Ueber den Einfluss zusammengesetzter Spannungen auf die elastische Eigenschaft von Stahl. | 
| Autor: | Ewald L. Hancock | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 41 | 
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                        Ueber den Einfluss zusammengesetzter Spannungen
                           								auf die elastische Eigenschaft von Stahl.
                        Vorläufiger Bericht von Ewald L. Hancock, La Fayette.
                        Ueber den Einfluss zusammengesetzter Spannungen auf die elastische
                           								Eigenschaft von Stahl.
                        
                     
                        
                           Die Untersuchungen erstrecken sich auf Rundstäbe und Rohre von Eisen und
                              									Stahl.
                           Die Proben sollen beansprucht werden:
                           
                              a. durch anwachsende Zugkräfte bei gleichzeitiger Wirkung von
                                 										unveränderter Torsionsspannung;
                              b. durch anwachsende Torsionskräfte bei gleichzeitiger Wirkung
                                 										von unveränderter Zugspannung;
                              c. durch gleichzeitig anwachsende Zug- und
                                 										Torsionskräfte;
                              d. durch Druckkräfte bei gleichzeitiger Wirkung von
                                 										unveränderter Torsionsspannung.
                              
                           Zunächst ist nur ein Teil der unter a genannten Versuche mit Rundstäben aus Stahl
                              									ausgeführt. Ueber die erhaltenen Ergebnisse soll nachstehend berichtet werden:
                           
                        
                           
                              Der Versuchsapparat.
                              
                           Die Schwierigkeit Materialprüfungen unter gleichzeitiger Wirkung verschiedenartiger
                              									Kräfte auszuführen, liegt besonders darin, dass keine für derartige Versuche
                              									geeignete Maschinen vorhanden sind. Bei den vorliegenden Versuchen wurde eine
                              									Zerreissmaschine von Olsen für 50 t Kraftleistung
                              									verwendet (Fig. 1), die mit zwei eigenartig
                              									konstruierten Einspannhäuptern zum Verdrehen des Probestabes ausgerüstet war.
                              									Jedes dieser Häupter (Fig. 2) besteht aus einem
                              									flachen gusseisernen Gehäuse A, welches mit dem
                              									Querhaupt B der Prüfungsmaschine an Stelle der
                              									gewöhnlichen Einspannvorrichtungen verbunden ist. In dem Gehäuse sind drei
                              									konzentrische Reihen gehärteter Stahlkugeln angeordnet, von denen zwei auf dem
                              									stählernen Ring C laufen und die Stahlplatte D tragen. Die obere Fläche der Platte D ist kugelförmig ausgehöhlt. Sie nimmt das grosse
                              									Gusstück E auf, in dem die drei Einspannkeile F sich befinden. Die Kugellagerung gestattet der Probe,
                              									sich zentrisch einzustellen. Jedes der Stücke E ist mit
                              
                              									zwei Armen GG1 von 1525
                              									mm Länge ausgerüstet; die unteren Arme stützen sich mit Stahlrollen gegen
                              									feststehende Widerlager. Die oberen Arme sind mit Hebelschneiden und Bügel
                              									ausgerüstet, an die Zugseile angreifen.
                           Um Tersionskräfte zu erzeugen, sind zwei Gestelle (Fig.
                                 										3) angeordnet, welche die festen Widerlager W
                              									für die unteren Arme tragen und ebenso Rollen r, über
                              
                              									welche die Seile zu den oberen Armen laufen. Diese Rollen sind so angeordnet, dass
                              									das Seil senkrecht zu den Armen steht und mit ihnen in derselben wagerechten Ebene
                              									liegt. An dem freien
                              									Ende des Seiles hängt ein kleines Gefäss, zur Aufnahme von Sand als Belastung. Das
                              									Gefäss ist ausgeglichen durch ein Gewicht, welches an einem rückwärts über die
                              									Scheibe laufenden Seile hängt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 42
                              Fig. 1. Olsen-Maschine mit Torsionsvorrichtung.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 42
                              Fig. 2. Einspannhaupt mit Torsionsvorrichtung.
                              
                           
                        
                           
                           
                              Die Einspannvorrichtungen.
                              
                           Jedes der beiden grossen gusseisernen Gehäuse E (Fig. 2) trägt drei Gleitstücke H für die Keile F. Sie
                              									sind so angeordnet, dass sie sich um die Achsen J
                              									drehen und die Keile in die Probe eingreifen, sobald Torsionskräfte erzeugt werden.
                              									Diese Art der Einspannung gestattet bei leichter Handhabung die Verwendung von
                              
                              
                              									Proben mit verschiedenen Durchmessern.
                           
                        
                           
                              Die Aeusserung von Torsionskräften.
                              
                           Die gewünschte Torsionskraft wird erzielt, indem eine bekannte Menge von feinem Sand
                              									gleichmässig in die Behälter eingelassen wird, welche an den zu den oberen
                              									Torsionshebeln G führenden Seilen hängen. Die Last wird
                              									dann auf die Arme G und so zum Teil auf die Probe
                              									übertragen, zum Teil durch Reibung in den Kugellagern aufgezehrt. Die Anwendung von
                              
                              									Sand gestattet eine gleichmässige Laststeigerung und wirkt sehr befriedigend.
                           
                        
                           
                              Die Messung der Verdrehung und Verlängerung.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 42
                              Fig. 3. Schema für die Anordnung zur Erzeugung der Torsionskräfte.
                              
                           Die Verdrehung der Probe wurde auf 254 mm (10 Zoll) Länge mit einem gewöhnlichen
                              									Troptometer gemessen,Das Troptometer
                                    											besteht im wesentlichen aus zwei Armen, die in den Endquerschnitten der
                                    											Messlänge mit der Probe verschraubt werden. Der eine Arm trägt eine
                                    											kreisbogenförmige Skala, der andere einen über dieser Skala spielenden
                                    											Zeiger zur Anzeige des Verdrehungswinkels. die Verlängerung auf
                              									203 mm (8 Zoll) Länge mit einem Yale-Riehlé
                              									Dehnungsmesser (Fig. 4). Der Dehnungsmesser wurde
                              									symetrisch zwischen den Armen des Troptometers angebracht. Diese Art der
                              									Formänderungsmessung befriedigte vollkommen bei der ausgeführten Versuchsreihe, wird
                              									aber für die Reihe c etwas geändert werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 43
                              Fig. 4. Yale-Riéhles Dehnungsmesser.
                              
                           
                        
                           
                              Das allgemeine Prüfungsverfahren.
                              
                           Die ausgeführten Versuche (Reihe a) umfassten zwei
                              									Reihen, E und C, erstere
                              									mit dreiprozentigem Nickelstahl, letztere mit Kohlenstoffstahl. Zu beiden Reihen
                              									wurde das Material von der Carnegie Steel Co.
                              									geliefert. Es hatte folgende Zusammenstellung:
                           
                              
                                 
                                 Phos-phor
                                 Mangan
                                 Silicium
                                 Nickel
                                 Kohlen-stoff
                                 
                              
                                 Nickelstahl
                                 0,019
                                 0,65
                                 0,022
                                 3,02
                                 0,25
                                 
                              
                                 Kohlenstoffstahl
                                 0,030
                                 0,55
                                 0,024
                                 0,00
                                 0,24
                                 
                              
                           Zu jeder Reihe wurden drei Proben verwendet. Sie waren etwa 915 mm (3 Fuss) lang und
                              									21,6 mm (0,85 Zoll) im Durchmesser. In der Mitte waren sie auf einer Länge von 280
                              									mm (11 Zoll) auf 12,7 mm (0,5 Zoll) Durchmesser abgedreht. Um die Proben festzulegen
                              									und die Keile sicher zum Eingriff zu bringen, wurde stets eine Zugkraft von 2,8 kg/qmm
                              									angewendet.
                           In jeder Reihe wurde eine Probe (Ea und Ca) bis zu einem Drittel der Elastizitätsgrenze auf
                              									Torsion geprüft und die Verdrehungen mit dem Troptometer beobachtet. Unter dieser
                              									Torsionsbeanspruchung wurde die Probe dann bis zur Elastizitätsgrenze auf Zug
                              									geprüft. Eine zweite Probe jeder Reihe (Eb und Cb) wurde in gleicher Weise bis auf zwei Drittel der
                              									Elastizitätsgrenze durch Torsionskräfte beansprucht und dann ebenfalls bis zur
                              									Elastizitätsgrenze auf Zug belastet. Bei den dritten Proben (Ec und Cc) war die Torsionsbeanspruchung vor dem
                              									Zugversuch bis zur Elastizitätsgrenze gesteigert.
                           
                        
                           
                              Reibung in den Querhäuptern und Rollenlagern.
                              
                           Der Reibungswiderstand in den Rollen, mit denen die unteren Arme gegen die festen
                              
                              									Widerlager sich stützen wurde so gering befunden, dass er vernachlässigt werden
                              
                              									konnte, d.h. der bei Dehnung der Probe aufwärts gerichtete Druck infolge dieser
                              									Reibung war so gering, dass er an der Wage der 50 t-Olsenmaschine nicht abzulesen war.
                           Das wirksame Moment der Reibung in den Kugellagern und Seilscheiben wurde unter der
                              									Zugbelastung von 400 kg, entsprechend einer Spannung von 2,8 kg/qmm bestimmt.
                              									Es war dies die konstante Zugbelastung, die angewendet wurde, während die Prüfung
                              									auf Torsion stattfand. Die Bestimmung erfolgte, indem man die Querhäupter auf die
                              									Plattform der Maschine setzte, mit einer Kraft von 400 kg zusammenpresste und
                              									hierbei das Sandgewicht bestimmte, welches erforderlich war, um die Arme zu bewegen.
                              									Das Mittel aus einer Anzahl von Versuchen ergab 20,9 mkg (16,42 Zollpfunde) als
                              									Widerstandsmoment für die Reibung der Querhäupter und Seilscheiben. Dieses Moment
                              									wurde in Rechnung gezogen.
                           Wie man sieht, ist die Wirkung der Reibung bei den ausgeführten Versuchen bestimmt
                              									festgelegt, um zuverlässige Ergebnisse zu erzielen. Bei Ausführung der gesamten
                              									Untersuchung soll eine besondere Kurve ermittelt werden, welche die Beziehungen
                              									zwischen dem Drehungswiderstand infolge Reibung und wachsender Zugbelastung
                              									darstellt.
                           
                        
                           
                              Versuchsergebnisse.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 43
                              Fig. 5. Zugversuche mit Nickelstahl bei gleichzeitiger Wirkung von
                                 										Torsionskräften.
                              Torsionsspannung: bei M = 0, bei
                                 											Ea = ⅓, bei Eb = ⅔ und bei Ec = 3/3 der
                                 										Elastizitätsgrenze.
                              
                           Fig. 5 enthält die Schaulinien für die Ergebnisse der
                              									Versuche mit Nickelstahl. Linie M ist das Mittel von
                              									zwei einfachen Zugversuchen. Nach ihr liegt die Elastizitätsgrenze bei 39,2 kg/qmm. Die Linien
                              										E zeigen das Verhalten des Materials gegen
                              									Zugbeanspruchung bei gleichzeitiger Wirkung von Torsionskräften. Die letzteren waren bei Ea = ⅓, bei Eb = ⅔ und bei Ec = 3/3 der Elastizitätsgrenze. Aus dem Verlauf der Linien
                              
                              									ergibt sich, dass die Elastizitätsgrenze für lug durch die
                                 										gleichzeitige Wirkung von Torsionskräften heruntergeht und zwar umsomehr, je
                                 										grösser die letzteren sind. Die Abnahme beträgt für die drei Versuchsreihen
                              									der Reihe nach 7, 21 und 63 v. H. Es steht zu erwarten, dass die weiteren Versuche
                              									das Gesetz für die Einwirkung der Torsionsspannungen auf die Zugelastizität klar
                              									legen werden.
                           Der Elastizitätsmodul für Zug ist durch die Torsionsspannung ebenfalls
                              									heruntergegangen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 44
                              Fig. 6. Zugversuche mit Kohlenstoffstahl bei gleichzeitiger Wirkung von
                                 
                                 										Torsionskräften
                              Torsionsspannung: bei C = 0, bei
                                 											Ca = ⅓, bei Cb = ⅔ und bei Cc = 3/3 der
                                 										Elastizitätsgrenze.
                              
                           Fig. 6 zeigt die Ergebnisse für den Kohlenstoff
                              									stahl. Die Linien C, Ca, Cb und Cc entsprechen
                              									hinsichtlich der neben den Zugspannungen auf die Probe ausgeübten Torsionskräften
                              									den Linien M, Ea, Eb und Ec von Fig. 1. Die Elastizitätsgrenze bei reiner
                              									Zugbelastung (Linie C) liegt bei 23,8 kg/qmm, durch die
                              									angewendeten Torsionskräfte ist sie um 6, 30 und 54 v. H. heruntergedrückt. Wie man
                              									sieht, war der Einfluss der Torsionskräfte bei dem Kohlenstoffstahl nicht der
                              									gleiche wie bei Nickelstahl.
                           In allen Fällen ging die Troptometerablesung beim Aufbringen der Zugbelastung vor,
                              									was beweist, dass das Material durch kombinierte Spannungen geschwächt wird. Diese
                              									Ergebnisse sind indessen noch nicht zahlreich genug, um ein sicheres Urteil zu
                              									gestatten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 44
                              Fig. 7. Torsionsversuche mit Nickelstahl.
                              A Torsionsversuch bei gleichzeitig
                                 										2,8 kg/qmm Zugspannung; B einfacher Torsionsversuch.
                              
                           Fig. 7 zeigt zwei Torsionslinien A und B. Von ihnen stellt
                              									die erstere das Mittel aus zwei Versuchen dar, bei denen die Probe gleichzeitig mit
                              									2,8 kg/qmm auf Zug
                              									beansprucht war, und B das Mittel aus zwei einfachen
                              									Torsionsversuchen mit demselben Material. Die Kurven zeigen, dass die
                              									Torsions-Elastizitätsgrenze, wie zu erwarten war, durch die kombinierte Belastung
                              									(gleichzeitige Wirkung von Zugkräften) heruntergedrückt wurde.