| Titel: | Die VIII. Internationale Automobilausstellung in Paris 1905/6. | 
| Autor: | K. Rummel | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 81 | 
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                        Die VIII. Internationale Automobilausstellung in
                           								Paris 1905/6.
                        Von Dipl.-Ing. K.
                                 									Rummel, Aachen.
                        Die VIII. Internationale Automobilausstellung in Paris
                           								1905/6.
                        
                     
                        
                           In gewissem Sinne darf unser heutiger automobiler Personenwagen bereits als
                              									Nutzfahrzeug angesprochen werden, Nutzfahrzeug insofern, als schon des öfteren die
                              									sportlichen Interessen hinter seinem eigentlichen Zweck als Transportmittel
                              									zurückzutreten beginnen. So zeigt z.B. das Bild des Kraftwagenverkehrs in den
                              									Strassen von Paris eine deutliche Verschiebung zugunsten der voiture de ville, des eleganten geschlossenen
                                 										Wagens, der bei dem reichen Manne an die Stelle des Pferdegespanns getreten
                              									ist. Man sieht tatsächlich weniger edle Luxuspferde als früher, dafür aber
                              									überraschend viele automobile Coupes und Landaus, selbstverständlich mit seitlichem
                              									Einstieg; der Einstieg von hinten gehört der Vergangenheit an; selbst der Chauffeur
                              									verwandelt sich in den herrschaftlichen Diener in seiner gewohnten Uniform.
                           Man darf nun natürlich nicht den Schluss ziehen, dass auch die Frage der Rentabilität in neuem und ausschlaggebendem Sinne
                              									entschieden sei. Zwar weisen die Kataloge weitaus der meisten Firmen einen weiteren
                              									Preis-nachlass von einigen Prozent gegenüber dem Vorjahre auf, der sich besonders
                              									auf die leichteren Wagen zu erstrecken scheint, indessen zeigt eine wohl keines
                              									weiteren Kommentars bedürftige Statistik aus dem letzte Jahre, dass von den etwa
                              									21500 in Frankreich angemeldeten Kraftwagen weniger als 15 v. H. die bei Benutzung
                              									des Fahrzeuges in Ausübung eines Berufes zulässige Steuerermässigung genossen. Unter
                              									den letzteren stellten die Aerzte das weitaus grösste Kontingent.
                           Auch Omnibusse und Lastwagen sind häufiger als früher im Strassen verkehr zu sehen.
                              									Für die Dauer der Ausstellung ist eine von mehreren Firmen unterhaltene Omnibuslinie
                              									(Börse–Grand Palais) eingerichtet worden, deren Wagen täglich etwa 100 km
                              									zurückzulegen haben, und deren Betrieb anstandslos unterhalten wird. Das grosse,
                              									noch weit verbreitete Misstrauen gegen den Omnibusverkehr hat seinen Grund darin,
                              
                              									dass viele im Laufe der letzten Jahre eingerichtete Automobillinien kläglich Fiasko
                              									gemacht haben. Das lag aber daran, dass einmal viele dieser Linien nicht genügend
                              									finanziert waren und über ungenügendes rollendes Material verfügten, so dass im
                              
                              									Falle einer vorübergehenden Störung gleich der ganze Betrieb eingestellt werden
                              									musste. Es gibt solche Linien, deren gesamter Wagenpark aus einem einzigen Fahrzeug
                              									ohne jede Reserve bestand. Anderseits sind auch wohl erst einige Gehversuche gemacht
                              									worden und bevor die nötigen Erfahrungen erworben waren, hatten Publikum und
                              									Geldgeber die Lust und das Vertrauen verloren. So scheint mir trotz aller
                              									Prophezeiungen der Automobilomnibusverkehr eine sehr gute und auch eine sehr baldige
                              									Zukunft zu haben. Zu Bedenken dürfte allerdings noch ein Punkt Veranlassung geben,
                              									nämlich die zu erwartende höhere Abnutzung der Strassen. Nach aus Frankreich
                              									kommenden Berichten über diesbezügliche statistische Aufzeichnungen, scheint diese
                              									Frage von recht erheblicher Bedeutung zu sein.
                           Das eben entrollte Bild vom Stande des Strassenverkehrs spiegelt sich natürlich im
                              									engeren Zirkel der Ausstellung wieder. In den mit als Ausstellungsräumen
                              									herangezogenen Serres de la ville sind zahlreiche Lastwagen und Omnibusse, auf deren
                              									Fahrtzielschildern zuweilen Linienbezeichnungen mit den verwegensten
                              									aussereuropäischen Namen prangen, untergebracht. Im Hauptgebäude, dem Grand Palais, in welchem in der Kuppelhalle die
                              									Personenwagen und in den Nebensälen, auf den Galerien usw. die Zubehörteile
                              									untergebracht sind, fällt auf den ersten Blick auf, dass der geschlossene Wagen
                              									dominiert, und zwar handelt es sich vorwiegend um Karosserien mit zwei festen
                              									Innensitzen, zu denen in der Mehrzahl der Fälle noch zwei mehr oder weniger bequeme
                              									Notsitze kommen. Einige Konstruktionen haben auch die Steuersäule und den ganzen
                              
                              									Bedienungsmechanismus mit in dieses geschlossene Coupe hereingezogen, so dass also
                              									dessen Vorderwand mit dem Spritzbrett abschliesst.
                           Die Ausstellung wird mehr denn je von dem Benzinautomobil beherrscht, der elektrische
                                 										Wagen in seinen verschiedenen Systemen ist nur ganz vereinzelt zu finden.
                              									An Dampfautomobilen zeigt sich zum ersten Male mit
                              									Kraftfahrzeugen die altbekannte Firma Weyher &
                                 										Richemond auf dem Plan, ihr Wagen bildet einen der vom Publikum bewunderten
                              									Clous der Ausstellung. Vom allgemein-technischen Standpunkte aus ist das
                              									Motorgehäuse als kompliziertes Gusstück recht interessant. Auch Serpollet zeigt neues. Der Motor ist jetzt
                              									doppeltwirkend; seine Stopfbüchskonstruktion ist dem allgemeinen Maschinenbau mit
                              									den dort üblichen Bauarten für hochgespannten und überhitzten Dampf entlehnt, obwohl
                              									die Drucke ganz erheblich höher sind als bei stationären Maschinen. Der neue Motor
                              									liegt unter dem Fussbrett des Führersitzes. Ein Gegenstromvorwärmer ist zur
                              									Ausrüstung des Wagens hinzugetreten.
                           Im Hauptausstellungsgebäude sind über 150 fertig montierte Rahmen ausgestellt. Die
                              										Pferdestärken der Wagen sind wieder gestiegen, und
                              									zwar hat sich hauptsächlich die Zahl der 30–40pferdigen Chassis vermehrt; als
                              									Ursache hierfür ist wohl das Streben nach sehr bequemen, aber auch sehr schweren
                              									Wagenkästen mit bestimmend gewesen. Bei Betrachtung der Stärke der Wagen verdient
                              									aber noch ein Punkt besonders hervorgehoben zu werden; es finden sich neue und
                              									zahlreiche Anläufe zum Ziel des „billigen
                                    										Wagens“ hin, nach dem schon seit längerer Zeit besonders das Streben
                              									der deutschen Konstrukteure geht. Das Thema des „Volksautomobils“ ist in letzter Zeit so oft
                              									in Fachzeitschriften zur Sprache gebracht worden, dass eine eingehende Erörterung
                              									hierüber überflüssig zu sein scheint. Kurz gefasst, scheint mir die Frage nach der
                              									Möglichkeit eines solchen billigen Gebrauchsfahrzeuges so zu liegen, dass ein
                              									Automobil in seiner unumgänglichen Vielteiligkeit in einzelne in sich wieder
                              									komplizierte Organe: Rahmen, Motor, Geschwindigkeitswechsel, Laufwerk, Lenkung,
                              									Wagenkasten – nur schwer zu vereinfachen ist, wenn nicht auch die Ansprüche an das
                              									Fahrzeug selbst heruntergeschraubt werden. Aber hierin gerade liegt das
                              									Unzulängliche. Der Arzt oder Beamte oder Industrielle, der sich im Interesse seines
                              									Berufes den billigen Wagen zulegen will, möchte ungern auf den Automobil sport, wenn auch in der bescheidensten Form des
                              									Sonntagsnachmittagsausflugs mit Kind und Kegel verzichten. Das aber ist nur schwer
                              									zu erreichen. Der einfache Zweisitzer genügt nicht mehr usw. usw.
                           Bedenkt man ferner, dass ein solcher Wagen auch noch ganz besonders einfach in der
                              									Bedienung, Wartung und Reparatur sein soll, dann lässt sich ermessen, dass nur
                              									bewusste konstruktive Abweichung von dem Tourenwagen befriedigende Ergebnisse
                              									liefern konnte, nicht aber, wie es früher wohl versucht ist, einfache Weglassung
                              									oder Verstümmelung der Lebensorgane oder schematische Verkleinerung des normalen
                              									Tourenwagens. Zudem kann, wie auch das Beispiel derartiger amerikanischer Wagen
                              									zeigt, nur ein durch Riesenkapital fundierter Grossbetrieb in die Herstellung
                              									solcher Fahrzeuge Fluss bringen.
                           In allen diesen Beziehungen verdient der Wagen von Sizaire & Naudin hervorgehoben zu werden, welcher
                              									in diesem Jahre zum erstenmal auf der Ausstellung gezeigt wird und mit einem
                              									Katalogpreis von 2950 Fr. inklusive Luftreifen und zweisitziger Karosserie
                              									ausgezeichnet ist. Das Holzgestell des Wagens ist nur in drei Punkten auf Federn
                              									gelagert und zwar ist es mit der Hinterachse nur durch lange
                              										„Viertelelliptikfedern“ verbunden, deren einer Endpunkt am Rahmen liegt,
                              									während der andere an der Hinterachse befestigt ist. Diese Federn haben mithin auch
                              									den gesamten Wagenschub aufzunehmen. Der vordere Teil des Rahmens ruht auf einer vor
                              									dem Kühler liegenden Querfeder; die Verbindung ist so ausgeführt, dass die
                              									Vorderachse in Fortfall kommt. Die drei Uebersetzungen des Geschwindigkeitswechsels
                              									stellen eine mit dem Differential vereinigte Spezialkonstruktion dar, welche bei
                              									einem so kleinen Wagen keine übermässige Belastung der Hinterachse bilden kann. Der
                              									7 pferdige Motor hat Wasserkühlung (ohne Pumpe und Ventilator). Dies verdient
                              									hervorgehoben zu werden, da amerikanische Wagen mit noch stärkeren luftgekühlten
                              									Motoren laufen.
                           Alles in allem ist der Wagen recht einheitlich durchgearbeitet.
                           Ueberhaupt ist an ehrlicher konstruktiver Arbeit viel geleistet worden. Während man
                              									im Jahre 1904 noch so manchen grob zusammengestückelten Wagen sehen konnte, Details,
                              									die der Konstrukteur nur mit Kopfschütteln betrachtete, ist der Durchschnitt der
                              									Wagen besser geworden; dies mag einmal daran liegen, dass viele Firmen ihren Wagen
                              									nun so oft durchgearbeitet und nach ihren oft teuer erkauften Erfahrungen verbessert
                              									haben, dass durch die natürliche Entwicklung eine Auslese des Bewährten entstehen
                              									musste; anderseits daran, dass tüchtige uni berufene Konstrukteure sich immer mehr
                              									in der Kraftwagenindustrie zu betätigen beginnen. Man darf nicht vergessen, dass der
                              									Automobilbau noch vor wenigen Jahren recht weit abseits vom allgemeinen Maschinenbau
                              									stand und dass sich auch jetzt noch in manchen Details eine verhältnismässige
                              									Unwissenschaftlichkeit kundgibt. Ohne der ins Blaue hinein experimentierenden
                              									Theorie das Wort reden zu wollen, muss man doch zugestehen, dass das Fehlen von
                              
                              									wissenschaftlich-technischen, durch Laboratoriumsversuche geklärten Grundlagen
                              									sich bei einer ganzen Reihe von Details recht störend geltend macht. Alle
                              									Einzelheiten, welche spezielle Eigentümlichkeiten des Motorwagens sind, zeigen dies.
                              									Sie sind meist praktisch herausprobiert worden und werden immer noch nur nach
                              									Erfahrung dimensioniert. Dies geht namentlich alle Fragen der Regelung inkl. Zündung
                              									und Vergasung an; da wimmelt es, namentlich auf dem letzteren Gebiet, von allen
                              									möglichen Versuchen konstruktiver Lösungen, ohne dass man den ruhenden Pol in der
                              									Erscheinungen Flucht zu finden vermöchte. Aber wenngleich auch noch die Theorie des
                              									Kraftwagens ein weites Feld zu wissenschaftlichen Untersuchungen bietet, so steht
                              									doch die praktische Gestaltung seiner Teile auf einer hohen Stufe. Es sind – und das
                              									noch weit mehr als im letzten Jahre – eine ganze Reihe von Ausführungen vorhanden,
                              									denen man die Einheitlichkeit des Entwurfes, denen man, ich möchte fast sagen, in
                              									jedem Stück die Eigenart des Konstrukteurs ansieht, so z.B. unter den französischen Firmen die Wagen von Pilain und vor allem Cornilleau
                                 										et Sainte Beuve, die eine ganze Reihe der eigenartigsten Einzelheiten
                              									aufweisen. Natürlich sind auch die anderen bewährten Firmen voll auf dem Platze. Brassier hat merkwürdigerweise seinen Wagen von Grund
                              									aus umgearbeitet. Abgesehen von Einzelheiten zeigen Rahmen, Motor,
                              									Geschwindigkeitswechsel eine ganz neue Gestalt, ohne dass man sich über das warum
                              									dieser Aenderung immer klar wäre.
                           Auch das Ausland ist gut vertreten, besonders fällt Italien durch die stattliche Zahl von Firmen auf,
                              
                              									welche den Salon – und zwar mit recht anerkennenswerten Fabrikaten – beschickt
                              									haben. Auch Belgien und England zeigen tüchtige Leistungen, namentlich verdienen die beiden,
                              									allerdings nicht vom Stammhause ausgestellten Napierwagen (Sechszylinder) in ihrer
                              									kräftigen, übersichtlichen Ausführung Beachtung. Die holländischen Spykerwagen erscheinen in ganz neuer Form mit einem hinten
                              
                              									heckförmig zusammenlaufenden Rahmen. Der Vierräderantrieb ist aufgegeben. Auch sonst
                              									bieten die Wagen viel neues. Die deutschen Aussteller
                              									sind leider nicht sehr zahlreich. Daimler, Argus und
                              										Benz, der erstere in seinen Ausführungen immer noch
                              									ziemlich konservativ, sind vertreten; dazu kommen noch die unter fremder Flagge
                              									laufenden Regina-Dixi-Wagen der Fahrzeugfabrik
                                 										Eisenach. Die N. A. G. nimmt an der
                              									obenerwähnten Omnibuslinie Börse-Grand Palais teil.
                           Eine regere Beteiligung der deutschen Industrie würde nur förderlich wirken können,
                              
                              									selbst wenn der direkte Erfolg in Form eines grossen Absatzes von Wagen auf der
                              									Ausstellung selbst zu wünschen übrig lassen und nicht einmal die grossen Unkosten
                              									wettmachen sollte. Man konnte z.B. überall den starken Eindruck konstatieren,
                              									welchen die zahlreichen italienischen Wagen machten.
                           Der Zug zum allgemeinen Maschinenbau hin, der seit
                              									langem immer zielbewusstere Wege einschlägt, findet neue Bestätigung in dem
                              									Bestreben nach möglichster Ausschaltung aller
                                 										nichtmetallischen Baustoffe. Nachdem schon vor Jahren der Holzrahmen oder
                              									holzarmierte Rahmen mehr und mehr dem gepressten Stahlrahmen wich, nachdem in
                              									letzter Zeit die rein metallischen Bremsen Schritt für Schritt an Terrain gewannen –
                              									auf dem jetzigen Salon haben sie auf der ganzen Linie den Sieg erreicht –, gerät
                              									jetzt auch die Lederkupplung stark ins Hintertreffen. Die rein metallische Bauart,
                              									sei es nun als Scheiben-, Lamellen- oder Spiralbandkupplung oder in dem Bau der
                              									Bremsen entlehnten Ausführungen hat viele Anhänger gefunden. Auch zwei magnetische
                              									Kupplungen sind vertreten; der erforderliche Strom wird von einer besonderen kleinen
                              
                              									Dynamo erzeugt; ebenso findet sich eine unter hydraulischem Anpressungsdruck
                              									arbeitende Bauart. Die Rücksicht auf leichte Demontage spielt natürlich bei der Gestaltung der
                              									Kupplung, wie auch sonst, eine bedeutende Rolle. Einige Konstrukteure versuchen, zu
                              									diesem Zweck die Kupplungsfeder seitlich aus der Kupplung selbst herauszulegen und
                              									übertragen den Druck durch ein Gestänge.
                           Das Streben nach der Verwendung von Metall geht bei dem Napierwagen bis zur
                              									Herstellung selbst des Spritzbrettes aus Aluminium.
                           Sehr bemerkenswert ist ferner die sehr grosse Zahl federnder
                                 										Räder. Ob auf diesem Gebiete wirklich schon etwas Brauchbares geschaffen
                              									ist, kann nur der Erfolg lehren. Die Schwierigkeit, zu einem annehmbaren Preise ein
                              									Rad zu bauen, dessen Speichenkonstruktion ein Federn der Nabe gegen die Felge bei
                              									Achsbelastungen von 600 bis 800 kg, ja selbst bis 4000 kg gestattet und dabei das
                              									Drehmoment sicher aufnimmt und ferner in der Radebene steif ist, so dass achsiale
                              									Stösse ohne Nachgiebigkeit und ohne Bruchgefahr aufgenommen werden können, ist
                              									jedenfalls gross, so vielversprechend auch die Lösung der Aufgabe sein mag, einen
                              									Ersatz für die lästigen und gefährlichen Luftreifen zu schaffen, die immer noch die
                              									Achillesferse des Motorwagens bilden.
                           Einschulung und Einschachtelung sämtlicher Zahnräder
                              									erscheint selbstverständlich. Pilain und Cornilleau et Sainte Beuve haben selbst die Hebel der
                              
                              									Abreisszündung eingekapselt. Bei der ersteren Firma hat der Motorkopf jedes
                              									einzelnen Zylinders eine besondere Kappe, welche sämtliche in normaler Art
                              									gestaltete Hebel verdeckt, bei Cornilleau ist der ganze
                              
                              									Mechanismus ins Innere verlegt.
                           Die Rücksicht auf elastische Formänderungen des Rahmens
                              									hatte im vorletzten Jahre dazu geführt, die verschiedenen Wellen nicht direkt,
                              									sondern durch Vermittlung von Doppelkardanen zu kuppeln. Auch Oldhams waren vielfach
                              									angewandt. Das ist alles wieder verschwunden. Wohl aber findet sich mehrfach die
                              									Aufhängung der einzelnen Teile (Motor, Geschwindigkeitswechsel) in nur drei Punkten.
                              									Dass bei dem leichten Wagen von Sizaire und Naudin dieses Prinzip sogar für die Verbindung von
                              									Rahmen und Rädern angewandt ist, habe ich bereits erwähnt.
                           Die Rücksicht auf diese dynamischen Wirkungen gehört zu
                              									den schwebenden Fragen des Automobilbaues; zur Zeit macht sich das Bestreben in
                              									diesem Sinne zu wirken, besonders stark auch in der Richtung bemerkbar, dass man
                              									mehr als je versucht, die Schwingungen durch geeignete Federbufferungen zu bremsen. Entweder, man lässt die Federn bei kleinen
                              									Schwankungen ruhig spielen und bremst nur die starken Ausschläge, oder man führt –
                              									wie dies bei der neuen hydraulischen Federbufferung von Panhard und Levassor der Fall ist – eine
                              									Bremsung ein, deren Wirkung mit der Geschwindigkeit des Stosses wächst, oder
                              									schliesslich man bremst nur die – nach der Aufnahme des ersten Stosses – durch die
                              									Feder hervorgerufenen Pendelungen. Letzteres wird meist konstruktiv dadurch
                              									erreicht, dass man die Federn in der Richtung des ersten Stosses frei ausschwingen
                              									lässt und nur bei ihrem Zurückgehen in die Ruhelage Widerstände einschaltet. Bei der
                              									Besprechung der Federn ist schliesslich noch zu erwähnen, dass die Doppel-Elliptikfeder fast ganz verschwunden ist –
                              									wahrscheinlich wegen der seitlichen Stösse, denen das Fahrzeug ausgesetzt ist.
                           Von den übrigen Fragen, welche für den modernen Automobilbau auf der Tagesordnung
                              									stehen, sei im Folgenden noch eine kurze Uebersicht zusammengestellt, soweit die
                              									Ausstellung ein Bild vom Stande der Dinge gibt. Der Motor des normalen grösseren
                              									Wagens ist mit ganz vereinzelten Ausnahmen der Vierzylinder. Die in der Theorie wegen ihres gleichförmigen Drehmomentes
                              									so sehr gerühmten Dreizylindermotoren haben keine
                              
                              
                              									grössere Aufnahme gefunden. Dagegen finden sich mehrere Sechszylinder.
                           Die Zylinder sind, genau wie im Vorjahre, einzeln oder paarweise gegossen, ohne dass
                              									man ein Vorherrschen der einen oder andern Bauart erkennen könnte. Neu sind einige
                              									Gusskörper mit vier zusammenhängenden Zylindern,
                              									darunter der Motor eines leichten Wagens von Charron-Girardot & Voigt, deren Erzeugnisse in Frankreich sehr viel
                              									gekauft werden. Der letzterwähnte Wagen ist auch noch in anderer Beziehung
                              									bemerkenswert. So z.B. befindet sich der Führersitz links, entsprechend der
                              									ausdrücklichen Bezeichnung des Wagens als voiture de ville; der Fahrer soll auf
                              									diese Weise beim Ausweichen nach rechts den hierzu nötigen Raum besser abschätzen
                              									können. Bei dieser Bauart liegen dann die Handhebel in der Mitte des Wagens; dies
                              
                              
                              									ergibt bequemere Lagerung der Betätigungswellen; zudem braucht bei Anbringung der
                              									Hebel nicht auf das Einsteigen Rücksicht genommen zu werden; liegen die Hebel rechts
                              									an der Seite, so dürfen sie den Weg nicht versperren; eine gute Konstruktion macht
                              									dabei Schwierigkeiten.
                           Bei den Motoren von Mors und von Brasier ist auf eine Ausführung aus den Kinderjahren des stationären
                              									Maschinenbaues zurückgegriffen; die Mitte Kurbelwelle ist
                                 										etwa um den halben Kurbelradius aus der Zylinderachse herausgerückt, zum
                              									Zweck der Erzielung eines günstigeren Diagrammes der Normaldrucke auf die
                              									Zylinderwandungen, bei Mors verbunden mit erheblicher
                              									Verkürzung der Schubstangenlänge und damit der Bauhöhe des Motors. Brasier weist auch eine besondere Ausführung der nun,
                              									mit einigen Ausnahmen bei kleinen Wagen, ziemlich allgemein verwendeten Magnetzündung auf. Seine Abreisszündung – es finden
                              									sich auf der Ausstellung etwa in gleicher Zahl Abreiss- und Kerzenzündungen – wird
                              									durch eine Drehbewegung anstelle der üblichen Hin- und Herbewegung betätigt. Zu
                              									diesem Zwecke ist eine besondere Welle parallel zur Kurbelwelle oben über den Motor
                              									gelegt; sie wird von der Steuerwelle aus mittels stehender Zwischenwelle durch
                              									Kegelräder angetrieben. Ausser der Vereinfachung des Mechanismus, der bei der
                              									früheren Brasier-Zündung sehr kompliziert war und viele
                              									Hebel, Federn und Gelenke besass, ist mit dieser Ausführung zugleich die Möglichkeit
                              									gegeben, durch einfache Verlängerung der oben auf dem Motor liegenden Welle durch
                              									das Spritzbrett hindurch die lästige Frage nach dem Antrieb des Mechanismus im
                              									Zentralschmierapparat zu lösen.
                           Brasier hat auch bei seinem neuen Motor die Ventile auf
                              
                              									eine Seite des Motors gelegt; indessen ist kaum zu konstatieren, ob die Motoren
                              									dieser Anordnung, oder die mit symmetrischer Anbringung der Ein- und Auslassventile
                              									auf den beiden Motorseiten zahlreicher sind.
                           Die Zahl der verschiedenartigen Vergaser ist, wie schon
                              									erwähnt, Legion. Alle Bauarten sind natürlich sogenannte selbsttätige Vergaser mit
                              									selbsttätiger Regelung des bei Automobilmotoren sehr ungleichförmigen
                              									Mischungsverhältnisses durch Zuführung von Zusatzluft, mittels des bekannten
                              									ungesteuerten, federbelasteten Ventils, welches sich bei zunehmendem Unterdruck im
                              									Vergaser mehr oder weniger öffnet. Dieses Ventil soll nun schon bei niedrigen
                              									Tourenzahlen zu arbeiten anfangen, da auf diesem Gebiet die Ungleichförmigkeit des
                              									Mischungsverhältnisses sich am stärksten äussert. Nun ist aber zu bedenken, dass die
                              									Ventilfeder dann auf sehr geringe Druckunterschiede ansprechen muss, bei 100
                              									Umdrehungen eines normal mit 1000 Touren laufenden Motors, z.B. auf einen Druck von
                              									– nach roher Rechnung – im Mittel 3 mm Wassersäule. Die Federn der Ventile sind nun
                              									meist zu stark um bei solch geringen Unterdrucken nachzugeben. Einige Firmen, z.B.
                              										Clement-Bayard haben wohl richtige Federn; es ist
                              									indessen zu befürchten, dass bei nicht sehr vorsichtiger Rücksichtnahme auf die Massenwirkungen
                              									bei den Schwankungen des Fahrzeugs die ganze Wirkung des Unterdrucks auf das Ventil
                              									illusorisch wird. Hierauf ist nicht immer geachtet.
                           Die Vergaser sind allgemein solider, konstruktiver geworden, so z.B. ist die rohe
                              									Drosselklappe zur Regulierung der Füllung meist durch Schieberkonstruktionen ersetzt
                              									worden.
                           Der Kampf zwischen Kardan und Kette ist noch
                              									unentschieden. Das Laufwerk zeigt ausser den besprochenen Aenderungen wenig neues,
                              									es sei denn noch zu erwähnen, dass die Konstruktion von Aussenhinterradbremsen wegen
                              									des leichten Verschmutzens immer mehr aufgegeben wird. Besondere Vorkehrungen zum
                              									bequemen Nachstellen der Bremsen, die aus konstruktiven Gründen nur sehr geringe
                              
                              									Abnutzung zulassen, finden sich bei mehreren Wagen. Weyher
                                 										& Richemond zeigen eine Vorderradbremse, welche nach Angabe der Firma
                              									das Seitwärtsgleiten der Wagen verhindern soll. Pilain
                              									führt eine eigenartige Kombination von Differential- und Geschwindigkeitswechsel
                              									vor, über deren Brauchbarkeit erst der Betrieb entscheiden kann. Es wird zugunsten
                              									der Konstruktion geltend gemacht, dass sämtliche Geschwindigkeiten in „direktem
                                 
                                 										Eingriff“ liegen. Der „direkte
                                    										Eingriff“, d.h. die Verbindung von Motor- und Differentialantriebswelle
                              									bei höchster Geschwindigkeit durch direkte Kupplung, also ohne
                              									Zwischenüberserzetzung, wird von der Mehrzahl aller Firmen angewandt. Es verdient
                              									Interesse, dass Renault Frères vor einiger Zeit einen
                              									Patentprozess gewonnen haben, welcher ihnen prinzipiell das alleinige
                              									Ausführungsrecht dieser Konstruktion sichert. Die Betätigung des
                              									Geschwindigkeitswechsels wird in der Mehrzahl der Fälle in Gestalt des sogenannten
                              										Maybach sehen Winkelzuges ausgeführt, also mit drei
                              
                              									Schiebern. Verschiedene Konstruktionen versuchen dabei den Winkelzug mit auch
                              									senkrecht zur Fahrtrichtung schwingendem Handhebel auszuführen.
                           An den Zubehörteilen finden sich einige Neuerungen zur Erhöhung der Bequemlichkeit
                              									der Bedienung. Am interessantesten sind auf diesem Gebiete die zahlreichen
                              									Vorrichtungen, welche ein Ingangsetzen des Motors vom
                                 										Führersitz aus ermöglichen sollen; als Mittel hierzu dient ein Gesperre,
                              									welches vom Führersitz aus betätigt wird und sich selbsttätig, z.B. mittels einer
                              									Vorrichtung nach Art eines Zentrifugalregulators (Pilain), auskuppelt, sobald der Motor zu
                              									laufen beginnt, oder Druckluft (Saurer), oder
                              									Herstellung der zum Zünden erforderlichen Kompression durch Pumpen (Mors); Renault endlich
                              									betätigt eine kleine Pressluftturbine durch aufgespeicherte Auspuffgase und lässt
                              									sie mittels eines Schneckengetriebes von sehr kleiner Teilung auf das Schwungrad
                              									wirken.