| Titel: | Versuchsmethode zur Ermittlung der Spannungsverteilung bei Torsion prismatischer Stäbe. | 
| Autor: | Hugo Anthes | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 356 | 
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                        Versuchsmethode zur Ermittlung der
                           								Spannungsverteilung bei Torsion prismatischer Stäbe.
                        Von Dipl.-Ing. Hugo
                                 									Anthes.
                        (Fortsetzung von S. 345 d. Bd.)
                        Versuchsmethode zur Ermittlung der Spannungsverteilung bei Torsion
                           								prismatischer Stäbe.
                        
                     
                        
                           
                           2. Bestimmung der Neigung der
                                 										gewolbten Seifenhaut auf photographischem Wege.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 356
                              Fig. 7.
                              
                           In der zwischen die Ränder des Blechausschnittes gespannten Seifenhaut spiegelte sich
                              									ein mit schwarzen und weissen Quadraten versehener Schirm S (Fig. 7), der bei der Versuchsanordnung
                              									parallel zu A stand. Die Spiegelung wurde durch das
                              									Loch n im Schirme S
                              									photographiert, und zwar
                           
                              1. für den Fall, dass die Haut unbelastet,
                              2. für den Fall, dass sie mit einem bestimmten Drucke p belastet war.
                              
                           Durch Vergleich der beiden so erhaltenen Abbildungen ist für jeden Punkt des
                              									Querschnittes die Bestimmung des Neigungswinkels α der
                              									belasteten Seifenhaut möglich, wie im folgenden gezeigt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 356
                              Fig. 8.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 356
                              (Schnittpunkt der beiden Pfeile ergibt je Punkt E.); Photographie der ebenen
                                 										Haut; der gewölbten Haut.
                              
                           Bei ebener Seifenhaut spiegelt sich in dem Punkte D des
                              									Querschnittes ein Punkt P1 des Schirmes S (Fig. 7). Der in D reflektierte Strahl
                              									durchdringt den Schirm S im Punkt C, geht durch das Objektiv O und bildet an der Stelle E des
                              									photographischen Bildes den Punkt P1 ab. Ist aber die Haut gewölbt, so bildet sich in
                              									einer zweiten photographischen Aufnahme an derselben Stelle E ein Punkt P2 des Schirmes ab, der in dem Punkte D1 gespiegelt worden ist. Da die Ordinaten der
                              									gewölbten Haut nur sehr klein sein können, so kann zur Festlegung von P2 angenommen werden,
                              									dass D1 mit D zusammenfällt. Statt D1 wird daher im Folgenden immer D gesetzt. Alsdann fällt der reflektierte Strahl in
                              									beiden Fällen zusammen. An der gleichen Stelle E der
                              									photographischen Aufnahme wird also das eine Mal der Punkt P1, das andere Mal der Punkt P2 abgebildet.
                           Nimmt man nun in dem zu untersuchenden Querschnitt (hier als Beispiel die Ellipse)
                              									einen beliebigen Punkt D an (Fig. 8), so kann dieser als der spiegelnde Punkt aufgefasst werden. Ihm
                              									entspricht dann in den beiden photographischen Abbildungen (Fig. 9 und 10) der
                              									gleich gelegene Punkt E, Vergrössert man die
                              									Photographien auf die natürliche Grösse, so lassen sich die Umrisse und die drei
                              									Punkte D, E, E (Fig.
                                 										8–10) zur Deckung bringen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 356
                              Fig. 11.
                              
                           Die photographischen Aufnahmen geben aber auch die gespiegelte, ursprünglich
                              									quadratische Einteilung des Schirmes in veränderter Form wieder. Die relative Lage
                              									der beiden Punkte E zu diesen Linien liefert ohne
                              									weiteres die Lage der gespiegelten Punkte P1 und P2 auf dem Schirm S.
                           Nach diesen Vorbereitungen ist man in der Lage, das Gefälle der gewölbten Fläche in
                              									jedem Punkte D zu bestimmen:
                           Der Winkel zwischen der Berührungsebene im Punkte D und
                              									der Randebene ist gleich dem Winkel der beiden entsprechenden Normalen in D. Die beiden Normalen bilden bei der Spiegelung die
                              									Einfallslote, so dass man den Satz gewinnt:
                           In jedem Punkte D ist die Neigung der Fläche gleich dem
                                 										Winkel zwischen den beiden Einfallsloten bei ebener und gewölbter Haut.
                           Es soll jetzt gezeigt werden, wie diese Konstruktion der Lote im Raume ersetzt werden
                              									kann durch eine Konstruktion auf dem ebenen Schirme S (Fig. 11).
                           Es sei:
                           e der Abstand des Objektives O vom Schirm S.
                           a der Abstand des Objektives O von der ebenen Haut.
                           b der Abstand des Objektives von der
                              									Mattscheibe des photographischen Apparates.
                           f die Brennweite des Objektives.
                           l die Entfernung des Schirmes von der
                              									ebenen Haut.
                           n=\frac{b}{a}=\frac{B}{G} das Verkleinerungsverhältnis, d. i. das Verhältnis der
                              									linearen Abmessungen des photographischen Bildes zum wirklichen Querschnitt.
                           Die durch den reflektierten Lichtstrahl DC und die
                              									wagerechte Achse OQ des Objektes O gelegte Ebene schneidet den Schirm S in Q'C. Alsdann ist:
                           
                              \frac{D\,Q}{Q'\,C}=\frac{a}{e};
                              
                           stellt O1Q' die
                              									Orthogonalprojektion von DQ auf die Schirmebene dar, so
                              									ist DQ = O1Q', und es wird:
                           
                              \frac{Q_1\,Q'}{Q'\,C}=\frac{a}{e}.
                              
                           Die Grösse e lässt sich durch die Abmessungen der
                              									Anordnung ausdrücken.
                           Es ist:
                           e = a – l, und da \frac{1}{a}+\frac{1}{b}=\frac{1}{f},\ n=\frac{b}{a},
                           so wird a=f\,\left(\frac{1}{n}+1\right);
                           mithin
                           
                              e=f\,\left(\frac{1}{n}+1\right)-l.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 357
                              Fig. 12.
                              
                           Durch Auswertung dieser Gleichung für e lassen sich für
                              									die einzelnen reflektierten Lichtstrahlen die Punkte C
                              									aus der Gleichung
                           
                              \frac{Q_1\,Q'}{Q'\,C}=\frac{a}{e}
                              
                           in der Schirmebene, wie folgt, konstruieren.
                           Nach dem Spiegelungsgesetz ist die Halbierende DO1 (Fig.
                                 										12) des Winkels P1DC das Einfallslot auf der ebenen Haut in
                              										D, die Halbierende DO2 des Winkels P2DC das
                              									Einfallslot auf der gewölbten Fläche in D. Da die
                              
                              									Winkelhalbierende im Dreieck die gegenüberliegende Seite im Verhältnis zu den beiden
                              									anliegenden Seiten teilt, so ist
                           P1C im Verhältnis \frac{P_1\,D}{C\,D}
                           P2C im Verhältnis \frac{P_2\,D}{C\,D}
                           zu teilen, um die Punkte O1 und O2 auf dem Schirme festzulegen.
                           Die Strahlenlängen seien, wie in der Fig. 12
                              									angegeben ist, mit L1,
                              
                              										L2, L3 bezeichnet. Legt man
                              									durch die Mitte von P1P2
                              									= 2A ein rechtwinkliges
                              									räumliches Koordinatensystem, so dass P1P2 Y-Achse wird, und sind X,
                                 										Y und Z die Koordinaten von D in bezug auf dieses System (Fig. 14), so ist:
                           
                              L_1=\sqrt{X^2+(Y-A)^2+l^2}
                              
                           
                              L_2=\sqrt{X^2+(Y+A)^2+l^2}.
                              
                           In einem neuen rechtwinkligen Koordinatensystem mit C
                              									als Ursprung (Fig. 12), bei dem die ξ-Achse und die η-Achse in
                              									die Ebene des Schirmes S fallen, seien die Koordinaten
                              									von D: ξ, η, ζ = l.
                           Alsdann ist:
                           
                              L_3=\sqrt{\xi^2+\eta^2+l^2}
                              
                           Die Punkte O1 und O2 werden also in der
                              									Schirmebene durch Teilung der Strecken P1C und P2C nach dem jetzt bekannten Verhältnis \frac{L_1}{L_3} und
                              									\frac{L_2}{L_3} gefunden. (Fig. 13.)
                           Zum Schlusse bleibt noch die Aufgabe zu lösen, für die drei gegebenen Punkte O1, O2 und D den von ihnen eingeschlossenen Winkel O1DO2, d. i. der
                              									Neigungswinkei α der belasteten Haut im Punkte D, zu bestimmen. (Fig.
                                 										12 und 15.)
                           Zu diesem Zwecke legen wir (Fig. 15) durch die Mitte
                              									von O1O2
                              									= 2a ein räumliches,
                              
                              									rechtwinkliges Koordinatensystem, so dass O1
                              									O2 in die y-Achse
                              									fällt. Die Koordinaten von D seien dann x, y und z = l; ferner sei DO1
                              									= l1 und DO2 = l2.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 357
                              Fig. 13.
                              
                           Dann ist:
                           
                              l_1=\sqrt{x^2+(y-a)^2+l^2}
                              
                           
                              l_2=\sqrt{x^2+(y+a)^2+l^2}
                              
                           Die Richtungskosinusse von l1 seien;
                           cos α1, cos β1, cos γ1.
                           Die Richtungskosinusse von l2 seien:
                           cos α2, cos β2, cos
                              										γ2.
                           Dann ist:
                           
                              \cos\,\alpha_1=\frac{x}{l_1};\ \cos\,\alpha_2=\frac{x}{l^2};
                              
                           
                              \cos\,\beta_1=\frac{y-a}{l_1};\ \cos\,\beta_2=\frac{y+a}{l_2};
                              
                           
                           
                              
                              \cos\,\gamma_1=\frac{l}{l_1};\ \cos\,\gamma_2=\frac{l}{l_2}.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 358
                              Fig. 14.
                              
                           Es ist:
                           cos α = cos α1 cos α2 + cos β1 cos β2 + cos γ1 cos γ2
                           oder
                           
                              =\frac{x^2}{l_1\,l_2}+\frac{y^2-a^2}{l_1\,l_2}+\frac{l^2}{l_1\,l_2};
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 358
                              Fig. 15.
                              
                           woraus
                           
                              \sin\,\alpha=\frac{\sqrt{{l^2}_1\,{l^2}_2-(x^2+y^2-a^2+l^2)^2}}{l_1\,l_2};
                              
                           
                              =\frac{2\,a\,\sqrt{x^2+l^2}}{l_1\,l_2};
                              
                           oder wenn die Glieder höherer Ordnung vernachlässigt
                              
                              									werden:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 358
                              Fig. 16.
                              
                           
                              \sin\,\alpha=\frac{2\,a\,l\,\left(1+\frac{1}{2}\,\frac{x^2}{l^2}\right)}{l_1\,l_2}=\frac{a\,(2\,l^2+x^2)}{l\cdot l_1\cdot
                                 l_2}.
                              
                           Bei derselben Vernachlässigung ist:
                           
                              l_1=l\,\left(1+\frac{x^2+(y-a)^2}{l^2}\right)^{1/2}=l\,\left(1+\frac{x^2+(y-a)^2}{2\,l^2}\right);
                              
                           
                              l_2=l\,\left(1+\frac{x^2+(y+a)^2}{l^2}\right)^{1/2}=l\,\left(1+\frac{x^2+(y+a)^2}{2\,l^2}\right);
                              
                           
                              l_1\cdot l_2=l^2\,\left(1+\frac{x^2+(y-a)^2}{2\,l^2}+\frac{x^2+(y+a)^2}{2\,l^2}\right);
                              
                           x2 +y2 + l2 + a2.>
                           Mithin wird dann:
                           
                              \sin\,\alpha=\frac{a\,(2\,l^2+x^2)}{l\,(l^2+x^2+y^2+a^2)}=\frac{2\,a}{l^3}\,\left(l^2-\left(\frac{x^2}{2}+y^2+a^2\right)\right)
                              
                           Da der Winkel α nach Voraussetzung stets klein ist, so
                              									kann man sin α = α setzen; dann wird
                           
                              \alpha=\frac{2\,a}{l^3}\,\left(l^2-\left(\frac{x^2}{2}+y^2+a^2\right)\right).
                              
                           Eine genaue Ermittlung von α bereitet übrigens keine
                              									Schwierigkeiten, so dass der Fehler in jedem Einzelfalle zahlenmässig festgelegt
                              									werden und natürlich auch vermieden werden kann. Die Konstruktion vereinfacht sich
                              									in dem Falle, wo der reflektierte Strahl mit den beiden einfallenden Strahlen in
                              									einer Ebene liegt. Alsdann ist der von den beiden einfallenden Strahlen
                              
                              									eingeschlossene Winkel gleich dem Doppelten des gesuchten Winkels α; man hat nämlich (Fig.
                                 										16):
                           ∡ P1DC = 2β.
                           ∡ O1DO2
                              									= α,
                           woraus folgt
                           ∡ CDO2= α + β.
                           und
                           ∡ O2DP2
                              									= α + β (da DP2 reflektierter Strahl zu CD)
                           ∡ P1DO2
                              									= α – β.
                           ∡ O2DP2
                              									+ ∡ P1DO2
                              									= ∡ P1DP2.
                           ∡ P1DP2
                              									= α + β + α – β = 2α.
                           Es genügt also in diesem Falle ein Koordinatensystem durch die Mitte von P1P2 zu legen, dann
                              									ist
                           
                              \sin\,2\,\alpha=\sim\,2\,\alpha=\frac{2\,A}{l^3}\,\left(l^2+\left(\frac{X^2}{2}+Y^2+A^2\right)\right).
                              
                           worin P1P2 = 2A ist, und X, Y, Z = l,
                              
                              									die Koordinaten von Punkt D in bezug auf das
                              									Koordinatensystem sind.
                           Dadurch, dass die Winkel α für alle Punkte der gewölbten
                              									Fläche in dieser Weise bestimmt werden kann, ist man in der Lage, die
                              									Torsionsspannungsverteilung festzulegen, denn es gilt die Gleichung
                           τ = x . tg α;
                           oder wenn α klein ist
                           τ = x .
                                 										α.
                           
                        
                           3. Zeichnerische Ermittlung der
                                 										Spannungsrichtung.
                           Nach der vorbeschriebenen Methode findet man in dem Gefälle, d. i. in tg α = ∾ α, eine Grösse,
                              
                              
                              									die proportional der wirklichen Torsionsspannung τ ist.
                              									Man kann aber auch ohne weiteres aus der eben beschriebenen Konstruktion die
                              									Richtung der Spannung ermitteln.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 358
                              Fig. 17.
                              
                           Es sei in Fig. 17
                              									E1 ein Flächenelement
                              									der ebenen Seifenhaut in D, E2 das entsprechende der gewölbten Seifenhaut.
                           l1 und l2 seien die Lote in
                              										D auf den Flächenelementen, sie sind identisch mit den
                              									beiden Einfallsloten.
                           Die durch l1 und l2 bestimmte Ebene sei
                              										E. Dann steht
                           E ⊥ E1;
                           E ⊥ E2.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 359
                              Fig. 18. Durchführung der Konstruktion für die Punkte 20, 21, 22, 23, 24 des
                                 										elliptischen Querschnittes. (Die Pfeile geben die Richtungen der Spannungen
                                 										an)
                              
                           Die Richtung der Torsionsspannung ist gegeben durch die Tangenten an die
                              									Spannungslinien, die durch die Höhenschnittlinien der Seifenhaut gegeben sind, wenn
                              									diese parallel zur Ebene der Randkurve liegen. Siehe S. 344.)
                           Da E1 in der Ebene der
                              									Randkurve liegt, so ist auch die Torsionsspannung τ ⊥
                              										E . O1O2
                              									= 2a ist der Schnitt
                              									der Ebene E mit dem Schirm S. Da τ ⊥ E, so
                              									ist auch τ ⊥ 2a. Es gilt
                              									daher der Satz:
                           Die Richtqng der Torsionsspannung in einem Punkte des zu
                                 										untersuchenden Querschnittes ist senkrecht zur Richtung der Verbindungsgraden
                                 										von O1
                              									und O2, die die Durchdringungspunkte der beiden Einfallslote mit dem
                                 										Schirm S bedeuten.
                           
                        
                           4. Kurze Zusammenfassung der
                                 										Konstruktion.
                           Der Gang der Konstruktion ist also folgender:
                           
                              I. Ermittlung der in einem beliebig angenommenen Punkte D des gegebenen Querschnitts gespiegelten Punkte
                                 											P1 und P2 des Schirmes S.
                              II. Bestimmung des Schnittpunktes C des reflektierten Strahles mit dem Schirm S.
                              III. Teilung von CP1 und CP2 im Verhältnis der Strahlenlängen L1 und L3 bezw. L2 und L3, wodurch O1 und O2 gefunden
                                 										werden.
                              IV. Bestimmung der Koordinaten x
                                 										und y des Punktes D in
                                 										bezug auf das durch O1O2 als
                                 										y-Achse gelegte Koordinatensystem.
                              V. Berechnung des Winkels α nach
                                 										der angegebenen Formel.
                              
                           So umständlich die Herleitung erscheint, so vereinfacht sich die praktische
                              									Durchführung der Konstruktion doch so sehr, dass, wie in Fig. 18 angegeben, nur wenige Linien zu ziehen sind. Diese Figur zeigt
                              									die Durchführung der Konstruktion für die Punkte 20, 21, 22,
                                 										23, 24 des später untersuchten elliptischen Querschnitts. Die Punkte C, vergl. Fig. 12,
                              									fallen nahezu in die Mitte des mit n bezeichneten
                              									Loches im Schirm S.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)