| Titel: | Der Wettstreit zwischen Geschütz und Panzer. | 
| Autor: | W. Treptow | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 359 | 
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                        Der Wettstreit zwischen Geschütz und
                           
                           								Panzer.
                        Von W. Treptow,
                           								Charlottenburg.
                        (Fortsetzung von S. 347 d. Bd.)
                        Der Wettstreit zwischen Geschütz und Panzer.
                        
                     
                        
                           
                           
                              III. Der Panzer.
                              
                           Die gesamte Geschichte des modernen Schiffspanzers ist noch keine fünfzig Jahre alt.
                              									Die früheren Versuche, Schüfe durch starke Balkenlagen oder durch Eisenbeschläge
                              									nach Möglichkeit zu schützen, gehören nicht in den Rahmen dieser Betrachtung. – Das
                              									erste Panzerschiff war die französische Fregatte „Gloire“, nach den Plänen des französischen
                              									Schiffbauingenieurs Dupuy de Lôme, die im Jahre 1859
                              									vom Stapel lief, nachdem kurz vorher im Krimkrieg schwimmende Batterien, die in
                              									primitiver Weise mit Eisenplatten geschützt waren, sich recht gut bewährt hatten. Im
                              									selben Jahre legte England den Kiel zu seinem ersten Panzerschiff. Die ersten
                              									Panzerplatten wurden aus Schweisseisen (Paketen und übereinander gelegten Blechen)
                              									unter dem Hammer hergestellt; sie waren 11 bis höchstens 12 cm stark. Das genügte
                              									auch gegenüber den gusseisernen Hohlgeschossen der damaligen glatten Geschütze.
                              									Der Panzer schützte, wie heute, vor allem die Wasserlinie, damit auch nach
                              									Möglichkeit Maschine und Kessel und die in den Breitseiten stehenden Geschütze. Der
                              									Wasserlinienschutz verjüngte sich, ganz wie bei den neuesten Schiffen, nach den
                              									Schiffsenden zu. Bald wurden breitere Platten verlangt und mit der Einführung der
                              									gezogenen Geschütze sowie der Hartgussgranaten auch grössere Stärken. Damit ging man
                              									zum Walzprozess über. Bis Mitte der siebziger Jahre blieb die
                              									Panzerplattenfabrikation trotz des französischen Ursprungs der ganzen Idee fast
                              									ausschliesslich englisches Monopol. Von da ab hatte die Dillinger Hütte ihr Werk für Panzerplattenfabrikation eingerichtet und
                              									machte damit die deutsche Marine von England unabhängig. Die Firma Krupp nahm die Fabrikation von Panzerplatten im Jahre
                              									1890 mit der Anfertigung von Kompoundplatten auf.
                           
                           Die Herstellung der durchweg aus Schweisseisen gewalzten Platten war äusserst
                              
                              									umständlich. Sie mutet uns im Zeitalter des Flusseisens und des Gusstahles
                              									eigenartig genug an. Nach den „Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens“
                              									1874, S. 342 (ausführliche Angaben über Fabrikation, Biegen und weitere Bearbeitung
                              									des schmiedeisernen Panzers) wurden doppelt raffinierte Bleche von 25 mm Dicke, 1,32
                              									m Länge und 1,22 m Breite zu acht Stück übereinander in Paketen im Schweissofen
                              									erhitzt und zu einer Platte von 63,5 mm Dicke, 3 m Länge und 1,22 m Breite
                              									ausgewalzt. Vier derartige Platten wurden wiederum auf Schweisshitze gebracht und zu
                              									einer Platte von 178 mm Dicke und 4,6 m Länge bei gleichbleibender Breite unter der
                              									Walze gestreckt. Zum Schluss wurde aus zwei derartigen Platten die Panzerplatte von
                              									230 mm Stärke, 6,7 m Länge und 1,32 m Breite ausgewalzt. Diese Platten mussten
                              									meistens noch gerichtet werden, was mit 20000 kg schweren Gusseisenwalzen auf dem
                              									Richtbette geschah. Die weitere Zurichtung geschah mit einer kräftigen
                              									Kantenhobelmaschine, wenn nötig die Zupassung der Form unter der Biegepresse.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 360
                              Fig. 40. Schichtenpanzer aus Schmiedeisen mit Holz-Zwischen- und Hinterlage.
                                 										1878.
                              
                           Bei dem – vom Bleche aus gerechnet – dreimal wiederholten Walz-Schweissprozess waren
                              									Schweissfehler fast unvermeidlich. Sie äusserten sich in schweren Fällen als Blasen,
                              									die als Buckeln an der Platte hervortraten, vielfach aber waren sie höchstens
                              									am Klange beim Anschlagen mit dem Hammer erkennbar. Die Widerstandsfähigkeit der
                              
                              									fertigen Platte wurde durch mangelhafte Schweissung sehr herabgesetzt, so dass dies
                              									eine der häufigsten Ursachen der verweigerten Abnahme war. – Auf diesem Wege konnten
                              									mit den damaligen Mitteln nur Platten von höchstens 250–260 mm Dicke hergestellt
                              									werden. Da dies gegenüber der wachsenden Durchschlagskraft bald nicht mehr genügte,
                              									ging man gegen Ende der siebziger Jahre zum Schichtenpanzer (Fig. 40) über. Die dargestellte Panzerung ist
                              									einschliesslich der Holzlager in Summa 810 mm dick. Das Panzermaterial blieb
                              									zunächst Schweisseisen. Flusseisen und Stahl waren noch zu spröde. Die äussere
                              
                              									Schicht a in Fig. 40
                              									ist im oberen Teil, gerade in und über der Wasserlinie, 254 mm stark, im unteren
                              									Teil rund 200 mm, sie liegt auf einer 200 bis 250 mm starken Holzhinterlage b. Dann folgt die zweite Plattenschicht c von durchweg 152 mm Stärke, eine weitere, senkrecht
                              									zur ersten verlaufende Holzhinterlage d von 200 mm
                              									Dicke und schliesslich nach innen eine doppelte Blechhaut als Uebergang zu der
                              									eisernen Schiffskonstruktion und zugleich zum Abfangen der Holzsplitter. Die Skizze
                              									zeigt die recht umständliche Verbolzung der Platten durch alle Schichten hindurch.
                              									Die frei in das Schiffsinnere vorstehenden Bolzenköpfe bildeten eine grosse Gefahr
                              									für die Besatzung. Es ist bei Abnahmeproben öfter vorgekommen, dass ein Bolzen, der
                              									gerade von einem aussen auftreffenden Geschoss getroffen wurde, mit der Gewalt eines
                              									Projektils aus der Panzerung nach hinten herausgeschleudert wurde. Man wusste
                              									ferner, dass die beiden Eisenplatten von 254 und 152 mm Stärke trotz gleichen
                              									Gewichtes nicht so widerstandsfähig waren, als eine
                              									Platte von 406 mm Gesamtdicke gewesen wäre. Man hatte aber kein anderes Mittel als
                              									den Notbehelf der Teilung in zwei Schichten, da man bis zu 400 mm starke Platten von
                              									genügender Länge und Breite damals noch nicht herstellen konnte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 360
                              Fig. 41. Kompoundpanzerplatte. 1892.
                              
                           Die Erkenntnis der grösseren Widerstandsfähigkeit des Stahles hatte die Versuche mit
                              									diesem Panzerungsmaterial nicht ruhen lassen, die aber jahrelang an seiner
                              
                              
                              									Sprödigkeit scheiterten. Immer wieder hatte sich gezeigt, dass, wenn ein Geschoss,
                              									das der Stahlplatte etwa gewachsen war, diese vielleicht nicht einmal ganz
                              									durchschlug, dass dann – was schlimmer war als völlige Durchbohrung – die Platte meist in
                              									mehrere Stücke platzte, die nur noch durch die Verbolzung mit der Hinterlage
                              									zusammenhingen, und einem zweiten Treffer in keiner Weise mehr gewachsen waren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 361
                              Fig. 42. Walzen einer Panzerplatte.
                              
                           Da war es ein wirklich epochemachender Gedanke von Wilson, die Härte des Stahls mit der Zähigkeit des
                              									Schmiedeisens dadurch zu verbinden, dass er Platten herstellte, deren Vorderseite
                              									aus Stahl bestand, während der Grundkörper Schmiedeisen war. Diese Platten, die
                              									gegen das Jahr. 1880 eingeführt wurden, beherrschten den gesamten
                              									Kriegsschiffbau bis in den Anfang der neunziger Jahre hinein. Sie wurden „Kompoundplatten“ genannt und wie folgt
                              									hergestellt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 361
                              Fig. 43. Vorderseite einer olgeharteten Nickelstahlpanzerplatte.
                                 										(1894.)
                              
                           Auf eine Platte von zähem, weichen Schmiedeisen die schweisswarm gemacht wurde, wurde
                              									harter Siemens-Martinstahl aufgegossen und mit der Grundplatte in einer Hitze
                              									ausgewalzt. Weitere Glüh- und Härteprozesse waren nicht erforderlich. Die Hauptsache
                              									war dabei, dass die Stahlschicht sorgfältig mit der Schmiedeisenunterlage
                              									verschweisste. War das nicht der Fall, so platzte die Stahlschicht, die an sich
                              									ebenso spröde wie hart war, in voller Stärke beim ersten Treffer ab. War die
                              									Schweissung aber gelungen, so hatte man wirklich erreicht, was man wollte, man hatte
                              									eine zähe Grundlage, die den Zusammenhang des Ganzen wahrte, auch wenn in der
                              									Stahlschicht durch den Geschossaufschlag Obetflächenrisse oder Sprünge entstanden
                              									und die harte Oberfläche genügte, um die Spitze der gusseisernen oder Hartguss –
                              									Granaten beim Auftreffen zu zersplittern und damit das Geschoss am Durchschlag zu
                              									hindern. Meist wurde sogar der ganze Geschosskörper vollständig zertrümmert. Das ist
                              									also durchaus dasselbe Prinzip, das, wie oben unter „Geschossen“ schon
                              									angedeutet, der modernen Panzerfabrikation zugrunde liegt. Aber der Kompoundplatte,
                              									die soeben über die Hartgussgranate gesiegt hatte, entstand ein neuer Gegner in der
                              									Stahlgranate. Das Stahlgeschoss konnte mit grösster Sorgfalt durchgeschmiedet und
                              									gehärtet werden, so dass seine Spitze die natürliche Härte der
                              									Siemens-Martinstahlschicht überwand.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 362
                              Fig. 44. Rückseite der Platte nach Fig. 43.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 362
                              Fig. 45. Gepresste Stahl-Panzerkuppel.
                              
                           Der Unterschied in der Wirkung beider Geschosse ist an der auf
                              									dem Kruppschen Schiessplatz in Meppen am 14. März 1892
                              									beschossenen Kompoundplatte (Fig. 41) deutlich zu
                              									erkennen. Die Platte ist 3,6 m lang und 2,53 m breit, dabei 400 mm stark. Schuss No.
                              									2 rührt von einer Stahlgranate her. Bei einem Kaliber von 30,5 cm war ihr
                              									Gewicht 325 kg, die Auftreffgeschwindigkeit war 465 m, das gibt eine Auftreffenergie
                              									von rund 3580 m/t.
                              									Dabei sei gleich – auch für die späteren Schiessversuche – erwähnt, dass die
                              									Auftreffenergie oder bei gegebenem Geschossgewicht die Auftreffgeschwindigkeit der
                              									wahrscheinlichen Gefechtsentfernung entsprechend
                              									gewählt ist, also nicht gleich der Mündungsenergie des
                              									Geschützes ist. – Die Stahlgranate hat ein Loch in die Platte geschlagen, das aber
                              									doch nicht völlig durchgeht; das Geschoss, das auf der Fig. 41 ebenfalls abgebildet ist, ist zwar unversehrt geblieben, aber
                              									zurückgeworfen worden, so dass es den Panzer doch nicht völlig überwunden hat.
                              									Dieser Schuss würde übrigens eine Schmiedeisenplatte von etwa 550 mm Dicke
                              									voraussichtlich glatt durchschlagen haben. Die beiden anderen Treffer rühren von
                              									Hartgussgranaten her. Schon das Bild lässt erkennen, dass diese beiden Geschosse,
                              									von übrigens gleichem Gewicht und gleicher Auftreffgeschwindigkeit wie bei der
                              									Stahlgranate, zertrümmert sind, wenn auch Teile in die Platte eingedrungen sind, Die
                              
                              									Rückseite der Platte lässt von diesen beiden Treffern wesentliche Wirkung nicht
                              									erkennen. Die Platte hat im übrigen der Bedingung, dass die Stahlschicht mit der
                              									Schmiedeisengrundlage gut verschweisst sein muss, durchaus entsprochen, denn sie
                              									zeigt nur leichte Oberflächenabblätterungen am Schuss No. 2. Selbst an dem Riss
                              									aber, der von dort nach dem Rande durchgeht, ist die Stahlschicht nicht abgeplatzt.
                              									Mit dieser vervollkommneten Walztechnik konnte man auch dem Bedürfnis entsprechen,
                              									unter allen Umständen wenigstens die Maschinenanlage zu schützen. Verwendeten doch
                              									in dieser Zeit Frankreich und vor allem Italien Panzer von 450 ja 550 mm Stärke!
                              									Dabei musste natürlich ein grosser Teil des Schiffes ganz ungeschützt bleiben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 363
                              Fig. 46. Biegen einer Panzerplatte.
                              
                           Die Fortschritte der Hüttentechnik, der es gelang, dem Stahl durch Zusatz, besonders
                              									von Nickel seine Sprödigkeit zu nehmen, und zugleich mit der Zähigkeit auch seine
                              									Festigkeit zu erhöhen, leiteten dann um das Jahr 1890 zur homogenen Stahlplatte
                              									über. Der verwendete Nickelstahl wurde im Siemens-Martin-Ofen hergestellt und dann
                              
                              									ausgewalzt.
                           Fig. 42 zeigt das Kruppsche Penzerplattenwalzwerk beim Walzen einer Nickelstahlplatte. Der
                              									gegossene Block wird in einer Hitze von vielleicht 700
                              
                              									oder 800 mm auf die gewünschte Stärke (etwa 2–300 mm) ausgewalzt. Der Antrieb dieses
                              									Riesenwerkes, dessen Walzen bei 1,2 m Durchmesser 4 m lang sind, geschieht durch
                              									eine Reversierdampfmaschine von 3700 PS. Es können Blöcke bis zu 1,3 m Dicke
                              									ausgewalzt werden. Der Nickelstahl ist relativ weich, aber äusserst zäh; selbst wenn
                              									schwere grosskalibrige Geschosse eine Platte durchbohren, sind weder Risse noch
                              									Abblätterungen, noch Abtrennungen einzelner Stücke zu bemerken. Seine
                              									Widerstandsfähigkeit ist zwar etwas grösser als die des Kompoundmaterials. Da
                              									der Nickelstahl aber an sich nicht genügend hart war, lag es nach den Erfahrungen
                              									mit den Kompoundplatten nahe, zu einer Härtung der Oberfläche oder der ganzen Platte
                              									zu schreiten. Man härtete demnach schon im Jahre 1893- und 94 die Platten im Oelbad
                              									und erhöhte damit ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber dem weichen Stahl. Ein solcher
                              									ölgehärteter Nickelstahlpanzer ist in Fig. 43 und
                              										44 in Vorderseite und Rückseite gezeigt. Die
                              									Platte ist 200 mm dick und bei 3 m Länge 1,8 m breit. Sie weist fünf Treffer auf:
                              									Schuss 1–3 aus einem 21 cm-Geschütz mit 440 m, Schuss 4 und 5 aus einem 15 cm mit
                              									475 m Auftreffgeschwindigkeit. Der dritte Schuss rührt von einer Hartgussgranate
                              									her, die, wie nicht anders zu erwarten war, zertrümmert wurde. Die übrigen vier
                              									Treffer sind ein gleich gutes Zeugnis für die verwendeten Stahlgranaten, wie für das
                              									Panzermaterial. Die Stahlgeschosse sind sämtlich unversehrt 24 m bis 38 m zurückgeworfen und
                              									die Platte zeigt sowohl auf der Vorder- wie auf der Rückseite an den Rändern der
                              									Schusslöcher deutlich, dass ihre Zähigkeit unter der Härtung nicht im mindesten
                              									gelitten hat. Im übrigen weist sie absolut keine Risse oder Abblätterungen auf. Die
                              
                              									Widerstandsgrenze ist durch keinen der fünf Schüsse ganz erreicht. Solche
                              									beschossenen Nickelstahlpanzer erregten 1893 in Chicago gegenüber den vielfach noch
                              									üblichen Kompoundplatten berechtigtes Aufsehen.
                           Der weiche, in jeder Weise gut schmiedbare Nickelstahl bot ferner das beste Mittel,
                              									die schweren Kuppeln der Landbefestigungen, die bis dahin meist aus Hartguss von
                              									sehr grosser Dicke hergestellt wurden, durch verhältnismässig leichte zu ersetzen,
                              									die aus einer gewalzten Stahlplatte gepresst sind (Fig.
                                 										45). Zu dieser Formgebung der Kuppel, die 120 mm dick ist, eine Höhe von 1
                              									m und einen Durchmesser von 3,4 m hat, gehört allerdings eine Schmiedepresse von
                              									70001 Druck. Die Schiessscharte ist eingeschnitten. – Vielfach, beispielsweise für
                              									Drehtürme sind gebogene Platten erforderlich. Das Biegen geschieht im Kruppschen Panzerplattenwerk auf hydraulischen
                              									Biegepressen, die wie die Schmiedepresse bis zu 7000 t Druck auszuüben vermögen
                              									(vergl. Fig. 46).
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)