| Titel: | Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland. | 
| Autor: | Georg v. Hanffstengel | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 385 | 
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                        Neuerungen im Bau von Transportanlagen in
                           								Deutschland.
                        Von Georg v.
                                 									Hanffstengel, Dipl.-Ing., Stuttgart.
                        (Fortsetzung von S. 374 d. Bd.)
                        Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland.
                        
                     
                        
                           
                           B. Standbahnen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 385
                              Fig. 60. Verladeanlage von der Gesellschaft für Förderanlagen Ernst Heckel m.
                                 										b. H.
                              a. Fahrbare Brücke; b.
                                 										Antriebstation.
                              
                           Unter dem Namen „Standbahnen“ mögen alle die Bahnsysteme zusammengefasst
                              									werden, bei denen der Wagenschwerpunkt oberhalb des Gleises liegt. Es sind hier
                              									ähnliche Fälle zu unterscheiden, wie bei den Hängebahnen, nämlich Anschluss an ein
                              									gemeinsames Bewegungsorgan – Seil- und Kettenbahnen – und Antrieb durch mitgeführte
                              									Motore. Häufiger als dort tritt bei den Standbahnen jedoch der Fall ein, dass eine
                              
                              									Anzahl von Wagen zu Zügen vereinigt und so durch einen Triebwagen – eine Lokomotive
                              									– fortbewegt werden. Dies geschieht vorzugsweise bei Transport auf grössere
                              									Entfernungen. Werden die Lokomotivbahnen ausschliesslich für bestimmte Zwecke, z.B.
                              
                              									Kohletransport von der Grube zur Hauptbahn, benutzt, so beträgt der
                              									Wageninhalt, sofern massige Leistung verlangt wird, nicht wesentlich mehr als bei
                              									Seil- und Kettenbahnen. Steigt die Leistung und wird die Bahn auch durch andern
                              									Verkehr belastet, so wird die Tragkraft der Wagen selten unter 5 t gewählt und unter
                              									Umständen bis auf 50 t gesteigert. Die Bauart der Wagen kann, solange es sich um
                              									ausschliessliche Benutzung auf Privatbahnen handelt, beliebig gewählt, insbesondere
                              									auch die Art der Wagenentleerung örtlichen Verhältnissen angepasst werden. Sollen
                              
                              									die Wagen jedoch in den allgemeinen Eisenbahnverkehr eintreten, so müssen sie den
                              									Normalien der in Frage kommenden Bahnen nach Möglichkeit entsprechen und, was die
                              									Entleerung anbetrifft, für möglichst alle Verhältnisse passen.
                           
                           In dem vorliegenden Aufsatze kann der Eisenbahnbetrieb im allgemeinen, obwohl in
                              									seiner Gesamtheit zum Transportwesen gehörig, aus naheliegenden Gründen keine
                              									Berücksichtigung finden. Vielmehr sollen hier ausschliesslich die
                              
                              									Hauptgesichtspunkte für den Bau von Spezialwagen für Massengütertransport erörtert
                              									und eine Anzahl von Konstruktionen beschrieben werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 386
                              Fig. 61. Selbstentlader für Seilbahnen von der Gesellschaft für Förderanlagen
                                 										Ernst Heckel m. b. H. St. Johann-Saarbrücken.
                              
                           Was den Bau von Ketten- und Seilbahnen anbetrifft, so
                              									sind wesentliche Neuerungen in den Einzelkonstruktionen nicht bekannt geworden. Die
                              
                              									Verwendung dieser Bahnen nimmt jedoch mehr und mehr zu und ist nicht mehr auf
                              
                              									Bergwerke beschränkt.
                           Fig. 60 zeigt eine Anlage für die Beschüttung eines
                              									Lagerplatzes nach Ausführung der Gesellschaft für
                                 										Förderanlagen Ernst Heckel m. b. H. Der Platz ist in zwei Teile zerlegt,
                              									die getrennt von einander beschickt werden. Um jede Hälfte herum läuft eine Hochbahn
                              									mit Seilbetrieb. Ausserdem ist eine fahrbare Brücke vorgesehen, die den Platz der
                              									Breite nach überspannt und auf den Gerüsten der Rundbahn läuft. Das Seil wird durch
                              									Kurvenrollen, die an der Brücke befestigt sind, über die letztere hin- und
                              									zurückgeleitet. Da die Seillänge immer dieselbe bleibt, so kann die Brücke beliebig
                              									verschoben werden. Sie gremft mit Auflaufzungen über die Schienen der Hochbahn, so
                              									dass die Wagen dem Seile folgen können. An beliebiger Stelle der Brücke geschieht
                              									die selbsttätige Entleerung der Wagen durch Oeffnen der Seitenklappen, die später,
                              
                              									ehe die Wagen zur Beladestelle zurückkommen, durch seitliche Leitschienen wieder
                              									zugedrückt werden. Für die Beladung werden die Wagen ab- und nachher selbsttätig
                              									wieder angekuppelt.
                           Da einerseits die Bühne verfahrbar ist, andererseits die Anschläge versetzt werden
                              									können, so lässt sich jeder Punkt des Lagerplatzes erreichen. Der Betrieb erfordert,
                              									vom Beladen der Wagen abgesehen, keine Bedienung. Gegenüber anderen Lösungen der
                              									vorliegenden Aufgabe kann als Vorzug in Betracht kommen, dass die Arbeitsweise
                              									kontinuierlich ist, so dass mit kleinen Einzellasten und massigen Geschwindigkeiten
                              									grosse Leistungen erzielt werden können, ferner, dass die Kohle weder durch
                              									Umladen noch auf irgend eine andere Weise während des Transportes geschädigt wird,
                              									und endlich, dass die Unterhaltungskosten sich niedrig stellen.
                           Soll die Kohle mit Hilfe derselben Vorrichtung wieder vom Lagerplatz entfernt werden,
                              									so kann dies mit Hilfe eines auf der Brücke verfahrbaren Drehkranes geschehen, der
                              									das Material an beliebiger Stelle aufnimmt und in einen Trichter verlädt, aus dem
                              									die Wagen gefüllt werden. Dazu ist natürlich der Wagen vom Seile zu lösen.
                           Der Grundgedanke der Anlage lässt sich auch für Seilhängebahnen, sowie für Bahnen mit
                              									elektrischem Betrieb verwerten.vergl.
                                    												„Z. d. V. d. I.“, 1904, S. 1770 ff.
                           Fig. 61 gibt einen Selbstentlader von derselben Firma
                              									wieder, wie er bei Anlagen der beschriebenen Art zur Verwendung kommt. Es ist ein
                              									doppelseitiger Trichterwagen mit Seitenklappen, welche durch die Haken am Ende der
                              									Verschlusshebel b geschlossen gehalten werden. Läuft
                              									die mit beiden Hebeln verbundene Stange c auf einen in
                              									der Mitte zwischen den Schienen liegenden, auf- und niederstellbaren Frosch d auf, so drehen sich die Hebel und geben die Türen
                              
                              									frei. Durch die beiden schrägen Leitschienen e werden
                              									die Türen wieder zugedrückt. Den festen Schluss führen die federnd gelagerten Rollen
                              										f herbei, wobei die Hebel b selbsttätig einklinken.
                           Eine ausserordentliche Entwicklung weist seit einigen Jahren der Bau von Eisenbahnwagen für Massengüterbeförderung auf. Längere
                              									Zeit hindurch war es nur eine einzige Firma im Rheinland, die den Bau von eisernen
                              									Selbstentladern energisch betrieb, während jetzt eine Reihe von Firmen
                              									Spezialkonstruktionen geschaffen haben. Besonders wertvoll sind Selbstentlader bei
                              									kurzen Transportwegen, weil dann das Ausladen häufiger zu geschehen hat, und daher
                              									die Ersparnis an Zeit und Arbeitslöhnen stärker ins Gewicht fällt. Dazu kommt, dass
                              									es sich in solchen Fällen vielfach um Privatbahnen handelt, so dass die
                              									Beschränkungen bezüglich Konstruktion und Ladegewicht fortfallen. Oder es können
                              									ganze Züge aus diesen Wagen zusammengestellt werden, so dass sie nicht mit anderen
                              									Wagen weniger kräftiger Konstruktion, die durch das Zusammenstossen mit den schweren
                              									Wagen beschädigt werden könnten, rangiert zu werden brauchen. Die Einstellung der
                              									Spezialwagen in gewöhnliche Züge bedarf besonderer Genehmigung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 386
                              Fig. 62. Bodenentleerer von Koppel.
                              
                           Je höher die Tragkraft, um so geringer ist im Verhältnis das tote Gewicht, um so
                              									niedriger also stellen sich für eine gegebene Leistung die Anschaffungs- und
                              									Betriebskosten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 387
                              Fig. 63. Bodenentleerer für 40 t von Koppel.
                              
                           Man unterscheidet Seiten- und Bodenentlader, doch werden zuweilen beide Arten der
                              									Entleerung vereinigt, wodurch der Wagen vielseitiger verwendbar wird.
                              									Bodenentleerung mst nur möglich, wenn an der Entladestelle Schüttrümpfe vorhanden
                              									sind, während für Seitenentleerung ein Damm oder seitliche Gruben zwar erwünscht,
                              									aber nicht unbedingt notwendig sind. Je höher der Wagenkasten liegt, um so besser
                              									geht die Entleerung zu ebener Erde vor sich. Infolgedessen hat bei den meisten
                              
                              									Seitenentladern der Schwerpunkt eine bedeutend höhere Lage als bei Bodenentladern,
                              									zugleich pflegt bei gegebenem Inhalt die Wagenlänge grösser zu sein, da der
                              									Querschnitt weniger gut ausgenutzt werden kann. Dieser Punkt verdient namentlich bei
                              									Wagen für Kohlen- und Kokstransport Berücksichtigung, während Erzwagen bei dem
                              									grösseren spezifischen Gewicht der Ladung leicht auf den gewünschten Rauminhalt
                              									gebracht werden können.
                           Steigt der Raddruck über 7 t, was bei 18–20 t Ladegewicht der Fall ist, so kommen
                              									gewöhnlich Drehgestelle zur Anwendung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 387
                              Fig. 64. Bodenentleerer für 10 t, gebaut in der Waggonfabrik, der A.-G. vorm.
                                 
                                 										Orenstein & Koppel, Berlin.
                              
                           Die Wagenkasten haben in der Regel Trichterform. Dann lassen sich die Wagen aber nur
                              									für Massengüter und nicht zum Stückguttransport verwenden, und müssen infolgedessen
                              
                              									in den meisten Fällen in einer Richtung leer laufen, was bei grossen Entfernungen
                              									besonders ins Gewicht fällt. Daher haben einige Konstruktionen einen flachen Boden,
                              									der allerdings vollständige Selbstentleerung nicht oder doch nur unter Benutzung
                              									besonderer Hilfsmittel gestattet.
                           Fig. 62 gibt die schematische Skizze eines
                              									Bodenentleerers von
                              										Arthur Koppel. Zum Verschlusse des trichterförmigen
                              									Kastens dienen zwei Schieber, die sich auf Laufrollen R
                              									wagerecht bewegen. Die Rollen sind seitlich der Oeffnung geschützt angeordnet, so
                              									dass ihre Bewegung nicht durch auf die Laufbahn fallende Kohlenstücke erschwert
                              									werden kann. An den Schiebern greift bei A und B eine endlose Gallsche
                              									Kette an, mit Kettenrädern auf beiden Wagenseiten. Auf der Achse des einen
                              									Kettenrades sitzt ein Schneckenrad, das durch eine Welle mit Handrädern gedreht
                              									wird, wobei die Kette den beiden Schiebern eine gegenläufige Bewegung erteilt. Das
                              									Oeffnen bezw. Schliessen kann von jeder Seite des Wagens erfolgen. Das Untergestell
                              									lässt sich im wesentlichen den Normalien für Kastenwagen anpassen.
                           Die in Fig. 63 abgebildete Ausführungsart wird für
                              									30–50 t Tragkraft und 35 bis 60 cbm Rauminhalt gebaut, bei 12–16 t Eigengewicht
                              									(einschl. Bremse). Der Wagen ist vorwiegend für Kohletransport bestimmt. Der
                              									Wagenkasten ruht auf Drehgestellen und hat nahe der Mitte zwei Bodenöffnungen,
                              									zwischen denen ein Eselsrücken eingebaut ist. Die Seitenwände dienen als
                              									Langträger.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 388
                              Fig. 65. Bodenentleerer für 10 t, gebaut in der Waggonfabrik der A.-G. vorm.
                                 										Orenstein & Koppel, Berlin.
                              
                           Einen von der A.-G. für Feld- und Kleinbahnenbedarf, vorm.
                                 										Orenstein & Koppel, Berlin, gebauten Bodenentlader der in Amerika und
                              									England üblichen Bauart zeigen Fig. 64 und 65. Das Ladegewicht beträgt 10000 kg. Das Leergewicht
                              									des Wagens ohne Bremse soll nur 3200 bis 3300 kg sein, so dass das Verhältnis
                              									zwischen Leergewicht und Ladegewicht sich auf etwa 0,31 stellte. Der Wagen fasst 6,2
                              									cbm und hat 1067 mm Spur. Er ist für den Transport von Erzen und dergl.
                              									bestimmt.
                           Die Entleerung geschieht durch schräge Bodenklappen, die quer zum Gleise liegen und
                              									durch zwei, einen Kniehebel bildende Stangen geschlossen gehalten werden. Beim
                              									Herumlegen des Handhebels nach links wird der Kniehebel eingeknickt, und die Türen
                              									öffnen sich gleichzeitig vollkommen unter dem Drucke der Ladung. Sie werden
                              									zwangläufig geschlossen durch Wiederaufrichten des Handhebels, der sodann durch die
                              									in Fig. 65 erkennbare Klinke gesichert wird.
                           Das Untergestell ist aus Profileisen genietet. Der Wagenkasten besteht aus 6 mm
                              									starken Blechwänden, die durch Winkeleisen miteinander verbunden und durch Rungen
                              
                              									aus ⌶-Eisen verstärkt sind.
                           Da der Radstand beschränkt war, so mussten die Räder, um Spielraum gegen den
                              									Wagenkasten zu behalten, mit ungewöhnlich kleinem Durchmesser ausgeführt werden.
                              									Andererseits war die Pufferhöhe und damit die Höhe der Langträger gegeben, weshalb
                              									die Achshalter ungewöhnliche Länge erhalten haben und die Federn gegen besondere
                              									Bügel abgestützt sind. Der Wagen ist mit zentraler Zug- und Stossvorrichtung sowie
                              									Notkette versehen.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)