| Titel: | Der heutige Stand der Motorfahrräder. | 
| Autor: | Oscar Koch | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 490 | 
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                        Der heutige Stand der Motorfahrräder.
                        Von Oscar Koch,
                           								Gross-Lichterfelde, West.
                        (Fortsetzung von S. 479 d. Bd.)
                        Der heutige Stand der Motorfahrräder.
                        
                     
                        
                           Josef Baur in München baut den Mechanismus zum
                              
                              									Aendern der Geschwindigkeit in die Hinterradnabe ein. Auf der Radachse b (Fig. 147) ist
                              									einerseits die hohle Achse der Riemenscheibennabe c,
                              									andererseits diejenige der Bandbremse e gelagert. Auf
                              									diesen beiden hohlen Achsen sitzt nun die als zweiteiliges Gehäuse a und f ausgebildete
                              									Radnabe d, in deren konischem Teil a sich der Reibungskonus r
                              									befindet. Mit ihm ist der Stift u verbunden, der durch
                              									die Wandung der Riemenscheibennabe c tritt und an die
                              									Schaltscheibe t angelenkt ist. Bei Leerlauf wird dieser
                              									Stift u und mit ihm der Reibungskonus r durch Hebel s vom
                              									Gegenkonus a abgezogen. Stift u ist übrigens so weit durch den Konus r
                              									hindurchgeführt, dass er, falls die Reibungskupplung versagen sollte, den an der
                              									Radnabe sitzenden Anschlag v erfasst, so dass dennoch
                              									sicher gekuppelt ist, da dann der Anschlag v, und mit
                              									diesem die Radnabe durch Stift u mitgenommen wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 490
                              Wechselgetriebe von Baur; Fig. 148. Schnitt 1–2; Fig. 149. Schnitt 3–4.
                              
                           Im Gehäuseteil J ist die zur Verminderung der
                              									Umdrehungsgeschwindigkeit bestimmte Zahnradübersetzung untergebracht. Sie besteht
                              									aus dem an der hohlen Achse der Riemenscheibennabe c
                              									vorgesehenen Zahnrad g, mit dem zwei Stirnräder
                              
                              										h in Eingriff stehen, die ihrerseits wieder in je
                              									ein weiteres mit dem feststehenden Innenzahnkranz i in
                              									Eingriff stehendes Stirnrad k eingreifen. Diese vier
                              									Stirnräder hh und kk (Fig. 148)
                              									sitzen auf Bolzen n, der im Gehäuseteil drehbar
                              									gelagerten Scheibe m, die mit der hohlen Achse der
                              									Bandbremsscheibe e gekuppelt ist, so dass sich beide
                              									stets in gleichem Sinne drehen.
                           Werden die Riemenscheibennabe c und Radnabe d mittels der Reibungskupplung gekuppelt, so wird das
                              									Rad mit derselben Geschwindigkeit wie die Riemenscheibe mitgenommen. Da die
                              									Bremstrommel e ebenfalls durch Scheibe m mitgenommen wird, so kann sie durch Anziehen des
                              									Bremsbandes als gewöhnliche Bremse Verwendung finden.
                           Beim Umschalten auf die kleine Uebersetzung wird der Konus r in oben beschriebener Weise aus dem Gegenkonus a herausgezogen, und gleichzeitig die Bremsscheibe e mittels Bremsbandes festgehalten. Hierdurch werden die Zahnräder g, hh und kk und mit ihnen
                              									der Zahnkranz i und die fest mit ihm verbundene Radnabe
                              									mit verminderter Geschwindigkeit angetrieben. Das gleichzeitige Anziehen der Bandbremse ist
                              									erforderlich, damit die die Stirnräder tragende Scheibe m (Fig. 149) in ihrer Stellung festgehalten wird, da sich andernfalls die
                              									Zahnräder kk einfach im Zahnkranz i abwickeln, und hierbei die Scheibe m mitgenommen würde, während die Radnabe d und damit das Rad selbst still stehen bliebe.
                           Dass in diesem Falle die Bandbremse nicht zur Bremsung des Fahrzeuges dienen kann,
                              									braucht nicht weiter erwähnt zu werden.
                           Die Rivierresche, Hinterradnabe (Fig. 150) besteht aus zwei Flanschen aa1. Am Flansch a ist der konische äussere Teil b der Kupplung c befestigt, während Flansch
                              										a1 durch Scheibe
                              										d bedeckt ist und in dem dadurch entstehenden
                              									Hohlraum das Wechselgetriebe efg aufnimmt. Die drei
                              									Planetenrädchen f sind mit der Nabe fest verbunden,
                              									während der dazugehörige Innenzahnkranz g vom
                              									Nabenkörper unabhängig an der Trommel r sitzt. Wird
                              									letztere bei ausgerückter Kupplung bc mittels
                              									aufgerollter Bandbremse festgehalten, während die Hülse i sich mit dem Zahnrad e dreht, so erhält man
                              									dadurch, dass die Uebertragung des Zahnräderwerkes 1 : 3 beträgt, die kleine
                              
                              									Uebersetzung. Der Nabenkörper dreht sich somit dreimal so langsam als die Hülse i. Bei normaler grosser Uebersetzung ist die Hülse i mit dem Nabenkörper durch die konische Scheibe c gekuppelt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 491
                              Fig. 150. Wechselgetriebe von Rivierre.
                              
                           Wie erwähnt, besteht die Kupplung aus den beiden konischen Scheiben b und c. Während erstere
                              									sich mit der Nabe dreht, ist letztere durch zwei um 180° gegeneinander versetzte
                              									Keile an der Drehung verhindert und kann nur seitliche Bewegungen machen. Beide
                              									Kupplungsteile b und c
                              									werden durch vier Spiralfedern k in Eingriff gehalten.
                              									Letztere sind auf Bolzen l der Kupplungsscheibe c aufgesteckt und in Hülsen, die an der Scheibe t befestigt sind, gelagert.
                           Zum Ausrücken der Kupplung bc muss auf die vier Bolzen
                              										l Druck ausgeübt werden, wobei sich unter
                              									Zusammenpressung der Federn k die konische Scheibe c von b löst. Hört der
                              									Druck auf, so dehnen sich die Federn wieder aus, wobei Scheibe c wieder nach links in die gezeichnete Lage zurückkehrt
                              									und die Kupplung mit b wieder hergestellt.
                           Dieser Vorgang wird durch zwei mit Erhöhungen versehene Plättchen m und eine grössere Platte u bewirkt. Platte u besitzt vier Löcher h, in welche die gegen die Federn drückenden Muttern
                              										o eingreifen. Sie ist in ihrer Mitte zu einer
                              									Büchse ausgebildet, in die das Kugellager p eingesetzt
                              									ist. Zwischen diesen und der Mutter q liegen die beiden
                              									erwähnten Plättchen m. Wird jetzt mittels Handgriffes
                              									und Stange das eine Plättchen festgelegt, das andere dagegen aus der gezeichneten
                              									Lage gebracht, so geraden ihre Erhöhungen übereinander und drängen das Kugellager
                              										p nach innen und mit ihm auch die Platte u, die dann auf die Muttern o resp. Bolzen l drückt und dadurch die
                              									konische Scheibe c entkuppelt.
                           Um Leerlauf herzustellen, ist dann nur die Bandbremse auszuschalten, so dass
                              									sich der Innenzahnkranz g ebenfalls frei dreht.
                           Die Phänomen-Fahrradwerke, Gustav Hiller in Zittau i. S.
                              									verlegen ebenfalls den Antrieb in die Hinterradnabe und bilden ihn als
                              									Differentialgetriebe aus. Nach Fig. 151 besteht die
                              									Nabe aus den vier Kegelrädern hh und ii, der Bremsscheibe l,
                              									der Klauenkupplung g und dem Freilauf für das Kettenrad
                              										a.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 491
                              Fig. 151. Wechselgetriebe von Hiller.
                              
                           Das Anlassen des Motors erfolgt, wie üblich, mittels der Tretkurbeln, wobei Kettenrad
                              										a, Hülse c sowie die
                              									Riemenscheibennabe d mitgenommen werden. Riemenscheibe
                              										e treibt dabei den Motor an, der somit leer läuft.
                              									Durch allmähliches Anziehen der Backenbremse m wird nun
                              									die kleine Uebersetzung eingeschaltet, wobei die Bremsscheibe l festgehalten wird, die sich beim Leerlauf durch
                              									Abrollen des Differentialgetriebes hi entgegengesetzt
                              									zur Riemenscheibe e dreht. Hierdurch ist jetzt der
                              									Mittelteil f der Radnabe und mit ihm das Laufrad
                              									gezwungen, sich im Verhältnis der Zahnräder 1 : 2 zu drehen.
                           Zum Einschalten der grossen Uebersetzung wird die Bremse lm ausgeschaltet, und durch Anziehen des Kupplungshebels, der in k eingreift, die Klauenkupplung g ineinander geschoben.
                           Nun sind sämtliche Teile fest miteinander verbunden und das Differentialgetriebe
                              									ausgeschaltet, so dass das Getriebe auch hier bei der grössten Kraftleistung des
                              									Motors keiner Abnutzung unterworfen ist. Die beweglichen Teile laufen alle auf
                              									Kugeln, und zwar bewegen sie sich bei der kleinen Uebersetzung auf den Lagern 1–6, bei der grossen
                              									dagegen nur auf den Lagern 1 und 2.
                           Die Motorenfabrik „Magnet“ schlägt den Mittelweg
                              									ein, und bringt ihr Wechselgetriebe am Tretkurbellager an Stelle des sonst üblichen
                              									Kettenrades an. In der Leerlaufriemenscheibe a (Fig. 152) sind zwei Planscheiben angeordnet, die sich
                              									durch allmähliches Zurücklegen des Hebels b nach und
                              									nach durch den Druck von acht kräftigen Spiralfedern an den inneren Wandungen der
                              									Riemenscheibe a festsaugen. Hierdurch ist die
                              									Riemenscheibe a mit dem Zahnkranz der zum Hinterrad
                              									führenden Kette gekuppelt. Die Kraftübertragung vom Motor auf die
                              									Leerlaufeinrichtung a erfolgt mittels Keilriemen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 492
                              Fig. 152. Wechselgetriebe der Motorenfabrik Magnet.
                              c Riemenscheibe mit Ventilator, d
                                 										Austritt der Kühlluft.
                              
                           Zum Entkuppeln wird der Hebel b nach vorn gestellt,
                              									wodurch die Planscheiben zusammengepresst werden, und die Riemenscheibe a leer läuft.
                           In den Zwischenstellungen des Hebels b schleifen nun die
                              									Planscheiben mehr oder weniger an den Wandungen der Riemenscheibe a, also die Riemenscheibe dreht sich mit grösserer oder
                              									kleinerer Geschwindigkeit (1 × 7,5).
                           In denkbar einfachster Weise haben Vierordt & Cie.
                              									in Kehl a. Rh. ihr Getriebe zum Aendern der Geschwindigkeit konstruiert. Es besitzt
                              									weder Reibungskonus noch Rädergetriebe, da die Geschwindigkeitsänderung durch die
                              									Riemenscheibe selbst erfolgt. Letztere besteht nach Fig.
                                 										153 aus zwei Scheiben a und b, deren Naben no
                              									ineinander stecken und durch steilgängiges Gewinde zusammengehalten werden, sie
                              									bilden gemeinsam die Keilnut für den Riemen.
                           Bei stillstehendem Motor ist Scheibe a in der
                              
                              									punktierten Stellung und der Riemen ohne Spannung. Fängt der Motor an zu arbeiten,
                              									so nimmt der Treibriemen die Scheibe a mit und schraubt
                              									sie auf die Nabe der Scheibe b auf. Der Riemen erhält
                              									dabei seitlichen Druck, durch den er so weit aus der Keilnut hinausgedrängt wird,
                              									bis er genügend Spannung hat. Dementsprechend wird die Keilnute schmäler, wobei der
                              									seitliche Druck auf den Riemen stets auf das kleinste zulässige Mass eingestellt
                              									wird. Die Steigung des Gewindes ist so bemessen, dass die Spannung des Riemens noch
                              									gerade ausreicht, um Gleiten zu verhüten.
                           Wird nun die Riemenspannung durch Anwendung einer Spannrolle (Fig. 137, S. 461) begrenzt, so kann der Riemen
                              									nur noch dem Hube der Spannrolle folgend, die Scheibe a in beschränktem Masse in b hineinschrauben,
                              									wodurch der Riemen auf einem grösseren oder kleineren Scheibendurchmesser läuft.
                           Der kleinste Durchmesser der Riemenscheibe, eingerechnet die Riemenstärke, beträgt 75
                              									bis 78 mm, der grösste 150–160 mm, je nach Riemenlänge.
                           In gleich einfacher Weise ist auch die Leerlaufeinrichtung konstruiert und zwischen
                              									Riemenscheibe und Kurbelgehäuse als Schubvorrichtung eingebaut. Letztere besteht in
                              									der Hauptsache aus dem mit schiefen Schlitzen versehenen Ring d und einem zweiten Ring e, dem nur eine Bewegung in Richtung der Achse gestattet ist, da er von
                              
                              									feststehenden Stiften f und von Schrauben g, deren Köpfe in die Schlitze des Ringes d passen, geführt wird. Mit Hilfe des Ringes d, dessen Ansatz h mit
                              									einem zum oberen Rahmenrohr führenden Hebel verbunden ist, wird durch die
                              									Schubvorrichtung efg mittels der vier Bolzen k der Ring l vorgeschoben.
                              									Dieser Ring hat vier nach innen gerichtete Ansätze m,
                              									die in einen der zwei umlaufenden Einschnitte des viergängigen Gewindes an der losen
                              									Scheibe a eingreifen.
                           Wird bei Verstellen des erwähnten Hebels durch hdef auf
                              									die Bolzend Druck ausgeübt, so schraubt der mit ihnen verbundene Ring l die Scheiben a und b auseinander, so dass sie den Riemen an seinen Seiten
                              									nicht mehr fassen können (Leerlauf).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 492
                              Fig. 153. Wechselgetriebe von Vierordt.
                              
                           Zu erwähnen ist noch, dass sich beim Bergabfahren der Motor selbsttätig ausschaltet,
                              									sobald das Fahrzeug schneller als der Motor läuft.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)