| Titel: | Automobilachsen. | 
| Autor: | Lutz | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 586 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Automobilachsen.
                        Von Professor Lutz,
                           								Aachen.
                        (Fortsetzung von S. 569 d. Bd.)
                        Automobilachsen.
                        
                     
                        
                           
                           
                              Hinterachsen.
                              
                           Die Gesamtanordnung der Hinterachsen erhält ihr Gepräge dadurch, dass diese Achsen,
                              									wie schon ausgeführt, fast durchgängig den Wagenantrieb
                              									und die Bremsung übernehmen, und dass infolgedessen
                              									eine Achsabstützung unerlässlich wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 586
                              
                              
                           Den Kräfteaustausch zwischen der Vorderachse und dem Rahmen vermitteln fast
                              									ausschliesslich die Federn (Fig. 23), und nur noch
                              									höchst selten findet sich eine Ausführung nach Fig. 24, bei welcher
                              									eine Zug- (A) oder Druckstange (B) zur Schonung der Federung eingebaut ist. Man hat eine solche
                              									Achsstützung als unnötig erkannt.
                           Hinterachsen unterliegen gefährlicheren Beanspruchungen, insofern die angetriebene
                              									Achse den Wagen vor sich her schiebt, also eine entsprechende Antriebskraft – im
                              									folgenden der Kürze halber als „Wagenschub“
                              									bezeichnet – übertragen werden muss, insofern weiterhin durch Antrieb und Bremsung
                              									eine Achsdrehung angestrebt werden kann.
                           Früher hat man die Aufnahme dieser Kraftwirkungen auch hier den Federn überlassen,
                              									mit zunehmender Wagenleistung hat sich das jedoch als unzweckmässig herausgestellt,
                              									so dass mehr und mehr für eine besondere, die Federung entlastende Achsabstützung
                              									Sorge getragen wurde. Allerdings schneidet man diese auch heute noch nur auf
                              									Wagenschub und Drehkräfte zu. Die aus der Bodenbeschaffenheit entspringenden
                              									Beanspruchungen, welche beispielsweise auftreten, wenn ein Rad ein hohes Hindernis
                              									überfährt, oder wenn der Wagen gegen eine Bordschwelle streift, werden – bei
                              									Vorderachsen sowohl wie auch bei Hinterachsen – den Federn zugemutet, welche dabei
                              									auf Torsion in Anspruch genommen werden. Das Verfahren ist etwas roh, hat aber in
                              
                              									Anbetracht der jetzigen, immerhin noch geringen Lebensdauer von Kraftfahrzeugen noch
                              									nicht Veranlassung zu Beanstandungen gegeben und ist damit gerechtfertigt.
                           Die Ausbildung der für Antrieb und Bremsung bestimmten
                              
                              										Achsabstützung hängt von der Art der
                              									Arbeitsübertragung ab.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 586
                              
                              
                           Kettenantrieb ist in dieser Hinsicht am günstigsten
                              									gestellt, weil die Nachgiebigkeit der vom abgefederten Rahmen zu der unabgefederten
                              									Hinterachse laufenden Treibketten Schwierigkeiten vorbeugt. Man hat sich zuerst
                              										(Fig.
                                 										25) mit Druckstangen D zur
                              									Antriebsvermittlung begnügt und das auf die Bremsbacken B übertragene Drehmoment den Wagenfedern überlassen, dann aber auch dieses
                              									vielfach durch eine besondere Stange S aufgenommen. D diente zugleich als Kettenspanner. Neuerdings kommt
                              									fast durchgängig die vortreffliche Mercedes-Stützung
                              										(Fig.
                                 										26) zur Anwendung, bei welcher ein biegungsfester, gleichfalls als
                              									Kettenspanner benutzter Träger T einerseits den
                              									Wagenschub übernimmt, andererseits dadurch, dass er alle Bremsgelenke enthält, auch
                              									dem Bremsdrehmoment begegnet, also die Federn entsprechend entlastet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 587
                              Fig. 27.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 587
                              Fig. 28.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 587
                              Fig. 29.
                              
                           Weniger einfache Vorbedingungen für die Achsstützung bietet der Gelenkwellen- (Cardan-) Antrieb. (Fig. 27.) Eine in der
                              									Wagenlängsachse liegende Welle W, welcher durch Einbau
                              									von Kreuzgelenken, Zulassung achsialer Verschiebungen usw. die erforderliche
                              									Nachgiebigkeit gegen die Wagenfederung verliehen wird, überträgt hier mittels eines
                              									Kegelradpaares die Motorleistung auf die Hinterachse, wobei ein Umlaufrädergetriebe,
                              									das sogen. Ausgleich- (Differential-) Getriebe A dafür
                              									sorgt, dass beide Wagenräder unabhängig von einander angetrieben werden, wie das
                              									schon mit Rücksicht auf die Notwendigkeit verschiedener Tourenzahl in Kurven
                              									unerlässlich ist. Während bei Kettenwagen dieses Differentialgetriebe im Rahmen
                              									liegt, bildet es also bei Cardanwagen einen wesentlichen Teil der Hinterachse und
                              									wird mit dem Kegelradantrieb und den beiden von einander unabhängigen Achshälften in
                              									einem gemeinsamen Gehäuse G vereinigt. Letzteres sucht
                              									sich nun während der Fahrt infolge des Druckes im Lager L um die Hinterachsmitte in dem einen, und infolge der Bremsung in dem
                              									entgegengesetzten Sinne zu drehen, da es zur Lagerung der Bremsbacken B benutzt wird. Beide Drehungen und zugleich den
                              									Wagenschub zu übernehmen, wäre demnach hier die Aufgabe der Achsstützung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 587
                              Fig. 30.
                              
                           Man löste sie analog dem Vorgehen bei Kettenwagen auch hier zuerst so, dass nach Fig. 28 entweder nur zur Uebertragung des
                              									Wagenschubes eine Stange S oder aber auch zur
                              									gleichzeitigen Drehungsaufnahme ein Stangensystem S1 bezw. ein biegungsfester Träger T (vergl. Fig. 26) eingebaut
                              									wurde. Je mehr dabei der Stangendrehpunkt P sich dem
                              									linken Kreuzgelenk KG näherte, um so geringer war die
                              									erforderliche achsiale Nachgiebigkeit der Gelenkwelle. Es lag nahe, P und KG zusammenzulegen
                              										(Fig. 29) und so zugleich das rechte Kreuzgelenk
                              									zu ersparen; in diesem Falle empfahl es sich, die Gelenkwelle ihrer ganzen Länge
                              									nach in einem mit dem Hinterachsgehäuse verbundenen Mittelrohr R unterzubringen. Letzteres nun zugleich zur Stützung
                              									zu benutzen, war das nächste Bestreben in der gekennzeichneten Entwicklung. Einfache
                              
                              									Fortlassung des Stützgestänges S verhalf dazu noch
                              									nicht, weil sich dadurch unzulässige Nebenbeanspruchungen des empfindlichen
                              									Kreuzgelenkes und des (als Kammlager auszubildenden) Getriebelagers L ergeben hätten, es galt vielmehr, das Mittelrohr R mit dem Untergestell selbst in Verbindung zu bringen.
                              									Das haben die Adler-Fahrradwerke ausgeführt, indem sie
                              										(Fig. 30) unter Weglassung jedweden Gestänges
                              									das Ende dieses Rohres zu einer das Kreuzgelenk KG
                              
                              									zentrisch umfassenden Kugelführung K ausgebildet und in
                              									dem Rahmen des Kraftwagens gelagert haben. Die Schwäche dieser Konstruktion liegt
                              									darin, dass der Stoss eines Rades gegen ein Wegehindernis eine Drehung der ganzen
                              									Achse um die Kugelführung an dem beträchtlichen Hebelarm a anstrebt und dadurch eine unangenehme Federbelastung herbeiführt, was
                              									bei Einbau von Seitenstangen (vergl. Fig. 28) nicht
                              									eintritt. Wie weit diese Schwäche Abhilfe fordert, kann nur die Erfahrung
                              									lehren.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)