| Titel: | Die Ermittlung der Maximalbiegungsmomente an statisch bestimmten Laufkranträgern. | 
| Autor: | Richard v. Mises | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 593 | 
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                        Die Ermittlung der Maximalbiegungsmomente an
                           								statisch bestimmten Laufkranträgern.
                        Von Ing. Richard v.
                                 									Mises, Brünn.
                        Die Ermittlung der Maximalbiegungsmomente an statisch bestimmten
                           								Laufkranträgern.
                        
                     
                        
                           Gegenüber dem bei Berechnung von Brückenträgern üblichen Verfahren zur
                              									Bestimmung der von einem System wandernder Einzellasten herrührenden
                              									Maximalbiegungsmomente gestatten die besonderen bei Kranträgern vorliegenden
                              									Verhältnisse eine bedeutende Vereinfachung. Sie beruht darauf, dass die Gesamtheit
                              									der für die Berechnung in Betracht kommenden Lasten im Falle des Kranträgers eine
                              									unveränderliche, gegebene ist, während sie bei einer Brücke, die etwa durch einen
                              									über sie hinfahrenden Eisenbahnzug beansprucht wird, von Querschnitt zu Querschnitt
                              									wechselt. Die bekannten Lehrbücher des Kranbaues sowohl als die der graphischen
                              									Statik werden der vorliegenden Aufgabe nicht in vollem Masse gerecht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 593
                              Fig. 1.
                              I M1 Polygon; II (E + R) Parabel.
                              
                           Das im folgenden dargelegte Verfahren liefert den Höchstwert des von Eigenlast und Nutzlast herrührenden Biegungsmomentes in
                              									jedem Querschnitt durch Aufzeichnung eines einzigen
                                 										Biegungspolygones, das einer bestimmten fingierten Belastung entspricht,
                              									ohne irgend welches Probieren. Es findet Verwendung für die Bemessung der
                              									Vollwandträger sowie der Gurtungen von Fach werksträgern.
                           
                        
                           
                              Vollwandträger.
                              
                           1. Der gerade wagerechte Balken AB (Fig. 1) von der Länge l
                              									trage die Reihe der Einzellasten P1, P2 .... Pi ..... Pn, die untereinander
                              									die unveränderlichen Abstände a1, 2, a2, ...... an – 1, n aufweisen.
                              									Fasst man einen bestimmten Querschnitt mit der Abscisse x ins Auge, so ändert sich das Biegungsmoment Mx in x bei
                              									Bewegung des Lastsystems linear mit der Verschiebung
                              									desselben. So oft eine der Lasten über dem fraglichen Querschnitt steht,
                              									erfährt im allgemeinen der Verlauf der Mx eine Unstetigkeit. Es folgt daraus der bekannte
                              									Satz: Das Biegungsmoment in einem bestimmten Querschnitt
                                 										kann seinen Höchstwert nur erlangen, wenn eine der Einzellasten über diesem
                                 										Querschnitt steht.
                           2. Es bezeichne M1, M2 .... Mi das Biegungsmoment
                              									in x im Augenblicke, da P1, P2 ..... Pi die Abscisse x
                              									erreicht. Ist R die Resultierende der gegebenen Lasten,
                              										a1, r ihr Abstand
                              									von P1, so ist
                           
                              M_1=\frac{R}{l}\,(l-x-a_{1,\,r})\,x,
                              
                           
                              M_2=\frac{R}{l}\,(l-x-a_{1,\,r}+a_{1,\,2})\,x-P_1\,a_{1,\,2}=M_1+a_{1,\,2}\,\left(\frac{R}{l}\,x-P_1\right)
                              
                           
                              \begin{array}{rcl}M_l&=&\frac{R}{l}\,(l-x-a_{1,\,r}+a_{1,\,i})\,x-P_1\,a_{1,\,i}-P_2\,a_{2,\,i}\,.\,.&=&-P_{l-1}\,a_{l-1,\,i},\\&=&M_{l-1}+a_{l-1,\,i}\,\left(\frac{R}{l}\,x-P_1-P_2-.\,.\,.\,P_{l-1}\right).\end{array}
                              
                           Man erkennt, dass M2 grösser ist als Mi, wenn
                           
                              \frac{R}{l}\,x-P_1\,>\,0,
                              
                           also
                           
                              x\,>\,\frac{l}{R}\,P_1,
                              
                           ebenso Mi grösser als Mi – 1, wenn
                           
                              x\,>\,\frac{l}{R}\,(P_1+P_2+.\,.\,. P_{l-1}).
                              
                           Bezeichnet man als die für einen Querschnitt gefährliche Last jene, die über diesen Querschnitt
                              									gestellt, mit den übrigen Lasten des Systems das grösste Moment in demselben erregt,
                              									so lässt sich der Satz aussprechen: Teilt man die
                                 										Balkenlänge l in n Teile, die sich der Reihe nach zu einander verhalten wie
                                 										P1
                              									: P2
                              									: ..... Pn, so ist für jeden
                                 										Querschnitt des ersten Feldes P1, für jeden Querschnitt des zweiten Feldes P2 ...... usw. die
                                 										gefährliche Last. In den n – 1 Teilungspunkten
                              									mit den Abscissen.
                           
                              \frac{l}{R}\,P_1,\ \frac{l}{R}\,(P_1+P_2),\,.\,.&=&\ \frac{l}{R}\,(P_1+P_2+.\,.\,. P_{n-1})
                              
                           
                           ist das Biegungsmoment für beide den angrenzenden Feldern
                              									entsprechenden Laststellungen gleich.
                           3. Denken wir uns nunmehr n – 1 Kräfte, welche der Reihe
                              									nach die Grössen
                           
                              \frac{R}{l}\,a_{1,\,2},\ \frac{R}{l}\,a_{2,\,3}\,.\,.\ \frac{R}{l}\,a_{n-1,\,n}
                              
                           haben, an den eben bezeichneten Teilungspunkten senkrecht nach
                              									aufwärts angreifend; der von dieser fingierten Belastung herrührende Auflagerdruck
                              									sei A. Dann beträgt das Biegungsmoment im ersten Felde,
                              									wenn das Vorzeichen entsprechend dem früheren bestimmt wird,
                           
                              M'
                              1
                              = – A x,
                              
                           das im zweiten Felde
                           
                              M'_2=-A\,x+\frac{R}{l}\,a_{1,\,2}\,\left(x-\frac{l}{R}\,P_1\right)=M'_1+a_{1,\,2}\,\left(\frac{R}{l}\,x-P_1\right)
                              
                           und analog
                           
                              \begin{array}{rcl}M'_i&=&-A\,x+\frac{R}{l}\,a_{1,\,2}\,\left(x-\frac{l}{R}\,P_1\right)+\frac{R}{l}\,a_{2,\,3}\,\left(x-\frac{l}{R}\,(P_1+P_2)\right)+.\,.\,.
                                 \frac{R}{l}\,a_{l-1,\,i}\,\left[x-\frac{l}{R}\,(P_1+P_2+.\,.\,.\,. P_{i-1})\right]\\&=&M'_{i-1}+a_{l-1,\,i}\,\left(\frac{R}{l}\,x-P_1-P_2-.\,.\,.
                                 P_{l-1}\right).\end{array}
                              
                           Vergleicht man diese Werte mit den in 2 für M1, M2, .... Mi gefundenen, so
                              									ergibt sich: Das von dem System der fingierten Einzellasten
                                 										herrührende Momentenpolygon zeigt Ordinaten, die sich von denen des gesuchten
                                 										Maximalmomentenpolygones um den Wert
                           
                              M'=M_l+A\,x=\left[\frac{R}{l}\,(l-x-a_{1,\,r})+A\right]\,x
                              
                           
                              unterscheiden.
                              
                           4. Der Wert von A findet sich in bekannter Weise durch
                              									Anwendung des Momentensatzes für den Punkt B zu
                           
                              A=\frac{1}{l}\,\left[\frac{R}{l}\,a_{1,\,2}\,\frac{l}{R}\,(P_2+.\,.\,. P_{n})+\frac{R}{l}\,a_{2,\,3}\,\frac{l}{R}\,(P_3+.\,.\,.
                                 P_n)+.\,.\,.\,\frac{R}{l}\,a_{n-1,\,n}\,\frac{l}{R}\,P_n\right]
                              
                           
                              =\frac{1}{l}\,\left[a_{1,\,2}\,P_2+a_{1,\,3}\,P_3+.\,.\,.\,a_{1,\,n}\,P_n\right]=\frac{R}{l}\,a_{1,\,r}.
                              
                           Daher ist
                           
                              M'=\frac{R}{l}\,x\,(l-x).
                              
                           Dies ist aber nichts anderes als das Biegungsmoment,
                              									hervorgerufen durch eine über die ganze Balkenlänge gleichmässig verteilte Belastung
                              									von der Grösse 2R. Demnach folgt als Schlussatz: Man erhält den Verlauf der von ruhender und
                                 										wandernder Last herrührenden Maximalmomente, in dem man zur ruhenden Belastung
                                 										die in den Teilungspunkten mit den Abständen
                           
                              
                                 \frac{l}{R}\,P_1,\ \frac{l}{R}\,P_2\,.\,.&=&\ \frac{l}{R}\,P_{n-1}
                                 
                              
                           
                              angreifenden Einzelkräfte
                              
                           
                              -\frac{R}{l}\,a_{1,\,2},\ -\frac{R}{l}\,a_{2,\,3}\,.\,.\,.-\frac{R}{l}\,a_{n-1,\,n}
                              
                           
                              sowie eine über die Stützweite l gleichmässig verteilte
                                 
                                 										Belastung vom Gesamtwerte 2R hinzufügt und das Biegungspolygon für dieses neue
                                 										Lastsystem entwirft.
                              
                           Für die zeichnerische Ausführung kann man die Massstäbe so wählen, dass \frac{l}{R} in
                              									der Zeichnung gleich eins oder einer runden Zahl erscheint; oder man legt, wie
                              									in Fig. 1 angedeutet, den Anfangspunkt des
                              									Kräftezuges nach A und zeichnet das bewegliche
                              									Lastsystem in der äussersten Linksstellung, worauf man durch einfaches
                              									Paralleleziehen sowohl die Teilungspunkte auf dem Balken als die fingierten
                              									Einzelkräfte erhält.
                           Besteht die ruhende Belastung, wie dies gewöhnlich der Fall ist, nur aus einer
                              									gleichförmig verteilten Last E, so wird man vorteilhaft
                              									die der Last E + 2R entsprechende Parabel zeichnen und
                              									dazu das geradlinige Polygon, das den abwärts wirkenden
                              									Kräften
                           
                              \frac{R}{l}\,a_{1,\,2},\ \frac{R}{l}\,a_{2,\,3}\,.\,.&=&
                              
                           entspricht. Die zwischen den beiden Linienzügen liegende
                              									Fläche ist dann die gesuchte Maximalmomentenfläche. Dabei ist zu beachten, dass man
                              									der Schlusslinie des geradlinigen Polygons jede beliebige Richtung erteilen kann,
                              									sobald man die Lage der Resultierenden R im bewegten
                              									System kennt. Für die zweiachsige Laufkatze mit dem Radstande a und den auf je ein Rad entfallenden Achsdrücken P1 und P2 hat man als einzige
                              									fiktive Einzelkraft eine Kraft von der Grösse \frac{a}{l}\,(P_1+P_2), angreifend im Abstande
                              									\frac{P_1}{R}\,l vom linken Auflager.
                           5. Wenn das bewegliche Lastsystem solche Lagen erreichen kann, dass die Resultierende
                              
                              										R ausserhalb der Stutzweite AB zu liegen kommt, dann ändert das Biegungsmoment in einem Punkte
                              									zwischen A und B sein
                              									Vorzeichen und es ist im allgemeinen zur Dimensionierung des Trägers erforderlich,
                              									auch das Minimum von M zu untersuchen. Ueberdies kommt
                              									jetzt noch die Beanspruchung der Auskragungen links von A und rechts von B in Frage. Denken wir uns
                              									die Maximalmomentenfläche für AB derart dargestellt,
                              									dass einerseits die Momente der ruhenden Last mit denen der fingierten stetigen
                              									Belastung 2R zu einem Linienzug vereinigt sind,
                              									andererseits ein Mi-Polygon entsprechend den fingierten (negativ genommenen) Einzellasten
                              									gezeichnet ist, so kann man den Wert von Mi in einem beliebigen Querschnitt durch die
                              									Verlängerung der iten
                              									Geraden dieses Polygons ohne weiteres finden. Man erkennt dann auch sofort, dass
                              									unter allen Mi überall
                              									entweder Mi oder Mn den kleinsten Wert
                              									hat, (s. Fig. 1) und zwar links vom Schnittpunkt der
                              									ersten und letzten Geraden des Mi-Polygons das Mn, rechts davon das Mi. Wir denken uns nun über einen
                              									Querschnitt der rechten Trägerhälfte die Last P1 gestellt. Nach 2 ist
                           
                              M_1=\frac{R}{l}\,(l-x-a_{1,\,r})\,x.
                              
                           Verschiebt man das Lastsystem gegenüber dem ins Auge gefassten
                              									Querschnitt noch weiter nach rechts, so dass die Resultierende R die Abscisse ξ erlangt,
                              									so wird das Moment in x
                           
                              M\,\xi=\frac{R}{l}\,(l-\xi)\,x,
                              
                           wobei
                           ξ > x +
                                 										al, r.
                           Es ist also Mξ jedenfalls kleiner als Mi und nimmt mit wachsendem ξ ab, Für einen beliebigen Punkt der rechten Auskragung
                              									ist ferner das Moment negativ gleich dem Momente der rechts von diesem Punkte
                              									liegenden Lasten, sein absoluter Wert also um so grösser, je grösser ξ ist. Da eine analoge Betrachtung für Mn und für die linke
                              									Ausladung angewendet werden kann, so gilt: Den (algebraisch) kleinsten Wert des
                                 										Biegungsmomentes liefert für jeden Querschnitt eine der beiden äussersten
                                 										Stellungen
                              									des beweglichen Lastsystems. Da das Moment in einem
                              									Punkte der Auskragung den Wert Null nie überschreiten kann, so erledigt dieser Satz
                              									in Verbindung mit dem Schlussatz in 4 die Frage nach den Extremwerten des Momentes
                              									vollständig. Es sei noch erwähnt, dass aus unserer Figur sich auch der gesamte
                              									Verlauf der Grösse M für irgend ein x entnehmen lässt. Denn man erhält, wie oben gezeigt,
                              									die Werte sämtlicher Mi, dazu auch Mr und Mi (Momente für äusserste Rechts- und Linksstellung)
                              									für jeden Querschnitt, während, wie wir wissen, M von
                              									einem dieser Werte zum nächsten sich linear verändert. Dies kann man benutzen, um im
                              									Falle die Bewegungsmöglichkeit des Lastsystems eine beschränkte ist, eine etwa noch
                              									notwendige Korrektur am Maximalmomentenpolygon vorzunehmen. Eine solche kann
                              									naturgemäss nur zu einer Verminderung des Momentes in einem Teile des Balkens
                              									führen.
                           
                        
                           
                              Fachwerkträger.
                              
                           6. Für die Bemessung der Gurtstäbe eines einfachen Fachwerkträgers mit Senkrechten
                              									lassen sich die bisherigen Betrachtungen in folgender Weise verwerten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 595
                              Fig. 2.
                              
                           Denkt man sich unmittelbar an der Vertikalen 2 3 (Fig. 2) einen Schnitt durch den Träger geführt, so
                              									erkennt man, dass die Stabkraft 2 4 gleich ist dem
                              									Moment der links vom Schnitt wirkenden Kräfte, gebrochen durch den Abstand des
                              									Knotenpunktes 3 vom Stab 2
                                 										4. Daraus folgt, dass ein Lastsystem, das in allen Punkten das Maximum des
                              									Momentes hervorruft, in allen Gurtstäben das Maximum der Spannung erzeugt. Man kann also mittels
                              									eines einzigen Kräfteplanes die Höchstwerte der
                                 										Gurtstabkräfte erhalten, sobald man das oben in 4 angegebene fiktive Lastsystem
                                 										auf die Knotenpunkte statisch verteilt.
                           Werden die einzelnen Feldweiten der Reihe nach mit b1, b2 ..... bm bezeichnet, so ergibt die über die Trägerlänge
                              									gleichmässig verteilte Belastung 2R in den einzelnen
                              									Knotenpunkten die Lasten
                           
                              \frac{R}{l}\,b_1,\ \frac{R}{l}\,(b_1+b_2),\ \frac{R}{l}\,(b_2+b_3)\,.\,.\,. \frac{R}{l}\,b_m.
                              
                           Ersetzt man darin R durch
                              									R+\frac{E}{2}, so hat man das Eigengewicht des Trägers auch schon berücksichtigt. Die
                              									fingierten Einzellasten können allgemein in der bekannten Weise mit Hilfe eines
                              									Momentenpolygones auf eine Knotenpunktbelastung reduziert werden.
                           Das heute viel verwendete Verfahren von HoechZentralbl. d. Bauverwaltung 1906, S.
                                    										117. zur Ermittlung der Maximalspannungen in den Gurtungen benutzt
                              									ebenfalls dieses fingierte Lastsystem, das durch Aufzeichnung von Biegungspolygonen,
                              									die den verschiedenen etwa in Betracht kommenden Laststellungen entsprechen,
                              									gewonnen wird. Demgegenüber liefert unser Vorgang bei beliebig viel Lasten und
                              									Feldern, ohne dass irgend ein Probieren erforderlich wäre, mittels eines einzigen
                              									Momentenpolygones die erforderliche Kräfteverteilung. In dem einfachsten Falle der
                              									zweiachsigen jederseits mit P belasteten Laufkatze
                              									lässt sich unmittelbar angeben: Man erhöhe die Eigenlast E um den Betrag 4P und vermindere die auf den
                              									mittleren Knotenpunkt entfallende Last um die Grösse \frac{2\,P}{l}\,a, bezw. bei einer
                              									ungeraden Anzahl von Feldern die auf die beiden mittleren Knoten entfallenden Kräfte
                              									je um die Hälfte dieser Grösse.