| Titel: | Die Wärmekraftmaschinen der Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906. | 
| Autor: | H. Meuth | 
| Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 738 | 
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                        Die Wärmekraftmaschinen der
                           								Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906.
                        Von Dr.-Ing. H. Meuth,
                           								Karlsruhe.
                        (Fortsetzung von S. 727 d. Bd.)
                        Die Wärmekraftmaschinen der Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg
                           								1906.
                        
                     
                        
                           
                           
                              Die Ueberhitzereinrichtungen der Lokomotiven.
                              
                           Nach den allgemeinen Bemerkungen im Vorbericht über die ausgestellten Lokomotiven
                              									bieten dieselben in wärmetechnischer Beziehung durch die Anwendung überhitzten
                              									Dampfes bei fast durchwegs Vierzylinderverbundbauart besonderes Interesse.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 737
                              Fig. 30 u. 31. Schmidtscher Ueberhitzer der Maffei-Lokomotiven.
                              
                           Die von der Lokomotivfabrik von J. A. Maffei in München
                              									ausgestellte ⅖ gekuppelte Schnellzugslokomotive für die Pfalzbahn ist mit einem Pielock-Ueberhitzer ausgerüstet; bezüglich seiner
                              									Einrichtung kann auf die Darstellung in D. p. J. Heft 37 Bd. 320, S. 590 verwiesen werden. Die vom Dampf berührte Ueberhitzerheizfläche
                              									beträgt bei dieser Lokomotive 53,4 qm und ermöglicht die Erreichung einer
                              									Dampftemperatur bis zu 350° C. Die Gesamtheizfläche, einschliesslich
                              									Ueberhitzerheizfläche beträgt 253 qm. Zur Verhütung zu starken Abröstens, was bei
                              									der Berührung der hoch erhitzten Heizrohre mit Dampf leicht eintritt, werden die
                              									Heizrohre galvanisch verzinkt. Bei einigen Ausführungen der Firma J. A. Maffei sind die Heizrohre, soweit sie im
                              									Ueberhitzer liegen, zu ihrem Schütze mit einem dünnen Messingmantel überzogen.
                           Zwei andere von J. A. Maffei ausgestellte
                              									Schnellzugslokomotiven für die bayrische Staatsbahn, die eine 2/6gekuppelt,
                              									welche durch ihre riesigen Abmessungen und durch ihre bemerkenswerte, der hohen
                              									Geschwindigkeit (150 km/Std.) Rechnung tragende äussere Form besonderes Interesse erweckt, die
                              									andere ⅖ gekuppelt, sind ebenfalls Vierzylinder-Verbundlokomotiven, mit Schmidtschem Ueberhitzer ausgerüstet. Bei diesem
                              									Ueberhitzer wird der Dampf durch ein Rohrsystem geleitet, welches von den Heizgasen
                              									umspült wird und teilweise in die Heizrohre hineinragt. Die Fig. 30 u. 31. geben
                              									Darstellungen davon. Der ursprüngliche Schmidtsche
                              									Ueberhitzer für Lokomotiven bestand aus einer Rohrspirale in der Rauchkammer; dieser
                              									wurde ein Teil der Rauchgase durch ein Flammrohr von etwa dem siebenfachen
                              									Durchmesser der Heizrohre zugeführt. Bei der hier ausgefühlten neueren Konstruktion
                              									sind 18 Rohre von grösserem Durchmesser (126 mm l. W.) in einem Teil des
                              									Kesselquerschnitts, der beim gewöhnlichen Kessel ganz mit Heizröhren ausgefüllt ist,
                              									untergebracht, die, in gleicher Weise wie die Heizrohre, in der Rauchkammerwand und
                              									in der Wand der Feuerbüchse eingewalzt sind.
                           In jedes dieser Rauchrohre von grösserem Durchmesser wird ein Ueberhitzer Element
                              									gesteckt, bestehend aus vier natlosen Stahlrohren, durch welche der Dampf mit mehrmaligem
                              									Richtungswechsel strömt. Die Rohre sind in der Rauchkammer nach oben abgebogen und
                              									in einen gemeinschaftlichen Flansch eingewalzt. Die Flanschen sämtlicher
                              									Ueberhitzerelemente werden in der Rauchkammer an einen gemeinschaftlichen
                              									Sammelkasten geschraubt, der so geteilt und mit dem Kessel verbunden ist, dass der
                              									nasse Dampf aus Rohr A durch Raum B des Ueberhitzerkopfes erst durch sämtliche
                              									Ueberhitzerröhren hindurchströmen muss, ehe er zum Raum C und von da zur Maschine gelangt. Die Befestigung jedes einzelnen
                              									Ueberhitzerrohrflansches am Sammelkasten geschieht durch eine einzige Schraube,
                              									welche in der Mitte von je zwei abzudichtenden Oeffnungen sitzt, so dass ein
                              									Schiefziehen des Flansches ausgeschlossen ist. Nach Lösung einer solchen Schraube
                              									kann das betreffende Ueberhitzerelement für sich ohne an den nebenliegenden
                              									Elementen zu rühren, mit Flansch und Schraube zusammen entfernt werden. Das ist ein
                              									sehr wichtiger Vorteil dieses Ueberhitzers, wenn einmal ein Rohr schadhaft werden
                              									sollte. Die Feuergase gehen zum Teil durch die normalen Heizrohre nach der
                              									Rauchkammer, zum Teil durch die mit Ueberhitzerelementen versehenen grossen
                              									Rauchrohre, auf welchem Wege sie ihre Wärme teils an den in den Ueberhitzerröhren
                              									zirkulierenden Dampf, teils an das Kesselwasser abgeben. Durch Klappen, welche in
                              									der aus Fig.
                                 
                                 										30 ersichtlichen Weise vor den weiten Rauchrohren angebracht sind und sich
                              									vom Führerstand aus verstellen lassen, wird es ermöglicht, den Ueberhitzer zu
                              									regulieren oder ganz abzustellen. Letzteres ist immer dann erforderlich, wenn der
                              									Dampf abgestellt wird. Zu diesem Zweck sind die Ueberhitzerklappen so angeordnet,
                              									dass sie durch ihr eignes Gewicht zufallen, wenn der Regulator geschlossen wird und
                              									die Dampfströmung in den Ueberhitzerröhren aufhört.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 738
                              Fig. 32. Schmidtscher Ueberhitzer der Lokomotiven von Krauss & Co.
                              
                           Dadurch, dass den Feuergasen der Durchzug durch den Ueberhitzer versperrt ist, sobald
                              									die kühlende Wirkung des strömenden Dampfes aufhört, werden die Ueberhitzerrohre
                              									sehr geschont. Das Regulieren der Ueberhitzung geschieht vom Führerstand aus durch
                              									ein Handrad mit einer Skala, welche den Grad der Klappenöffnung anzeigt. Das
                              									selbsttätige Schliessen der Klappen bei sich schliessendem Regulator ist von dieser
                              									Einrichtung unabhängig, so dass durch eine verkehrte Handhabung derselben der
                              									Ueberhitzer nicht gefährdet werden kann.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 738
                              Fig. 33. Heissdampflokomobile von Esterer.
                              
                           Wenn die Lokomotive steht, sind natürlich die Klappen immer geschlossen. Um sie bei
                              
                              									Reinigung des Ueberhitzers nicht besonders öffnen und festhalten zu müssen, sind
                              									sie auf einfache Weise durch die Kette K mit der
                              									Rauchkammertür so gekuppelt, dass die Klappen beim Oeffnen der letzteren sich
                              									ebenfalls öffnen. Die Kette hängt bei geschlossener Rauchkammertür so weit durch,
                              									dass sie weder das Oeffnen noch das Schliessen der Klappen hindert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 739
                              Fig. 34. Heissdampflokomobile von Esterer.
                              
                           Die ⅖ gekuppelte Maffeische Lokomotive hat eine
                              									Ueberhitzerheizflache von 41,7 qm bei einer Heizfläche der Feuerbüchse von 13,8
                              									und der Siederohre von 209,2 qm und bei einer Rostfläche von 3,8 qm. Bei der ⅗
                              									gekuppelten Lokomotive sind diese Werte 34,5, 14,5, 149 und 3,25 qm.
                           Von den von der Lokomotivfabrik Krauss & Comp. A.-G.
                              									in München ausgestellten Lokomotiven sind drei mit Schmidtschen Ueberhitzern ausgerüstet: eine 2/4 und eine ⅖ gekuppelte
                              									Personenzug-Tenderlokomotive und eine 2/2 gekuppelte Motorlokomotive, sämtlich für die
                              									bayrische Staatsbahn und mit den oben genannten Maffeischen Lokomotiven im Gebäude des Verkehrsministeriums aufgestellt.
                           Die Konstruktion der Ueberhitzer stimmt im wesentlichen mit der oben beschriebenen
                              									überein und weicht nur, wie aus Fig. 32 hervorgeht,
                              									insofern davon ab, als nur zwei Reihen der weiten Rohre übereinander vorhanden sind
                              
                              									statt drei bei den Maffeischen Lokomotiven und die
                              									Ueberhitzerrohre von unten statt vorn am Sammelkasten mittels Einhängeschrauben
                              									befestigt sind. Diese letztere Anordnung ermöglicht einen sehr raschen Ausbau der
                              									Ueberhitzerelemente und eine gedrängte Bauart des Ueberhitzers.
                           Die ausgestellten Kraussschen Lokomotiven, alle als
                              									Zwillingsmaschinen ausgeführt, haben in der oben angeführten Reihenfolge die
                              									nachstehenden Heizflächen: Ueberhitzerheizfläche: 19,2, 20,19, 7, 9 qm; gesamte
                              									übrige Heizfläche; 81,1 5, 98,35, 31,62 qm; bei Rostflächen von 1,69–1,0
                              									veränderlich, 1,96 und 0,6 qm.
                           Die Verwendung von Heissdampf im Lokomotivbetriebe ist heute schon sehr verbreitet;
                              
                              									mit Schmidtschen Ueberhitzern allein waren bis Anfang
                              									Mai 1906 über 1000 Lokomotiven ausgerüstet. Die preussische Staatsbahn lässt im
                              									Etatsjahr 1906 über 400 Heissdampflokomotiven ausführen. Wie bei ortfesten Anlagen
                              									wird man auch bei Lokomotivneubauten in Zukunft in der Regel Dampfüberhitzung in
                              									Anwendung bringen.
                           
                        
                           
                              Lokomobile.
                              
                           Die Maschinenfabrik Esterer, Aktiengesellschaft in
                              									Altötting hat eine stationäre und eine fahrbare Lokomobile ausgestellt, welche nicht
                              									in Betrieb sind. Sie sind einzylindrig und mit einer vom Regulator beeinflussten Rider-Steuerung ausgerüstet, Sie zeigen die übliche
                              									Bauart und bieten im einzelnen nichts Neues. Ausserdem führt die Firma eine
                              									stationäre Verbundlokomobile im Betriebe mit Heissdampf und mit Kondensation vor.
                              									Die Maschine (Fig. 33–35) hat einen Durchmesser des Hochdruckzylinders von 260, des
                              									Niederdruckzylinders von 450 mm und einen gemeinschaftlichen Hub von 480 mm. Bei 150
                              									Umdrehungen i. d. Minute und bei einem Betriebsdruck von 12 at leistet die Maschine
                              									bei der normalen Füllung von 20 v. H. und mit Kondensation 118 PSi. Am Hochdruckzylinder wird die Füllung durch einen
                              									vom Regulator beeinflussten Kolbenriderschieber mit innerer Einströmung verändert.
                              									Für gesättigten oder nur wenig überhitzten Dampf ist eine solche Bauart zweier
                              									ineinander laufender Kolbenschieber weit verbreitet; für den Fall, dass der Dampf
                              									noch mit hoher Ueberhitzung in den Zylinder gelangt, erscheint ihre Anwendung nicht
                              									als ganz ungeeignet einwandsfrei; denn schon ein einziger Kolbenschieber klemmt sich
                              									in kaltem Zustand, wenn er für den Betriebszustand dichtschliessend ausgeführt wird oder er
                              									verursacht andernfalls grossen Dampfverlust.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 740
                              Fig. 35. Heissdampflokomobile von Esterer.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 740
                              Fig. 36. Ueberhitzeranordnung der Heissdampflokomobile von Esterer.
                              
                           Um eine gute Regulierung auch bei Leerlauf zu erzielen bezw.
                              									um zu erreichen, dass bei 0-Füllung auch tatsächlich kein Dampf in den Zylinder
                              
                              									gelangt, werden die Kanäle im Grundschieber nach dem Patent Stein bei 0-Füllung vom Expansionsschieber abgesperrt und nicht mehr
                              									geöffnet; es kann daher nicht vorkommen, dass die Maschine auch bei 0-Füllung, durch
                              									die zuweilen nicht unbeträchtliche Dampfmenge in den Kanälen des Grundschiebers
                              									unter Umständen durchgeht. Der Niederdruckzylinder ist durch einen einfachen
                              									Kolbenschieber gesteuert. Weitere Einzelheiten sind aus den Darstellungen (Fig. 33 und 34)
                              									ersichtlich.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 321, S. 740
                              Fig. 37. Heissdampfturbolokomobile der Allgemeinen
                                 										Dampfturbinenbaugesellschaft Nürnberg.
                              
                           Bemerkenswert ist besonders die Einrichtung zur Ueberhitzung des Dampfes. In der
                              									Rauchkammer befindet sich ein konzentrisch zum Kessel angeordneter Dampfsammler mit
                              									zwei Räumen. In den einen tritt der Kesseldampf ein, durchströmt dann die
                              									Ueberhitzerspiralen, um darauf in den zweiten Raum des Dampfsammlers und von da zur
                              									Maschine zu gelangen. Der Ueberhitzer besteht aus zehn einzelnen Rohrspiralen,
                              									welche in der aus Fig. 36 ersichtlichen Weise
                              									angeordnet sind und vom Dampf auf dem Hinwege durch die inneren und auf dem Rückwege
                              									durch die äusseren Windungen durchströmt werden. Diese Anordnung gewährt eine gute
                              									Wärmeabgabe der Heizgase an den Ueberhitzer und hat noch den besonderen Vorteil,
                              									dass die Heizrohre der Kessel vollständig zugänglich bleiben. Die Rohre können nicht
                              									nur leicht gereinigt, sondern auch einzeln herausgenommen und wieder eingesetzt
                              									werden, ohne dass der Ueberhitzer entfernt zu werden braucht. Durch eine in Fig. 33 erkennbare Dampfausblasevorrichtung können
                              
                              
                              
                              									die Rohrspiralen von Russ und Flugasche gereinigt werden. Der Ueberhitzer kann auch
                              									auf einfache Weise durch Drehung eines Handhebels ausgeschaltet werden; zu diesem
                              									Zwecke ist der Blechmantel, um welchen herum die Ueherhitzerrohre liegen, drehbar
                              									angeordnet. Die in demselben angebrachte Oeffnung kommt nach der Drehung so zu
                              									liegen, dass die Rauchgase direkt in den Unterzug abströmen. Die genannten
                              									Einrichtungen des Ueberhitzers sind der Firma Esterer
                              									durch Patente geschützt. Der Ueberhitzer hat eine Heizfläche von 19 qm, der Kessel von 40 qm.
                              									Bei einer Beanspruchung des Kessels von 14 kg Dampf f. d. qm Heizfläche wurde eine
                              									Dampftemperatur (12 at Druck) von 276°C erzielt. Nach Angaben der Fabrik beträgt
                              									unter diesen Verhältnissen und bei normaler Belastung der Dampfverbrauch 4,95 kg f.
                              									d. PSi und Stunde.
                           2. Der von der allgemeinen Dampfturbinenbaugesellschaft
                              									in Nürnberg im Zusammenbau mit einer Daipfturbine ausgestellte Lokomobilkessel ist
                              									in Fig. 37 dargestellt. Der Kessel ist ein Wellrohr
                              									Rauchröhrenkessel mit rückkehrendem Feuerzug und eingebautem Heringschen Ueberhitzer. Dieser liegt im hinteren Teile des Wellrohres;
                              
                              									seine Rohrschlangen werden von den Heizgasen gleich hinter der Feuerbrücke
                              									bestrichen. Es lassen sich dabei Dampftemperaturen von etwa 400° erzielen; freilich
                              									stellt diese Anordnung der Ueberhitzerrohre hohe Anforderungen an deren Material.
                              									Die Sammelkammern und die Verbindungen der Rohrschlangen sind dem Strom der
                              									Heizgase entzogen. Durch feuerfeste Drehklappen kann dem Ueberhitzer eine
                              									regulierbare Menge von Heizgasen von bestimmter Temperatur zugeführt oder der
                              									Ueberhitzer auch ganz ausgeschaltet werden. Die Heizgase wenden sich in der hinteren
                              
                              									Kammer des Kessels um 180° und strömen durch ein Bündel Rauchrohre wieder nach vorn
                              									und dann in den Kamin.
                           Die Feuerung besitzt einen mechanisch angetriebenen Kettenrost. Die Anordnung der
                              									Aktionsdampfturbine mit drei Geschwindigkeitsstufen, die Kupplung mit der
                              									Dynamomaschine und das Zahnradvorgelege für Transmissionsantrieb und zum Antrieb der
                              									unter dem Kessel liegenden Nassluftpumpe sind aus der Darstellung in Fig. 29 (S. 727) ersichtlich.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)