| Titel: | Unstimmigkeiten bei den französischen Luftschiffmotoren von Esnault Pelterie und Farcot. | 
| Autor: | E. Rumpier | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 7 | 
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                        Unstimmigkeiten bei den französischen
                           								Luftschiffmotoren von Esnault Pelterie und Farcot.
                        Von E. Rumpier, Ingenieur,
                           									Berlin.
                        Unstimmigkeiten bei den französischen Luftschiffmotoren von Esnault
                           								Pelterie und Farcot.
                        
                     
                        
                           Das Bedürfnis der Luftschiffahrt, das Gewicht der Luftfahrzeugmotoren im
                              									Verhältnis zu ihrer Leistung möglichst herabzudrücken, hat eine Reihe neuer
                              									Motortypen geschaffen. Zu den interessantesten unter diesen gehören zweifellos die
                              									sogenannten Sternmotoren, das sind Motoren, bei welchen die Zylinder in einer oder
                              									mehreren Reihen sternförmig um das Mittel der Kurbelwelle angeordnet sinds. D. P. J. 1908, Bd. 323, S.
                                    									509..
                           Die Sternmotoren kann man in zwei Gruppen scheiden, nämlich in die normalen
                              									Sternmotoren und in die sogenannten geklappten Sternmotoren. Die letzteren, welche
                              									immer von ungerader Zylinderzahl sein müssen, kann man sich aus den ersteren dadurch
                              									entstanden denken, daß jene Zylinder, die unterhalb der Gehäusemitte angeordnet
                              									sind, derart um 180 Grad nach aufwärts geklappt werden, daß sie zwischen die oberen
                              									Zylinder zu liegen kommen. Um die Arbeitsweise des Motors nicht zu ändern, müssen
                              									natürlich auch die Kurbelzapfen und die Steuernocken sinngemäß geklappt werden. Die
                              									geklappten Sternmotoren verdanken ihr Entstehen dem Bestreben nach Abhilfe des den
                              									normalen Sternmotoren anhaftenden Uebelstandes, nämlich des Verölens der unteren
                              									Zylinder bei horizontal angeordneter Kurbelwelle. Da weiters die Luftpropeller, zu
                              									deren Antrieb die Motoren dienen, meist mit horizontaler Achse laufen, würde bei
                              									Verwendung eines normalen Sternmotors mit vertikaler Kurbel der Einbau eines
                              									Kegelradpaares notwendig, um die Kraft von der Kurbelwelle auf die Propellerwelle zu
                              									übertragen. Die geklappten Sternmotoren dagegen können mit horizontaler Kurbelwelle
                              									laufen, da alle Zylinder in mehr oder weniger geneigter Lage nach aufwärts gerichtet
                              									sind.
                           Daß eine sternförmige Anordnung der Zylinder, von denen immer mehrere auf einen
                              									Kurbelzapfen arbeiten, eine bedeutende Gewichtserleichterung mit sich bringt, ist
                              									klar. Besonders das Kurbelgehäuse und die Kurbelwelle werden sehr kurz Letztere,
                              									welche auf Festigkeit für den Explosionsdruck gerechnet werden muß, wird auch besser
                              									ausgenützt Ein weiteres Mittel, um an Gewicht zu sparen, wurde darin gefunden, statt
                              									der üblichen getrennten Auslaß- und Einlaßventile, welche natürlich auch getrennte
                              									Gestänge benötigen, für jeden Zylinder ein gemeinsames Saug- und Auspufforgan
                              									anzuordnen. Diese gemeinsamen Ventile stellen gewöhnlich die Vereinigung eines
                              									Ventiles mit einem Kolbenschieber dar. Diese starre Verbindung ergibt gewiß einen
                              									großen Vorteil in Bezug auf Einfachheit und Leichtigkeit. Es zeigt sich aber auch
                              									bei dieser Konstruktion eine Erscheinung, welche Bedenken hervorrufen muß. Auf
                              									diese bei Doppelventilen auftretenden Unstimmigkeiten soll nun an Hand der zwei
                              									bekanntesten Vertreter der Sternmotoren, nämlich der Motoren von Esnault Pelterie und Farcot, näher eingegangen werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 7
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 7
                              Fig. 2.
                              
                           Der Esnault Pelterie-Motox (siehe Fig. 1) ist ein geklappter Sternmotor von 5 oder 7
                              									Zylindern, welche auf eine zweimal unter 180 Grad gekröpfte Kurbelwelle arbeiten,
                              									und zwar wirken 3, bezw. 4 Zylinder auf einen Kurbelzapfen, während die übrigen 2,
                              									bezw. 3 Zylinder, deren Ebene natürlich um die Entfernung der Mittel der bei den
                              									Kurbelzapfen gegen die Ebene der ersten verschoben ist, auf den zweiten Kurbelzapfen
                              									wirken. Zentral im Zylinderkopf jedes Zylinders ist nun ein Doppelventil angeordnet,
                              									welches aus einem flachen Ventil und einem Kolbenschieber besteht, welcher mit
                              									ersterem aus einem Stück angefertigt ist. Ein solches Ventil muß 3 bestimmte
                              									Steuerstellungen einnehmen können, und zwar die Schluß- oder Arbeitsstellung, die
                              									Saugstellung, und die Auspuffstellung. Zu diesem Zwecke muß der Steuernocken St (s. Fig. 2), welcher
                              									das Doppelventil betätigt, natürlich zweistufig sein, d.h. er muß drei verschieden
                              									hohe Rasten besitzen. Betrachtet man das von Esnault
                                 										Pelterie benutzte Doppelventil in den verschiedenen Stellungen, welches es
                              									im Laufe eines Viertaktes einnimmt, so bemerkt man, daß in einigen Stellungen Saug-
                              									und Auspuffleitung miteinander in Verbindung stehen. In Fig. 3 sind verschiedene solche Stellungen gezeichnet, und zwar
                              									entsprechen die mit Ziffern bezeichneten Ventilstellungen den mit den
                              									gleichlaufenden Ziffern bezeichneten Nockenstellungen (Fig.
                                 										2). 1 bedeutet die Arbeitsstellung, das Ventil ist geschlossen; 2 ist die
                              									Stellung des Ventils während des. Auspuffes; 4 ist die Stellung des Ventils während
                              									des Saugens. Zwischen diesen Stellungen nimmt das Ventil jedoch auf kurze Zeit die
                              									Stellung 3 ein. Gibt man sich darüber Rechenschaft, was im Motor und in den
                              									Leitungen vor sich geht, während sich das Ventil in dieser letztgenannten Stellung
                              									befindet, so kommt man zu nicht ganz unbedenklichen Ergebnissen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 8
                              Fig. 3.
                              
                           Der Motor hat eben ausgepufft (Stellung 2) und ist im Begriff, in die Saugperiode
                              									(Stellung 4) einzutreten. Es ist möglich, daß, während sich das Ventil in der
                              									Stellung 3 befindet, der mit Auspuffgasen erfüllte schädliche Raum noch unter einem
                              									gewissen Ueberdruck steht. Da das Ventil in dieser Stellung die Saugleitung bereits
                              									geöffnet hat, so werden daher die Auspuffgase, welche noch immer aus dem schädlichen
                              									Raum strömen, nicht nur ins Freie, sondern auch in die Saugleitung expandieren. Es
                              									ist nun leicht möglich, daß dadurch in der Saugleitung Strömungsstörungen auftreten,
                              									welche den bei der Benzindüse herrschenden Unterdruck zeitweise aufheben und daher
                              									den aus der Düse des Vergasers hervortretenden Benzinfaden zum Abreißen bringen.
                           Wird der Steuernocken aber so ausgebildet, daß beim Eröffnen der Saugleitung der
                              									Motorkolben bereits im Abwärtsgehen begriffen ist, so dass in der Stellung 3 im
                              									Zylinder nicht Ueberdruck sondern Unterdruck herrscht, dann wird nicht nur aus der
                              									Saugleitung bei S sondern auch aus den Auspufföffnungen
                              									bei A Ansaugen stattfinden, d.h. es wird verdünntes,
                              									schlechtes Gemisch im Zylinder entstehen. Jedenfalls sehen wir, daß die
                              									Stellung 3 des Ventils eine Störung in der richtigen Arbeitsweise bedeutet.
                           Betrachten wir nun das Ventil in Stellung 5. Dasselbe steht in dieser Stellung so wie
                              									früher in der Stellung 3, d.h. Saug- und Auspuffleitung sind gleichzeitig offen, der
                              									Kolben saugt jetzt noch Gemisch an. Die Folge davon wird sein, daß die in der Nähe
                              									des Auspuffes befindlichen Verbrennungsrückstände zurückgesaugt werden, welche eine
                              									unerwünschte und schlechte, weil sauerstofflose „Zusatzluft“ darstellen.
                              									Dadurch wird das Gemisch natürlich verschlechtert, und eine feinere Regulierung
                              									desselben erschwert.
                           Man betrachte nunmehr das Ventil in der Stellung 6. Diese Stellung stimmt mit der
                              									Stellung 2, also mit der Auspuffstellung überein. Der Kolben hat seinen Saughub
                              									beendet und der Motor tritt nunmehr in die Kompressionsperiode ein. Während dieser
                              									Periode sollten natürlich sämtliche Ventile geschlossen sein; dies ist aber, wie man
                              									sieht, zunächst nicht der Fall, sondern vorerst ist der Auspuff noch voll offen.
                              									Dadurch wird durch den vorwärtsgehenden Kolben ein Teil des angesaugten Gemisches
                              									wieder ausgeschoben. Wie bekannt, ist nun das vom Kolben angesaugte Gemisch derart
                              									geschichtet, daß das in der Nähe des Kolbens befindliche, zuerst angesaugte am
                              									schlechtesten ist, weil es mit den im schädlichen Raum verbliebenen
                              									Verbrennungsrückständen vermischt ist, während das zuletzt angesaugte, also am
                              									weitesten vom Kolbenboden entfernte Gemisch am reichsten ist, und gerade dieses die
                              									meiste Energie enthaltende Gemisch wird wieder ausgeschoben. Daß dies für die
                              									Wirtschaftlichkeit des Explosionsmotor nicht günstig sein kann, liegt klar auf der
                              									Hand. Derartig konstruierte Motoren müssen notwendigerweise eine relativ kleine
                              									Motorleistung ergeben, durch welchen Umstand die durch obige Ventilkonstruktion
                              									erzielten Gewichtsersparnisse als zu teuer erkauft erscheinen.
                           Esnault Pelterie steuert nun die Doppelventile aller in
                              									einer Ebene liegenden Zylinder nicht durch nebeneinander angeordnete Doppelnocken,
                              									sondern er hat die einzelnen Doppelnocken am Umfang einer Scheibe aufgewickelt
                              									(siehe Fig. 2).
                           Diese Scheibe rotiert entgegen der Kurbeldrehrichtung mit einer Geschwindigkeit,
                              									welche gleich ist \frac{1}{n-1} der Geschwindigkeit der
                              									Kurbelwelle, wenn n die Zahl aller Zylinder ist.
                              									Dadurch erreicht Esnault Pelterie eine abwechselnde
                              									Koinzidenz jedes Nockens mit jedem Zylinder, ähnlich wie dies bei den Teilstrichen
                              									eines Noniusmaßstabes eintritt, wenn man den Nonius am Maßstab verschiebt. Die Zahl
                              									der notwendigen Doppelnocken beträgt dabei \frac{n-1}{2}.
                              									(Näheres über diese äußerst interessanten Verhältnisse siehe „Mémoires et compte
                                 										rendu des Travaux de la Société des Ingénieurs civils,“ Paris, Dezember
                              									1907, No. 12.) Durch diese Anordnung der Nocken fallen die Steuerscheiben sehr groß
                              									aus, so daß die Uebergänge zwischen den einzelnen Rasten nur einem kleinen
                              									Verdrehungswinkel der Nocken entsprechen. Da jedoch die Nockenwelle nicht mit der
                              									halben Tourenzahl der Kurbelwelle rotiert, sondern bedeutend langsamer, so geht
                              									dadurch der Vorteil der großen Nockenscheiben wieder teilweise verloren.
                           Farcot baut 8-zylindrige, normale Sternmotoren, deren
                              									Zylinder in horizontalen Ebenen liegen. Die Kurbelwelle ist vertikal, und ihre
                              									Drehung muß erst durch ein Kegelräderpaar auf die horizontale Propellerwelle
                              									übergeleitet werden. Die 8 Zylinder sind gleichmäßig im Kreise verteilt, jedoch
                              									sind 4 Zylinder in einer Ebene, und die vier dazwischenliegenden Zylinder in einer
                              									zu dieser parallelen Ebene, welche etwas gegen die erstere versetzt ist, angeordnet.
                              									Die Kurbelwelle ist demgemäß zweimal unter 180 Grad gekröpft und auf jeden
                              									Kurbelzapfen wirken 4 in einer Ebene liegende Zylinder. Die Pleuelstangen neuester
                              									Konstruktion sind denen von Esnault Pelterie sehr
                              									ähnlich. Auch Farcot verwendet ein sogenanntes
                              									Doppelventil, welches ähnlich wie bei Esnault Pelterie
                              									aus einem Ventil und einem damit starr verbundenen Kolbenschieber besteht. Dieses
                              									Doppelventil ist jedoch bei Farcot nicht zentral im
                              									Zylinderkopf angeordnet, sondern in einem seitlichen Ausbau (Fig. 4). Das Ventil wird wieder durch zweistufige
                              									Nocken St (Fig. 5)
                              									betätigt, welche aber hier nebeneinander angeordnet sind und mit der halben
                              									Tourenzahl des Motors rotieren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 9
                              Fig. 4.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 9
                              Fig. 5.
                              
                           Als ein schwerer Fehler der Farcotschen Konstruktion muß bezeichnet werden, daß das Ventil nicht in
                              									der der Kurbelwelle zugekehrten Wandung des seitlichen Ausbaues seinen Sitz findet,
                              									sondern in der von der Kurbelwelle abliegenden Wandung desselben. Deshalb muß Farcot die Ventilspindel durch den Verbrennungsraum
                              									hindurch nach dem Steuernocken führen. Die Führung der Ventilspindel muß natürlich
                              									gegen diese etwas Luft haben. Dadurch ist es nun unmöglich, den Kompressionsraum
                              									dicht abzuschließen und eine richtige Kompression zu erzeugen und zu halten. Die
                              									beim Motor von Esnault Pelterie besprochenen
                              									Unstimmigkeiten treten auch hier in derselben Weise auf (siehe Fig. 6). Teilweise scheint dies Farcot erkannt zu haben, denn er rechnet z.B. damit,
                              									daß beim Saugen zusätzliche Luft durch die Auspuffleitungen mit angesaugt wird. Er
                              									läßt deshalb aus dem Vergaser überreiches Gemisch ansaugen, welches sich erst durch
                              									die aus den Auspufföffnungen mit angesaugte Luft im richtigen Verhältnis verdünnt.
                              									Da Farcot gegen Schluß der Saugperiode nur Luft
                              									ansaugt, weil der Schieber die Saugleitung schon geschlossen hat, so ist bei ihm
                              									wenigstens die Stellung 5 (siehe Fig. 6) nicht so
                              									gefährlich, denn der Motor schiebt beim Beginn der Kompression eben nur Luft aus.
                              									Der Dauer der gefährlichen Stellungen entsprechen bei dem Farcotmotor viel größere
                              									Verdrehungswinkel der Nocken als beim Motor von Esnault
                                 										Pelterie, denn die Nocken Farcots sind klein,
                              									da sie jedoch mit einer größeren, relativen Geschwindigkeit rotieren wie die
                              										Esnault Pelteries, nämlich mit der halben
                              									Tourenzahl der Kurbelwelle, so ist der Drehwinkel der Kurbel, während welchem das
                              									Ventil die besprochenen, unrichtigen Stellungen einnimmt, auch nicht größer wie bei
                              										Esnault Pelterie.
                           Um über die ungünstigen Stellungen in möglichst kurzer Zeit hinwegzukommen, macht Farcot die Rampen zwischen den einzelnen Rasten sehr
                              									steil (s. Fig. 5). Diese Maßregel dürfte aber nur
                              									geringen Wert haben, da bekanntlich bei zu steilen Nockenrampen sich die Rolle
                              									infolge der Massenwirkung des Gestänges eben einfach vom Nocken abhebt. Durch das
                              									darauf folgende Aufschlagen der Rolle auf den Nocken wird dieser nur vorzeitig
                              									abgenutzt und verändert bald seine richtige Form.
                           Die hierbesprochenen Unstimmigkeiten können nur dann als eben noch zulässig
                              									bezeichnet werden, wenn die Zeit, während welcher das Doppelventil sich in den
                              									ungünstigen Stellungen befindet, eine möglichst kurze ist, was durch sehr große und
                              									relativ nicht zu langsam rotierende Nokkenscheiben erreicht werden kann. Ein
                              									jedenfalls besseres und die gerügten Uebelstände sicher beseitigendes Mittel wäre
                              									jedoch dies, Ventil und Schieber nicht starr miteinander zu vereinigen, sondern
                              									jedes für sich zu steuern. Das Ventil hätte den Abschluß bei hohem Druck zu besorgen
                              									und sollte nur während derjenigen Perioden offen stehen, während welcher kein
                              									höherer Druck im Zylinder ist. Der Schieber dagegen, welcher sich immer in der
                              									Sphäre relativ niederen Druckes bewegt, brauchte nicht auf besonders gutes
                              									Dichthalten, sondern mehr auf leichtes reibungloses Gleiten konstruiert zu werden,
                              									da er weniger Abschlußorgan, sondern mehr steuerndes Verteilorgan ist. Eine
                              									besondere Gewichtsvermehrung ist durch das getrennte Steuern von Ventil und Schieber
                              									bei geschickter Konstruktion nicht zu befürchten, wie bereits einige nach diesem
                              									Prinzip ausgeführte Motoren gezeigt haben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 9
                              Fig. 6.