| Titel: | Beitrag zur Kinematik der Krane mit einziehbarem Ausleger. | 
| Autor: | Otto Schaefer | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 113 | 
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                        Beitrag zur Kinematik der Krane mit einziehbarem
                           								Ausleger.
                        Von Dr.-Ing. Otto Schaefer.
                        [Beitrag zur Kinematik der Krane mit einziehbarem
                           								Ausleger.]
                        
                     
                        
                           Bei Kranen mit einziehbarem Ausleger liegt fast stets der Wunsch vor, daß die
                              									Last sich auf einer wagerechten Geriden bewegen soll, wenn bei stillstehendem
                              									Hubwerk, also konstanter Seillänge, der Ausleger eingezogen oder ausgeschwenkt
                              									wird.
                           Die Erfüllung dieses Wunsches stößt jedoch schon in dem einfachsten Fall, wo die Last
                              									an nur einem Seilstrang hängt, der über eine Rolle im Auslegerkopf zum Hubwerk
                              									führt, auf Schwierigkeiten; der Auslegerkopf bewegt sich nämlich aus praktischen
                              									Gründen auf einem Kreisbogen, während nach einem aus der
                              									Planimetrie bekannten Satze der geometrische Ort für alle Punkte, bei denen die
                              									Summe der Abstände von einem festen Punkt (dem Hubwerk) und einer Geriden (der
                              									gewünschten Bewegungslinie) konstant ist, eine Parabel darstellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 113
                              Fig. 1.
                              
                           Die Erfüllung des Wunsches, die Last auf einer Geraden zu bewegen, ist also
                              									vollkommen unmöglich, wohl aber könnte man es so einrichten, daß der praktisch
                              									verwirklichte Kreis- und die theoretisch erwünschte Parabel in drei Punkten, etwa an
                              									beiden Enden und in der Mitte zusammenfallen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 113
                              Fig. 2.
                              
                           Stellt man dann das Hubwerk in den Brennpunkt der Parabel, so ist die Last an den
                              									Enden und in der Mitte der Bewegung in derselben Höhe. Der Brennpunkt A wird am leichtesten durch Probieren gefunden, indem
                              									man bedenkt, daß in Fig. 1 die Abstände des
                              									Brennpunktes A von den Punkten C bzw. D um c
                              									bzw. d größer sein müssen, als die Strecke AB. Man wählt also AB so
                              									groß, daß die drei um C, B und D mit dem Radien AB, AB + c und AB + d geschlagenen Kreise durch einen Punkt
                              									gehen. Theoretisch ist damit eine Lösung der Aufgabe gefunden, aber wie man aus der
                              									Figur ohne weiteres ersieht, ist sie praktisch unbrauchbar, da das Hubwerk aus aller
                              									Verbindung mit der übrigen Konstruktion geraten würde.
                           Aber selbst dann, wenn man die Ansprüche weiter reduziert und nur verlangt, daß die
                              									Last an zwei Punkten ihres Weges, etwa bei einem Viertel und bei drei Vierteln, in
                              									derselben Höhe hängen soll, kommt man nicht zu brauchbaren Ergebnissen.
                           Sucht man sich die Lagen des Hubwerkes aus (Fig. 2),
                              									bei denen AC = AB + c ist,
                              									so erkennt man, daß sie auf einer Kurve – einer Hyperbel mit den Brennpunkten B und C – liegen, welche
                              									an keiner Stellederübrigen Krankonstruktion nahe genug kommt, um das Hubwerk dort
                              									unterbringen zu können. Hängt die Last an zwei oder mehr Strängen, so fällt sogar
                              									die theoretische Möglichkeit fort, die Last an zwei Punkten in gleiche Höhe zu
                              									bringen, weil nämlich die betreffenden, um B und C zu schlagenden Kreise sich nicht mehr schneiden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 113
                              Fig. 3.
                              
                           Liegt umgekehrt der praktisch wohl kaum vorkommende Fall vor, daß (Fig. 3) die Last an einem Strang hängt, während vom
                              									Auslegekopf zum Hubwerk mehrere, z.B. drei Seilstränge führen, wie in der Figur
                              									angenommen, so ergibt sich bei einer augenscheinlich brauchbaren Lage des Hubwerkes
                              									die gezeichnete Bewegungslinie.
                           In den allerwenigsten Fällen ist es möglich, eine wagerechte Bewegung der Last
                              									herbeizuführen, also dem Einziehwerk nur diejenige Arbeit zuzumuten, die zur
                              									Ueberwindung der Reibungswiderstände und zum Heben des Auslegergewichtes
                              									erforderlich ist, sondern es übernimmt noch einen Teil der zum Heben der Last
                              									nötigen Arbeit. Bei den meisten der üblichen Anordnungen ist das Einziehwerk in den
                              									verschiedenen Lagen des Auslegers verschieden belastet, mit dem unangenehmen
                              									Erfolge, daß die Dimensionierung mit Rücksichtnahme auf die ungünstigste Stellung
                              									geschehen muß und daß in allen anderen Lagen schlechte Ausnutzung stattfindet.
                           Die Forderung gleicher Kraft im Einziehwerk läßt sich in vielen Fällen erfüllen. In
                              										Fig. 4 ist angenommen, daß der Ausleger aus
                              									einer um A drehbaren Druckstrebe und einer Zugstrebe
                              									steht, deren Ende mit Rollen versehen ist und auf einer gekrümmten Bahn läuft. Die Bewegung dieses
                              									Endes kann durch einen Flaschenzug bewirkt werden, wie in Fig. 4 angenommen, sie kann aber auch durch eine Schraubenspindel oder
                              									ein anderes Organ vermittelt werden. Nun soll diese Bahn eine solche Form erhalten,
                              									daß die Kraft im Einziehorgan konstant ist. Um diese Form zu finden, denke man sich
                              									die ganze Höhe, um welche der gemeinsame Schwerpunkt von Last und Ausleger gehoben
                              									wird, in eine Anzahl gleicher Teile geteilt, und in eine gleiche Anzahl ebenfalls
                              									unter sich gleicher Teile denke man sich die gesamte Strecke geteilt, um welche sich
                              									das Einziehorgan verkürzt.
                           Bei der Hebung um einen solchen Teil wird dann eine gewisse Arbeit verbraucht und
                              									eine gleiche Arbeit wird vom Einziehorgan geleistet, wenn man von Reibungsarbeit
                              									absieht. Ob das Einziehorgan hierbei in seiner Richtung bleibt, oder ob es um den
                              									Punkt B schwingt, bleibt gleichgültig. Danach läßt sich
                              									die Form der Bahn punktweise so konstruieren, daß man mit der Länge der Zugstrebe um
                              									die der Höhenteilung entsprechenden Punkte 1, 2, 3 usw. und mit den zugehörigen
                              									Längen des Einziehorganes um B Kreise schlägt; die
                              									Schnittpunkte der einander zugeordneten Kreise sind Punkte der gewünschten
                              									Kurve.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 114
                              Fig. 4.
                              
                           Bei den Verhältnissen der Fig. 4 wird die Kurve einer
                              									Geraden so ähnlich, daß man sie der einfacheren Herstellung wegen mit einer solchen
                              									vertauschen wird. In solchen Fällen ist dann der Vorteil der gleichmäßigen
                              									Beanspruchung des Einziehwerkes groß genug, um die Einführung der Bauart (Steffens & Nalle A.-G. in Tempelhof) zu
                              									rechtfertigen. Fig. 5 läßt erkennen, wie sich ein
                              									Drehkran für 1,5 t gestalten würde. Die drehbare Kranhaube ruht mittels einer
                              									Traverse auf der festen Säule und ist gegen dieselbe am untern Ende durch einen
                              									Rollenkranz abgestützt. Das Hubwerk, das Drehwerk und das Einziehwerk sind im
                              									Führerhäuschen untergebracht, so daß der Kranführer sie ständig unter Aufsicht hat
                              									und für Beseitigung von Mängeln, die sich im Betrieb einstellen, rechtzeitig sorgen
                              									kann. In anderen Fällen stößt man jedoch auf große Schwierigkeiten: sobald nämlich
                              									der Schwerpunkt von Last und Ausleger über den Drehpunkt des Auslegers kommt, ist
                              									keine Arbeit erforderlich, um den Ausleger zu bewegen, und sobald der Schwerpunkt
                              									noch etwas weiter nach innen gerückt ist, leistet sogar die Last mit dem Ausleger
                              									Arbeit, da ihr Schwerpunkt sinkt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 114
                              Fig. 5.
                              
                           Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß unter diesen Umständen von gleichbleibender
                              									Kraft im Einziehorgan nicht mehr die Rede sein kann. Man ordnet es daher in solchen
                              									Fällen entweder so an, daß ein Druckwechsel stattfindet – Schraubenspindel als
                              									Einziehorgan – oder man verwendet zwei Flaschenzüge, von denen der eine vor, der
                              									andere nach dem kritischen Punkte belastet ist.