| Titel: | Polytechnische Rundschau. | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 142 | 
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                        Polytechnische Rundschau.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Elektrische Stadt- und Vorortbahn
                              									Blankenese-Ohlsdorf.
                           (Schluß von S. 94.)
                           Die Verschiebbarkeit des Fahrdrahtes auf dem Tragdraht ermöglicht einen einfachen
                              									Einbau von selbsttätigen Nachspannvorrichtungen, die in Abständen von 800 bis 1300 m
                              									angeordnet sind. Durch diese Vorrichtungen wird ohne Nachregulieren bei sämtlichen
                              									Temperaturen eine gleichmäßige Spannung des Fahrdrahtes erhalten. Sie bestehen aus
                              									je zwei 9 m voneinander entfernten Masten, deren Ausleger gegeneinander durch einen
                              									gitterförmigen Druckträger Versteift sind. Zwischen diesen Masten laufen die
                              									Fahrdrähte der beiden Streckenabschnitte nebeneinander und zwar in einer geringen
                              									Neigung zur Wagerechten, wobei an ihre Enden je eine Kette angreift, die über Rollen
                              									geführt und mit einem Gewicht von 400 kg belastet ist. Der Uebergang des
                              									Stromabnehmers von einem Fahrdraht auf den anderen findet mitten zwischen den beiden
                              									Masten statt. An fünf Stellen sind derartige Nachspannvorrichtungen gleichzeitig zur
                              									Streckentrennung und so zur Herstellung von unabhängigen Speisebezirken benutzt.
                              									Diese Speisebezirke werden unmittelbar mit Strom von 6300 Volt Spannung versorgt bis
                              									auf einen, der über die 14,6 km lange, mit 30 000 Volt Spannung betriebene
                              									Fernleitung gespeist wird. Der Speiseleitungsanschluß an die Fahrleitung erfolgt
                              									teils über einfache, teils über selbsttätige Oelschalter, die mit Fernsteuerung
                              									versehen sind und vom Bahnsteig aus gesteuert werden können. Das Oeffnen der
                              									Schalter bei einem Kurzschluß wird sowohl durch ein Glockenzeichen als auch durch
                              									ein rotes Licht gemeldet, während nach dem Schließen ein weißes Licht
                              									aufleuchtet.
                           Das am Ende der Hochspannungsfernleitung am Bahnhof Barmbeck errichtete Transformatorenhaus besitzt vier Stockwerke und
                              									enthält im dritten Stockwerk zwei wassergekühlte Oeltransformatoren von je 650 K VA.
                              									Im gleichen Stockwerk sind die Oelschalter für 30000 Volt, sowie der
                              									Hochspannungsschutz untergebracht. Im darüber liegenden Stockwerk befinden sich der
                              									Blitzschutz, sowie die Ein- und Ausführungen der Leitungen für 30000 und 6300 Volt,
                              									im zweiten Geschoß die Oelschalter und der Ueberspannungsschutz für 6300 Volt, sowie
                              									die Niederspannungsschalttafel und im ersten Geschoß eine elektrisch angetriebene
                              									Kapselpumpe, die das Kühlwasser für die Transformatoren liefert.
                           Die Leitungsmaste sind als U-Eisen-Flachmaste oder Winkeleisen-Quadratmaste
                              									ausgeführt und, sofern sie nicht an Bauteilen verankert sind, 2 bis 3 m tief in den Erdboden
                              									eingelassen, sowie mit einem Betonfuß versehen. Zur Erhöhung der Standsicherheit
                              									sind vielfach Erdanker oder Druckplatten und bei besonders großen Horizontalzügen,
                              									sowie bei Auslegermasten auf steilen Böschungen Mastfüße mit einer starken
                              									Betonplatte an deren unterem wagerechten Teil verwendet. Auf der Außenstrecke Barmbeck–Ohlsdorf sind Joche und auf Bahnhof Bahrenfeld
                              									Querdrahtaufhängungen ausgeführt. Die Stadtstrecke besitzt meist Auslegermaste, für
                              									die zum Teil Zierformen gewählt sind. Unter Straßenüberführungen sind Tragseil und
                              									Hilfstragdraht an wagerechten Rohren befestigt, die seitlich unter Zwischenschaltung
                              									von Isolatoren an den Brückenträgern aufgehängt sind.
                           Für das rollende Material ist eine neue Einheit gewählt, die eine leichte Anpassung
                              									der Zuglängen an die wechselnde Verkehrsdichte gestattet. Diese Einheit besteht aus
                              									zwei dreiachsigen, kurzgekuppelten Wagenhälften, die je ein zweiachsiges Drehgestell
                              									an den freien Enden und je eine Laufachse vor der Kurzkupplung besitzen. Fünfzig
                              									Wagen enthalten je zwei Führerabteile an den Enden, neun Abteile dritter Klasse und
                              									fünf Abteile zweiter Klasse, die in der Mitte zu beiden Seiten der Kurzkupplung
                              									angeordnet sind. Zehn weitere Wagen besitzen außer den Führerabteilen nur Abteile
                              									dritter Klasse. Die Zahl der Sitzplätze zweiter Klasse beträgt 44, die der dritten
                              									74 in jeder Einheit. Sämtliche Abteile sind mit Seitentüren versehen und
                              									gruppenweise durch schmale Seitengänge miteinander verbunden. Zur Bremsung werden
                              									nur die Drehgestellachsen herangezogen, und zwar kann sowohl die Luftdruckbremse
                              									Knorr, als auch eine Handbremse benutzt werden. Die
                              									Lieferung der Wagen erfolgte von der Breslauer
                                 										Aktien-Gesellschaft für Eisenbahnwagenbau und von van der Zypen & Charlier in Cöln-Deutz.
                           Die von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft mit
                              									elektrischer Ausrüstung versehenen Wagen besitzen zwei durch Druckluft gesteuerte
                              									Stromabnehmerbügel für Hochspannung, sowie getrennte Stromabnehmer für
                              									Niederspannung, die als Rollenstromabnehmer ausgebildet sind und für die Bewegung
                              									vor und innerhalb der Wagenschuppen unter Benutzung einer entsprechend gespeisten
                              									Hilfs-Oberleitung dienen. Von den Stromabnehmern gelangt der hochgespannte Strom
                              									über Trennschalter, eine Drosselspule, eine Hochspannungssicherung und einen
                              									Handölschalter mit selbsttätiger Höchststromauslösung zu dem Leistungstransformator,
                              									der Strom von 450 und 720 Volt liefert. Ferner sind zwei Erregertransformatoren
                              									vorhanden, die drei verschiedene Spannungen abgeben können. Die Umsetzung in
                              									mechanische Energie erfolgt in drei Motoren, die mittels einfachem Zahnradvorgelege
                              									(1 : 4,22) die zugehörigen Fahrzeugachsen antreiben. Die Motoren besitzen ein
                              									zweiteiliges Gehäuse und Lagerschilder an den Stirnseiten. Der Stator ist nach Art
                              									von Induktionsmotoren aus genuteten Blechen aufgebaut und trägt eine vierpolige
                              									Wicklung. Der Rotor ist wie ein Gleichstromanker ausgeführt. Auf dem Kommutator
                              									schleifen zwei Satz Kurzschlußbürsten und ein Satz Erregerbürsten. Die letzteren
                              									werden an den Stufentransformator, die Klemmen des Stators an den
                              									Leistungstransformator mittels elektrisch gesteuerter Schützen angeschlossen. Durch
                              									entsprechende Wahl dieser Spannungen wird eine Regelung der Motoren bewirkt. Die
                              									Umkehrung der Motordrehrichtung wird mittels eines elektrisch gesteuerten
                              									Fahrtrichtungsschalters ausgeführt, mit dessen Umstellung gleichzeitig ein
                              									selbsttätiges Umlegen der Stromabnehmerbügel in die entsprechende Fahrtrichtung
                              									bewirkt wird. Die Motoren haben eine Stundenleistung je von ungefähr 115 PS. Sie
                              									werden durch einen auf der Ankerachse sitzenden Ventilator kräftig gelüftet,
                              									der durch die hohle Achse frische Luft ansaugt. Die zur Steuerung der Motoren
                              									dienenden Fahrschalter haben je eine Hauptwalze für die Steuerung der Schützen und
                              									eine Fahrtrichtungswalze für die Steuerung des entsprechenden Schalters. Neben den
                              									hierzu nötigen durch den Zug gehenden Leitungen sind vier weitere Hilfsstromkreise
                              									vorhanden, die zur Speisung der Luftpumpenmotoren, der Wagenbeleuchtung, der
                              									Signalbeleuchtung und der Heizung dienen. Die Heizleitung ist über den Fahrschalter
                              									geführt und nur in der Nullstellung desselben geschlossen, damit das Kraftwerk neben
                              									dem Anfahrstrom nicht auch noch gleichzeitig den immerhin beträchtlichen Heizstrom
                              									zu liefern hat. Infolgedessen wird die Große der Belastungsspitzen im Kraftwerk
                              									verringert. Die Hochspannung- und die Niederspannungsstromabnehmer sind
                              									gegeneinander verriegelt; ferner ist von der Stellung der Hochspannungsbügel die
                              									Lage eines Schalters abhängig gemacht, der die Steuer- und Hilfsstromkreise entweder
                              									an die 300 Volt-Leistung des Leistungstransformators oder an die
                              									Niederspannungsrolle anschließt. Im Führerstand befindet sich außer dem Fahrschalter
                              									ein Bremsventil der Luftdruckbremse, das Handrad der Handbremse, sowie der
                              									sogenannte Ordnungshebel, durch den eine Scheibe vor der roten Schlußlaterne, die
                              									Signalbeleuchtung, sowie ein in der zur Steuerung der Hochspannungsbügel dienenden
                              									Luftleitung liegender Hahn gesteuert werden. Außerdem sitzen noch ein Strommesser
                              									und zwei Manometer an der Wand. Sämtliche Hochspannung führende Apparate sind in
                              									einer besonderen Kammer untergebracht, deren Tür ein Ventil steuert, das in der
                              									Luftleitung zur Steuerung der Hochspannungsbügel liegt. Hierdurch wird beim Oeffnen
                              									der Hochspannungskammer ein Abziehen der Stromabnehmer bewirkt. Zur Sicherung gegen
                              									Blitzschläge dient ein Rollenblitzableiter mit Kohlewiderständen.
                           Die von den Siemens-Schuckertwerken gelieferten
                              									Wagenausrüstungen sind ähnlich ausgeführt. Nur sind an Stelle von drei Motoren zwei
                              									von je 175 PS Stundenleistung in das Drehgestell der Wagenhälfte mit den
                              									Stromabnehmerbügeln eingebaut. Die Motoren sind als Reihenschlußmotoren ausgeführt
                              									und besitzen auf dem Stator neben der Kompensationswicklung zwei Erregerwicklungen,
                              									eine für jede Fahrtrichtung. Ein Teil der Kompensationswicklung dient gleichzeitig
                              									zur Erregung der Wendepole. Die Speisung erfolgt aus einem einzigen
                              									Leistungstransformator, dem zur Regelung der Spannung Strom von 150 bis 330 Volt in
                              									fünf Stufen mittels elektrisch gesteuerter Schützen entnommen wird. Der auf diesen
                              									Wagen verwendete Hochspannungs-Stromabnehmerbügel legt sich beim
                              									Fahrtrichtungswechsel selbsttätig um. Das Gesamtgewicht eines Motorwagens mit
                              									A.E.G.-Ausrüstung beträgt 71 t, mit S.S.W.-Ausrüstung 69 t. Auf die elektrische
                              									Ausrüstung entfallen hiervon 17 und 15,5, auf einen Motor 2,9 und 2,85 t.
                           Für die Bildung der Züge, die Untersuchung, Reinigung und Ausbesserung der Wagen
                              									dient ein Betriebsbahnhof in Ohlsdorf, der einen
                              									Wagenschuppen mit 30 Motorwagenständen und die nötigen Werkstattanlagen besitzt. Der
                              									Wagenschuppen besitzt eine Dampfheizungsanlage, die so bemessen ist, daß durch sie
                              									die Vorheizung der Motorwagen erfolgen kann. Eine besondere Wagenrevisionshalle
                              									enthält fünf Ausbesserungsstände und ein Aufstellgleis für Ersatzdrehgestelle.
                           Die Kosten des Kraftwerkes, dessen Gesamtleistung 5950 KW beträgt, belaufen sich
                              									einschließlich Grunderwerb auf 3270000 M. Die Leitungsanlage mit etwa 63 km
                              									Fahrleitung hat 1650000 M., die Kraft- und Lichtleitung der Bahnhöfe 150000 M. gekostet. Die
                              									Betriebswerkstatt Ohlsdorf erforderte ausschließlich der
                              									Bahnhofsgeleise, Stellwerke usw. rund 1000000 M. und die Beschaffung der 60
                              									Motorwagen rund 6000000 M.
                           Bezüglich des Betriebes sei angegeben, daß die Zugstärke sich möglichst dem Verkehr
                              									anpaßt und vorläufig zwischen ein und drei Motorwagen wechselt. Als Reserve wird in
                              										Ohlsdorf und Altona je ein
                              									Reservezug und auf den Stationen Hasselbrock und Blankenese je ein Ersatzwagen bereit gehalten. Werktags
                              									werden 8050 Zugkilometer und 12900 Motorwagenkilometer, Sonntags 8010 und 11340 km
                              									geleistet. Der Stromverbrauch für das Motorwagenkilometer hat sich ohne Heizung und
                              									Beleuchtung zu etwa 2,7 KW/St. ergeben. Infolgedessen hat das Kraftwerk jährlich
                              									rund 13000000 KW/St, für den Antrieb der Motorwagen und für Heizung und Beleuchtung
                              									noch etwa 2000000 KW/St, zu leisten. Die Steuerung der Motorwagen wird zur Zeit
                              									durch geprüfte Lokomotivheizer bewirkt, die jedoch nach und nach durch geprüfte
                              									Hilfswagenführer ersetzt werden sollen. Außerdem befindet sich auf jedem Zuge ein
                              									den Befehl führender Schaffner, der während der Fahrt seinen Platz im Führerabteil
                              									hat. Zu der nachts in der Betriebspause vorzunehmenden Untersuchung der Leitungen
                              									sind zwei Gleichstrommotorwagen mit Akkumulatoren beschafft. Diese enthalten eine
                              									kleine Werkstatt und sind auf dem Dache mit einer drehbaren Plattform versehen, die
                              									herausgeschwenkt werden kann und alsdann auch die Vornahme von Arbeiten an der
                              									Oberleitung des Nebengeleises gestattet. (Röthig).
                              									(Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen 1908 Bd. II, S. 87–93 und 109–116).
                           
                              Pr.
                              
                           
                        
                           Die Einphasen-Wechselstrombahn Thamshavn-Lokken.
                           Während in Schweden die Versuche mit dem elektrischen
                              									Betriebe von Vollbahnen erst kürzlich zum Abschluß gebracht wurden, ist in Norwegen die 28 km lange Bahn von Thamshavn am Orkedals Fjord nach den Lokken-Bergwerken bereits dem Verkehr übergeben worden. Die elektrische
                              									Energie für die Bahn wird von dem Turbinenkraftwerk Skyennald
                                 										Fossen als Drehstrom von 15000 Volt und 50 Perioden geliefert und
                              									gleichzeitig für die Beleuchtung von Thamshavn und
                              									anderer Orte an der Bahnstrecke, sowie für den Antrieb von Bergwerksmaschinen
                              									verwendet. Zur Speisung der Bahn wird die elektrische Energie mittels zweier
                              									Motorgeneratoren von je 250 KVA Leistung in Einphasen-Wechselstrom von 6600 Volt und
                              									25 Perioden umgewandelt. Jeder Umformer, der übrigens kurze Zeit 500 KVA leisten
                              									kann, besteht aus einem Drehstrominduktionsmotor und einem Einphasenstromerzeuger
                              									mit umlaufendem Felde, sowie einer angebauten Erregermaschine. Zur Speisung des
                              									Drehstrommotors wird die mit einer Spannung von 15000 Volt zugeführte elektrische
                              									Energie in zwei Oeltransformatoren auf 600 Volt herabgesetzt.
                           Das aus Schienen von 22 kg/m hergestellte Gleis hat Meterspur und ist auf
                              									Holzschwellen verlegt. Die Strecke ist eingleisig, zum größten Teil eben und gerade
                              									und weist nur am Ende einige schärfere Kurven und Steigungen bis 4 v.H. auf. Die
                              									Stromzuführung erfolgt durch einen etwa 5,5 m über S.O. mittels Tragseiles
                              									aufgehängten Kupferdraht von 65 qmm Querschnitt. Das Tragseil ist unter
                              									Zwischenschaltung von Porzellanisolatoren auf Auslegern, in den Bahnhöfen auf
                              									Querträgern gelagert, die an hölzernen Masten befestigt sind. Als Betriebsmittel
                              									sind drei Lokomotiven von je 20 t Gewicht beschafft, die je vier Motoren und
                              									zwei zweiachsige Drehgestelle besitzen. Zur Stromentnahme aus der Fahrleitung sind
                              									auf dem Lokomotivdach durch Luftdruck gesteuerte Scherenstromabnehmer mit
                              									Gleitbügeln angeordnet. Von diesen fließt der Strom über einen Hauptschalter und
                              									eine Sicherung zu einem Transformator mit Sparschaltung, dessen freie Klemme geerdet
                              									ist. Dieser Transformator besitzt mehrere Anschlüsse, von denen Strom mit
                              									stufenweise von 240 Volt bis 540 Volt steigender Spannung mittels der an jedem
                              									Fahrzeugende angebrachten Fahrschalter den parallel liegenden Motorgruppen zugeführt
                              									wird, die aus je zwei dauernd hintereinanderliegenden Motoren bestehen. Die Motoren
                              									haben je 40 PS Stundenleistung und treiben mit der Uebersetsung 14 :76 die etwa 1 m
                              									 besitzenden Laufräder an. Die Anfahrzugkraft jeder Lokomotive beträgt etwa
                              									3600 kg. Neben den Lokomotiven ist ein mit zwei Drehgestellen versehener Motorwagen
                              									vorhanden, dessen Antrieb durch zwei in demselben Drehgestell untergebrachte 40
                              									PS-Motoren erfolgt. Die elektrische Ausrüstung der Bahn wurde von der britischen Westinghouse-Gesellschaft geliefert. (The Electrician
                              									1908 S. 908–911)
                           
                              Pr.
                              
                           
                        
                           Talsperrenanlagen in Oberschlesien.
                           Die im Laufe der letzten Jahre in Schlesien erbauten Talsperren dienen der Mehrzahl
                              									nach weniger zur Verwertung der aufgespeicherten Wassermengen für Trink- oder
                              									Kraftzwecke, als zum Zurückhalten schadenbringender Hochwasser. Beide Zwecke lassen
                              									sich bei einer und derselben Talsperre nicht immer vereinigen, weil häufig gerade zu
                              									Zeiten des größten Wassermangels, wo also möglichste Füllung der Talsperre erwünscht
                              									wäre, auch die Wahrscheinlichkeit des Eintretens plötzlicher Hochwässer am größten
                              									ist, welche nur durch möglichst entleerte Staubecken unschädlich gemacht werden
                              									können. Auch in bezug auf bauliche Einzelheiten bestehen Unterschiede in den
                              									Talsperren für Nutzzwecke gegenüber denjenigen, welche nur Hochwasserschutz bieten
                              									sollen, insofern als bei den letzteren die Frage der Abdichtung der Staumauer und
                              									der Beckensohle zur Verhinderung von Wasserverlusten keine Rolle spielt.
                           Der Nutzen, den die schlesischen Talsperren gebracht haben, ist also in den meisten
                              									Fällen in einer wesentlichen Verminderung der Hochwasserabflußmengen zu erblicken.
                              									Bei dem südlichsten Staubecken im Goldbach, einem Zuflüsse der aus dem
                              									Altvatergebirge kommenden Hotzenplotz, ist mit Hilfe eines 60 m langen Dammes ein
                              									Behälter von 2,5 Millionen cbm Inhalt geschaffen worden, durch welchen die größte
                              									Abflußmenge von 145 cbm in der Sekunde auf 65 cbm in der Sekunde vermindert worden
                              									ist. In ähnlicher Weise sind in dem benachbarten Flußgebiete der Glatzer Neiße durch
                              									die Staubecken in der Wölfel und der Mohre die Größtabflußmengen von 90 cbm in der
                              									Sekunde auf 35 cbm in der Sekunde, bzw. von 104 cbm auf 26 cbm in der Sekunde
                              									herabgesetzt. Die meisten Staubecken weist ferner das Bobergebiet auf, wo u.a. bei
                              									Buchwald im Quellbober eine Anlage von 2 Millionen cbm Inhalt errichtet worden ist,
                              									um die Hochwasserabflußmenge von 120 auf 30 cbm in der Sekunde zu verringern.
                           Im Gegensatz zu den erwähnten Talsperren dient die bekannte Talsperre bei Marklissa,
                              									die schon seit einigen Jahren im Betriebe ist, bei 15 Millionen cbm Inhalt auch
                              									Nutzzwecken. Ein Drittel des Wasserinhaltes der Talsperre wird in Turbinen
                              									ausgenutzt, die 700 PS liefern. In großem Maßstab wird ferner die Krafterzeugung aus Talsperren
                              									durch die zurzeit im Bau begriffene Anlage an dem Bober bei Mauer beabsichtigt. Hier
                              									soll künftig das ganze Hochwasser des Boberflusses in einem Becken von 50 Millionen
                              									cbm Inhalt aufgespeichert werden, welches durch eine 50 m hohe Staumauer gewonnen
                              									wird und durch das die Größtabflußmenge von 1300 auf 300 cbm in der Sekunde
                              									verringert wird, um die benachbarten Städte Bunzlau, Sprottau, Sagan usw. vor
                              									Hochwasser zu schützen. Daneben soll der Inhalt dieses etwa 8 km langen Stausees
                              									aber auch zur Lieferung von Kraft ausgenutzt werden. Selbst bei geringer Füllung-
                              									des Beckens dürften 2000 PS verfügbar sein, die in der nahen Stadt Hirschberg-
                              									verwertet werden können. (Reißner.) (Technische
                              									Rundschau 1908, S. 665 bis 666.)
                           
                              H.
                              
                           
                        
                           Eisenbeton-Bogenbinder.
                           Die Dach- und Deckenkonstruktion der 8 m breiten und 15 m langen Turnhalle des
                              									Pensionates Kox in Dresden ist in Eisenbeton
                              									ausgeführt. Das Gebäude besteht aus Keller und Erdgeschoß. Im Keller liegen die
                              									Bade- und Ankleideräume, das Erdgeschoß dient zu Turnzwecken. Um den lichten Raum
                              									der Turnhalle von Dachteilen frei zu halten, sind 3 Eisenbetonbogenbinder in 3,75 m
                              									Abstand angeordnet, die auf ihrer Oberseite die Dachhaut tragen, und deren
                              									Zugstangen in der Höhe des Fußbodens der Halle Hegen. Die Bogenbinder bestehen aus
                              									zwei 6,45 m hohen senkrechten Säulen von 52/65 cm Querschnitt und einem rd. 3 m
                              									hohen trapezförmigen Dachbinder mit ausgerundeten Ecken von 52/40 cm Querschnitt.
                              									Die Säulen stehen innerhalb der Umfassungswände auf dem 1,25 m breiten und 0,95 m
                              									hohen Betonfundament derselben und hüllen eine Eisensäule aus 2 ⊏-Eisen mit
                              									gitterartiger Verbindung aus Flacheisen ein. Die trapezförmigen Dachbinder haben
                              									eine doppelte Bewehrung aus je 5 Rundeisen von 18 mm  erhalten, deren Enden
                              									in die Säulen hinabgebogen sind und die durch Rundeisenbügel in 5 bis 20 cm Abstand
                              									verschnürt sind. Die oben wagerechte, 2 m breite Trapezseite der Dachbinder trägt
                              									ein Oberlicht, während die beiden schrägen Trapezseiten durch eine 8 cm starke, mit
                              									8 Rundeisen von 7 mm  für 1 m Breite bewehrte Eisenbetonplatte verbunden
                              									sind, deren Unterseite durch je 3 Dachpfetten von 20/35 cm Querschnitt zwischen den
                              									Dachbindern verstärkt ist. Diese Pfatten haben 7 Rundeisen von 18 mm 
                              									als Einlage; mehrere derselben sind in der Nähe der Binder aufgebogen und in das
                              									benachbarte Feld übergeführt. Auf der Dachplatte sind Dachlatten und Ziegel als
                              									Eindeckung befestigt. Der Fußboden der Turnhalle bzw. die Kellerdecke ist als
                              									Plattenbalken ausgebildet. Die 15 cm starke Deckenplatte ist durch 10 Rundeisen von
                              									11 mm  bewehrt. Die 25 cm breite und 36 cm hohe Rippe enthält 8 Rundeisen von
                              									17 mm und 1 Rundeisen von 22 mm  als Einlage. In der Mitte ist der 8 m lange
                              									Plattenbalken durch eine Eisenbetonsäule unterstützt. Die Enden der je zwei
                              									Binder-Säulen verbindenden Rippen lagern auf schmiedeeisernen Konsolen der in den
                              									Bindersäulen angeordneten Eisenstützen auf. Zu beiden Seiten der Rippen, jedoch ohne
                              									Betonhülle, laufen die 45 mm starken, runden Zugstangen, die in der Mitte durch ein
                              									Spannschloß gestoßen und an den Enden mit den Eisenstützen durch Bolzen verbunden
                              									sind. Die Unterkante der Rippen der Kellerdecke liegt 2,5 m über dem Kellerfußboden
                              									bzw. über dem Fundament der Bogenbinder. Die Binderfüße sind in der Höhe des
                              									Kellerfußbodens durch einen auf Druck beanspruchten Eisenbetonbalken von 48/22 cm
                              									Querschnitt verbunden, der durch 4 Rundeisen von 16 mm  bewehrt ist. Die
                              									Zugstangen und der Verstrebungsbalken am Binderfuß sind mit der Annahme berechnet,
                              									daß der trapezförmige Teil des Binders als Dreigelenkbogen und der senkrechte Teil
                              									als Stütze des ersteren angesehen wird. Hierdurch sind die auf den Säulenkopf
                              									wirkenden Kräfte H und V
                              									in wagerechter und senkrechter Richtung aus der Belastung des Dreigelenkbogens
                              									bestimmt. Ist T die Säulenhöhe, t der Abstand des Säulenkopfes von den Zugstangen, v der Abstand des Säulendruckes V von der
                              									Säulenachse, Z die Zugkraft in den Zugstangen und D die Druckkraft im Verstrebungsbalken am Säulenfuß, so
                              									ist:
                           
                              Z=\frac{H\cdot T-V\cdot v}{T-t}
                              
                           und
                           
                              D=\frac{H\cdot t-V\cdot v}{T-t}
                              
                           Hierbei wird die Säule als ein durch die Kräfte D und
                              										Z festgehaltener Balken mit Kragende t betrachtet, an dessen Ende die Kräfte H und V wirken. (Bachner, Beton und Eisen 1908, S. 290 ff.)
                           Dr.-Ing. P. Weiske.