| Titel: | Der gegenwärtige Stand der Motorluftschiffahrt. | 
| Autor: | Ansbert Vorreiter | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 150 | 
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                        Der gegenwärtige Stand der
                           								Motorluftschiffahrt.
                        Von Ingenieur Ansbert
                                 								Vorreiter.
                        (Fortsetzung von S. 137 d. Bd.)
                        Der gegenwärtige Stand der Motorluftschiffahrt.
                        
                     
                        
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 149
                              Drachenflieger (Doppeldecker) der Gebrüder Wright; A Höhensteuer. B obere. C untere Tragfläche. D
                                 										Seitensteuer. E Sitz für den Führer. F Sitz für einen Passagier. G, G1 die Pfeile zeigen die
                                 										Drehrichtung an. J, K Ketten zum Antrieb der
                                 										Schrauben. Linke Kette. J, gekreuzt Beide Ketten in
                                 										Rohren geführt. H Motor. L Kühlapparat für den Motor. M, N2 Steuerhebel für das Höhensteuer und für das
                                 										Seitensteuer und zum Verwinden der Tragflächen. O
                                 										Schlitten.
                              
                           Der in Fig. 9 bis 12 dargestellte Drachenflieger (Doppeldecker) der
                              									Gebrüder Wright ist ohne Zweifel der beste aller bisher
                              									konstruierten Drachenflieger. Nachdem die Erfolge der Wrights lange angezweifelt wurden, weil die Brüder ihre Versuche im
                              									geheimen machten und niemandem ihren Apparat zeigten, haben die seit Anfang August
                              									von Wilbur Wright in Le Maus öffentlich ausgeführten
                              									Flüge bewiesen, daß ihre früheren Angaben auf Wahrheit beruhen. Es zeigte sich, daß
                              									dieser Flieger besser als jeder andere lenkbar ist, beliebige Kurven beschreiben
                              									kann und selbst bei starkem Wind stabil ist. Diese vorzügliche Lenkung wird dadurch
                              									erreicht, daß die Enden der Tragflächen mittels Spannseilen, die über Rollen an
                              									Hebel geführt sind, verwunden werden. Fig. 12 zeigt
                              									an einer schematischen Zeichnung der Tragflächen diese sinnreiche Konstruktion. Die
                              									Tragflächen, die eine Breite von 12,5m haben, sind über ein Gerüst aus Holz
                              									gespannt. Die Holzleisten sind biegsam und der Stoff (Continental) diagonal
                              									gespannt. Der ganze Apparat ruht auf einem Schlittenkufen. Vorn am Ende der
                              									Kufen ist das Höhensteuer angebracht, das ebenfalls 2 übereinander angeordnete
                              									Flächen hat. Hinten ist an 2 Armen das Seitensteuer befestigt; auch dieses hat 2
                              									parallele Flächen von zusammen etwa 3 qm. Das Höhensteuer hat etwa 3,5 qm Fläche,
                              									die Tragflächen bei einer Breite von etwa 2 m, etwas über 48 qm. Auf der unteren
                              									Fläche ist rechts von der Mitte der Motor untergebracht. Dieser hat 4 Zylinder und
                              									leistet bis 28 PS. Mittels 2 Ketten, von denen die linke längere gekreuzt ist,
                              									werden die 2 hinter den Tragflächen gelagerten Schrauben angetrieben und zwar in
                              									entgegengesetztem Drehsinne. Beide Ketten sind in Stahlrohren geführt. Der Führer
                              									und ein Mitfahrer nehmen links vom Motor auf der unteren Tragfläche Platz. Dort sind
                              									auch die Hebel zur Bedienung der Steuer untergebracht und zwar 1 Handhebel links zur
                              									Bedienung des Höhensteuers und ein zweiter Handhebel für das Seitensteuer, womit
                              									auch die Enden der Tragflächen verbunden sind. Dieser Hebel ist mittels
                              									Doppelgelenken nach allen Seiten und vor- und rückwärtsschwingbar. Wird der Hebel
                              									vor- oder rückwärts bewegt, so wird allein das Seitensteuer betätigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 149
                              Fig. 12. Das Verwinden der Tragflächen im Drachenflieger Wright; A Hebel in Stellung beim Geradeausfliegen. B Hebel in Stellung beim Kurvenfliegen nach links.
                                 											C Seil. D
                                 										Verbindungsseil. 1 Stellung der Tragflächen beim Geradeausfliegen, 2 beim
                                 										Kurvenfliegen nach links. E Führungsrolle.
                              
                           Das Verwinden der Tragflächen findet derart statt, daß beim
                              									Umlegen des Steuerhebels nach links die linken Hinterkanten nach oben, die rechten
                              									nach unten gebogen werden, beim Steuern nach rechts umgekehrt. Neigt sich der
                              									Apparat beim Fliegen nach links, so werden die linken Hinterkanten nach unten
                              									gebogen, die rechten nach oben, wodurch sich der Flieger wieder grade aufrichtet.
                              									Damit die Flächen leicht biegsam sind, fassen die vertikalen Streben zwischen den
                              									Tragflächen mittels Gelenken an. Als Ruhe für die Füße befindet sich eine Stütze
                              									zwischen den Beinen des Führers. Die Schrauben sind zweiflügelig- und aus Holz
                              									gefertigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 150
                              Fig. 13. Mittlerer Teil des Biplanes Wright mit Motor, Kühlapparat,
                                 										Kettenantrieb und Sitzen für Führer und Passagier. Links vom Führersitz der
                                 										Steuerhebel für das Höhensteuer. Rechts, zwischen beiden Sitzen, der Steuerhebel
                                 										für das Seitensteuer und zum Verwinden der Tragflächen.
                              
                           Sie drehen sich mit etwa ein Drittel der Tourenzahl des
                              									Motors, 450 Touren in der Minute, während der Motor über 1200 macht. Der Motor, Fig. 13, von Wright
                              									selbst konstruiert, hat vier Zylinder mit Wasserkühlung. Der Kühlapparat für das
                              									Wasser ist rechts vom Motor vorn angebracht und besteht aus mehreren etwa 1¾ m
                              									langen senkrechten, flach gedrückten Röhren. Zur Zündung dient ein Magnetapparat.
                              									Bemerkenswert ist die Art des Startens beim Drachenflieger von Wright. Während alle anderen Drachenflieger ein
                              									Anlaufgestell mit Rädern haben, das am Flügapparat fest ist, läßt Wright sein Anlaufgestell (Fig. 14) auf der Erde zurück. Zm Auffliegen wird der Wrightsche Flieger (Fig.
                                 										15) auf einem Bock mit 2 Rollen welche Rollen tandemartig hintereinander
                              									stehn. Die Rollenspuren auf einer Holzschiene von etwa 20 m Länge. Diese ruht auf
                              									Böcken, welche mittels Holzpflöcken in der Erde befestigt sind. Ein Seil faßt an
                              									einem Ende den Drachenflieger an einem auslößbaren Haken, während das andere Ende
                              									des über 2 Rollen an beiden Enden der Schiene geführten Seiles über eine dritte oben
                              									an einem etwa 6 m hohen Gestell angebrachte Rolle geführt ist und ein Gewicht trägt.
                              									Dieses Gewicht von 700 kg zieht, wenn ausgelöst, bei seinem Fall den Flugapparat an
                              									und bringt ihn sehr schnell in Schwung, so daß schon nach einem Lauf von 10 bis
                              									höchstens 20 m der Drachenflieger sich von der Erde erhebt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 150
                              Fig. 14. Apparat zum Starten des Drachenfliegers der Gebrüder Wright; FF1F2 Führungsrollen
                                 										für das Seil T. G Gerüst für das Fallgewicht Z. S Laufschiene aus Holz für die Aulaufsrollen R. An dem einen Ende des Seiles hängt das
                                 										Fallgewicht Z, das andere Ende ist am Flugapparat
                                 											D befestigt:
                              
                           Die Startmethode von Wright hat
                              									den Vorteil, daß der Flugapparat mit dem Gewicht des Anlaufgestelles mit Federn und
                              									Rädern nicht belastet wird, und die Unebenheiten des Bodens durch die Anlaufschiene
                              									in bequemer Weise leicht überbrückt werden können, andererseits aber den
                              									Nachteil, daß der Flieger nicht selbsttätig aufsteigen kann.
                           Die Gebrüder Wright haben für das Signal-Korps der Armee
                              									der Vereinigten Staaten die Lieferung eines Drachenfliegers übernommen, der 2
                              									Personen tragen kann und Brennstoff für eine Stunde mitführt. Die größte
                              									Geschwindigkeit muß über 60 km betragen. Diese Bedingungen lassen sich mit dem
                              									Drachenflieger von Wright erfüllen, das haben die
                              									bisherigen Flüge in Le Mans bewiesen. Auf der Grundlage der Wrightschen Konstruktion läßt sich ein für Sportzwecke sehr geeigneter
                              									Drachenflieger aufbauen, und es ist daher wahrscheinlich, daß in Jahresfrist
                              									derartige Luftautomobile auf dem Markte sind. Unzweifelhaft dürften nun die Gebrüder
                              										Wright ihre Patente in allen Industriestaaten
                              									verwerten können, was sie lange versucht haben, aber ihnen nicht gelang, da sie erst
                              									nach dem Kaufabschluß das Geheimnis ihrer Konstruktion preisgaben wollten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 150
                              Fig. 15. Biplan Wright wird zum Start gefahren.
                              
                           Biplan oder Monoplan ist augenblicklich die erste Frage auf dem Gebiete der
                              									dynamischen Flugapparate. Da ist es sicher von größter Bedeutung, daß Bleriot, einer der ersten Anhänger des Monoplans
                              									nunmehr mit dem Bau von Biplanen beginnt. Im Salon de l'Aironautique, dem zweiten
                              									Teil des Salon de l'Automobile in Paris, Dezember 1908, hatte Bleriot seinen ersten Biplan ausgestellt. Bei der
                              									Konstruktion desselben macht sich augenfällig der Einfluß von Wright erkennbar, und die Erfolge Wilbur Wrights gaben jedenfalls Bleriot die Veranlassung, sich dem Biplan zuzuwenden, nachdem er bereits
                              									10 Monoplane gebaut und versucht hat. Der Biplan Bleriot ist auch deshalb bemerkenswert, weil an demselben eine neue Art
                              									der Seitenstabilität versucht wird, und zwar durch Benutzung von 2 hinter den
                              									Tragflächen rechts und links angebrachten Höhensteuern. Diese beiden Flächen lassen
                              									sich sowohl im selben als verschiedenen Sinne drehen, und zwar erfolgt die
                              									Betätigung mittels des bekannten Doppelcardan-Lenkhebels von Bleriot. Wird dieser Hebel nach vorn bewegt, so werden die Vorderkannten
                              									beider Höhensteuer gehoben, nach hinten, also zum Führer hin bewegt, senken sich die
                              									Vorderkanten der Steuer. Im ersteren Falle fliegt der Apparat abwärts, im zweiten
                              									Falle aufwärts. Wird jedoch der Hebel nach rechts geschwenkt, so senkt sich nur die
                              									Vorderkante des rechten Höhensteuers, während sich das linke hebt, dadurch wird der
                              									Drachenflieger nach rechts geneigt. Beim Schwenken des Steuerhebels nach links ist
                              									die Wirkung natürlich umgekehrt. Bleriot kann also auf
                              									diese Weise seinen Flugapparat wieder aufrichten, falls er kippen wollte, genau wie
                              										Wright mittels des Verwindens der Tragflächen. Bleriot strebt jedoch auch wie Voisin
                              									an den Biplanen von Farman, Delagrange und Zipfel eine automatische Stabilität mittels vertikaler
                              									Flächen an. Diese sind rechts und links vom Motor zwischen den Tragflächen eingebaut
                              									und dienen gleichzeitige als Kühlapparat für den Motor. Zu diesem Zwecke sind die
                              									Flächen aus Aluminium-Blechen hergestellt, auf die Bleche sind hohle Messingscheiben
                              									genietet, die durch kurze Gummischläuche miteinander in Verbindung stehen. Die
                              									einzelnen Reihen dieser Scheiben stehen oben und unten mit Rohren in Verbindung,
                              									durch welche das Kühlwasser zu- und abgeführt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 151
                              Fig. 16. Biplan Bleriot, links von vorn gesehen.
                              
                           Bei seinem Biplan ist Bleriot vom direkten Antrieb der
                              									Schraube abgekommen und treibt die hinter den Tragflächen gelagerte Schraube wie Wright und mehrere andere Konstrukteure mittels Kette
                              									an. Der Antoinette-Motor von 80 PS macht etwa 1300
                              									Touren i.d. Minute, die Schraube, da 1 zu 2 übersetzt, 650. Die 2 Flügel sind aus
                              									Holz gefertigt und in einer Stahlgußnabe verschraubt. Auch die Lagerung des Motors
                              									an einer Seite und die Anordnung der zwei Sitze für Führer und Passagier rechts vom
                              									Motor erinnern an Wright. Nur sind die Sitze bei Bleriot als Rohrsessel komfortabler als bei Wright ausgeführt. Der Motor ist im Gegensatz zu den
                              									bisherigen Antoinette-Motoren mit einem Vergaser
                              									ausgerüstet, der zwischen den Zylindern angebracht ist und jeden Zylinder durch ein
                              									besonderes Rohr speist. Durch einen unter dem Handrad am Lenkhebel angebrachten
                              									Hebel läßt sich der Motor durch Drosseln regeln. Ferner kann durch einen zweiten
                              									Hebel unter dem Sitz des Führers die Zündung eingestellt werden. Auf diese Regelung
                              									des Motors verzichtet bekanntlich Wright, er kann nur
                              									mittels einer Schnur, die eine Stange mit Sperrklinken unter die Ventilstößel der
                              									Auspuffventile schiebt, den Motor ganz abstellen.
                           Auffallend am Bleriot-Biplan ist, daß das Seitensteuer,
                              									bestehend aus 2 parallelen Flächen, vor den Tragflächen angebracht ist. Bei anderen
                              									Drachenfliegern, wie den ersten Biplanen von Santos-Dumont hat sich diese Anordnung nicht bewährt, denn sie hat den
                              									Fehler weit mehr vom Seitenwind beeinflußt zu sein als die Anbringung des
                              									Höhensteuers hinten.
                           Beachtenswert ist noch, daß Bleriot kein federndes
                              									Anlaufgestell hat, die Anlaufräder sind aber mit sehr starken Pneumatics versehen.
                              									Dadurch stehen die unteren Tragflächen nur wenig über dem Boden, ein Vorteil, der
                              									sich beim Biplan Wright bemerkbar macht, indem beim
                              									Landen die Luft zwischen Tragflächen und Erdboden etwas verdichtet wird und so das
                              									Aufsetzen des Fliegers auf die Erde sehr sanft erfolgen läßt.
                           In den Vereinigten Staaten wird jetzt durch die
                              									Erfolge der Gebrüder Wright angeregt von mehreren
                              									Konstrukteuren an Drachenfliegern gearbeitet. Der beste dieser Drachenflieger
                              									(abgesehen von dem der Gebrüder Wright) ist der von Curtis gemeinsam mit einigen Freunden konstruierte
                              									Doppeldecker, genannt „Red Wing“ (Ila) (Fig. 17–19). Bemerkenswert
                              									ist, daß die Tragflächen nicht nur in der Flugrichtung, sondern auch in der Breite
                              									gekrümmt sind, so daß sie an den Enden näher stehen als in der Mitte. Die Anordnung
                              									der Schwanzfläche und der Steuer ähnelt der an französischen Fliegern von Farman und Delagrange. Zur
                              									Stabilität und Seitensteuerung sind jedoch noch an den Enden der Tragflächen
                              									bewegliche kleine Flächen von Dreieckform, ähnlich den an den Fliegern von Bleriot
                              									und Mengin angebracht. Die Betätigung der Steuer erfolgt wie bei Farman, Delagrange und Ferber durch ein Steuerrad wie an Automobilen üblich. Der Antrieb der,
                              									hinter den Tragflächen wie bei Farman, untergebrachten
                              									Schraube mit 2 Flügeln, erfolgt durch einen 8 Zylinder Curtis-Motor, der etwa 25 PS leistet. Der Motor arbeitet mit Luftkühlung.
                              									Wie bei den französischen Apparaten ist ein Anlaufgestell vorhanden mit einem in
                              									einer Gabel gelagerten lenkbaren Rad vorn und 2 Rädern mit fester Achse hinten. Die
                              									Tragflächen verjüngen sich nach den Enden. Bei einer Breite von 12 m haben dieselben
                              									ungefähr 32 qm Fläche. Als Ueberzug ist Seide verwandt worden. Das Gewicht des
                              									betriebsfertigen Apparates beträgt nur etwa 180 kg. Schon bei den ersten Versuchen
                              									gelangen mehrere Flüge und sind bereits in freiem Fluge über 1300 m zurückgelegt
                              									worden. Der Flieger erwies sich als sehr stabil.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 151
                              Biplan „Red Wing“; A Höhensteuer. B obere. C untere
                                 										Tragfläche. D Schwanzfläche. G Schraube. H Motor.
                                 											K Führersitz. L
                                 										Lenkrad. M, O linke, N,
                                    											R rechte Stabilißierungsfläche. P
                                 										Seitensteuer.
                              
                           Auch Herrings, ein Schüler von Chanute im Gleitfluge, arbeitet an einem Drachenflieger, der für das
                              									Signal-Korps der Armee der Vereinigten Staaten bestimmt ist. Es ist ebenfalls ein
                              									Doppeldecker mit etwa 50 qm großen Tragflächen mit einem Motor von 50 PS ausgerüstet.
                              									Dieser Flieger wird 2 Personen tragen können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 152
                              Fig. 20. Drachenflieger Jatho; B obere
                                 										Tragfläche, gleichzeitig Höhensteuer. C untere
                                 										Tragfläche. F Stabilitätfläche. G Schraube. K
                                 										Führersitz. L Lenkrad. M Motor. 1 Starthebel in Stellung zum
                                 										Anlauf. 2 in Stellung zum Auffliegen (punktierte
                                 										Stellung der vorderen Anlaufräder.)
                              
                           Der erste deutsche Drachenflieger wurde von Jatho in
                              									Hannover gebaut. Dieser Flugapparat (Fig. 20) ist
                              									ein Doppeldecker, und zwar dient die obere Tragfläche gleichzeitig als Höhensteuer,
                              									indem sie um eine Achse quer zur Flugrichtung schwingbar ist. Die Einstellung der
                              									oberen Tragfläche geschieht wie bei den Drachenfliegern von Farman, Delagrange und anderen durch Verschieben des Lenkrades in
                              									Richtungseiner Achse; durch die Drehung des Lenkrades
                              									wird das Seitensteuer betätigt. Dieses ist doppelt
                              									vorhanden und zwischen die Tragflächen eingebaut. Hinter den Seitensteuern sind
                              									feststehende Kielflächen vorhanden. Auch die Welle der Schraube ist zwischen den
                              									Flächen gelagert und wird mittels Riemen von dem unter der unteren Tragfläche
                              									angeordneten Motor im Uebersetzungsverhältnis 1 : 4 angetrieben. Der Motor leistet
                              									nur 12 PS. Diese geringe Kraftleistung dürfte wohl der Hauptgrund sein, daß Jatho noch keine richtigen Flüge gelungen sind.
                              									Gegenwärtig ist Jatho damit beschäftigt, einen Motor
                              									von etwa 30 PS einzubauen. Weitere Nachteile dieses Drachenfliegers sind der sehr
                              									tief liegende Schwerpunkt, infolgedessen der Apparat im Fluge stark pendeln dürfte,
                              									ferner die geringe Länge, wodurch die Stabilität in der Flugrichtung schwieriger zu
                              									erhalten sein wird. Der Antrieb der Schraube mittels Riemen ist auch kein Vorteil;
                              									denn wenn auch der Wirkungskreis langsam rotierender Schrauben etwas besser ist als
                              									der von sehr schnell rotierenden, wird in der Riemenübertragung doch etwa 10% v.H.
                              									der Motorleistung verloren gehen, dazu kommt, daß Riemen, den Einflüssen der
                              									Witterung ausgesetzt, ein unsicheres Uebertragungsmittel abgeben. Aus diesem Grunde
                              									haben sich Riemen zur Kraftübertragung bei Automobilen gar nicht bewährt und sind
                              									durch Zahnradübersetzungen ersetzt, Auch für Drachenflieger dürften daher Zahnräder
                              									vorzuziehen sein, sofern man nicht überhaupt die Schraube direkt antreibt. Dieses
                              									hat den Vorteil einer erheblichen Gewichtsersparnis, weshalb die meisten
                              									Konstrukteure von Flugapparaten die Schraube auf die Motorwelle setzen.
                           Die Schraube am Jatho-Flieger hat einen Durchmesser von
                              									2,50 m und macht 500 Touren i.d. Minute. Die Schäfte sind aus Stahlrohr, die Flügel
                              									aus Magnaliumblech hergestellt.
                           Bemerkenswert am Jatho-Drachenflieger ist die
                              									Konstruktion des Anlaufgestelles. Dasselbe hat 2 Räder vorn, 2 hinten. Die
                              									Vorderräder sind an einer schwingbaren Gabel angebracht, die durch einen langen
                              									Hebel vom Sitz des Führers umgelegt werden kann. Zum Anlauf wird das Gestell der
                              									Vorderräder so umgelegt, daß sich der Flugapparat vorn senkt, wodurch die
                              									Tragflächen parallel mit dem Erdboden stehen, also einen geringen Luftwiderstand
                              									haben. Dadurch kommt der Apparat schneller in die zum Auffliegen notwendige
                              									Geschwindigkeit, d.h. die Anlaufstrecke ist kürzer. Ist die richtige Geschwindigkeit
                              									erreicht, so stellt der Führer den Hebel am Vorderradgestell um, so daß sich
                              									die Tragflächen vorn heben und in einen Winkel von etwa 5 Grad zur Wagerechten
                              									einstellen. In der Zeichnung ist diese Stellung punktiert gezeichnet.
                           Jatho versuchte zuerst 3 übereinander angeordnete
                              									Tragflächen, gab aber die unterste Fläche, weil wenig wirksam im Verhältnis zum
                              									Gewicht, bald auf. Die Flächen sind sowohl in der Flugrichtung als quer zu derselben
                              									gewölbt. Die untere Tragfläche ist wesentlich größer, 24 qm bei einer Breite von 8
                              									und Länge von 3,6 m. Die 2 m darüber befindliche Höhensteuerfläche hat 12 qm. Jedes
                              									Seitensteuer hat 2,3 qm. Das Gerüst für die Tragflächen und Steuer ist aus
                              									Eschenholz hergestellt, der Ueberzug ist Continentalstoff.
                           Richtige Flüge sind mit dem Jatho-Drachenflieger noch
                              									nicht gelungen.
                           Schüler in Chemnitz baute einen Biplan, der etwa
                              									bezüglich seiner Konstruktion in der Mitte zwischen den Systemen Voisin und Wright steht.
                              									Jedoch ist das Gestell nicht aus Holz gebaut, sondern aus Stahlrohren autogen
                              									zusammengeschweißt (Fig. 21). Der mit Stoff
                              									überzogene spindelförmige Körper hat zwei hintereinanderstehende Räder zum Anlauf,
                              									ferner sind an den Enden der Tragflächen, ähnlich wie bei Esnault Pelterie kleinere Räder angebracht. Die Anordnung der Höhen- und
                              									Seitensteuer ist ähnlich wie bei Wright angeordnet,
                              									ebenso auch der Antrieb der zwei hinter den Tragflächen gelagerten Schrauben mittels
                              									Ketten, von denen die rechte gekreuzt ist. Die Tragflächen sind etwas größer als bei
                              										Wright, da der Drachenflieger 3 Personen tragen
                              									soll. Die Sitze sind tandemartig hintereinander angeordnet. Vor dem vorderen Sitz
                              									befinden sich 2 Handräder zur Betätigung von Höhen- und Seitensteuer. Bei einer
                              									Breite von 12,5 Meter ergeben die Tragflächen ca. 58 Quadratmeter. Schwierigkeiten
                              									macht noch der Motor, daher konnte Schüler mit seinem
                              									Drachenflieger noch keine Erfolge erzielen.
                           Der Drachenflieger von Ellehammer in Lindholm-Dänemark
                              									unterscheidet sich namentlich dadurch von allen anderen Doppeldeckern, daß die
                              									Stabilität in der Flugrichtung selbsttätig erhalten wird. Zu diesem Zwecke ist der
                              									Sitz des Führers pendelnd aufgehängt und mittels einer Schubstange mit dem hinter
                              									den Tragflächen angebrachten Höhensteuer verbunden. Der Motor, der eine Schraube mit
                              									4 Flügeln direkt antreibt, hat 5 im Kreise angeordnete Zylinder mit Luftkühlung. Bei
                              									900 Touren leistet der von Ellehammer selbst
                              									konstruierte Motor 30 PS bei einem Gewicht von nur 34 kg. Der ganze Drachenflieger
                              									hat infolge des leichten Motorgewichts, das auf die Pferdestärke nur etwa 1,15 kg
                              									ergibt, ein Gewicht von etwa 130 kg. Die Tragflächen haben eine Fläche von 37 qm.
                              									Das Anlaufgestell hat 3 Räder und ist ähnlich dem der französischen Drachenflieger
                              									konstruiert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 152
                              Fig. 21. Biplan von Schüler.
                              
                           Ellehammer benutzte ursprünglich wie Jatho 3 übereinander angeordnete Tragflächen, hat aber
                              									später die unterste 3te Fläche, weil wenig wirksam im Verhältnis zur Gewichtsvermehrung,
                              									fortgelassen. Bereits am 12. September 1906 gelang Ellehammer mit seinem ersten Triplan ein Flug von 40 Metern, demnach wäre
                              									er einer der ersten, dem in Europa ein freier Flug mit einem durch Motor getriebenen
                              									Flugapparat, schwerer als Luft, gelungen ist. Einen Tag später machte Santos Dumont in Bagatelle bei Paris seinen bekannten
                              									Rekordflug, wobei er vor vielen Zuschauern etwa 200 m zurücklegte. Ellehammer dagegen machte ebenso mit Ader seine Flugversuche im geheimen, daher war nichts
                              									darüber in die Zeitungen gelangt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 153
                              Fig. 22. Triplan Goupy.
                              
                           Während die meisten neuen Drachenflieger mit doppelten oder einfachen Tragflächen
                              									gebaut werden, ist in den Werkstätten der Gebrüder Voisin-Paris nach der Konstruktion von Goupy
                              									ein Dreidecker ausgeführt worden. Dieser Drachenflieger (Fig. 22) hat also drei übereinander gebaute Tragflächen, ähnlich wie sie
                              									zuerst Ellehammer in Lindholm bei Kopenhagen und Jatho in Hannover versuchte. Beide gaben bekanntlich
                              									bald die dritte oberste Tragfläche auf, da dieselbe im Verhältnis zum Gewicht zu
                              									wenig wirksam war. Auch ein Doppeldecker hat im Verhältnis zum Flächeninhalt niemals
                              									dasselbe Tragvermögen als ein Monoplan mit gleich großer Tragfläche, da die obere
                              									Fläche gewissermaßen im Schatten der unteren liegt. Erfahrungsgemäß kann man die
                              									beiden übereinanderliegenden Flächen eines Biplanes nur mit ⅔ des Gewichts belasten,
                              									das ein Monoplan tragen kann. Beim Triplan dürfte das Verhältnis noch ungünstiger
                              									sein.
                           Der Körper des Drachenfliegers von Goupy erinnert in
                              									seiner Raupenform an den neuen Farman, wie dieser ist
                              									er sehr lang. Die Schraube ist beim Flieger von Goupy
                              									vorn untergebracht. Die Steuerung erfolgt wie beim Farman mittels eines Handrades, durch Drehen die Seitensteuerung,
                              									durch Anziehen und Abstoßen des Steuerrades die Höhensteuerung.
                           Das Höhensteuer ist zwischen den Schwanzflächen eingebaut. Diese Schwanzflächen
                              									sowohl als die drei Tragflächen sind zu beiden Seiten durch vertikale Flächen
                              									verbunden, ähnlich wie bei den Biplanen von Voisin (Farman, Delagrange), um die Seitenstabilität zu
                              									erhalten. Hierzu dienen auch noch kleine verstellbare Flächen zu beiden Seiten des
                              									Schwanzes.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 153
                              Fig. 23. Drachenflieger Phillips; A Schwanzfläche
                                 										mit Höhensteuer A1.
                                 											B1
                                 										Tragflächen-Gitter. G Schraube. H Motor. K Führersitz.
                                 											Q Reservoir.
                              
                           In England wurde vor 6 Jahren von Maxim ein Drachenflieger gebaut, der, weil sehr schwer, keine guten
                              									Resultate gab. Jetzt ist nach einem Konstruktionsprinzip von Wenham durch den Ingenieur Phillips ein
                              									Drachenflieger gebaut worden, der sich von allen bisher bekannt gewordenen
                              									Konstruktionen wesentlich unterscheidet. Man könnte diesen Drachenflieger (Fig. 23) mit seinen vielen übereinander angeordneten
                              									schmalen Tragflächen im Gegensatz zu den Doppeldeckern und Monoplanen als Jalousieflieger bezeichnen. Es sind 20 schmale Flächen
                              									aus dünnen Holzleisten vorhanden. Die Breite in der Flugrichtung beträgt etwa 8 m,
                              									die Länge der Tragflächen, Breite der einzelnen Leisten beträgt nur etwa 12 cm. Die
                              									Flächen sind auf einem Fahrgestell mit 3 Rädern untergebracht, das vorn 2, hinten 1
                              									Rad hat. Auf dem Gestell ist vor den Tragflächen der Motor angeordnet, der etwa 25
                              									PS leistet und die Schraube mit 1200 Touren direkt antreibt. Hinter den Flächen
                              									sitzt der Führer des Apparates und bedient mittels Hebel Höhen- und Seitensteuer,
                              									die hinten an einer etwa 5 m langen Stange angebracht sind. Das Gewicht des
                              									Drachenfliegers beträgt etwa 200 kg. Bisher sind nur kurze Flüge gelungen, weil der
                              									Apparat in Richtung der Flugbahn nicht stabil ist. Gegenwärtig wird daher dieser
                              									Drachenflieger umgebaut, indem mehrere Systeme von Tragflächen hintereinander
                              									angeordnet werden. Der Nachteil eines solchen Drachenfliegers ist, daß beim Versagen
                              									des Motors der Apparat sehr schnell zur Erde fällt, weil die schmalen Flächen nicht
                              									so gut als Fallschirm wirken können als die ausgedehnten Tragflächen der
                              									Doppeldecker und Eindecker. Durch die vielen die Luft schneidenden Kanten muß der
                              									Widerstand auch weit größer sein, als bei einem normalen Drachenflieger. Diese
                              									Konstruktion erscheint daher wenig aussichtsreich.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)