| Titel: | Die Lentz-Ventilsteuerung an Lokomotiven. | 
| Autor: | Max Osthoff | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 164 | 
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                        Die Lentz-Ventilsteuerung an
                           								Lokomotiven.
                        Von Dr.-Ing. Max Osthoff, Reg.-Baumeister
                           								in Duisburg.
                        (Fortsetzung von S. 149 d. Bd.)
                        Die Lentz-Ventilsteuerung an Lokomotiven.
                        
                     
                        
                           4. Entwurf der Heusinger-Lentz-Ventilsteuerung.
                           Bei dem Ersatz der Kolbenschiebersteuerung an den Heißdampflokomotiven durch die Lentz-Ventilsteuerung sollten hinsichtlich der
                              									Einströmöffnungen und Dampfgeschwindigkeiten möglichst Verbesserungen erzielt
                              									werden.
                           Es möge gleich hier bemerkt werden, daß sich durch Vergrößerung des Durchmessers des
                              									Kolbenschiebers von 150 auf 175 mm oder mehr und des Hubes der Umsteuerung bei den
                              									Schieberlokomotiven, wie sich aus der nachstehenden Untersuchung leicht ergibt (die
                              									Ventilerhebungskurven in Fig. 8a bleiben stets unterhalb der zugehörigen Ellipsen), noch geringere
                              									Dampfgeschwindigkeiten erzielen lassen als bei den Ventillokomotiven. Es wird aber
                              									als besonderer Vorzug des Schmidtschen Kohlenschiebers
                              									ohne federnde Ringe der geringe Durchmesser von nur 150 mm angegeben. Sein hierdurch
                              									bedingtes geringes Gewicht ergibt eine geringere Abnutzung der Kolbenkörper und der
                              									Büchsen und demgemäß im Zusammenhang mit seinem geringen Umfang kleinere
                              									Dampfverluste. Aus diesen Gründen und aus Herstellungsrücksichten ist eine
                              									Vergrößerung des Durchmessers der Kolbenschieber vorläufig nicht zu erwarten. Es
                              									erscheint deshalb gerechtfertigt, die neue Ventilsteuerung mit der jetzigen
                              									Ausführung der Kolbenschiebersteuerung zu vergleichen. Etwas unbillig ist jedoch der
                              									Vergleich insofern, als die Umsteuerung der Ventillokomotive einen größeren Hub als
                              									die der Schieberlokomotive besitzt, und die Schiebersteuerung sich durch Anwendung
                              									eines gleichgroßen Hubes noch verbessern läßt. Man kann dem aber entgegenhalten, daß
                              									auch bei der Ventilsteuerung, wo vorläufig verhältnismäßig flache Kurven zur
                              									Ausführung gelangt sind, noch eine Verbesserung bezüglich der Dampfgeschwindigkeiten
                              									usw. möglich ist durch Anwendung steilerer Kurven an der Nockenstange.
                           Abgesehen hiervon stellt die Ventilsteuerung für die in Fig. 2 angegebene Bauart wohl die Grenze des
                              									Erreichbaren dar.
                           Die Größe der Ein- und Auslaß Öffnungen ist abhängig von der Größe der
                              									Ventildurchmesser und des Ventilhubes. Der Ventildurchmesser ist bei der für die D
                              									(4/4 gek.) Heißdampf-Güterzuglokomotiven ausgeführten Ventilanordnung (Fig. 2) durch die Länge des Dampfzylinders nach oben
                              									hin begrenzt. Der praktisch noch ausführbare größte Ventildurchmesser ergab sich zu
                              									175 mm. Wegen des beschränkten Konstruktionsraumes sind eingesetzte Ventilsitze
                              									nicht zur Anwendung gelangt. Die Bauart wird hierdurch einfacher und wird auch im
                              									allgemeinen Maschinenbau, wie Ausführungen der Firma Ph.
                                 										Swidersky in Leipzig zeigen, bei kleineren Ventildurchmessern wie 175 mm
                              									vielfach benutzt. Alle Ventile sind bis auf die Sitzbreite, welche für Einlaß 3 mm
                              									und für Auslaß 2,5 mm beträgt, völlig gleich.
                           Um möglichst rasches Eröffnen und Schließen der Ventile zu erzielen, wurde der Hub
                              									der Heusinger-Steuerung vergrößert bei gleichzeitiger
                              									Verlängerung der äußeren Deckung a von 37 mm auf 45 mm.
                              									Derselbe beträgt z.B. für die Füllung von 40% 119 mm bei der Ventil-, gegenüber 102
                              									mm bei der Schiebersteuerung. Dieselbe Wirkung hätte man, wie sich nachher ergeben
                              									wird, durch eine etwas steilere Ventilerhebungskurve erzielen können. Die
                              									Vergrößerung des Hubes hat übrigens noch den Vorteil, daß der Einfluß des toten
                              									Ganges in der Steuerung verringert wird.
                           In Fig. 8b ist das Zeuner-Diagramm der Heusinger-Ventilsteuerung, in Fig. 8a sind die
                              									Ellipsen, welche von irgend einem Punkte der Nockenstange beschrieben werden,
                              									dargestellt. Durch Uebertragen der Wege der Nockenstange, welche gleich den
                              									Ordinaten o bzw. q der
                              									Ellipsen in Fig. 8a
                              									sind, in die zugehörigen Ventilerhebungskurven (Fig. 9b und 9a), findet man die
                              									Ventilhübe p für Einlaß bzw. s für Auslaß. Dieselben sind in Fig. 8a auf den
                              									Kolbenweg und in Fig.
                                 										8b, hier allerdings nur für die größte Füllung, auf den Kurbelwinkel
                              									bezogen dargestellt.
                           
                           Besonders schwierig gestaltet sich die Wahl der Ventilerhebungskurven in Fig. 9a und 9b. Die Gestalt dieser
                              									Kurven wird bedingt durch die Größe des Ventilrollendurchmessers und der
                              									Hubkurvenhalbmesser an der Nockenstange. Mit Rücksicht auf die später zu
                              									behandelnden Ventilbeschleunigungen wurden die in Fig. 9a und 9b dargestellten
                              									Rollen und Halbkurven mit einem größten Ventilhub von nur 13 mm gewählt. In dem
                              									Falle, daß die Ventilerhebungskurve eine unter 45° geneigte Gerade wäre, würde das
                              									Ventil in gleichen Zeiten ebenso große Hübe ausführen wie die Nockenstange bzw. ein
                              									Schieber. Dieser Fall ist aber wegen des dann zwischen Rolle und Stange auftretenden
                              									Stoßes nicht ausführbar.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 165
                              Fig. 8a u. 8b. Heusinger-Lentz-Ventilsteuerung.
                              
                           Aus den Ventilerhebungen p und s in Fig.
                                 										9b und 9a
                              									erhalten wir die Ein- bzw. Auslaßquerschnitte in demselben Maßstab wie die
                              									Schieber-Ein- bzw. Auslaßquerschnitte, wenn wir p bzw.
                              										s mit den Faktoren 2 (doppelte Ein- und
                              									Ausströmung) und
                           
                              \lambda=\frac{\mbox{Ventilumfang}}{\mbox{Schieberumfang}}=\frac{108}{83,2}=1,296
                              
                           multiplizieren. Im übrigen sind die Dampfgeschwindigkeiten vv in derselben Weise
                              									ermittelt, wie bei der Schiebersteuerung.
                           
                        
                           5. Vergleich der Kolbenschieber mit der
                              									Ventilsteuerung.
                           Der leichteren Uebersicht halber sind in Fig. 10 die
                              									Größen fv und vv der Ventilsteuerung
                              									in demselben Maßstab wie die sich auf die Schiebersteuerung beziehenden Größen fs und vs übereinander
                              									gezeichnet. Die ausgezogenen Linien gelten für die Ventile, die punktierten für den
                              									Schieber.
                           Die mittleren Einlaßdampfgeschindigkeiten in m/Sek. (vgl. Seite 148) ergeben sich für
                              									Ventil und Schieber bei Vmax = 50 km/St, wie folgt:
                           
                              
                                 Füllung
                                 70%
                                 50%
                                 40%
                                 25%
                                 
                              
                                 Ventil
                                 126,6
                                 142
                                 164,5
                                 227
                                 
                              
                                 Schieber
                                 161
                                 166,2
                                 176,5
                                 236,5
                                 
                              
                                 Im Schieber größer in %
                                 27,3
                                 16,8
                                 7,3
                                 4,2
                                 
                              
                           Es sind also durchweg, wie auch aus Fig. 10 zu
                              									ersehen ist, geringere Dampfgeschwindigkeiten erreicht, die für Lokomotivsteuerungen
                              									als niedrige zu bezeichnen sind. Infolge der geringeren Einlaßdampfgeschwindigkeiten
                              									werden sich auch die Drosselverluste vermindern. Je geringer aber die
                              									Drosselverluste, um so geringer sind der Spannungsabfall im Dampfdiagramm und der
                              									Dampfverbrauch selber.
                           Auch für Auslaß gibt das Ventil (Fig. 10) schneller
                              									größere Querschnitte frei als der Schieber; allerdings ist der größte
                              									Auslaßquerschnitt des Schiebers größer als der des Ventils.
                           Ergeben sich diese eigentlich nicht sehr bedeutenden Vorteile bezüglich der
                              									Dampfersparnis aus der geometrischen Konstruktion der Ventilsteuerung, so gestalten
                              									sich die Verhältnisse im Betriebe für die Ventile sehr viel günstiger.
                           Die Ventile lassen sich mit wenig Arbeit fast völlig dampfdicht einschleifen, und,
                              									was die Hauptsache ist, sie behalten diese gute Eigenschaft auch im Betriebe dauernd
                              									bei. Ja, man behauptet sogar, die Dampfdichtigkeit der Ventile nähme immer mehr zu
                              									im Betriebe. „Die Ventile schlagen sich dicht,“ so lautet der technische
                              									Ausdruck. Weil das Ventil ein einfacher Drehkörper ist, so tritt ein Werfen und
                              									Ziehen bei Erwärmung nicht ein. Ein Unrundwerden infolge Ausdehnung der Rippen wäre
                              									bei geraden Sitzflächen erstens nicht besonders schädlich, zweitens wird dasselbe
                              									durch die tangentiale Anordnung der Rippen wirksam beschränkt.
                              									Undichtigkeitsverluste können eintreten durch Verziehen der Ventilsitze im
                              									Zylindergußstück. Durch zweckmäßige Bauart der Zylinder läßt sich das Verziehen aber
                              									vermeiden. Die bisher ausgeführten Lokomotiven zeigen auf dem ganzen Umfang blanke
                              									Ventilsitze.
                           
                           Flachschieber lassen sich anfangs auch gut dampfdicht herstellen. Mit der Zeit
                              									aber nutzen sich die durch den Dampfdruck stark beanspruchten Berührungsflächen am
                              									Zylinder und Schieber infolge Werfens besonders bei schlechter Schmierung
                              									ungleichmäßig ab, so daß der Schieber durchzuheulen beginnt. Hierzu trägt auch der
                              									Umstand bei, daß der Schieber bei den einzelnen Füllungen verschieden große Wege
                              									zurücklegt. Man vergleiche Metzeltin, Organ für
                              									Fortschritte 1906, S. 198 und 199.
                           Günstiger verhalten sich die Kolbenschieber, wie sie an ortsfesten Dampfmaschinen
                              									gebräuchlich sind. Wegen der völligen Entlastung ist die Abnutzung nur gering.
                              									Federnde Ringe sorgen für ein einigermaßen gutes Dichthalten. Derartige
                              									Kolbenschieber mit Federringen haben in neuerer Zeit auch vielfach bei
                              									Näßdampflokomotiven Anwendung gefunden.
                           Am ungünstigsten scheinen die Verhältnisse für den Kolbenschieber ohne federnde
                              									Dichtungsringe zu liegen. Derselbe muß schon von Anfang an ein gewisses Spiel in
                              									seiner Büchse haben, damit er nicht bei größerer Ausdehnung als die der Büchse und
                              									bei Unrundwerden sich in der Büchse festklemmt, und an der schwächsten Stelle der
                              									Umsteuerung ein Bruch erfolgt. Um die Zerstörung der Steuerung auf jeden Fall zu
                              									verhindern, neigen die Werkstätten dazu, den Kolbenkörper eher etwas kleiner im
                              									Durchmesser herzustellen, als es die – Ausdehnung des Kolbenkörpers und der Büchse
                              									erfordert. Aus diesen Gründen und besonders wenn der Schieber sich abgenutzt hat,
                              									ist auf gutes Dichthalten desselben nicht zu rechnen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 166
                              
                           Von welchem Einfluß auf die Betriebskosten das Dichthalten der Steuerungsorgane ist,
                              									zeigen die Versuchsfahrten, welche bei der Kgl. Eisenbahndirektion Berlin Mitte 1904
                              									mit 1C (¾ gek.) Naßdampf-Tenderlokomotiven unternommen
                              									worden sind. Die Versuchsergebnisse dieser Fahrten sind in folgender Tabelle
                              									enthalten:
                           Mittlerer Verbrauch für 1000 km
                           
                              
                                 
                                 Kohlen
                                 Oel
                                 
                              
                                 Entlasteter Flachschieber
                                 12,92 t
                                 21    kg
                                 
                              
                                 Kolbenschieber mit Federringen
                                 12,32 „
                                 20,4   „
                                 
                              
                                 Kolbenschieberohne Federringe
                                 Kolbenkörp. 0,10 mm       do.        0,13 mm
                                 im  klein.als Büchse
                                 16,63 „18,33 „
                                 19,18 „18,55 „
                                 
                              
                           Da das Ventil noch besser dichtet als ein Flachschieber oder Kolbenschieber mit
                              									Federringen, so würde sich bei der Ventilsteuerung noch ein geringerer
                              									Kohlenverbrauch ergeben.
                           Die obigen Versuche sind, was die Kolbenschieber ohne Federringe anbelangt,
                              									allerdings mit Schiebern, welche nicht so zweckmäßig gebaut sind, wie die von Schmidt, vorgenommen. Wenn auch die neueren Schmidtschen. Heißdampf-Kolbenschieber mit geheizter
                              									Büchse dampfdichter sind, als die bei den Versuchsfahrten benutzten, so werden sie
                              									in dieser Beziehung doch niemals das Ventil erreichen. Endgültige Ergebnisse sind
                              									allerdings erst nach längerer Versuchszeit im regelrechten Zugdienst zu
                              									erwarten,
                           
                        
                           6. Verhalten der Schieber- und Lentz-Ventilsteuerungen bei eintretendem Wasserschlag.
                           Ein großer Vorzug der Lentz-Ventile besteht darin, daß
                              									dieselben den Dampfzylinder gegen Wasserschläge schützen.
                           In dieser Hinsicht steht zwar der Flachschieber oben an; er klappt einfach ab und
                              									läßt das Wasser in den Schieberkasten zurücktreten, von wo es dann bei dem nächsten
                              									Kolbenhube durch den Zylinder während der Ausströmung mit dem Abdampf in das
                              									Blasrohr gelangt. Für Heißdampflokomotiven ist der Flachschieber aber als
                              									Steuerungsorgan nicht anwendbar, weil er bei der durch die hohen Dampftemperaturen
                              									verringerten Schmierfähigkeit der Oele zum Fressen neigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 166
                              Fig. 10.
                              
                           Als einzig bei den hohen Temperaturen brauchbares Steuerungsorgan gelangte bis jetzt
                              									bei den Heißdampflokomotiven der Kolbenschieber zur Anwendung. Derselbe kann aber,
                              									weil er nicht abklappen kann, dem Wasserdruck nicht nachgeben.
                           Die am Dampfzylinder befindlichen Sicherheitsventile, welche möglichst geraden
                              									Durchgang besitzen sollten, um Richtungsänderungen des mit großer Geschwindigkeit
                              									austretenden Wassers zu vermeiden, geben bei größerer Kolbengeschwindigkeit einen
                              									für Dampf oder Luft vielleicht genügenden, aber für Wasser zu geringen
                              									Auslaßquerschnitt frei. Bei einem Zylinderdurchmesser von 600 mm, einem
                              									Ventildurchmesser von 36 mm und einem größten Ventilhub
                              									von etwa 10 mm ist die Wassergeschwindigkeit \frac{600^2\,\pi/4}{10\cdot
                                 										36\cdot \pi}= rund 250 mal größer als die Kolbengeschwindigkeit.
                              									Rechnen wir beim Schleudern der Lokomotive als Kolbengeschwindigkeit etwa 1 m/sek.
                              									(gegen Ende der Kompression vgl. Fig. 4a), so erhalten
                              									wir als Wassergeschwindigkeit 250 m/sek. Größere Ventile mit einem für alle Fälle
                              									genügenden Querschnitt an den Zylinderdeckeln, besonders am hinteren,
                              									unterzubringen, ruft bauliche Schwierigkeiten hervor. Man hat deshalb auch noch an
                              									den Schlamm- oder Ablaßhähnen, welche einen sehr kleinen freien Durchflußquerschnitt
                              										besitzen,
                              									Sicherheitsventile angebracht, so daß dann an jedem Zylinder sich bereits 4 Ventile
                              									befinden.
                           Oft sitzen die Sicherheitsventile, wie alle nur selten gebrauchten Ventile, fest,
                              									besonders dann, wenn die Ringe der außen befindlichen, auf Druck beanspruchten
                              									Ventilschraubenfedern durch dazwischen sitzenden. Schmutz gehindert werden, sich
                              									einander zu nähern.
                           Gerade bei den Schmidtschen Ueberhitzern der üblichen
                              									Bauart ist aber die Gefahr des Wasserschlages besonders groß. Sowohl die
                              									Rauchkammer- als auch die Rauchröhrenüberhitzer von Schmidt bilden nämlich in den nach unten hängenden Rohrbündeln Wassersäcke
                              									von großem Inhalt. Beim Stillstand der Lokomotive, wo die Ueberhitzerklappen
                              									geschlossen sind, um ein Ausglühen der Rohre zu vermeiden, bildet sich in den
                              									Rohrbündeln Niederschlagswasser. Dies tritt besonders bei dem Rauchkammerüberhitzer
                              									ein, wo die Ueberhitzerrohre nicht innerhalb des warmen Kessels liegen wie beim
                              									Rauchröhrenüberhitzer.
                           Das Wasser kann aus diesen Ueberhitzern nicht durch Hähne, wie z.B. bei dem wegen
                              									Röstens der Rohre nur vereinzelt ausgeführten Pielock-Ueberhitzer oder bei den Dampfzylindern entfernt werden. Durch
                              									vorsichtiges Anwärmen des Ueberhitzers beim Stillstand läßt sich zwar das darin
                              									befindliche Wasser teilweise verdampfen. Wollte man alles Wasser verdampfen, so
                              									läuft man leicht Gefahr, die Rohre auszuglühen. Im übrigen läßt sich das Wasser aus
                              									den Schmidtschen Ueberhitzern nur durch starke
                              									Dampfströmung entfernen, also beim Fahren der Lokomotive.
                           Wasserschlag tritt besonders beim Anfahren ein, wenn sich noch viel
                              									Niederschlagswasser im Ueberhitzer befindet, oder wenn infolge Schleuderns der Räder
                              									eine plötzliche starke Dampfentnahme stattfindet, so daß bei schäumigem Kesselwasser
                              									viel Wasser durch den Ueberhitzer hindurch mit in die Zylinder übergerissen wird.
                              									Sobald bei Beginn der Kompressionsperiode mehr Wasser im Zylinder zurückbleibt, als
                              									der Inhalt des schädlichen Raumes beträgt, so ist die Bedingung für ein Eintreten
                              									des Wasserschlages kurz vor dem Beginn der Voreinströmung bzw. der Endlage des
                              									Kolbens gegeben.
                           Bei Heißdampflokomotiven nimmt der Inhalt des schädlichen Raumes mit der Zeit immer
                              									mehr ab, weil sich in ihm Oelkohle, welche aus dem Zylinder- und Schieberschmieröl
                              									durch die Einwirkung- des Heißdampfes entsteht, in dicken Krusten absetzt. Wird der
                              									Zylinder nicht Öfters gereinigt, so wächst die Gefahr des Wasserschlages, je länger
                              									sich die Heißdampflokomotive im Betrieb befindet.
                           Nehmen wir nun einmal den ungünstigsten Fall an, daß sich beim Anfahren die am
                              									rechten Zylinder befindlichen Sicherheitsventile nicht öffneten infolge
                              									Verschmutzens der Ventilfedern, und man den Zylinderhahnzug zu betätigen unterlassen
                              									habe. Alsdann werden der Dampf und das Wasser, welche etwa im vorderen
                              									Kompressionsraum abgeschlossen sind, vermittels des rechten Kolbens durch folgende
                              									Kräfte zusammengedrückt:
                           Erstens durch den auf der anderen Seite des rechten Kolbens wirkenden Druck des
                              									expandierenden oder bereits ausströmenden Dampfes. Diese Kraft ist nur gering.
                              									Zweitens durch den Dampfdruck auf den um 90° versetzten linken Kolben. Der
                              									Dampfdruck im linken Zylinder ist etwa gleich der Spannung im Schieberkasten. Die
                              									Kraft des linken Kolbens, welcher ungefähr in der Hubmitte sich befindet, wirkt auf
                              									die Treibachse mit einem Hebelarm etwa gleich dem Kurbelhalbmesser. Auf der rechten
                              									Treibachsseite ist dagegen der Hebelarm des rechten Kolbens nur gering, weil die
                              									Kurbel hier beinahe schon im Totpunkte steht. Es wird daher, weil das
                              									Drehmoment dasselbe bleibt, die auf den rechten Kolben ausgeübte Kraft sehr groß
                              									werden.
                           Außerdem sucht drittens das Arbeitsvermögen, oder die lebendige Kraft der Treib- und
                              									Kuppelachsen, den rechten Kolben im Sinne der Fahrrichtung zu bewegen. Die
                              									umlaufende Masse der Treib- und Kuppelachsen und ebenfalls die Masse des Gestänges
                              									besitzt schon beim Anfahren ein gewisses Arbeitsvermögen, welches beim Schleudern
                              									der Lokomotive einen bedeutend höheren Wert, entsprechend dem Quadrat der
                              									Umdrehungszahl, annimmt. Wir ersetzen das Arbeitsvermögen durch eine Kraft, welche
                              									drehend am rechten Kurbelhalbmesser wirkt und einen Weg dieser Kurbel von dem Punkte
                              									des Kurbelkreises an, wo der Wasserschlag beginnt, bis zu ihrem Totpunkt. Aldann ist
                              									der Hebelarm dieser stets tangential am Kurbelzapfen wirkenden Massenkraft wieder
                              									viel größer als der des rechten Kolbens. Die Größe der auf diesen Kolben ausgeübten
                              									Kraft wird daher ebenfalls vervielfältigt.
                           Nicht berücksichtigt ist die Kraft, welche die Masse des sich in Bewegung setzenden
                              									Zuges vermittels der Reibung auf den Schienen durch die Treibachse auf den rechten
                              									Kolben überträgt, weil für den Fall des Schleuderns (Reibung annähernd gleich Null)
                              									diese Kraft nur in geringer Größe am rechten Kolben auftritt.
                           Die drei angeführten Kräfte können, wie oben ausgeführt, also eine sehr große Kraft
                              									auf das im Kompressionsraum eingeschlossene Gemisch von Dampf und Wasser vermittels
                              									des Kolbens ausüben. Das Gemisch kann aber, besonders bei viel Wasser und wenig
                              									Dampf, schon bei einer geringen Volumenverkleinerung einen beliebig hohen Widerstand
                              									leisten. Sobald jedoch der im Kompressionsraum hervorgerufene Druck die
                              									Kesselspannung um eine gewisse Größe übersteigt, erfolgt ein Bruch an der
                              									schwächsten Stelle des auf den größten Dampfdruck berechneten Triebwerks. Bieten die
                              									Sicherheits- und die Zylinderablaßventile bei großer Kolben also auch
                              									Wassergeschwindigkeit infolge Schleuderns der Lokomotive einen für Wasser zu
                              									geringen freien Querschnitt, so erfolgt ebenfalls eine so hohe Drucksteigerung des
                              									Wassers, daß eine Zerstörung des Triebwerks eintritt.
                           Anfangs brachen bei den D (4/4 gek.) Heißdampflokomotiven die Kreuzkopfkeile und
                              									Köpfe der Schubstangen, Mit deren Verstärkung trat gleichzeitig bei eintretendem
                              									Wasserschlag eine Erhöhung des Wasserdruckes im Zylinder auf. Es traten alsdann
                              									Brüche der Kurbelzapfen und Zylinderdeckel oder gar ein Reißen der Zylinder selbst
                              									ein. Bei dieser erhöhten Beanspruchung des Triebwerkes bekommen gleichzeitig die
                              									Treibachsen Anbrüche, worauf nach längerer oder kürzerer Zeit ein vollständiger
                              									Bruch derselben erfolgt.
                           Daß die Brüche der Kurbelzapfen z.B. nicht durch die infolge der größeren
                              									Zylinderdurchmesser erhöhten Kolbendrücke, sondern durch Wasserschlag bei den Schmidtschen Heißdampflokomotiven veranlaßt werden,
                              									zeigt folgende Zusammenstellung. In derselben sind die größten
                              									Biegungsbeanspruchungen in kg/qcm angegeben, welchen die Kurbelzapfen ausgesetzt
                              									sind, wenn in ihren Mittelebenen der volle Dampfdruck auf die Kolben wirksam ist,
                              									was z.B. eintritt, wenn ein Kurbelzapfen beim Anfahren sich in der Totlage befindet.
                              									In diesem Falle nehmen die zugehörigen Kuppelstangen keine Kräfte auf.
                           
                              
                                 2B (2/4
                                 gek) Personenzuglokomotive, Verbund,Pr. St.
                                 kb =
                                    											1900 kg/qcm
                                 
                              
                                 2C (⅖
                                 gek.) Personen- und Güterzuglokomotive,Zwilling, Argentinien
                                 kb =
                                    											1875 kg/qcm
                                 
                              
                                 1B (⅔
                                 gek.) Personenzuglokomotive, Verbund,Pr. St.
                                 kb =
                                    											1735 kg/qcm
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 C (3/3
                                 gek.) Tenderlokomotive, Zwilling, Pr. St.
                                 kb = 1590
                                    											kg/qcm
                                 
                              
                                 1C (¾
                                 gek.) Güterzuglokomotive, Verbund, Pr.St.
                                 kb = 1490
                                    											kg/qcm
                                 
                              
                                 D (4/4
                                 gek.) Güterzuglokomotive, Zwilling, Pr. St.
                                 kb = 1345
                                    											kg/qcm
                                 
                              
                                 D (4/4
                                 gek.) Heißdampf-Güterzuglokomotive,Zwilling, Pr. St.
                                 kb =
                                    											1075 kg/cm2
                                 
                              
                           Man sieht aus der obigen Darstellung, daß ein Kolbenschi eb er in Verbindung mit Schmidtschen Ueberhitzern nicht unter allen Umständen
                              									betriebssicher ist.
                           Völlig betriebssicher, auch bei eintretendem Wasserschlag, sind dagegen die
                              									kraftschlüssigen Lentz-Ventile. Diese Eigenschaft der
                              									Ventile ist daher von außerordentlicher Bedeutung für Heißdampflokomotiven mit Schmidtschen oder ähnlich gebauten Ueberhitzern. Die
                              									Ventile sind schon aus Pierstellungsrücksichten nicht völlig entlastet. Bereits eine
                              									geringe Steigerung des Druckes des eingeschlossenen Wassers über die Kesselspannung
                              									genügt, um die auf Ventil Schluß wirkenden Kräfte, insbesondere die Federkraft, zu
                              									überwinden und die Ventile zum Oeffnen zu bringen, wodurch sofort ein großer
                              									Auslaßquerschnitt freigegeben wird. Ein Versagen der Ventile infolge
                              									Festsitzens tritt nicht ein, weil die Ventile sich in stetigem Gebrauch befinden und
                              									die staubdicht im Ventilkasten eingeschlossenen Federn nicht verschmutzen
                              									können.
                           Mit den Lentz-Ventilen sind inbezug auf Wasserschlag von
                              										ter Meer (vgl. Z.d.V.D. Ing. 1905, S. 79)
                              									eingehende Versuche angestellt, auf welche hier verwiesen werden werden mögeBei diesen Versuchen, welche an einer liegenden
                                    											Dampfmaschine nach Fig. 28 unternommen
                                    											wurden, öffneten sich die Einlaßventile, weil der Wasserdruck auf die nicht
                                    											entlastete Ringfläche der Auslaßventile auf Schluß derselben wirkt. Bei der
                                    											Ventilanordnung nach Fig. 2 dagegen, wo der
                                    											Wasserdruck auf Oeffnen der Auslaßventile wirkt, tritt das Wasser durch die
                                    											letzteren sogleich in den Auspuffraum bzw. das Blasrohr.. Die Lentz-Ventile haben sich hier bei derart gegen
                              									Wasserschlag bewährt, daß man im Gefühl der Sicherheit an den Zylindern ortsfester
                              									Dampfmaschinen mit Lentz-Ventilsteuerung Ablaßhähne und
                              									Sicherheitsventile einfach fortläßt.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)